Startseite: www.geldreform.de
Gästebuch: www.geldreform.de
Seminar für freiheitliche Ordnung
Fragen der Freiheit
Heft 144, Mai/Juni 1980
Seite 46 – 47
Die
Brakteaten (*)
Irving
Fisher
Eines der interessantesten
Beispiele früher Geldsteuerung hierzu findet sich in dem Silberbrechgeld
Mitteleuropas zwischen 1150 und 1350 (1). Als Folge häufiger Umprägungen, die
eine Abwertung zur Folge hatten, wenn die Herrscher der in Frage kommenden
Staaten gewöhnlich etwas Metall als Gewinn einbehielten, waren die Münzen
allmählich so dünn geworden, daß sie nur auf einer Seite beprägt werden konnten
und leicht brechbar waren. Der Name »Brakteaten« kommt zweifellos davon her. In
einigen Fällen trugen sie sogar Markierungen zur Zerkleinerung, um Wechselgeld
herzustellen. Ihre Größe betrug etwa 1 bis 3 cm (2). Das Hauptmerkmal dieses
Brechgeldes war jedoch ihre von Zeit zu Zeit stattfindende Umprägung.
Durchschnittlich rief der Münzherr alle umlaufenden Münzen zwei- bis dreimal im
Jahre zum Umtausch auf und erhob ca. 25 % Schlagschatz. Die Münzhoheit
verschaffte also den Herrschern und Bischöfen ein ständiges leicht erhebbares
Einkommen.
Ein Vorteil des Brechgeldes war, daß es zum ersten Male in der
Geschichte Mitteleuropas ein Tauschmittel von kleiner Stückelung darstellte.
Die umlaufenden Gold- und Silbermünzen besaßen zu großen Wert, um dem
allgemeinen Umlauf dienen zu können. Deshalb ermöglichte das Brechgeld größere
Arbeitseinteilung. Diese eigenartige Besteuerung durch Schlagschatzerhebung
hatte aber eine andere wichtige Bedeutung. Da das Brechgeld der Umprägung und
einem 25%igen Schlagschatz nach etwa 5 Monaten unterlag, entstand ein Verlust
von einem Viertel des Münzwertes; dieser Verlust verteilte sich aber über die
ganzen 5 Monate, nach deren Ablaufzeit der Umtausch in neue Münzen erfolgte.
Der letzte Besitzer erlitt daher höchstens einen Verlust von 5 %, es sei denn,
er hätte die Münzen unnötig lange behalten (3). So muß der Schlagschatz einen
beträchtlichen Einfluß auf die Geschwindigkeit des Umlaufs der Brakteaten
ausgeübt haben. Niemand mochte Münzen mit einem monatlichen Verlust von 5 %
durchschnittlich behalten. Man bevorzugte es, die Münzen sogleich in Ware
umzusetzen. Man sagt, daß dies eine Zeit des Bargeldverkehrs war und daß
Handel, Gewerbe und Künste einen Auftrieb vom Bestreben der Menschen erhielten,
ihr Geld loszuwerden. Doch weist man darauf hin, daß irgendeine größere
Inflation der Warenpreise vermieden wurde, und die Geschichte dieses
Zeitabschnittes berichtet nichts von jenem Schiebertum, das gewöhnlich eine
Inflation begleitet. Dieses erste Beispiel einer Art Beherrschung der
Umlaufgeschwindigkeit ist von Interesse in der Geschichte der Wertbefestigung.
Nachdem das Brechgeld etwa 1350 verschwunden war, vergaß man den Grundgedanken,
bis er bestimmter in den Schriften Silvio Gesells wieder auftauchte. Nach
seinem Tode verwertete man die Beherrschung der Umlaufgeschwindigkeit in
gewissem Maße in Form von »Marken-Ersatzgeld« in den Jahren 1931-1933 in
Deutschland, Österreich und den Vereinigten Staaten.
(*) Aus »Feste Währung«
(»Stable Money«) von Irving Fisher (1867-1947) Professor an der
Yale-Universität unter Mitarbeit seines Assistenten Hans R. L. Cohrssen. Letzte
Auflage 1937 Uchtdorf-Weimar-Leipzig
1) Siehe: Hans R. L.
Cohrssen: Fragile Money, in »The New Outlook«, September.
2) Siehe auch: Dr. Wilhelm
Jesse, Quellenbuch zur Münz- und Geldgeschichte des Mittelalters, Halle, A.
Riechmann & Co., 1924. J. Schoenhof, op. cit., Fußnote S. 93. Fritz
Schwarz, Segen und Fluch des Geldes in der Geschichte der Völker, Bern, Verlag
des Pestalozzi-Fellenberg-Hauses, 1931.
3) Betr.: Umprägetermin im
Juli-August. Sprichwort: »Den letzten beißen die Hunde«. Hundstage = die Zeit
von Ende Juli bis Ende August. Sonne in der Nähe des Sirius (hellster
Fixstern). (Hundsstern im großen Hund). Zwei Sternbilder: Großer und Kleiner
Hund südlich des Äquators.