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Kapitel aus:
Hundert Einwände und Bedenken gegen Freiland - Freigeld
Zusammengestellt und beantwortet von Fritz Schwarz
III. Auflage
Genossenschaft Verlag freiwirtschaftlicher Schriften
Bern 1933
Freiland
Das freiwirtschaftliche Manifest bestimmt:
Grund und Boden des Vaterlandes darf nicht
Gegenstand der Spekulation sein.
Durch ein Bundesgesetz ist dem Staate, dem
Kanton und der Gemeinde ein Vorkaufsrecht
am Grund und Boden einzuräumen und jede Bo-
denspekulation unmöglich zu machen.
Jede Enteignung von Grund und Boden gegen
den Willen des Eigentümers ist unstatthaft. Vorbe-
halten bleiben die besonderen Voraussetzungen des
Bundesgesetzes über die Enteignung. -
Der Boden wird zurückgekauft (damit er bei sin-
kendem Zinsfuß nicht ein Raub der Spekulation
wird) und zur privaten Bewirtschaftung im Meist-
bietungsverfahren verpachtet. Nach Abzahlung der
Landschuld werden die Pachtgelder an die Mütter
nach der Zahl ihrer noch nicht 16 Jahre alten Kinder
als Familienzuschuß verteilt.
93. Einwand: Die Bauern wollen unabhängig
sein und Privatbesitz haben. Der seßhafte Bauern-
stand würde damit verschwinden.
Antwort: Der heutige Bauer ist weder unab-
hängig noch besonders seßhaft. Die Seßhaftigkeit der
Bauern und ihre Unabhängigkeit existiert heute
größtenteils leider nur in den Schlagwörterverzeich-
nissen politischer Führer. Jeder siebente Schwei-
zerbauer ist heute der Pächter eines Privatman-
nes, der von ihm den Pachtzins als arbeitsloses Ein-
kommen einzieht. Von den anderen wissen wir fol-
gendes:
"Heute steht ein Fünftel der Bauernbetriebe vor
dem Zusammenbruch, 40 000 - 50 000 Bauernfamilien
vor dem Konkurs, also in Gefahr, trotz Entbehrung
und oft unmenschlicher Anstrengung, von Haus und
Hof vertrieben, mit Weib und Kind auf die Straße
geworfen zu werden und der Armenunterstützung
anheim zu fallen.
"Gewiß, die Bauernhilfskassen, Zinssenkungen
und Kapitalstundung vermögen vorübergehend der
größten Not zu wehren, das Unglück hinauszuschie-
ben. Aber wenn die verhängnisvolle Deflations- und
Abbaupolitik fortgeführt wird, wenn das Mißver-
hältnis zwischen Produktionskosten und Produkten-
preisen weiter dauert, dann treiben wir die Land-
wirtschaft und damit unser ganzes Land in den
Abgrund."
So schrieb Nationalrat Dr. A. Gadient, der
Führer der Graubündner Bauern im Oktober 1933
in der "Nation".
Nationalrat Prof. Dr. Marbach erklärte in der
Volkswirtschaftlichen Gesellschaft des Kantons
Bern: "Wenn nicht die Bernische Bauern-
hilfskasse eingegriffen hätte, so würden
heute gegen 1600 Heimwesen unter den
Hammer kommen."
Wir haben heute 238 000 Landwirtschaftsbetriebe,
Das sind, wenn man alle Unterschiede in den Zähl-
methoden berücksichtigt, rund 25 200 Betriebe weni-
ger als im Jahre 1905. Es sind also seit 1905 täg-
lich ungefähr drei Bauernfamilien verschwunden,
zusammen ungefähr 130 000 Menschen vom Land
vertrieben worden! Geht es in diesem Tempo wei-
ter (in rund 25 Jahren rund 25 000 Landwirtschafts-
betriebe weniger!), so haben wir in 100 Jahren kaum
noch mehr als 100 000 Bauernbetriebe, dafür aber
sechs Millionen Einwohner.
Das ist kein Zufall, sondern das ist die unheilvolle
Auswirkung des römischen Bodenrechts, das
schon das römische Reich ruiniert hat, (Siehe Fritz
Schwarz: Segen und Fluch des Geldes, Band I.)
Das alemannische Bodenrecht muß so rasch
als möglich wieder hergestellt werden, wenn die
Entwurzelung und die Verschuldung des Bauern-
standes nicht weitergreifen soll.
Die Schwankungen der Preise machten den
Bauernstand zu einem der gefährdetsten Berufe. Die
stets den Wertsteigerungen des Bodens auf dem
Fuße folgenden oder ihnen manchmal noch voran-
eilenden Hypothekenlasten erhalten den Bau-
ern in dauernder Abhängigkeit von der
Hochfinanz. Abzahlungen erfolgen nur bei stei-
genden Preisen. Solche sind aber eine Schädigung
der Hypothekengläubiger und werden vergolten
durch gesteigerten Zinsfuß oder aber Kündigung der
Hypotheken. Wo bleibt da die Unabhängigkeit?
Nach dem alemannischen Bodenrecht (Freiland)
erhalten die Kinder den Hof nach dem Tode des
Vaters immer 10 % unter dem Höchstangebot der
neuen Pachtsteigerung. Weil sie die zum Gute ge-
hörenden Gerätschaften in der richtigen Größe be-
sitzen, sind sie ohnehin schon besser befähigt, den
Betrieb zu übernehmen. So werden wir gerade durch
diese Ordnung einen seßhaften, vor Preissturz, Ver-
schuldung und Ausbeutung gesicherten, Bauernstand
erhalten.
94. Einwand: Der Zins soll beseitigt werden.
Aber der Bauer soll als einziger trotzdem Zins zah-
len!
Antwort: Der Pachtzins, den der Bauer zahlt,
muß jeder Bodenbenützer zahlen - auch der städti-
sche, und dieser weit mehr als der Bauer! Der
Bodenzins kann nicht verschwinden, weil der Bo-
den heute nicht in einem solchen Ausmaß vorhan-
den ist, daß er der Nachfrage genügen kann. Häuser,
Fabriken, Schiffe usw. kann man so stark vermehren,
daß der Wettbewerb den Zins dafür auf Null senkt,
aber das Land derart zu vermehren, daß der Boden-
zins auf null sinkt, ist unmöglich. Das ist ja ge-
rade der Grund, warum der Boden der
Spekulation entrissen werden muß: der
Boden ist ein Monopol, das nicht Einzelnen ge-
hören darf, sondern das in die Hand des ganzen Vol-
kes gehört. In den Preisen der Bodenprodukte, des
Zements, des Eisens, der Kohle usw. wird der Bo-
denzins eingezogen und in dem der Boden mit seinen
Schätzen Volkseigentum und der Boden-Zins als
Familienzuschuß verwendet wird, kommt er
wieder den Kindern zugut, denen er natürlicher-
weise auch gehört: durch ihren Eintritt ins irdische
Leben schaffen sie die Nachfrage nach Boden und
damit den Bodenzins. Zahlt nun der Bauer Boden-
zins (wie es auch der Städter tut), so erhält er an-
derseits auch den Anteil seiner Kinder. Der Bauern-
stand stellt 26 % der Erwerbstätigen, hat aber 33 %
der Kinder: er bekommt also bedeutend mehr als er
zahlt - nicht etwa bloß 7 % mehr, sondern überdies
noch seinen Anteil am hohen Bodenzins in der Stadt!
So mag mancher kinderreiche Bauersmann mehr Fa-
milienzuschuß beziehen als er Pachtzins zahlen muß!
95. Einwand: Die Mütterrente führt zur
Uebervölkerung.
Antwort: Jede Vermehrung der Kinderzahl
verursacht ein Sinken des Grundrentenanteils.
Die Kinder arbeiten eben noch nicht. Sollte dieser
Familienzuschuß an der Zunahme der Geburten
schuld sein, so würde er damit bald zurückgehen.
Erfahrungsgemäß führt ein gesunder Wohlstand zu
einer mittleren Familiengröße; arbeitsloses Einkom-
men vermindert, Armut vermehrt die Zahl der Ge-
burten. Daher ist anzunehmen, daß im Freiwirt-
schaftsstaat mit seinem vollen Arbeitsertrag die na-
türliche Geburtenzahl am ehesten erreicht wird.
(Dieser Einwand wird übrigens fast nur von ledi-
gen Leuten gebracht. Sie wissen nicht, daß von 1850
bis 1910 mehr Frauen im Wochenbett als Männer auf
den Schlachtfeldern gestorben sind ...)
96. Einwand: Die Mütterrente zieht Ausländer
an.
Antwort: Der Zuzug fremder Leute mit vielen
Kindern treibt die Grundrente weniger rasch in die
Höhe als es der Zunahme der Bevölkerungsdichtig-
keit entspricht. Deshalb werden die Teile der Grund-
rente für ein Kind kleiner ausfallen und die Rente,
die den einheimischen Kindern zufällt, verkürzt,
ohne daß fremde Länder ihren Eltern einen Ersatz
geben würden. Es wird sich daher empfehlen, den
Grundsatz der Gegenseitigkeit aufzustellen,
wobei es sicher ist, daß die geordnetsten und höchst-
stehenden Staaten die Mütterrente am ersten ein-
geführt haben würden, während aus den unkultivier-
ten Völkern ohne Mütterrente der Zuzug durch Ver-
weigerung der Mütterrente nicht über das natürliche
Maß hinaus in unser Land geleitet wird.
97. Einwand: Der Boden wird ausgenützt wer-
den, wenn er Pachtboden ist.
Antwort: Die Häuser bleiben Eigentum des
Bauern. Wer den Boden ausnützt, läuft Gefahr, sein
Haus ungünstig verkaufen zu müssen, weil niemand
oder nur sehr genügsame Leute das ausgebeutete
Land übernehmen. Auch diese Genügsamen lassen
sich ihre Genügsamkeit durch einen niedrigen Kauf-
preis entschädigen. - Der Boden ist heute rasch
wieder instand gestellt. Früher kannte man als Mit-
tel hiefür nur das Brachliegenlassen, später den
Stallmist, aber heute kommt als wirksamstes Mittel
der Kunstdünger hinzu. Durch eine Vorschrift im
Pachtvertrag, dem Boden an Nährstoffen wieder zu-
zuführen, was man ihm durch Verkauf von Produk-
ten entzogen hat, kann man sich auch gegen Raub-
bau schützen, ganz ähnlich wie heute der Pächter
soviel Heu, Streue usw. zurücklassen muß wie er
übernommen hat.
98. Einwand: Eine große Staatsbureaukratie
wird für die Beaufsichtigung der Pächter usw. nötig
werden.
Antwort: Wenn der Pächter nicht arbeitet,
straft er sich selber am meisten. Er ist kein Staats-
angestellter, sondern ein freier Mann und sein Ar-
beitsertrag bleibt ihm ungeschmälert. Haben die
alten Alemannen, die unter dem von uns ver-
langten Grundrechte lebten, schon die heutige
Bureaukratie gekannt? - Der Staat mit seinem
schweren Apparat entsteht nicht durch diese
Grundrechtsordnung, sondern er entstand unter
dem neuen, die Privatgrundrente anerkennen-
den Bodenrecht! Heute ist der Bauer abhängig
von Verbänden, von Vorschriften usw. usw.! Mit
dem Verschwinden der Privatgrundrente und der
Verschuldung werden die Obliegenheiten der Ge-
meindebehörden viel einfacher als sie heute sind.
Während sie heute für die Hypothekarkasse und die
Gläubiger der Bauern zu sorgen haben, werden sie
im Freilandstaat ausschließlich für das Wohl ihrer
Gemeindebürger sorgen können, soweit es diese
überhaupt noch wünschen! Nicht die alten Aleman-
nen auf Gemeindeboden, sondern die modernen
Bauern auf Privatboden sind staatsabhängig ge-
worden!
99. Einwand: Eine Preiserhöhung von 4 %
würde die Zinsbelastung der Hypothekenschuldner
aufheben. Eine gute Preispolitik wäre daher genü-
gend für das Wohlergehen des Bauernstandes.
Antwort: Mit den Produktenpreisen steigen
auch die Landpreise. Es geschieht sogar meist so,
daß bei Landkäufen kommende hohe Produkten-
preise schon in Rechnung gestellt und die Käufe ent-
sprechend hoch abgeschlossen werden! Auch bei
Erbteilungen wird die Wertvermehrung des Bodens
berechnet und daher führt jede Preissteigerung spä-
ter mit Sicherheit wieder zu einer höhern hypothe-
karischen Belastung des Bodens: die Schraube
ohne Ende.
Jedes Steigen der Preise treibt überdies den
Hypothekarzinsfuß in die Höhe, weil in solchen Zei-
ten das Geld in Industrie und Handel reichen Ge-
winn findet und der durch die sinkende Kaufkraft
des Geldes geschädigte Hypothekengläubiger bes-
sere Anlagen sucht und sie auch sehr leicht findet.
Seit 1898 hat man in der Schweiz diese Politik ver-
treten: ihren Erfolg sieht man in der Antwort auf
den 93. Einwand.
100. Einwand: Die ganze Freiwirtschaftslehre
ist ein fein ausgeklügeltes System, mathematisch,
scharfsinnig - aber das Leben ist so vielgestaltig,
daß es sich nicht in starre Formeln zwingen läßt; so
wird sie zu einer Utopie. Die Besserung muß von
der Aenderung der Gesinnung und vom Politisch-
Ethischen her kommen.
Antwort: Das Freigeld hatten wir zur Zeit
der Brakteaten, dann wieder in Wörgl,
es fehlte nur
noch die feste Währung. Diese hatten wir in der
Schweiz vom September 1927 bis im April 1929. Das
Freilandrecht hatten wir in der Schweiz länger als
das heutige Bodenrecht. In den Forderungen der
Freiwirtschaftslehre liegt somit gar nichts, das nicht
schon einmal verwirklicht gewesen wäre: was aber
einmal gewesen ist und was sich bewährt hat, das
ist keine Utopie. Utopie aber wäre es, an die
Unveränderlichkeit der heutigen Wirtschaftsord-
nung zu glauben. Wir müssen weiter! Und wir
wollen weiter, bewußt und überlegt -
in die ausbeutungslose Freiwirtschaft.
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Dieser Text wurde im Februar 1998 ins Netz gebracht von Wolfgang Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.