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Kapitel aus:

Hundert Einwände und Bedenken gegen Freiland - Freigeld
Zusammengestellt und beantwortet von Fritz Schwarz
III. Auflage
Genossenschaft Verlag freiwirtschaftlicher Schriften
Bern 1933


Bedenken moralischer Art
gegen die natürliche Wirtschaftsordnung
 
Die im Menschen wirksamen Kräfte sind zugleich
die in der Volkswirtschaft wirksamen. Der stärkste
Trieb im Menschen ist der Selbsterhaltungs-
trieb. Der Selbsterhaltungstrieb des kommenden
Geschlechts wird als Arterhaltungstrieb
bezeichnet. Eine Wirtschaft, die stark, natürlich und
in sich gefestigt sein soll, darf weder den einen noch
den andern Trieb ausschalten wollen. Eine auch vom
Geistigen her gefestigte Wirtschaft muß sich in erster
Linie auf den Selbsterhaltungstrieb stützen
können, weil er der erste und stärkste Trieb jedes
Lebewesens und die unentbehrlichste Voraussetzung
für den Arterhaltungstrieb (Altruismus) ist.
Nur der Selbsterhaltungstrieb ist stark genug, um
die natürliche Trägheit des Menschen zu
überwinden. Der Arterhaltungstrieb vermag das
nicht, wenigstens nicht auf die Dauer.
 
 
 
 
1. Einwand: Freiland-Freigeld steht im Wider-
spruch zu den Lehren des Christentums, das die
Nächstenliebe (Altruismus) fordert und den Selbst-
erhaltungstrieb verurteilt.
 
Antwort: 1. Ohne die Erhaltung seines
"Ichs" ist auch die Nächstenliebe un-
möglich. Jesus stellt denn auch die Gottesliebe
vor die Nächstenliebe (Matth. 22, 37-39). Aber
auch die Gottesliebe kann letzten Endes nur die
Hingabe seiner selbst als Werkzeug des gött-
lichen Willens sein und erfordert somit die Liebe
zu sich selbst und die Achtung unserer
selbst als eines Werkzeugs Gottes. In der
Selbsterhaltung liegt die Erfüllung des vornehmsten
und größten Gebotes, sobald der Mensch im Sinne
des Schöpfers arbeitet.
 
2. Wer sich gegen den Selbsterhaltungstrieb als
Grundlage der Wirtschaft wendet, verwechselt in der
Regel den Selbsterhaltungstrieb mit der Selbst-
Sucht. Diese allerdings ist krankhaft und wir ver-
urteilen sie, als Ausfluß der heutigen Wirtschafts-
ordnung, aufs schärfste. Der Ausdruck "Egois-
mus" führt stets zu Verwirrung, weil er sowohl für
Selbstsucht als auch für Selbsterhaltungstrieb ge-
braucht wird - also für zwei grundverschiedene
Dinge! Daher Vorsicht mit diesem Ausdruck!
 
3. Die wenigen wirtschaftlichen Vor-
schriften des Christentums decken sich
mit den Zielen der Freiwirtschaftsbewe-
gung. Lukas 6, 35: "Leihet, daß ihr nichts dafür
hoffet, so werdet ihr groß sein und werdet Kinder
des Allerhöchsten heißen." 2. Thessal. 3, 10:· Wer
nicht arbeitet, soll auch nicht essen. - In den Psal-
men, in Hesekiel, ja schon bei Moses finden sich
Zinsverbote. Es gibt überhaupt keine Religion,
die den Zins gestattet! Und warum? - Weil das
Zinsnehmen die Ausnützung der Notlage anderer ist
und daher dem Sinne jeder Religion zuwiderläuft.
Religion haben heißt „verbunden sein mit andern"
- der Zins aber trennt die Menschen in Ausbeu-
ter der Notlage anderer und in Ausgebeutete; er
schließt Religion (Verbundensein) glattweg aus.

4. Die kommunistische und sozialistische Wirt-
schaftsordnung, die auf den Altruismus abstellt, wird
von allen Kennern der menschlichen Natur als un-
möglich hingestellt; sie ist auch auf die Dauer un-
möglich, wie alle Erfahrungen zeigen.



2. Einwand: Die ungehemmte Auswirkung des
Selbsterhaltungstriebes führt zum Kampf aller ge-
gen alle.

Antwort: Nur, wenn der Einzelne
Dinge in sein ausschließliches Verfü-
gungsrecht bekommt, deren Besitz ihn
in den Stand setzt, andere auszubeuten.
Dann wollen sich bald alle diese Dinge verschaf-
fen, um sich gegen die Ausbeutung zu schützen -
und um selber andere auszubeuten! Im Vorhanden-
sein solcher Dinge liegt somit eine große Gefahr für
den Menschen.
Boden, der in unzureichender Menge vorhan-
den ist, ermöglicht seinem Besitzer den Bezug von
Bodenzins (Grundrente), den er nicht durch
eigene Arbeit verdient hat. Gegen den Bodenwucher
setzen sich die durch ihn Ausgebeuteten zur Wehre.
Darum verlangen wir Freiland, um damit die
Möglichkeit zum Bezug privater Grundrente zu be-
seitigen. Geld hat den Waren gegenüber den Vor-
teil der Unverderblichkeit und der leichten Ein-
tauschbarkeit; es kann deshalb Zins erzwingen; das
Dauergeld von heute hat ein natürliches Monopol als
bestes Hamstergut. Privatgrundbesitz und
Dauergeld sind die zwei Voraussetzungen der
Ausbeutung und damit des Klassenkampfes. Wenn
die Geldverwaltung den allgemeinen Preisstand
schwanken läßt, entstehen Gewinne ohne Arbeit
(Spekulationsgewinne) und diese bringen Streit, Haß
und Neid in jedes Volk. Daher muß die Festwäh-
rung diesen Anlaß zum Kampf der verschiedenen
Volkskreise beseitigen.
Freiland, Freigeld und Festwährung führt durch
Ausschaltung der Ausbeutung den wirtschaftlichen
Frieden herbei. Der Kampf aller gegen alle entsteht
durch den Arbeitsmangel oder durch den Einkom-
mensmangel, und beide sind die Folgen der allgemei-
nen Preisschwankungen und des Zinses. Die Mo-
nopole trennen die Menschen und führen
zum Kampf aller gegen alle, die Ausschaltung aller
Monopole führt die Menschen zu gemeinsamer Ar-
beit zusammen!


3. Einwand: Die Menschen muß man bessern,
dann braucht man die Freiwirtschaft nicht. Freigeld
macht den Menschen nicht besser. Wir brauchen
eine sittliche Erneuerung der Menschen.

Antwort: 1. Wir sind die letzten, die dies ver-
kennen und stehen keinem Menschen vor der Mög-
lichkeit, sich zu bessern; im Gegenteil, wir empfeh-
len dies allen, die uns darauf aufmerksam machen!
Jede Besserung muß aus dem Gewissen heraus er-
wachsen.

2. Alle beim Menschen einsetzenden Bewegun-
gen, auch das Christentum z. B., haben aber immer
auch wirtschaftliche Vorschriften gegeben, so
z. B. die Zinsverbote. Wir anerkennen sittliche
Gedanken, möchten aber auch sittliche Taten
sehen. Zu diesen sittlichen Taten gehört auch das
Eintreten für eine Wirtschaftsordnung, die gerecht
ist, indem sie die Monopolvorrechte beseitigt: die
Freiwirtschaft. Das ist das Einfachste und Erste was
wir verlangen. Wer aber schon hier versagt und uns
z. B. erklärt, daß er die Wirtschaftsfragen nicht stu-
dieren möge, soll von jeder Erneuerung schweigen,
wenn er nicht einmal die sittliche Kraft aufbringt,
um die einfachsten Voraussetzungen solcher Erneue-
rungen zu studieren.

3. Was die Sittenlehre erreichen muß, ist die
Ausschaltung des zum Bösen verführenden
Dauergeldes und des Grundrentenbezugs
aus dem Wirtschaftsleben. Solange dies nicht ge-
schehen ist, nützen die Morallehren viel weniger
als sie nachher nützen werden. Weil unter dem heu-
tigen Geldsystem ein Finanzmagnat genügt, um das
ganze Volk in Not und Sorge zu versetzen, entsteht
immer neu Angst, Furcht und das Gefühl der Un-
sicherheit. Diese Gefühle aber treiben den Men-
schen zum übertrieben starken Streben nach Besitz:
zur Selbstsucht!

4. Wir wollen aber die Steine entfernen, die
sich heute den beim Menschen selbst einsetzenden
Kulturbewegungen in den Weg stellen. Wie ein Gärt-
ner zuerst die Steine aus seinem Gartenbeet ent-
fernt, um den Pflanzen das Wachsen zu ermöglichen,
so wollen auch wir die äußern wirtschaftlichen Hem-
mungen beseitigen, die der Entfaltung des Besten im
Menschen hindernd in den Weg treten.

5. Wir glauben aber nicht, daß wir die Pflanzen
wachsen machen können. Wir betrachten daher alle,
die nur von der Besserung des Menschen reden,
aber nicht Hand bieten wollen zum Bessern der
Verhältnisse, mit einem leisen Mißtrauen. Liegt
nicht in diesen Bestrebungen ein wenig Selbst-
überhebung und vielleicht ein wenig Nichthelfen-
wollen? Die äußern Verhältnisse (Geld, Privatbe-
sitz) haben wir Menschen gemacht; die Menschen
selber aber sind Geschöpfe einer höhern Macht.
Aendern wir daher, was menschlichen Ursprungs
ist, unser Geld und unser Bodenrecht (beides
steht ja im Gegensatz zu den Lehren aller Religionen)
und die Besserung des Menschen beginnen wir bei
uns.

6. Die Blaukreuzbewegung arbeitet übrigens ganz
in unserem Sinne: um den Menschen innerlich zu
heben, wird ihm zuerst etwas Aeußerliches (der
Alkohol) versagt. Und dieses mechanische, äußerliche
Vorgehen hat doch tiefgreifende Folgen.



4. Einwand: Das Wohlergehen wird den Men-
schen nichts nützen, sie werden dadurch nur aus-
schweifender werden. Eine große Not allein macht
den Menschen besser.

Antwort: Tatsächlich führt ein Glücksfall,
leicht verdienter Reichtum oder eine Erbschaft den
Menschen leicht zu Verschwendungssucht usw. Ganz
anders aber, wenn jede Einnahme bedingt ist durch
eine Arbeitsleistung! Da wird das Ausgeben des Gel-
des in allen Kreisen sorgfältiger geschehen als wenn
es ohne Arbeit eingeht oder erspekuliert wird. Die
Verschwender sind heute meistens Leute, welche
ihren Besitz geerbt oder gewonnen haben und nicht
wissen, was arbeiten und verdienen heißt! Die Frei-
wirtschaft kennt nur verdienten Besitz, keinen
"gewonnenen" und keinen arbeitslosen!
Die große Not darf nicht von außen kommen,
sondern sie muß als innere, geistige Not emp-
funden werden. Gegen die äußere Not wehrt sich
der Mensch mit äußern Mitteln. Innere Not fühlt der
Gutgestellte oft stärker als der Arme. Mit der äußern
Not beseitigen wir die innere nicht, sondern ge-
ben dem Menschen die Möglichkeit, sich mit ihr
frei auseinanderzusetzen. Sehr viel innere Not aber
wird auch mit der natürlichen Wirtschaftsordnung
verschwinden durch die Aenderung der äußern Ver-
hältnisse. Viele reichen Leute leiden selbst darunter,
daß sie von arbeitslosem, unverdientem Einkommen
leben. Der "Gutsituierte" von heute ist in Wirklich-
keit gar nicht "gut situiert", weil er das unsittliche
arbeitslose Einkommen bezieht. Aber auch der Arme
ist nicht "gut situiert", weil er ausgebeutet ist.
Es gibt auf der Erde drei Zonen; die heiße, da
werden die Menschen faul und krank; aufs wirt-
schaftliche Leben übertragen sind das die Zinsbezü-
ger; dann die kalte; da gehen die Menschen auch zu-
grunde; wirtschaftlich betrachtet sind das die Armen;
endlich ist noch die gemäßigte Zone; da muß gear-
beitet werden, man geht weder am Mangel noch am
Ueberfluß zugrunde: das ist die ausbeutungslose
Freiwirtschaft, wo die Arbeitenden erhalten, was sie
Verdienen.


5. Einwand: Ihr Freiwirtschafter glaubt, mit
der Freiwirtschaft habt ihr den Menschen den Him-
mel auf Erden gebracht. Aber mit der verwirkli-
chung des Rechts auf den vollen Arbeitsertrag sind
noch lange nicht alle Probleme gelöst!

Antwort: O nein! Sicher nicht! Wir haben das
auch nie gesagt, das wird uns nur unterschoben. Wir
sagen jedoch: Wenn wir die wirtschaftlichen Pro-
bleme nicht lösen, bleiben sehr viele andere Pro-
bleme unlösbar! Die Wirtschaft ist hinter der Ent-
wicklung der Technik und hinter den anderen Wis-
senschaften weit zurückgeblieben. Wir sind uns klar
bewußt, daß wir mit unseren Vorschlägen nur die
wirtschaftliche Seite der sozialen Frage lösen.
Aber wir sind auch überzeugt, daß ohne die Erle-
digung der wirtschaftlichen Frage die soziale
Frage nicht gelöst werden kann und daß ihre Lö-
sung die Erledigung aller andern Fragen zum min-
desten erleichtert. Wir halten daher niemand von
seiner Betätigung auf andern Gebieten fern, sondern
unterstützen persönlich alle andern Bewegungen, die
das Glück der Menschen bezwecken, weil wir
überzeugt sind, daß dazu nicht allein wirt-
schaftliches Wohlergehen gehört. Aber diese
Einsicht wird uns nicht daran hindern, für grund-
legende wirtschaftliche Reformen mit aller
Kraft einzutreten, und zwar deshalb, weil wir wis-
sen, daß diesen Besserungsvorschlägen durch die Be-
züger arbeitslosen Einkommens mittelbar und un-
mittelbar viel größere Widerstände entgegengestellt
werden als dies auf irgend einem der andern Ge-
biete der Fall ist. "Andächtig schwärmen ist leichter
als gut handeln", sagt Lessing, und mancher
reiche Herr gibt große Summen für andächtige
Schwärmereien aus - damit er nie gut zu handeln
gezwungen wird, d. h. seinen Mitmenschen nicht
ihren vollen Arbeitsertrag lassen muß. Darum tre-
ten wir so unentwegt für wirtschaftliche Reformen
ein. Mit seinen persönlichen Problemen aber
muß sich auch in der Freiwirtschaft jeder Mensch
selber abmühen: "Das Himmelreich ist inwendig, in
Euch!" - Wir geben dem Menschen eine Wirt-
schaftsordnung, die nicht im Widerspruch zur Sitten-
lehre steht und die dem Menschen alle Möglichkeit
nimmt, durch die Betätigung seines gesunden Selbst-
erhaltungstriebes andern zu schaden. Wir machen
das ganze Volk zu Arbeitenden und damit zu
einem Volke, das zusammenhält und nicht in
Klassen zerfällt.



6. Einwand: Nachfrage und Angebot sind heute
nicht frei. Syndikate, Kartelle und Trusts beeinflus-
sen das Angebot, Preisverabredungen setzen das
Gesetz, daß Nachfrage und Angebot den Preis be-
stimmen, ebenfalls außer Kraft und schließlich be-
stimmen die in der Ware enthaltene Arbeitskraft
und außerdem noch die Produktionskosten den Preis
der Ware.

Antwort: Gerade die Syndikate, Kartelle und
Trusts suchen durch ihre Tätigkeit das Angebot
zu beeinflussen, wodurch sie die Wirksamkeit dieses
Gesetzes ja geradezu selbst hervorheben, indem sie
sich seiner bedienen und z. B. das Angebot zu ver-
mindern suchen, um den Preis zu halten oder zu
heben. - Preisverabredungen, die nicht
gleichzeitig eine Beschränkung des Angebots durch-
setzen können, sind auf die Dauer unhaltbar. - Die
Arbeitskraft bestimmt den Preis einer Ware
durchaus nicht, denn es werden im Preis auch Zin-
sen und Spekulationsgewinne verrechnet. - Auch
die Produktionskosten sind von Nachfrage
und Angebot abhängig, da sie aus Preisen und
Löhnen bestehen. - Zusammenfassend muß man
also sagen: Alle Einflüsse, die auf den Preis einwir-
ken, gehen über diese beiden "Rollen" Nachfrage
und Angebot, etwas anderes gibt es bei genauer Be-
trachtung nicht; jeder Versuch, die Preise zu be-
einflussen, geht entweder auf die Veränderung der
Nachfrage oder auf die Veränderung des Angebots
aus. Auch die Preisvoraussage zieht immer nur diese
beiden Größen in Betracht.
Uebrigens: alle Trusts usw., die sich bisher halten
konnten, gründeten ihre Macht auf Produkte des
Bodens (Petrol, Kohle, Eisen, Stahl, Kali, Alumi-
nium). Die Bodenschätze aber fallen unter den Be-
griff Freiland und verlieren ihre Monopolrechte
durch die Reform des Bodenrechts. Alle andern
Trusts (Müller, Milchproduzenten, Bierbrauer, Scho-
kolade usw.) sind der Geldverwaltung gegenüber
ohnmächtig: man denke z. B. an den Zusammenbruch
der Milchproduzentenverbände 1921 und 1929 in der
Zeit der Goldumlaufsverminderung: mit der Beherr-
schung des Geldumlaufs beherrscht man alle anderen
Trusts; der mächtigste ist eben stets der Geld-
Trust.
Die Monopole der Besitzer von Realkapi-
talien werden gebrochen durch das Freigeld,
dessen Zins immer dem Nullpunkt zustrebt. Hebt ein
Trust seine Gewinne über dem Durchschnittszinsfuß
hinaus, also über Null, so ist das dann ein unwider-
stehlicher Anziehungspunkt für die Spargelder aller
andern - ja selbst der eigenen - und gleich ist die
Konkurrenz da. Heute streikt aber das Geld in sol-
chen Fällen - das Freigeld aber streikt nie.
Versucht sich eine Gruppe durch Preistreibereien
höhere Gewinne zuzuschanzen, dann bekommen die
andern Waren (Surrogate) umso größere Anziehungs-
kraft. Ihr Absatz steigt auf Kosten des Umsatzes des
Trusts. Was hat er erreicht? Man darf eben nicht
vergessen, daß der Geldumlauf nicht vermehrt wird,
wenn die Warenmenge nicht vermehrt worden
ist (Grundsatz der festen Währung!) und daß infolge-
dessen einzelne Preise sinken müssen, wenn an-
dere steigen. Diese tieferen Preise werden ein An-
sporn zum Ersatz der verteuerten Trustwaren sein.
Und man vergesse nie, daß Monopolwaren, wie
Kohle, Elektrizität oder Kali zu Freiland gehören
und damit der Willkür des Einzelnen in Bezug auf
Preisgestaltung entrissen sind. (Vergleiche "Natür-
liche Wirtschaftsordnung": Freiland in der Praxis.)


7. Einwand: Nicht Nachfrage und Angebot be-
stimmen den Preis, sondern der Preis bestimmt die
Nachfrage: bei tieferem Preis wird mehr gekauft.

[Professor Dr. Böhler, Zürich.)

Antwort: Eine theoretische Behauptung muß
durch Tatsachen untermauert werden können. Als
1929 die Preise ins Wanken kamen, sank der Welt-
handel (Supplément du Bulletin mensuel de Statis-
tiqe, Nr. 5, 1933, S. 6) von 100 auf 39,1, in der glei-
chen Zeit, in der der Preisstand von 100 auf 69 sank.
Nach Prof. Böhler hätte nun der Umsatz im Welt-
handel daher statt von 100 auf 39 zu sinken von
100 auf 131 steigen sollen! Er hielt sich aber nicht
an diese Theorie, weil sie falsch ist: der Preis ist
nicht zuerst da, sondern Angebot und Nach-
frage, diese spielen sich auf dem Markt gegenein-
ander ein und der Preis ist dann das Ergebnis
dieses Einspielens; der Preis ist das letzte und
nicht das erste Glied des Verhältnisses N : A = P.
Wäre der Einwand richtig, so wäre keine "Valori-
sation" nötig!



8. Einwand: Die Nachfrage ist das Bedürf-
nis nach Waren, nicht das umlaufende Geld!

Antwort: Ohne Geld kann man in der heu-
tigen Wirtschaft an ungestillten Bedürfnissen zu-
grunde gehen, z. B. verhungern oder infolge mangeln-
der Pflegemöglichkeiten an Tuberkulose sterben (die
restlose Beseitigung der Tuberkulose, so sagen die
Aerzte, sei nur eine Geldfrage!). Nein, die Bedürf-
nisse sind noch keine Nachfrage, sondern sie wer-
den erst zu Nachfrage durch das zum Zahlen hinge-
legte Geld! Die Bedürfnisse sind unmeßbar, die
Nachfrage dagegen ist die Geldmenge, vermehrt
durch ihre Umlaufsgeschwindigkeit.


9. Einwand: Die Nachfrage kann nur durch
das Einkommen in Erscheinung treten. Nicht das
umlaufende Geld, sondern das Einkommen ist Nach-
frage. (Prof. Liefmann und Prof. Böhler.)

Antwort: Das wäre richtig, wenn die Einkom-
men immer gleichmäßig wieder ausgegeben würden.
Das ist aber nicht der Fall: einige halten ihr Geld
zurück, andere "leben über ihre Verhältnisse", grei-
fen Ersparnisse oder Ererbtes an und halten so eine
größere Nachfrage als ihr Einkommen ihnen gestat-
ten würde; auch bei Lebensversicherten, bei Pensio-
nierten und bei Schuldenmachern stimmt ihre Nach-
frage in Läden usw. nicht mit ihrem Einkommen
überein. - Dagegen zeigt jede genauere Beobach-
tung, daß die Nachfrage genau mit dem umlaufenden
Geld übereinstimmt.
Die Behauptung, neues Geld wirke sich nicht so-
fort aus, sondern erst als "Einkommen", wird eben-
falls durch die Tatsachen widerlegt: jede Verminde-
rung wie auch jede Vermehrung des Geldes wirkte
sich 1914-1918 in der Schweiz sofort aus, und
zwar deswegen, weil die Umlaufsgeschwindigkeit
des Geldes in der Zeit der starken Preissteigerung
hoch ist. Die Staaten haben in der Zeit der Inflation
kein "Einkommen" und sie halten doch in größtem
Umfang "Nachfrage", und in Krisenzeiten gehen die
Einkommen zuerst nicht zurück, aber die Nachfrage
sinkt sehr stark, weil das Geld gehamstert wird.
Mit der Einführung der festen Währung wird das
Einkommen aller Arbeitenden ständig erhöht, mit
je ein Prozent Sinken des Zinsfußes um rund 20 Pro-
zent. Nach dem Verschwinden des Zinses steigt das
Einkommen der Arbeitenden entsprechend der Zu-
nahme der Arbeitserzeugnisse, die nun ausschließ-
lich Arbeitenden zufallen.


10. Einwand: Die Freigeldtheorie ist mathe-
matisch, die Vielgestaltigkeit des Lebens läßt sich
nicht in eine einfache Formel fassen.

Antwort: Die Anwendung der Mathematik in
der Volkswirtschaft ist allerdings nicht leicht, weil
es sich hier um dynamische und nicht um statische
Probleme handelt. Aber kein Volkswirtschafter
(außer Professor Böhler, siehe 7. Einwand!) bezwei-
felt z. B. die Richtigkeit des Gesetzes von der Be-
stimmung des Preisstandes durch das Verhältnis
von Nachfrage zu Angebot. Den Inhalt dieses Geset-
zes darf man auch mathematisch ausdrücken:

N : A = P.

Gegen diesen Satz wird also kein stichhaltiger Ein-
wand erhoben. Ist es nun nicht denkbar, daß man
die Größen N, A und P auf ihre einzelnen Bestand-
teile untersucht? Dabei zeigt es sich, daß das ganze
Leben des wirtschaftenden Menschen sich in den
drei Größen widerspiegelt: die Spekulation, alle
Hoffnungen, alle Furcht, alle Erwartungen, alles
Draufgängertum und alles Zögern. Gerade die Um-
laufsgeschwindigkeit des Geldes ist das
Spiegelbild menschlichen Denkens - aber gerade
hier stand man bis zur Erfindung des Freigelds vor
dem unlösbaren Problem: wie regle ich sie?! Die
ganze Mathematik der Freigeldlehre erschöpft sich
in der Untersuchung des Satzes, daß die Nachfrage
im Verhältnis zum Angebot den Preis bestimme und
daß die Nachfrage dem Angebot angepaßt werden
müsse! - Wie kam übrigens Dr. Christen dazu, die
Mathematik anzuwenden? Man warf Gesell be-
ständig vor, er sei "nicht wissenschaftlich". Da sagte
der Doktor der Mathematik Christen: "Die me-
thodisch am weitesten durchgearbeitete Wissen-
schaft ist die Mathematik. Zeigen wir also den Kri-
tikern, daß, was Gesell volkstümlich darstellte,
auch mathematisch gezeigt werden kann." Da-
her schrieb er: "Das Geldwesen ein dynamisches
System" - und jetzt sagen die Kritiker: Das Leben
ist nicht mathematisch erfaßbar! Wie soll man sol-
che Leute eigentlich befriedigen? Wollen sie über-
haupt von der Freigeldlehre befriedigt sein?!


11. Einwand: Die Preisstatistik ist noch nicht
gut durchgeführt. Alle Preise werden nach Gewicht
berechnet, was bei Partituren, Bildern, Romanen
usw. kein unbedingt zuverlässiges Maß ihres Wertes
abgibt.

Antwort: 1. Für die Ein- und Ausfuhrstatistik
genügte diese Messungsart bisher.
2. Sie wird selbst dem Künstler weiter genügen,
wenn für ihn der Lebenskostenindex der gleiche
bleibt, während sein Honorar mit den steigenden
Arbeitslöhnen ebenfalls steigt.
3. Alle Zahlungen lösen sich in Preise auf, und
wenn die Preise von 80-100 der wichtigsten Grund-
stoffe im Durchschnitt auf der gleichen Höhe
bleiben, so sind die 10 000 weiteren Preise unwich-
tigerer Dinge damit in den Grundzügen festgelegt.
4. Im übrigen hindert niemand die Preisstatistiker
an der Verfeinerung ihrer Methoden, wie auch noch
heute niemand die Bäcker hindert, besseres Brot zu
backen, trotzdem wir Brot schon seit Jahrtausenden
kennen!
5. Bisher hielt man nur den Goldpreis fest.
Dieser ist schätzungsweise eintausendmal weniger
umfassend als der Warenpreisindex. Warum hat man
sich an dieser Tatsache bisher nie gestoßen?!


12. Einwand: Kann man denn die umlaufende
Geldmenge nach Belieben vergrößern oder vermin-
dern?

Antwort: So gut wie man es bisher konnte!
Vom l. Juni 1914 bis l. Juni 1915, als bei uns die
Warenmenge rasch abnahm, weil die Leute an der
Grenze standen und nicht arbeiten konnten, ver-
mehrte man die Notenausgabe um 53 %; vom 31. De-
zember 1919 bis am 23. August 1922, als die Leute
gerne gearbeitet hätten und fremde Erzeugnisse
massenhaft über die Grenze kommen wollten, konnte
man den Geldumlauf von 1036 Millionen auf 725
Millionen vermindern, also um 30 %. Bringt man es
fertig, das Geld zu einer Zeit zu vermehren, wo dies
überflüssig, ja schädlich ist, und es zu vermindern,
wenn es dringend notwendig und nützlich wäre, so
kann man es wohl auch vernünftig mehren oder
mindern!

Mittel zur Vergrößerung des Geldum-
laufes sind:

1. Die Erklärung, daß die Preise nicht mehr weiter
sinken dürfen; dies nur in einem Land, wo bisher
Preisabbaustimmung gemacht wurde. Diese Er-
klärung bringt viel schon vorhandenes Geld ins
Rollen.
2. Herabsetzung des Diskonts (1) und des Lombard-
satzes (2).
3. Erleichterung der Bedingungen für Leihgeld bei
der Notenbank (in der Schweiz und wohl auch
anderwärts haben wir Bestimmungen, welche den
arbeitenden Ständen den Bezug von Diskontgeld
geradezu unmöglich machen).
4. Ankauf von Staatsschuldenscheinen durch die
Notenbank.
5. Steuernachlaß und sofortige Auszahlung eines ent-
sprechenden Betrages an die Kassen der Gemein-
den usw.
6. Erhöhung des Schwundsatzes, wodurch eine Er-
höhung der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes
erzielt wird.
7. Herabsetzung oder gänzliche Beseitigung indirek-
ter Steuern (Zölle!) und Ersatz des Ausfalles in
der Staatskasse durch die Notenpresse.
Wohlverstanden: alle diese Maßnahmen werden
nur ergriffen, wenn der Geldumlauf wirklich er-
höht werden. Muß. Die übermäßige Erhöhung
1914-1920 wurde allein durch die Anwendung der
Punkte 2., 3. und 5. =(Reskriptionsscheine!) herbeige-
führt. Man kann also das Geld sehr leicht ver-
mehren!

Geldverminderung wird erreicht durch:

1. Die Erklärung, daß die Preise nicht mehr steigen
dürfen, in Ländern, welche bis dahin Preissteige-
rung gehabt haben.
2. Erhöhung des Diskonts und des Lombardsatzes.
3. Kündigung von Lombarddarlehen und Ablaufen-
lassen des Wechselportefeuilles.
4. Verkauf von Staatsschuldtiteln durch die Noten-
bank oder deren Rückgabe gegen bar an den
Staat.
5. Steuerzuschläge.
6. Herabsetzung des Schwundsatzes.
7. In Notfällen: gestaffelte Vermögensabgabe.
Von Ende 1919 bis 23. August 1922 hat man den
Notenstand der Schweiz um 30 % gesenkt, indem
man nur die Punkte 1., 2., 3. und 4. anwendete: man
kann also auch den Geldbestand sehr leicht vermin-
dern, sobald man will.


13. Einwand: Der feste Durchschnittspreisstand
sichert noch keine Einzelpreise, und gerade auf
diese kommt es den verschiedenen Ständen an. Der
feste Preisstand sichert den Einzelnen nicht vor der
Entwertung seines besonderen Produkts, von dessen
Preis er abhängig ist. So kann der Bauer z. B. nicht
kaufen, wenn seine Produkte sinken.

Antwort: Der bisherige schwankende oder gar
sinkende Preisstand sichert die Preise der Einzel-
waren überhaupt nicht! Die dem Warenangebot nie
richtig angepaßte Geldversorgung von heute bringt
ohne Verschulden der Produzenten die Preise ins
Schwanken, und die Produzenten wissen nie, ob der
Fehler bei der Produktion, im Angebot, oder auf
Seite der Nachfrage, im Geldumlauf zu suchen ist.
Was wir heute als Anarchie der Produktion bezeich-
nen, ist wenig anderes als die Anarchie des Geldum-
laufs, der die Produktion unsicher macht. Eine gutge-
regelte Geldversorgung, die den Durchschnittspreis-
stand regelt, läßt sofort erkennen, ob zu viel oder
zu wenig produziert worden ist, weil sich nun jedes
Schwanken von Einzelpreisen sofort als von der
Warenseite herrührend verrät. Bisher konnte
stets auch die Geldseite schuld an den Preisverän-
derungen sein. So werden die Ausschläge der Ein-
zelpreise gerecht und nicht schädlich sein.
Nach den Erfahrungen in den Jahren festeren
Preisstandes, gerade von 1927 bis 1929, zeigt sich,
daß ein fester Durchschnittspreisstand (Index) sehr
viel zur Festigung der Einzelpreise beiträgt. Und
klar, warum! "Die Unternehmer hatten nun eine
feste Kalkulationsbasis", schrieb der "Bund" anfangs
1929 über das Jahr 1928, in dem der Index nicht
geschwankt hatte. Sie wußten nun, daß Preisschwan-
kungen von der Produktionsseite herkamen und
konnten sich sofort darauf einstellen, die Produk-
tion (bei steigenden Preisen) auszudehnen oder
(bei sinkenden Preisen) einzuschränken. Sie wußten:
die Aenderung des Preises kommt nicht vom Geld,
sondern vom Warenangebot her! (Siehe auch noch
den 15. Einwand.)
Ein Sinken der landwirtschaftlichen Produkte
oder das Sinken eines Erzeugnisses der Industrie ist
unter fester Währung stets auf ein vermehrtes An-
gebot infolge einer sehr guten Ernte oder aber auf
eine Verbilligung der Herstellung infolge technischer
Verbesserungen zurückzuführen. Auf diese Weise
kommen solche Vorteile den Konsumen-
ten zugut. Für die Produzenten entsteht dadurch
kein Nachteil, da die große Ernte oder die techni-
sche Verbilligung den Minderpreis zum Mehrerlös
macht, während dies gerade unter der ungenügenden
Geldversorgung nicht der Fall ist!


14. Einwand: Der bargeldlose Verkehr wird
die Tätigkeit des Währungsamtes stören.

Antwort: Nach Professor Gresham vertreibt
immer das schlechtere Geld das bessere aus dem
Verkehr. Welches ist in unserem Falle das schlech-
tere, das: Geld in der Tasche, oder das Geld in der
Bank oder auf dem Postcheckkonto? Sicher werden
wir immer zuerst das bare Geld weggeben, um dem
Schwund zu entgehen! Denn das Freigeld ist ebenso
verderblich wie die Waren und man gibt es daher
ebenso rasch weg, wie heute der Kaufmann dem
Kunden die Waren liefert - weil er so einem mög-
lichen Schaden an ihnen zu entgehen sucht!
Damit hat das Bargeld die größtmögliche
Umlaufsgeschwindigkeit. Es kommt rasch
herein, die Barzahlung wird die Regel, die Voraus-
zahlung ist keine Seltenheit mehr. Damit werden
eine Menge Wechsel überflüssig, weil sie
recht oft nur eine Art Ueberbrückungskredit sind
zwischen dem Kunden, der nicht zahlt, und dem
Großkaufmann, der über das Geld verfügen möchte.
Hätte der Kaufmann seine Ausstände in der Kasse,
so wäre das Unterzeichnen des Wechsels überflüs-
sig: er könnte bar zahlen.
Ist die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes im-
mer auf dem höchsten Punkte, so tritt das neu in
Verkehr gesetzte Geld sofort als Nachfrage auf, aus
dem Verkehr zurückgenommenes Geld fehlt auch
sofort als Nachfrage; jede Veränderung der Geld-
menge wirkt sich sofort auf die Preise aus. Das be-
obachtete man 1914-1918 in der Schweiz und von
1920 ab in Deutschland: das erste Aufhören des Geld-
zuflusses in die Wirtschaft zeichnete sich sofort
durch einen Preiseinbruch aus und 1923 wurde die
deutsche Rieseninflation auf den Tag und auf dem
Punkt 4,2 Billionen genau abgestoppt. Geld mit der
höchsten Umlaufsgeschwindigkeit ist ebenso leicht
zu lenken wie ein Fahrrad leichter zu lenken ist,
wenn es in schnellem Laufe ist.
Die sogenannten bargeldlosen Zahlungsarten sind
nur deshalb im Warenhandel aufgekommen, weil
die Umlaufsträgheit des heutigen Dauergeldes dazu
zwang. Letzten Endes steht auch hier Bargeld da-
hinter. Denn man muß den Wechsel einmal einlösen
und für den Scheck muß Deckung vorhanden sein.
Aus diesem Grunde besteht eine gewisse Ueberein-
stimmung zwischen dem Bargeldbestand und dem
bargeldlosen Verkehr: ohne das Anwachsen des
Bargeldbestandes beobachtet man auch keine Zu-
nahme des "bargeldlosen" Verkehrs und eine Ver-
minderung des baren Geldes führt auch bald zu einer
Verminderung der bargeldlosen Zahlungen, ein Zei-
chen dafür, wie die "bargeldlosen" Zahlungsmetho-
den das Bargeld voraussetzen. Die größten Zusam-
menbrüche des Geldsystems haben wir in Amerika
und England, den Ländern mit dem größten "bar-
geldlosen" Verkehr.
Der Clearing- oder Abrechnungsverkehr ist zwi-
schen Lieferant und Kunde - also im Handel -
selten verwendbar, dagegen wird er zwischen den
Banken verwendet. Hier aber handelt es sich
nicht um Nachfrage und Angebot, nicht um Waren-
handel und Preise, sondern um Kapitalver-
schiebungen, die auf die Größe der Nachfrage
keinen direkten Einfluß haben.
Der "bargeldlose" Verkehr ist nicht kostenlos:
ein Zeichen dafür, daß man sich also die Erhöhung
der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes etwas kosten
läßt. Jeder Scheck gibt mindestens 40 Rp., aber auch
bis 2 Fr. Spesen. Scheck- und Wechselstempel kön-
nen ihn ganz unwirtschaftlich machen. Schon heute
sind die Banken Deutschlands nicht verpflichtet, Zah-
lungen unter 20 M. in Schecks anzunehmen. - Da-
mit Giro-Uebertragungen stattfinden können,
müssen Konten zinsfrei einbezahlt werden, die einen
jährlichen Zinsverlust der Großfirmen bis 100 000
Franken jährlich bedingen. Damit könnte man einen
Kassenbestand von 2 Mill. Fr. in Freigeld halten!
Am l. Februar 1923 teilte die Schweizerische Volks-
bank mit, daß die Guthaben auf Scheck- und Giro-
rechnungen nicht mehr verzinst werden.
Mit dem Sinken des Zinses sinken auch die Zin-
sen derjenigen Gelder, die von der Post und den
Banken für ihre Kunden flüssig gehalten werden müs-
sen. So entsteht folgendes Bild von heute im Ver-
gleich zur zinslosen Wirtschaft:
 
                       Dividende       Darlehen          Obligationen      Sparkassen
                           ohne Grundpfand   
Heute:                   7 %           5 - 6 %               5 %                    4 %
Bei 0 % Zins :       3 % (3)     1 - 2 %   (3 )       1 % (3)              0 %


                      Scheckkonto           Kontokorrent         Girokonto
Heute :                   3 %                        3 %                     0 - 1 %
Bei 0 % Zins:      - 1 %                      - 1 %                  - 3 - 4 %
 
 
Anders gesagt: Wird mit Hilfe des Freigelds der
Zins auf der ganzen Linie um 4 % gesenkt, so ver-
bleiben bei den Aktien noch etwa 3 % Risikoprämie;
auch beim nicht grundpfändlich gesicherten Dar-
lehen und bei den Obligationen bleibt eine Risiko-
prämie von 1-2 % bestehen. (3) Wo aber bisher schon
die Verzinsung seitens der Banken unter 4 % stand
- weil die Banken einen verhältnismäßig großen
Teil dieses eingelegten Geldes flüssig (liquid) halten
mußten -, wird künftig nicht eine Zins-Gutschrift,
sondern eine entsprechende Schwund-Last-
schrift erfolgen: das wird die Inhaber von Giro-
und Kontokorrentkonten veranlassen, das Geld so
rasch wie möglich weiterzuleiten, sei es in Form von
Zahlungen, sei es in feste Bankanlagen. Soweit
es fest angelegt wird, sorgen die Banken wiederum
aus wirtschaftlichen Ueberlegungen heraus dafür,
daß das Bargeld nicht bei ihnen liegen bleibt: auch
sie tragen den Schwund nicht gern.
Vollends ausgeschlossen ist es, daß durch "ein-
faches Verbuchen" und durch "vollständig durchge-
führten bargeldlosen Verkehr" das Bargeld in ver-
nünftiger Weise ersetzt werden könnte. Der Scheck
ist eine selbstgeschriebene Banknote - und daher
unzähligen Betrugsmöglichkeiten ausgesetzt und
praktisch auf die Dauer nur unter Bekannten mög-
lich. Der furchtbare Zusammenbruch des amerikani-
schen oder des englischen Geldsystems in Zeiten der
Geldverknappung zeigt deutlich, ein wie unprak-
tischer Notbehelf der Scheckverkehr ist.
Ein Erfurter Geschäft weigerte sich, einen
Scheck über etwa 100 Rm. in Zahlung zu nehmen.
Aus dem sich an diesen Sonderfall anschließenden
Briefwechsel ist folgendes interessant: Eine Han-
delskammer weist darauf hin, daß Schecks über
kleine Beträge unwirtschaftlich sind:
"Gewiß fördern alle Schecks den bargeldlosen
Zahlungsverkehr; aber jeder Scheck verursacht
bei den Banken eine Anzahl Buchungen, Benach-
richtigungen und andere Geschäftshandlungen; in
Bankkreisen schätzt man die Selbstkosten für jeden
Scheck auf 1 Rm. bis 2 Rm. Bei Schecks über
kleinere Beträge wird der volkswirtschaftliche Nut-
zen, der im bargeldlosen Zahlungsverkehr liegt,
durch die unwirtschaftlichen Buchungs-
kosten usw. mehr als aufgehoben. Deshalb sollte
man davon absehen, Schecks unter 20 Rm, bis 30
Rm. auszuschreiben."
Das Reichsbankdirektorium (Berlin SW
111, Schreiben vom 31. März 1933, II, 7388) stimmt
grundsätzlich der Auffassung der Handelskammer zu:
"Wenn sie auch wohl die Bearbeitungskosten der
Banken für einen Scheck erheblich zu hoch ein-
schätzt, so ändert das doch nichts an dem Umstande,
daß für Kleinzahlungen im täglichen Ver-
kehr von Hand zu Hand die Scheckzah-
lungung ungeeignet ist. Die Einziehung solcher
Schecks verursacht auch den Geschäftsleuten Kosten
und Zeitverluste; ihr durch die Gutschrift der
Schecks entstehendes Guthaben können sie natur-
gemäß erst später als erhaltenes bares Geld verwen-
den; wir haben deshalb bei aller Förderung des
bargeldlosen Zahlungsverkehrs stets den Standpunkt
vertreten, daß dieser Gedanke nicht übertrieben
werden darf und daß im täglichen Kleinverkehr
(Ladengeschäft) in der Regel die Barzahlung das
Geeignetste sein wird."
 
 
 
15. Einwand: Die feste Währung bietet keine
Gewähr für die Innehaltung aller Zahlungsverträge,
weil niemand eine Durchschnittsware kauft. Die
Preise der Landwirtschaft stehen anders als die der
Industrie.
 
Antwort: In diesem Einwand ist zugegeben,
daß eine Festigung aller Preise auch zu einer
Innehaltung aller Zahlungsverträge führen würde.
Nun stellt sich die Frage, ob eine Senkung ein-
zelner Preise so schlimm ist wie eine Senkung des
gesamten Preisstandes. Diese Frage ist ohne
weiteres zu verneinen: der größte Fälscher ist mit
der Stabilisierung des allgemeinen Preisstandes aus
der Wirtschaft beseitigt. Betrachten wir die einzel-
nen Preise, so können sie nur gesunken sein infolge
eines größeren Angebotes im Verhältnis zu
den andern Waren. Dieses größere Angebot kann
nur entstanden sein entweder durch Verbesserung
und Verbilligung der Produktion oder
durch reichere Ernten bzw. Funde. Diese
beiden günstigeren Umstände machen das Fallen
einzelner Preise innerhalb eines festen Preisstandes
erträglich, ja lassen es sogar gerechtfertigt
erscheinen. Uebrigens lautet ein anderer Einwand
oft derselben Leute, daß die Vorteile der Rationali-
sierung oder guter Ernten nicht dem Konsumenten
zugute kommen, sobald man die feste Währung habe.
Beide Einwände aber heben einander auf. - Daß
die Preise der landwirtschaftlichen Produkte heute
so tief stehen, das haben wir vorausgesehen und vor-
ausgesagt: der Grund liegt darin, daß der ganze
Index gesenkt worden ist, wobei die Industriellen
viele Arbeiter entlassen, während die Bauern das
nicht können; die Bauern haben zudem einen festen
Zins zu entrichten, sie arbeiten mit Söhnen und
Töchtern - daher können sie ihre Preise nicht
durch Arbeitseinstellung und Entlassungen hochhal-
ten. Die Festigung des Indexes 1927-1929 ließ diese
Preise sich erholen, während die Industrie infolge
guter Aufträge billiger zu liefern vermochte. Wir
sehen das an den Zahlen des Lebenskostenindexes
und des landwirtschaftlichen Indexes 1922-1924
und 1927-1930.
 
 
                                                                   Kaufkraft   des Geldes   das Geld lag
             Noten-     Lebens-    Landwirtsch.   allgemein    gegenülber    auf dem
             stand        kosten            Index                           der Land-     Girokonto
                                                                                    wirtschaft      der N.'bank
1920       934           100                100                100           100                1,3
1921       925             89                  87                112           114                1,4
1922       818             73                  60                136           166                2,8
1923       875             73                  64                136           156                1,8
1924       851             75                  67                132           149                1,2
1925       798             75                  65                132           153                0,8
1926       769             72                  60                138           167                0,9
1927       799             71                  57                140           175                0,8
1928       818             71                  59                140           169                0,8
1929       855             71                  57                140           175                1,2
1930       894             70                  60                140           167                1,5
1931     1141             67                  54                149           185                4,7
1932II.  1486            66                  49                150           204                18,5
 
 
 
Von 1922 ab wurde durch eine Vermehrung des
Geldumlaufes der Preisstand gehoben:
 
Jahr:                    1922      1923     1924   1925
Preisstand:             73        73         75        75
Landw. Preise :      60       64         67        65
 
Wie man sieht, erholten sich die landwirtschaft-
lichen Preise sofort. Aehnlich war die Entwicklung
1927-1930:
 
Jahr:                    192?     1928    1929   1930
Preisstand:             71       71       71         70
Landw. Preise:       57      59        57        60
 
 
(Im Jahre 1930 brachten die hohen Obstpreise
infolge einer völligen Mißernte den landwirtschaft-
lichen Index zum weiteren Steigen.)
Man sieht, daß für die Landwirtschaft der feste
Index gut ist. 1923 lehnte ihn Dr. Laur in der Aktio-
närversammlung der Nationalbank mit der Begrün-
dung ab, er stehe zu tief, und daher trete er für die
Goldwährung ein. Damals stand der landwirt-
schaftliche Index auf 64, 1932 auf 49. Fester
Index wäre besser als Gold gewesen!
 
 
 
16. Einwand: Des Geld kann nicht in dem
Maße ausgegeben werden, daß es nicht an seiner
Kaufkraft einbüßt oder zunimmt, weil der Preis-
stand, nach dem sich die Nationalbank richten soll,
erst nachträglich zu erfahren ist.

 
Antwort: Das Währungsamt muß sich nach
dem Großhandelspreisstand richten, der viel stärkern
Schwankungen unterliegt als der Kleinhandelspreis-
Stand. Es weiß ferner, welche Wirkungen die Preis-
änderung einer Ware (z. B. Weizen, Kartoffeln oder
Baumwolle) auf den Durchschnittpreisstand des
Landes ausübt. Es ist technisch möglich, im
Währungsamt innerhalb einer halben
Stunde die Großhandelspreise im ganzen
Lande zu erfahren. Zeigen sie gegenüber dem
Vortag ein Anziehen, das für den Durchschnittspreis-
stand gefährlich wird, d. h. steigen mehr oder wich-
tigere Preise als daß andere Preise sinken, so wird
noch zur gleichen Stunde die weitere Notenausgabe
eingestellt und es werden keine Lombardvorschüsse
mehr gewährt. Damit ist der Geldverkehr keines-
wegs unmöglich gemacht, wohl aber wird dem rück-
sichtslosen Ausnützen der steigenden Preise durch
vermehrte Käufe von vornherein der Riegel gestoßen.
Bei sinkendem Preisstand wird die Notenbank
den vom Preisfall bedrängten Verkäufern weit-
gehende Lombardvorschüsse gewähren und gleich-
zeitig die Ausgabe von neuen Noten erleichtern.
Unter solchen Umständen werden keine Angstver-
käufe getätigt werden. Das Bewußtsein, daß der
Preisfall, bzw. die Preissteigerung nicht noch von
der Geldseite her verstärkt wird, wirkt außerordent-
lich beruhigend, während heute immer mit einem
"Dolchstoß von hinten", von der Geldseite her, ge-
rechnet werden muß. Sind die Großhandelspreise
auch nur einigermaßen fest, so sind es die Klein-
handelspreise ganz, weil die Kleinpreise sich lang-
sam den Großhandelspreisen anpassen. Das zeigt uns
die Erfahrung: (Zahlen darüber im "Offenen Brief
an den Bundesrat", S. 21.)
Man muß sich nur an die Stelle des Verkäu-
fers denken, der ein Interesse am festen Preis
hat und weiß, daß ihn die Notenbank in seinen Be-
mühungen unterstützt. Niemals wird der Verkäufer
gerne in einen tiefen Preis einwilligen. Aber ander-
seits weiß auch der Käufer dasselbe für den Fall
der steigenden Preise. Auch er weiß, daß ihn die
Geldausgabestelle vor allgemein steigenden
Preisen schützen muß.
Wenn beim Freigeld die Umlaufsgeschwindigkeit
ihren höchsten Punkt erreicht hat und innehält, wirkt
sich jede Vermehrung und jede Verminderung des
Geldbestandes sofort aus. Mit dem heutigen Geld ist
dies nicht der Fall, da läßt die Auswirkung der Ver-
änderungen der Geldmenge auf sich warten.
 
 
 
17. Einwand: Die feste Währung erfordert den
Rückzug von Geld gerade dann, wenn Warenmangel
herrscht, wenn also die Produktion durch vermehrte
Kreditgewährung angeregt werden sollte!

 
Antwort: Kredite der Nationalbank werden
ohnehin nie für die Warenproduktion, sondern nur
für den Austausch gegeben. Für die Anregung der
Produktion dient stets das schon vorhandene Geld,
das in Zeiten der Warenverknappung naturgemäß
gern gegeben wird, da die Anlage unter diesen Um-
ständen sehr sicher ist. - Der Rückzug des Geldes
vermindert das dem Warenhandel und nicht das
der Produktion zur Verfügung stehende Geld.
 
 
 
18. Einwand: Wenn die Kohlen- oder die Ge-
treidepreise steigen, werden die übrigen Preise nach-
gezogen werden, weil beide zur Erzeugung anderer
Waren unentbehrlich sind. Ueberhanpt führt das
Steigen oder Fallen wichtiger Waren zum Steigen
oder Fallen des Index!
 
Antwort: Steigen die Getreidepreise infolge
einer schlechten Welternte, so bedeutet das also
eine Verminderung auf der Warenseite. Ihr muß
eine Verminderung auf der Geldseite ent-
sprechen, wenn nicht das Gleichgewicht zwischen
angebotener Ware und angebotenem Geld gestört
werden soll. Das Fehlen einer so wichtigen Ware
wird also aufgehoben durch eine Verminderung des
umlaufenden Geldes. Das ist möglich. (Siehe 12. Ein-
wand!)
In welchem Maß die Geldverminderung selbst bei
größter Warenknappheit die Preise niedrig halten
kann, sahen wir in der Schweiz von 1796 bis 1800.
Damals sanken die Preise in den Hungerjahren
1798 und 1799 auf einen tiefern Stand als 1797 und
1796. Weshalb? Weil die Geldseite durch die Fran-
zosen 1798 viel stärker vermindert worden war als
die Warenseite. (Siehe Schwarz, "Segen und Fluch
des Geldes I", Tabelle S. 250.)
Im Jahre 1816 sanken die Preise in England, als
mit dem Rückzug der Noten begonnen wurde; sie
sanken weiter trotz dem Mißwachs des Jahres 1817.
In Indien steigen (so berichtet Richardson)
in der Zeit der Hungersnöte die Preise "kaum merk-
lich". Warum? Weil das Geld in dieser Zeit durch
die Geldausgabestelle nicht vermehrt, sondern bei
Beginn der Warenverknappung möglichst aus dem
Verkehr genommen wird.
So wurde durch die Geldausgabestelle der Index
eines Landes also unter allen Umständen, selbst
bei Hungersnöten, auf dem gleichen Stand ge-
halten, ja sogar noch im entgegengesetzten
Sinne verändert. Die Nachfrageseite ist eben mäch-
tiger als die Angebotsseite! Man kann Geld eben
sehr leicht machen - man kann Geld auch leicht
zurückziehen. (Siehe Einwand 12!)
 
 
 
19. Einwand: Wenn aber die Ernte schlecht
ist, so können die Bauern ihre Schulden nicht ver-
zinsen, weil ihre Einnahmen infolge der gleichblei-
benden Preise nicht steigen.

 
Antwort: Einzelpreise bleiben veränder-
lich; was fest bleibt, ist der Durchschnitts-
preisstand oder sein Gegenbild: der Wert (die
Kaufkraft) des Geldes.
Wenn eine schlechte Ernte ist, so steigen daher
die schlechtgeratenen Bodenerzeugnisse im Preise.
Da sie notwendig sind, können die Städter andere,
weniger notwendige Dinge nicht kaufen. Deshalb
ist die Nachfrage an einem andern Ort geringer, es
sinkt dort der Preis um soviel, als er beim Bauern
steigt. Das wird zuerst der Fall sein, wo viel erzeugt
worden ist, so daß dort schon der Ausfall am tiefern
Preis gedeckt wird durch die erhöhte Gütererzeu-
gung und weiter kein Schaden entsteht. Ist aber die
Ernte auf vielen Gebieten schlecht, so wird die
Geldmenge solange verkleinert, als der Preis durch-
schnitt Neigung zum Steigen zeigt. Die einzelnen
Preise der schlechtgeratenen Erzeugnisse steigen
dann, aber nicht so stark wie unter der alten,
unveränderten Geldmenge, während die übrigen
Preise alle etwas zurückgehen. So werden alle
zum Sparen und Haushalten gezwungen; die Erspar-
nisse der alten Leute jedoch bleiben von der Geld-
entwertung (allgemeine Preissteigerung) ver-
schont.
Daß bei festem Index die Preise der landwirt-
schaftlichen Erzeugnisse steigen, wenn die Ernte
schlecht war, sah man 1930, als die Obsternte
schlecht war. (Siehe die Zahlen in Einwand 15 am
Schluß!)
 
 
 
20. Einwand: Die Freigeldlehre kann die Spe-
kulation nicht ausschalten, da die Einzelpreise noch
immer schwanken werden.

 
Antwort: Spekulation heißt Voraussehung. An
sich ist sie nicht schlecht; sie kann aber durch die
Verhältnisse schlecht wirken und verdirbt den
Menschen. Die Voraussehung wirkt sich schlecht
aus, sobald sie
 
A. 1. ein allgemeines Sinken der Preise er-
warten läßt, eine Deflation. Da muß man das
Geld allgemein zurückhalten, kann keine Sach-
güter schaffen und keine Waren auf weite Sicht zum
Weiterverkauf erwerben. Stagnation und Krise sind
die Folge der Deflations-Spekulation.
 
A. 2. Ein allgemeines Steigen der Preise, eine
Inflation führt zum "Schieben", führt somit eben-
falls von der produzierenden Arbeit weg in den Han-
del hinein.
Der feste Durchschnittspreisstand läßt
die Spekulation im guten Sinne des Wortes wirken:
 
B. 1. Waren mit sinkender Preislage werden
nicht mehr oder nur noch in vermindertem Maße
hergestellt, ihr Preis wird damit gefestigt und zum
Durchschnittspreisstand herangehoben.
 
B. 2. Waren mit steigendem Preise werden in
der Herstellung bevorzugt, ihre Herstellung wird
vermehrt, damit das Angebot erhöht und so der
Preis wieder dem Durchschnittspreisstand entgegen-
gesenkt.
Die Spekulation wirkt schädlich, sobald
man den Preisstand sinken läßt, denn da streikt
das Geld dem gesamten Warenangebot gegenüber,
sie wirkt auch schädlich, wenn man den Preis-
stand steigen läßt, denn da entsteht die soge-
nannte Flucht in die Sachwerte, die Schieberei.
Die Spekulation wird nützlich, sobald
man den Preisstand festhält, denn da wirkt sie
- siehe oben B. l. und 2. - ausgleichend auch
auf die Einzelpreise: durch die Schwankungen der
Einzelpreise werden die Warenerzeuger darauf auf-
merksam gemacht, was fehlt oder wo zu viel pro-
duziert wird.
- Wir Freiwirtschafter entziehen also der Speku-
lation "das Fundament" nicht, sondern stellen die in
ihr enthaltenen guten Kräfte in den Dienst der
zweckmäßigen Güterherstellung. Deflation wie Infla-
tion jedoch führen von der Arbeit weg und machen
das Spekulieren ohne Arbeit einträglich. Die
Verhinderung von Inflation und Deflation, die feste
Währung also, bewahrt uns vor den bösen Kräf-
ten der Spekulation und spannt deren gute in den
Dienst einer von innen heraus geregelten Güterver-
sorgung.
 
 
 
21. Einwand: Jedes Sinken eines Einzelpreises
verändert den Preisstand. Um ihn zu festigen, müs-
sen andere Preise künstlich gehoben werden. Wer-
den z. B. die Importwarenpreise in den Index aufge-
nommen, so würde damit eine starke Unruhe in die
Indexwährung hineingetragen und unerwünschte
Schwankungen der Preise für Inlandwaren herauf-
beschworen. (Dr. Hans Müller , "Der Schweizer
Franken".)

 
Antwort: Die von der Warenseite ausgehen-
den Preisschwankungen können auch allgemeiner
Natur sein: es ist denkbar, daß die Produktion all-
gemein steigt. Bei partiellen Preisschwankun-
gen drängt die Produktion ganz allgemein zu einem
Ausgleich, sobald der Preisstand gehalten wird; es
ist daher ganz unnötig, die übrigen Preise "künst-
lich" zu verändern; die gesunde Spekulation führt
das von sich aus durch. Nehmen wir ein Beispiel:
der Weizenpreis wird (infolge der verbilligten
Ernte) um 10 Prozent gesenkt. Ein Mehr an Geld
muß in Umlauf gebracht werden, denn sonst sinkt
der Preisstand. Senkung des Zinses oder (später)
Senkung der Steuern sind die Folgen dieser Geld-
vermehrung, damit Anregung des Verbrauchs oder
(später) Einschränkung der Arbeitszeit. Damit wird
die Nachfrage gehoben - oder im letzteren Fall das
Angebot vermindert - somit der Preisstand gehal-
ten, indem die nicht mehr für den Weizen bean-
spruchten Gelder nun für andere Zwecke - im
letztgenannten Fall für die Ferien! - verbraucht
werden und dort nachfragend und preissteigernd auf-
treten. "Künstlich" braucht man da nie nachzuhelfen!
Außerdem täuscht man sich über die durch eine
Verbilligung des Getreides um 10 % erfolgte Senkung
des Indexes: sie beträgt trotz der Bedeutung der
Brotfrucht innerhalb der Warengesamtheit bloß 3/5 % !
Steigen die Importwaren im Preis, so hebt sich
der Wechselkurs des Frankens, die ausländischen
Kurse sinken, und sinken die Importwaren im Preise,
so steigen die ausländischen Wechselkurse und der
inländische Kurs sinkt: das ist nicht etwa Theorie,
sondern 1919 sank der Basler Index der Lebens-
kosten (einen eidgenössischen gab es damals noch
nicht!) wie folgt: 1. März 1919: 257,6; 1. Juni; 253,5;
l. September; 239,1; 1. Dezember: 238,1. Damals
aber stieg im gesamten übrigen Ausland
der Preisstand! Der wechselnde Wechsel-
kurs aber senkte die hohen ausländischen Preise
auf unseren Stand, den wir durch das Ver-
hältnis zwischen Geldumlauf (Nach-
frage!) und Waren-Angebot bestimmten.
(Der Golddollar sank in jener Zeit auf Fr. 3.90!) -
So pfuscht uns das Ausland unter der Indexwährung
nicht in unsern Preisstand, während uns gerade
die Goldwährung an das Ausland - die
Goldlieferanten und -hamsterer! - aus-
liefert!
 
 
 
22. Einwand: Wenn die Preise nicht mehr
steigen, so bedeutet das eine Stagnation der Wirt-
schaft.
 
Antwort: Wir möchten die Gegenfrage stellen,
was dann geschieht, wenn die Preise zurück-
gehen, wie das unter der Goldwährung von 1873
bis 1933 achtmal der Fall war, während 40 von
diesen 60 Jahren.
Die Aussicht auf feste Preise erhält die Produk-
tion im Gang. Das wird jeder Geschäftsmann zugeben.
Und ganz besonders dann, wenn sich zu den festen
Preisen der Umlaufszwang des Freigelds gesellt!
Vom September 1927 bis zur neuen Verminderung
des Geldumlaufes nach der Wiedereinführung der
Goldwährung 1929 blieb der Preisstand fest. Das
Jahr 1928 mit seinem festen Preisstand aber ist als
ein "Rekordjahr auf allen Gebieten" ("Bund") be-
zeichnet worden! Im Jahresbericht für 1928 schreibt
die Leitung der Schweizerischen National-
bank über diese Zeit wörtlich:
"Was die Volkswirtschaft unseres Landes anbe-
trifft, so beweisen die Zahlen über den Außenhandel,
den Arbeitsmarkt und den Zahlungsverkehr, sowie
die Ergebnisse der schweizerischen Verkehrsanstal-
ten, daß die Konjunkturkurve im Jahre 1928 auf
höherem Stande verlaufen ist als im Vorjahr. Der
Beschäftigungsgrad war in den meisten Industrien
günstig. Der Aufstieg der schweizerischen Kon-
junkturkurve übte auch seinen Einfluß auf die
Finanzlage des Bundes aus, indem die erhöhten Zoll-
einnahmen und Stempelabgaben, sowie die bessern
Ergebnisse der Post- und Telegraphenverwaltung
dazu beitrugen, daß die Staatsrechnung 1928 nicht,
wie vorgesehen, mit einem Defizit, sondern be-
reits mit einem Einnahmeüberschuß abschlie-
ßen wird. - Auch die von der allgemeinen Konjunk-
tur in hohem Maße beeinflußte Finanzlage der
Schweizerischen Bundesbahnen hat von den günsti-
gen Wirtschaftsverhältnissen Nutzen gezogen."
 
 
 
23. Einwand: Man erfährt die Veränderungen
des Preisstandes erst, wenn sie geschehen sind; die
Maßnahmen kommen daher zu spät, wenn der Preis-
stand wieder gesenkt werden muß, entstehen leicht
krisenhafte Erscheinungen; wenn die Preise gestei-
gert werden müssen, kann man der Wirtschaft das
Geld kaum aufdrängen.
 
Antwort: Genau den gleichen Einwand müßte
man auch der Valutapolitik machen, die das Ergeb-
nis von Angebot und Nachfrage auf dem Valuta-
markt, nämlich den Wechselkurs, stabilisiert! Man
kann nämlich überhaupt bei jeder Regulierung
immer erst nachträglich das Zuviel oder das
Zuwenig wieder durch ein Weniger oder ein Mehr
korrigieren! Eine wesentliche Abkürzung dieser
Zeitspanne, in der sich die Geldvermehrung aus-
wirkt, ergibt sich aus der Natur des Freigelds,
das sofort umzulaufen beginnt, sobald es die Aus-
gabestelle verlassen hat. Eine Verminderung des
Geldumlaufes ist äußerst selten nötig, da die Produk-
tion andauernd steigt, sobald der Geldumlauf nicht
gehemmt wird, und muß er eingeschränkt werden,
dann nur, um die Preissteigerung einzudämmen, was
nicht zur Krise führt, weil auch bei einer notwendig
gewordenen Senkung des Preisstandes der Schwund-
satz des Geldes dessen Hamstern verhindert, wäh-
rend es heute sofort einsetzt. Bei einer Vermehrung
des Geldes wird der Zins oder (später) der Steuer-
satz gesenkt - beides werden überaus beliebte
Arten sein, um den Leuten das Geld "aufzudrängen":
man nimmt es ihnen ganz einfach nicht weg! Vor
"mangelnder Unternehmungslust," braucht man sich
dann nicht zu fürchten, wenn man den Leuten Zin-
sen oder Steuern erläßt: sie werden das so ersparte
Geld bestimmt in Umlauf bringen, sei es durch Ein-
legen in eine Sparkasse, sei es durch Mehrverbrauch,
sei es durch Anlagen in Sachgütern.
 
 
 
24. Einwand: Die Notenbank muß die Kredit-
politik der andern Banken reglementieren, sonst
wird deren Kreditgewährung oder ihr Kreditrückzug
den Preisstand beeinflussen und die Tätigkeit der
Notenbank durchkreuzen.
 
Antwort: Jede "Kreditexpansion" der Banken
ist nur über eine Vermehrung des Geldumlaufes mög-
lich. Die Einführung des Freigelds führt alle Bank-
kredite in den Verkehr und führt die Kreditexpan-
sion sofort bis an ihre obere Grenze, wo sie durch
den Umlaufszwang des Geldes auch dauernd bleibt.
Daher wirkt sich jede Vermehrung, aber auch jede
Verminderung des Bargeldes sofort als Vermehrung
oder Verminderung der Nachfrage aus. Eine Regle-
mentierung über die Kreditgewährung usw. wird
damit überflüssig.
Das "Giralgeld", das angeblich die Tätigkeit
des Währungsamtes stören könnte, erhält durch das
Freigeld und den von ihm ausgeübten Druck auf die
Girokonten ebenfalls die höchstmögliche Be-
schleunigung seines Umlaufes, der sich durch Ueber-
tragen (girieren) äußert. Dadurch sind Störungen von
seiner Seite ausgeschlossen: einerseits ist eine Ver-
minderung der Umlaufsgeschwindigkeit für den
Kontoinhaber schädigend, anderseits eine Vermeh-
rung der Umlaufsgeschwindigkeit der Kredite usw.
nicht mehr möglich, sodaß das Währungsamt das
Giralgeld fest in der Hand hat. Wollte eine Bank
über die verfügbare flüssige Geldmenge hinaus (De-
positen usw.) Kredite erteilen, so wäre es ihr un-
möglich dies zu tun, weil ihr das Bargeld fehlen
würde. Ein anderes Kreditinstitut müßte für sie ein-
springen, seinerseits aber Kredite verweigern, und
ohne Bargeld könnte kein erteilter Kredit ausgenützt
werden. Wohl kann eine Bank Kredite einräumen,
die in ihrer Gesamtsumme über die verfügbaren
Mittel der Bank hinausgehen, aber das geschieht nur
deswegen, weil die Bank weiß, daß die Summe der
eingeräumten Kredite nie auf einen Schlag voll-
ständig beansprucht wird, sondern daß der tatsäch-
liche Anspruch auf die eingeräumten Kredite nicht
über die Summe des jeweiligen verfügbaren Bar-
geldes hinausgeht, dessen richtige Bemessung da-
mit auch die "Giralgelder" richtig regelt.
 
 
 
25. Einwand: Das Ausland, von dem wir ab-
hängig sind, macht die Preise.
 
Antwort: Das Ausland macht seine Preise,
aber es ist dabei ebenfalls dem Gesetz von Angebot
und Nachfrage unterworfen. Steigert es seinen Preis-
stand, so drückt es gerade dadurch den Kurs (Preis)
seines Geldes. Wir Schweizer zahlen dann seine
hohen Preise, kaufen jedoch sein Geld billig, d. h. zu
einem niedrigeren Kurse. Je höher der ausländische
Preisstand ansteigt, desto tiefer sinkt sein Kurs. Da-
her kommen die Waren billig ins Land, trotzdem
sie im Ausland teuer sind. Umgekehrt steigt der
Kurs (Preis) eines Landes, das Preisabbau macht,
und seine billigen Waren müssen mit seinem von
uns teuer erstandenen Gelde bezahlt werden, kom-
men also teurer ins Land als vorher! Ganz anders
aber wirkt eine Veränderung der Notenausgabe im
eigenen Lande auf den Preisstand! Nicht das
Ausland, sondern das Inland macht die
Preise! Das sieht man ja besonders deutlich in
jeder Inflationszeit: trotz steigender Preise z. B. in
Deutschland 1920-1923 sank der Preis der deut-
schen Waren in der Schweiz, als hier Deflation ge-
macht wurde.
 
 
 
26. Einwand: Wahrscheinlich ist ein fester
Wechselkurs besser als ein fester Preisstand, beson-
ders in Ländern mit großem Außenhandel.
 
Antwort: Diese Wahrscheinlichkeit läßt sich
so genau feststellen, als sich die Fragen beantworten
lassen,
 
1. wieviel von den durch uns gekauften Waren
mit Franken bezahlt werden,
 
2. wieviel von unseren Zahlungsverträgen auf
Franken und wieviel auf ausländische Währung lau-
Ten.
 
Auf 1. ist zu antworten, daß das Verhältnis der
Inlands- zu den Auslandsumsätzen sich ungefähr wie
40 zu 1 verhält.
Auf 2. ist zu sagen, daß die Zahlungsverträge auf
ausländische Währung in der Schweiz ebenfalls recht
selten sind.
Außerdem: welchen Wechselkurs sollen wir in
der Schweiz stabilisieren, den der paar Goldblock-
länder oder den der Vereinigten Staaten, Englands
und der nordischen Länder?
 
 
 
27. Einwand: Die Disproportionalitäten, die
die Krise hervorgerufen haben, lassen sich nicht ein-
fach durch Geldumlaufsvermehrung beseitigen.
 
Antwort: Die "Disproportionalitäten", die die
Krise verursachen, können in einem Wort zusam-
mengefaßt werden: Absatzstockung. Der Ab-
satz kommt durch das umlaufende Geld. Die Geld-
umlaufsregelung führt zwangsläufig zur Senkung
des Zinses und damit zur Ueberführung von 3000
Mill. Fr. pro Jahr aus den Händen von wenigen Pro-
zenten des Volkes in die Hände der Arbeiten-
den aller Stände und Berufe. Das ist ein Ein-
griff in die Wirtschaft, der sich nach der Einführung
der Festwährung mit Freigeld selbsttätig vollzieht,
ohne daß man die Planwirtschaft von außen hinein
trägt. Sie liegt in der Natur der Festwährung selbst
und erfordert keinerlei Einschränkung der wirt-
schaftlichen Freiheit.
Die "Disproportionalität" besteht entweder zwi-
schen einzelnen Waren oder zwischen der Gesamt-
heit der Waren und dem Geldumlauf. Die erstere
beseitigt jeder Produzierende selbst so rasch wie
möglich, die letztere besorgen wir durch die Anpas-
sung des Geldumlaufs an das Warenangebot und
nicht, wie die Goldwährungs- und die Planwirtschaf-
ter, durch Anpassung der Arbeit an den Geldmangel,
also durch Arbeitslosigkeit, Produktionseinschrän-
kung und Warenvernichtung (Valorisation).
 
 
 
28. Einwand: Die feste Währung kann den
Mangel während des Krieges nicht beseitigen.
 
Antwort: Um eine Preissteigerung selbst wäh-
rend des Krieges zu vermeiden, hätte eine starke
Verminderung des Geldumlaufes genügt; vielleicht
ware eine gestaffelte Vermögensabgabe zur Deckung
der Mobilisationskosten nötig geworden. Damit hätte
man das Volk damals sofort zur Sparsamkeit ange-
halten; auch die Militärbehörden hatten nicht so im
Gelde schwimmen können und die Ausgaben wären
weit geringer gewesen, wenn die Preise nicht so hoch
getrieben worden wären. Die Vermögensabgabe hätte
viele Leute wieder zur Arbeit zurückgeführt. Der
Zwischenhandel, der infolge der steigenden Preise
immer größere Teile des Volkes anzog, hätte diese
nicht aus der Warenerzeugung weggelockt. Der Ver-
brauch durch die "Neureichen" wäre geringer ge-
wesen. Der Bauer hätte mehr verkaufen müssen, um
seine Zinsen zu bezahlen, als dies nun bei den mehr
als verdoppelten Preisen der Fall war. Die Hungers-
nöte in Rußland und besonders in Deutschland spre-
chen da eine deutliche Sprache, weil die Schulden
der Bauern verwässert wurden, brauchten sie weni-
ger in die Städte zu verkaufen, wodurch diese in
Bedrängnis gerieten. Hunger in Deutschland, Anbau-
zwang in der Schweiz 1916-18 waren die natürliche
Folge der Geldverschlechterung durch die Noten-
presse. Der Mangel ist auch erträglicher, wenn man
sieht, daß alle darunter leiden. Das war von 1914 bis
1918 nicht immer der Fall!
Aus den genannten Gründen sieht man, daß wir
die Zeit von 1914-1918 unter der festen Währung
besser und friedlicher überstanden hätten als un-
ter der Schieberwährung, der sogar "Der Bund"
(Bern) 1918 eine Hauptschuld am General-
streik zuschob! Was hier für die Kriegsjahre ge-
sagt wird, trifft für alle Zeiten zu.

 

29. Einwand: Man muß Preisabbau machen,
um exportieren zu können.

Antwort: Wäre dieser Einwand richtig, welche
Länder hätten 1921-23 am meisten Preisabbau
machen müssen, um exportieren zu können? Doch
die mit den höchsten Preisen, also Oesterreich,
Deutschland und Italien. Wie stand es dort? Diese
Länder konnten am billigsten ins Ausland liefern!
Und weshalb? Weil der Preis ihres Geldes, der Kurs,
sich für den Ausländer sehr tief stellte. Je höher
der Preis der Waren, desto tiefer der
Kurs des Geldes. Und zwar sinkt der Kurs
rascher und tiefer als die Preise steigen, so daß Län-
der mit hohen und steigenden Preisen immer auf
dem Weltmarkt unterbieten können.
Umgekehrt haben Länder mit sinkenden oder
tiefen Preisen einen verhältnismäßig zu hohen Wech-
selkurs, so daß sie gerade infolge des Preis-
abbaues nicht exportieren können. Von
1893 an setzte Indien seine Silberprägungen aus, die
von 1873 an seinen Preisstand fortwährend zum
Steigen gebracht hatten. 8 Monate später verlangte
Indien schon ein Schutzzollgesetz gegen China und
Japan, wo die steigende Tendenz der Preise infolge
der dortigen Geldvermehrung anhielt! Die chinesische
und japanische Konkurrenz erdrückte die indischen
Pflanzer mit ihren tiefen Preisen.
1920 sank der Preis des Weizens in den Vereinig-
ten Staaten um 30 % , in der gleichen Zeit stieg der
Dollar in Europa um 34 % . Amerikas Ausfuhrmög-
lichkeiten gingen infolgedessen trotz - besser ge-
sagt wegen - des Preisabbaues zurück.
1920 im Herbst begann die Schweiz Preisabbau
zu machen; das Ergebnis war ein rasches Steigen des
Frankenkurses und die Unmöglichkeit, weiter zu
exportieren. Er stand damals allgemein 15 % und
gegenüber Deutschland sogar 53 % zu hoch!
1922 kam in der Tschechoslowakei der preisab-
baufreundliche Minister Raschin wieder ans Ruder.
Auf das bloße Gerücht von seiner Wieder-
ernennung stieg sofort die Hundertkronennote um
10 Rp. Nach der Bekanntgabe seiner Ernennung
setzte eine derartige Steigerung ihres Kurses ein, daß
die tschechoslowakische Industrie vollständig absatz-
unfähig wurde. Im Berner Jura wurde damals die
Glasherstellung wieder lohnend und verdrängte das
böhmische Glas.
Im August 1922 erleichterte die Schweizer Natio-
nalbank die Ausgabe von Noten, indem sie den Dis-
kont von 3 1/2 auf 3 % senkte. Die Folge war eine
Vermehrung der Notenausgabe, ein Anziehen der
Preise, ein Rückgang der Arbeitslosigkeit infolge -
der steigenden Ausfuhr!
Es ist daher eine allbekannte Erscheinung, daß
Länder mit sinkendem Preisstand sich vor der Kon-
kurrenz des Auslandes durch Zölle und Einfuhrver-
bote schützen müssen, so die Schweiz 1920/21.
Damals war sogar ein Gewerkschaftssekretär aus
Kreuzlingen der erste, der im Bundeshaus ein Ein-
fuhrverbot verlangte!
Warum steigt der Kurs eines preisabbau-
treibenden Landes? Weil 1. durch den Preisab-
bau das Geld kaufkräftiger wird. 2. Weil die Wucher-
spieler wissen, daß es deshalb im Preis (Kurs) stei-
gen wird und mehr als gewöhnlich davon kaufen.
3. Weil die ausländischen Sparer ein Geld bevorzu-
gen, dessen Kaufkraft steigt und daher die Nach-
frage danach ebenfalls vermehren.
Warum sinkt der Kurs eines preisaufstieg-
treibenden Landes? 1. Weil das Geld an Kauf-
kraft verlieren wird. 2. Weil die Wucherspieler wis-
sen, daß der Preis (Kurs) dieses Geldes deshalb
sinken wird. 3. Weil man nun den kommenden Kauf-
kraftverlust genau so in Rechnung stellt und daher
schon zum vornherein weniger zahlt, wie man beim
Preisabbau die künftige, höhere Kaufkraft in Be-
tracht zieht und daher für das Geld mehr verlangt,
bzw. zahlt.
Bei der Goldwährung, die den festen Wech-
selkurs zum Richtpunkt der Geldversorgung nimmt,
scheint der sinkende Preisstand den Absatz an-
zuregen. Die Erfahrung zeigt aber, daß dem nicht
so ist. (Siehe Einwand 30!)
 
 
 
30. Einwand: Wird durch die Festwährung (In-
dexwährung) jedes Sinken des Preisstandes verhin-
dert, so kommen die Fortschritte der Technik den
Arbeitenden nicht zu gute. Nur das Sinken der
Preise ermöglicht den breiten Massen, von den Fort-
schritten der Technik in Form der billigeren Preise
Nutzen zu ziehen; verhindert man aber das Sinken
des Preisstandes, so genießen die Konsumenten die
Vorteile der verbilligten Warenerzeugung nicht.
 
Antwort: Der feste Preisstand verhindert das
Sinken von Einzelpreisen nicht; somit wird der Ver-
kauf von billiger hergestellten Waren zu billigeren
Preisen keineswegs verhindert. Der freie Wettbewerb
wird denn auch sofort den Preis solcher Waren sen-
ken. Um den Preisstand zu halten, wird die Noten-
ausgabestelle jetzt mehr Noten in Umlauf setzen. Das
führt zu einer weiteren Senkung des Zinsfußes und
damit zu einer Hebung der Löhne. Wenn der Zinsfuß
schon die Nullinie erreicht hätte, folgte eine Senkung
unter null und damit eine weitere Verkürzung der
Arbeitszeit, damit längere Ferien - also eine Bes-
serstellung der Arbeitenden.
Erfahrungsgemäß aber führt der bisher einge-
schlagene Weg der "Verbilligung der Produktion"
statt zu einer Besserstellung der Arbeitenden zu
Absatzstockung und Krise. Wir schlagen den besse-
ren Weg ein: festen Preisstand, dafür aber steigende
Löhne, später kürzere Arbeitszeit und längere
Ferien. Schon das Reden von Preisabbau kann die
Krise herbeiführen.
Als man von Ende 1929 an durch die Einschrän-
kung des Geldumlaufes bei größerer Warenerzeugung
den Preisstand senkte, ging der Welthandel, statt
zu steigen, zurück (siehe darüber Einwand 7): der
beste Beweis dafür, daß mit dem Senken oder Sin-
kenlassen der Preise den Arbeitenden nichts ge-
nützt wird - dagegen gewinnen die Geldforde-
rungen an Kaufkraft. Diese aber sind in der Regel
nicht in den Händen der Arbeitenden, sondern in
den Händen der Zinsnehmer (Kapitalisten).


31. Einwand: Trotz der festen Währung kön-
nen wir nicht mehr Maschinen, Uhren, Stickereien
usw. absetzen.

Antwort: Die Kaufmöglichkeiten sind
abhängig von den Arbeitsmöglichkeiten der Men-
schen, diese wiederum von den Austauschmöglich-
keiten. Die Austauschmöglichkeiten werden unter-
bunden durch die Erhöhung der Kaufkraft des
Tauschmittels, das infolge seines wachsenden Tausch-
wertes zurückgehalten wird. Auf jeden Fall ver-
mindert die schwankende Währung bei Preisfall
den Absatz aller Erzeugnisse und ganz besonders
derjenigen, die nicht unbedingt nötig sind, wie Stik-
kereien, Spitzen und Uhren, und auch derjenigen, die
zur Herstellung neuer Maschinen dienen, wie die
Maschinen.
Die Erfahrung zeigte, daß jede Festigung des
Preisstandes zu einer Belebung des Absatzes auf
allen Gebieten führte, jedes Sinken des Preisstandes
dagegen den Absatz auf allen Gebieten hemmte.
(Siehe noch den 7. Einwand.)



32. Einwand: Die Notenausgabe war während
des Krieges Folge, nicht Ursache der Preissteigerung.
In Deutschland stiegen die Warenpreise zeitweise
rascher als die Notenausgabe.

Antwort: Die Notenvermehrung betrug in der
Schweiz vom 1. Juni 1914 bis 1. September 1914
64 %, die Preissteigerung im selben Zeitraum 2,4 % !
Die erhöhten Warenpreise hätten damals eine Mehr-
ausgabe von 6 Millionen Franken nötig gemacht,
ausgegeben wurden aber 175 Millionen! Vom l. Juni
1914 bis 1. Juni 1915 betrug die Notenvermehrung
53 % , die Preise stiegen damals nur um 18,9 % . Die
Notenvermehrung war also wieder um ein Vielfaches
größer als die Preissteigerung. Stellt man beide auf
einem Blatt zeichnerisch dar, so ergibt sich, daß
die Notenausgabe der Preissteigerung in
der Regel um 3 Monate vorausgeht ! Genau
das gleiche Bild ergibt eine englische Statistik von
Nicholson. Somit ist dieser oft gehörte Einwand
hinfällig.

                                                Schweiz :
                      Preissteigerung                   Notenvermehrung
                    1. April 1914 = 100         31. März 1914 = 100
1915                     118,5                                     144,3
1916                     193                                        151,5
1917                     179                                        188,6
1918                     230                                        258
1919                     259                                        318,8
1920                     243                                        328,7

Aus dieser Zusammenstellung ist klar ersichtlich,
daß die Notenvermehrung in der Schweiz der Preis-
steigerung immer voranging.
In Deutschland stiegen die Warenpreise eine
Zeitlang stärker als die Geldausgabe, weil die
Preisbewegung lange Zeit weit hinter der Notenaus-
gabe zurückgeblieben war. Warum? Weil die Noten
im Inland im Glauben an einen baldigen Preisabbau
und im Ausland im Glauben an ein Steigen des Kur-
ses massenhaft gehamstert worden waren und keine
Nachfrage hielten. Später suchte man sich dann ihrer
zu entledigen, fand aber jetzt wenig mehr zu kaufen.
Deshalb stieg die Nachfrage im gleichen Augen-
blick als das Angebot zurückging. So muß-
ten jetzt die Preise rascher steigen als die Geldver-
mehrung vor sich ging. Die Warenhamsterei trieb
nun das Geld mit etwa 400 Mal größerer Geschwin-
digkeit um als zur Zeit seiner Hamsterung.
Gesell hat diese Entwicklung, die sich dort im
Herbst 1922 abspielte, bereits im Novemberheft der
"Freiwirtschaft" 1921 vorausgesagt, als er schrieb:
"Der See, aus dem seit 7 Jahren geschöpft wurde,
um das volkswirtschaftliche Defizit zu decken, ist
jetzt auf knapp 5 % seines ursprünglichen Inhalts
entleert. Den Gläubigern kann man jetzt nichts mehr
abschwindeln; sie haben so gut wie nichts mehr. Und
da erhebt sich die Frage: Woher werden fortan die
Unternehmer die Mittel nehmen, um die Betriebs-
defizite zu decken? . . . Die Preise werden
von jetzt an, da das Becken, aus dem die Noten
ihre Kraft zogen (das Kapital der Gläubiger), er-
schöpft ist, statt wie bisher, der Notenaus-
gabe nachzuhinken, ihr vorauseilen." So
kam es auch.
In der Schweiz dagegen blieb die Preissteige-
rung stets hinter der Notenvermehrung zurück.
Die Noten wurden im ganzen bis auf beinahe das
Vierfache des Standes von 1913 vermehrt, während
die Preise nur um das 2,8 fache stiegen. Dieses Zu-
rückbleiben erklärt sich aus dem Verschatzen
vieler Noten von Ende 1918 an, sowie aus dem Rück-
zug des Goldes und Silbers aus dem Verkehr. Wäre
eine stärkere Vermehrung aufgetreten, so wären
alle Noten nachfragehaltend auf den Warenmarkt
gekommen und hätten die Preise hochgetrieben,
genau wie in Deutschland.


33. Einwand: Wir würden uns vom Ausland
isolieren.

Antwort: "Der internationale Handel kann sich
ganz gut mit getrennten nationalen Münzsystemen
zurechtfinden, wenn nur diese selbst eine genügende
Stabilität besitzen. Ein gemeinsames Geld, ein Welt-
geld, ist nicht notwendig." So sagt Gustav Cassel,
der Finanzexperte des Völkerbundes (in "Weltwirt-
schaft und Geldverkehr", Gotha 1920). Und Bundes-
rat Dr. A. Meyer schrieb in der "N. Z. Z.": "Die
Selbständigkeit unseres Landes im Geldverkehr ist
Nachgewiesen. Die Verhältnisse der neuesten Zeit
haben uns mit aller Klarheit gezeigt, wie riskiert und
unnatürlich internationale Münzbündnisse sind." -
Tatsächlich ist mit dem 1. April 1921 die letzte
nichtnationale Münze aus dem schweizerischen Geld-
verkehr ausgeschaltet worden, ohne daß man das
seither empfunden hat.
Ueber die Art, wie der internationale Verkehr
ohne Kursschwankungen möglich wäre, sagt Cas-
sel: "Es ist wünschenswert, daß ein Land die Lei-
tung nehmen soll, also seine Kaufkraft fest-
legen und künftig möglichst unverändert halten.
Ware die Kaufkraft des Dollars z. B. einmal
festgelegt, so könnte jedes andere Land den Wert
seines Geldes in einem bequemen Verhältnis dem
des Dollars anpassen und dann durch strenge Fest-
legung der so gewählten Kaufkraft einen festen
Wechselkurs den Vereinigten Staaten gegenüber auf-
recht erhalten. Auch im Verhältnis zu andern Wäh-
rungen, die in derselben Weise festgelegt worden
wären, würden sich dann die Wechselkurse stabi-
lisieren."
Merkwürdigerweise hat man sich 1929 bis 1933
an diese Lehre von Professor Cassel gehalten, als
die Vereinigten Staaten die Kaufkraft des Dollars
nicht festigten, und man hielt nicht mehr auf festen
Dollarkurs, als Roosevelt in London im Juli 1933
erklären ließ, er werde die Kaufkraft des Dollars
festigen.
Nie hat das Ausland Schweizergeld längere Zeit
und in größerem Umfang als Tauschmittel verwendet,
sondern es hat das Schweizergeld höchstens geham-
stert. Damit ist uns nicht gedient. Artikel 11 des Ge-
setzes über die Reichsbank verbietet sogar das Ver-
wenden ausländischen Geldes zu Zahlungen. Das
nationale Geld ist heute überall das gegebene und
nur seine schlechte Verwaltung bringt
Nachteile.



34. Einwand: Die Schweiz als ein vom Aus-
landshandel so überaus abhängiges Wirtschaftsgebiet
kann keine eigene Währungspolitik treiben.

Antwort: War die Schweiz seit 1914 groß
genug, um eine verfehlte Währungspolitik zu
treiben, so ist sie auch nicht zu klein, um sich
eine richtige zu leisten, d. h. eine solche, die auf
die Festigung der Kaufkraft des Geldes hin-
arbeitet. Wir haben nur noch nationales Geld
(siehe 33. Einwand!) und sollen und müssen
dieses Geld auch national verwalten; wir wollen
keinen, auch keinen goldenen Internationalismus!
Wir müssen aber auf Festigung der Kaufkraft unse-
res Geldes hinarbeiten. Da in jedem Land bedeutende
Kräfte auf denselben Weg drängen, wäre die Schweiz
nicht lange isoliert War unser kleines Land groß
genug für die Gründung des Weltpostvereins,
so reichte sein Umfang wohl auch für einen Fest-
währungsverein.
Jede Veränderung der Kaufkraft des Geldes be-
deutet ein Schwanken der Wechselkurse. Je fester
die erstere ist, desto geringer diese. Wird sie ganz
fest, so schwankt unser Kurs nur noch in dem Maß,
als die Kaufkraft des Geldes anderer Staaten
schwankt. Wir sind dann unschuldig an den Valuta-
schwierigkeiten. Heute vermehren wir sie zu unserm
eigenen Schaden!
Wie unabhängig man vom Ausland ist, zeigt das
Beispiel England-Indien 1873-1893. Während der
Index (1873 = 100) in England von 100 auf 78 sank,
stieg er in Indien auf 117. Und die beiden Länder
verkehrten nach wie vor miteinander. Oder 1798 bis
1815 stiegen im gesamten übrigen Ausland alle Preise
(infolge der Notenausgabe), während sie in der
Schweiz eher sanken (weil hier keine Noten ausge-
geben wurden). Auch 1919/20 stiegen die Preise
überall, auch in den Vereinigten Staaten, wäh-
rend sie in der Schweiz annähernd fest
blieben, weil hier die Notenpresse schon ruhte.
("Das hatte man dem ungestümen Drängen der Frei-
geldleute zu verdanken." - Professor Dr. Furlan,
Handelsredaktor der "Basler Nachrichten", 1918.)



35. Einwand: Der Uebergang zur festen Wäh-
rung ist ein Experiment, das wir nicht wagen dürfen.

Antwort: 1914 wagte man den Uebergang von
der Goldwährung - wohin? Man wußte es nicht! Es
war allerdings damals kein "Experiment", denn ein
Experiment setzt eine Theorie voraus, eine Ueber-
legung, welche man erproben will. Wir hatten aber
damals gar keine Theorie und keine Ueberlegung,
wenigstens ist uns nie etwas derartiges vom Finanz-
departement oder von Seiten der Nationalbank zu
Ohren gekommen. Wir experimentierten nicht, son-
dern wir pfuschten. Durch Pfuscherei stiegen von
1914 bis 1920 die Preise. Wir Freigeldleute sagten
das Ergebnis dieses Pfuschs schon 1915 voraus! Von
1920 ab pfuschte man anders; auch das Ergebnis
dieser Veränderung war von uns vorausgesagt
worden, es traf ebenfalls richtig ein; die Preise san-
ken und die ungeheure Krise war die Folge! Dr. Th.
Christen schrieb 1916 dem Bundesrat, daß uns
der Versuch des Preisabbaues eine Krisis bescheren
werde, die man als "Landesunglück" bezeichnen
würde - sie trat auch ein.
Den Uebergang zur festen Währung haben
wir seit 1914 mehr als 30 Mal gemacht, indem wir
von der sinkenden zur steigenden Preisbewegung und
umgekehrt übergingen. Doch waren es eben nur
Uebergänge. Immerhin blieb der Preisstand
im Sommer 1922 und 1923 oft monatelang beinahe
auf der gleichen Höhe, am längsten dann September
1927 bis April 1929, Der "Uebergang" zur festen
Währung ist also etwas, was wir schon seit langem
kennen!
Die guten Wirkungen jedoch blieben aus (mit
Ausnahme des "Rekordjahres" 1928), weil niemand
an den festen Preisstand glaubte, sondern den Preis-
abbau oder eine weitere Steigerung erwartete. Nur
1928 hatte man sich von dieser bedrückenden Vor-
stellung freigemacht.



36. Einwand: Gibt man dem Staat nicht zuviel
Macht in die Hand, wenn er durch seine Geldver-
waltung die Höhe des mittleren Preisstandes be-
stimmen kann? Die Goldwährung bildet eine na-
türliche Begrenzung der Geldmenge!

Antwort: Mit dieser Begründung würde man
im Längenmaß beim Fuß und im Hohlmaß beim
hohlen Schädel bleiben müssen: da bildet die Natur
auch eine natürliche Bremse für die Größe des
Maßes! Für die Geldmenge aber bildet die Natur
keine Grenze nach unten, weil das Hamstern des
Geldes unbegrenzter vor sich gehen kann als Fuß
und Schädel klein sein können! Das Gold schützt
uns vor der Deflation nicht, und daß die Deflation
weit schlimmer ist als man gewöhnlich glaubt, das
lehren uns die Ruinen Athens, Roms und nun auch
schon unsre eigenen geschlossenen Fabriken. Außer-
dem aber wird die "Goldbremse" doch immer wie-
der außer Betrieb gesetzt, wenn es den Staatsmän-
nern nötig erscheint, um einen Krieg auf Kosten der
angeblich mündelsicheren Gelder zu finanzieren.
Wäre das Volk darauf eingestellt, daß die Hand-
habung der Währung eine Tat ist, für die jemand
verantwortlich gemacht werden kann, so würde dies
eine weitaus bessere Sicherung der Währung sein
als es die Goldwährung jemals sein kann. - Wer
diesen Einwand bringt, anerkennt übrigens damit die
Quantitätstheorie des Geldes.
Durch seine Gesetze muß der Staat schon
heute allgemeine Richtlinien für die Geldausgabe
geben. In der Regel laufen sie auf ein künstliches
Festhalten des Gold- und Silberpreises hinaus. Dies
nützt den Gold- und Silberminenbesitzern und, da
alle andern Preise schwanken, den Wucherspielern
(Spekulanten). Wenn man auf jeden Fall Währungs-
gesetze hat, wollen wir solche zugunsten der Arbeit
und nicht zugunsten des Wuchers haben. Die Wäh-
rungs- oder Notenbankgesetze bestimmen auf jeden
Fall den Geldbestand des Landes, damit aber auch
die Höhe der Nachfrage, soweit sie vom Geldbestand
abhängig ist: die Umlaufsgeschwindigkeit des Gel-
des liegt in den Händen derer, die das Geld hamstern
oder auch schneller umtreiben können. Wir sehen:
der Geldumlauf liegt also auf jeden Fall
in der Hand eines Menschen oder einer
Gruppe von Menschen.
Daher finden wir es am besten, das Volk über
die Währungsfrage aufzuklären, damit es künftig die
Geldverwaltung selber in die Hand nimmt und
stets streng beaufsichtigt, indem es den Stand des
mittleren Warenpreises im Auge behält. Nicht dem
Staat, jedem Bürger steht dann das Aufsichts-
recht über die Aufrechterhaltung der Währung zu,
weil dann jeder Bürger weiß, wo der Fehler liegt,
wenn die Preise allgemein steigen oder allgemein
sinken.


37. Einwand: Wenn wir die Goldwährung oder
auch die Vorkriegsverhältnisse wieder hätten, könn-
ten wir zufrieden sein.

Antwort: Die Goldwährung brachte uns:
1. Die Dauerkrise der Jahre 1873-1893, wo der
Grund gelegt wurde zum Schutzzollsystem, zur Kolo-
nialpolitik, zum Streit um die "Interessensphären",
schließlich zur Bündnispolitik (Entente und Dreibund)
und damit zum Weltkrieg. Alte Leute trösten uns
heute gelegentlich damit, 1880-1890 sei es noch
schlimmer gewesen als heute! Das spricht nicht für
die Güte der Goldwährung! Und die "guten" Vor-
kriegsverhältnisse brachten uns doch den --- Welt-
krieg!
2. Die Goldwährung brachte uns weiter die Preis-
rückgänge von 1901, 1907/08, 1913/14, die alle eine
Verarmung des arbeitenden Volkes infolge der Ab-
satzstockung und Arbeitslosigkeit brachten und
deren letzte zum Ausbruch des Weltkrieges beitrug.
(Kriege brechen immer zur Zeit sinkender Preise
aus!)
3. Das "wertbeständige Gold" brachte uns erneute
Preisschwankungen. 1873 hat man in den meisten
europäischen Ländern die Goldwährung eingeführt
anstelle der vorher üblichen Doppelwährung Gold-
Silber: Setzt man den Preisstand und den Goldwert
von 1873 gleich 100, so ergeben sich folgende
Schwankungen - wohlverstanden! - unter der
Goldwährung!

Jahr         Kaufkraft           Großhandelsindex in
             des Goldes         den Vereinigten Staaten
1873        100                        100
1886        177                          58
1891        123                          79
1895        177                          58
1900        134                          73
1903        150                          66
1912        111                          90
1913        129                          78
1920          36                        282
1922          50                        197
1924          56                        178
1932          84                        119

Die Kaufkraft des Goldes schwankte also seit
1873 von 36 bis 177, also zwischen 1 und 5, d. h.,
die Preise verfünffachten sich (von 1886 bis
1920).
Ueber die Goldwährung urteilt Prof. Mitchell,
"einer der besten Kenner der Preisrevolution der
letzten 30 Jahre" (Urteil von Prof. Dr. Stephan
Bauer in Basel), in der "American Economic
Review", März 1920, Seite 155: "Die Vereinigten
Staaten haben die Goldwährung während des Krie-
ges ohne ernstliche Einschränkungen aufrechterhal-
ten . . . Nichtsdestoweniger haben wir
beinahe so gewaltige Preisfluktuationen
erlebt wie jene der Papiergeldperiode.
Diese Preisschwankungen haben Millio-
nen von Familien unverdiente Leiden
verursacht und Tausenden unverdienten
Reichtum zugeschanzt. Sie haben zu un-
produktiven Kämpfen geführt, in einigen
Schichten Schwelgerei begünstigt und
die Klasse der "neuen Reichen" geschaf-
fen. Sie haben die Spekulation gefördert und die
Leistungsfähigkeit der Betriebsführung und der Ar-
beit geschwächt. Wir sind ärmer an Gütern, wir sind
streitsüchtigeren Geistes und weniger arbeitsbereit
infolge dieser Preisschwankungen. All das ist ge-
schehen unter der Goldwährung 1914 bis
1920 und nicht mehr gutzumachen."
Seit 1920 hat Senator Ladd die Verluste, welche
allein die Bauern in den Vereinigten Staaten unter
der Goldwährung durch den Preisabbau er-
litten, auf 14 Milliarden Dollar für das Jahr
1920 und 18 Milliarden Dollar für das Jahr
1921 berechnet, also auf zusammen 32 Milliarden
Dollar = über 160 Milliarden Franken. 1913 berech-
nete man das Nationalvermögen in der Schweiz auf
40 Milliarden Franken!
Der neue Preissturz, mit andern Worten die neue
Erhöhung des Goldwertes seit 1929 hat die Bauern
der ganzen Welt auf das Schwerste geschädigt. Die
allgemeine Wiedereinführung der Goldwährung war
auch diesmal, wie 1873 die erste allgemeine Einfüh-
rung, von einer furchtbaren Deflation begleitet, der
selbst Finnland zum Opfer fiel, das seit 1914 keine
Krise mehr gekannt hatte.
Die Zukunft des Goldes ist erst recht in Dun-
kel gehüllt. Nicht ein totes Metall, das leichter als
alle anderen Waren dem Markt entzogen und ge-
hamstert werden kann, sondern die stete Anpassung
eines immer im Umlauf befindlichen Geldes (Frei-
geld!) an das Warenangebot kann uns einen festen
Preisstand und damit einen festen Geldwert ver-
Bürgen.



38. Einwand: Die Landwirtschaft ist "nicht in
erster Linie am Preis an sich interessiert, sondern
am Verhältnis zwischen den Preisen der Produk-
tionsmittel und Dienstleistungen einerseits und den
Produktenpreisen anderseits". (Dr. O. Howald.)

Antwort: Das heißt, auf die Arbeiterschaft
übertragen, diese sei interessiert nicht am Preis-
stand, sondern an der Höhe des Lohnes. Mit
andern W orten: die ganz verfehlte Gewerk-
schaftspolitik alten Stils (die mehr und
mehr einer besseren Auffassung Platz macht) wird
hier für die Bauern als richtig hingestellt! Was
Howald sagt ist völlig falsch!
1. Ist "der Preis an sich" nicht gleichgültig, son-
dern er entscheidet darüber, wie viel allgemein für
den Zins gearbeitet werden muß: doppelt so viel
beispielsweise, wenn "der Preis an sich" auf die
Hälfte, halb so viel, wenn der Preis auf das Dop-
pelte gestiegen ist. Das "interessiert" doch den
Dauern sicher!
2. Es ist unmöglich, einem Teil der Arbeiten-
den auf Kosten der andern dauernd zu helfen.
Es findet .bald eine Umstellung der Arbeitenden
statt, die dem "Sieger" den eroberten Vorteil wieder
raubt. So steigen beispielsweise die Pachtzinse und
die Landpreise, sobald die landwirtschaftlichen Pro-
duktenpreise im Verhältnis zu den Preisen der Pro-
duktionsmittel und Dienstleistungen (Löhnen) ins
Steigen gebracht worden sind. Diese Politik hat
man in der Schweiz seit über 30 Jahren getrieben.
Das Ergebnis? Wir sehen es heute! (Siehe darüber
den 93, Einwand!)
3, Ohne einen festen allgemeinen Preisstand
hängt jeder einzelne Preis in der Luft. Kommt der
Preisstand gar ins Sinken, so ist der Bauer stets der
am meisten leidtragende, da ihm 1. seine Schulden
damit aufgewertet werden, 2. er keine Arbeitslosen
der Gemeinde aufbürden kann und er 3. einen festen
Zins zu zahlen hat, während die Aktiengesellschaften
die Dividenden senken können.

 

39. Einwand: "Eine Stabilisierung der Preise
ist nur dann von dauerndem Nutzen, wenn gleich-
zeitig die absolute Planwirtschaft mit all ihren Nach-
teilen eingeführt oder jeder technische Fortschritt
unterbunden wird." (Dr. O. Howald.)

Antwort: Planwirtschaft treibt jeder, der
planmäßig arbeitet; planmäßig arbeitet jeder, der
sich über den Absatz klarzuwerden sucht, und das
tut jeder, der auf eigene Verantwortung
und auf eigene Kosten arbeitet. Niemals kann
ein Beamter mit der gleichen Sorgfalt die Mög-
lichkeiten erforschen wie einer, der sein eigenes
Geld zu Markte trägt.
Nur in einem Punkte herrschen - sagte Mini-
sterpräsident Daladier 1933 auf der Londonerkonfe-
renz - "Zufall und Willkür" : bei der Goldwäh-
rung , die uns "die Ware aller Waren", nämlich das
Tauschmittel, das Geld, liefern sollte! Wer sagt,
daß mit der richtig geregelten Geldversorgung, mit
der festen Währung die Planwirtschaft nötig werde,
ist blind geblieben für die Entwicklung der Welt-
wirtschaft unter der Goldwährung, die uns ja
gerade deshalb in die bekannten Planwirtschafts-
versuche wie Getreideabkommen, Anbauvorschrif-
ten usw. und in die Warenvernichtung hineinzwang.
Wer sagt, daß eine richtig geregelte Geldversorgung
der Wirtschaft; die zu einem festen Geldwert führt,
zur Planwirtschaft führe oder die Entwicklung der
Technik verhindere, der stellt die Tatsachen
auf den Kopf. Nicht das Geradegenug an Geld,
sondern das Zuwenig an Geld führte zu den Eingrif-
fen in die Wirtschaft und in die Brüning-, Laur- und
Schultheßpolitik hinein.
Den Beweis für diese Entwicklung unter der
Goldwährung haben uns ja vor allem gerade die
Vereinigten Staaten geliefert, die seit den Siebziger-
jahren bis im April 1933 die Goldwährung auf-
rechterhielten und mit ihr in die Planwirtschafts-
experimente von Johnson und Roosevelt hinein-
getrieben wurden!


(1) Diskont: Zins für Noten bei der Notenbank.
(2) Lombard: Zins für Vorschüsse auf Wertpapiere,
Warenlager usw.
(3) Diese Risikoprämien gehen zurück, wenn die Freiwirt-
schaft sich eingelebt hat und die Wirtschaft ganz gefestigt ist.


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Dieser Text wurde im Februar 1998 ins Netz gebracht von Wolfgang Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.