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A. Der derzeitige Zustand

Die Unübersichtlichkeit des heutigen Systems und ihre Folgen

Neben den bekanntesten und ertragsmäßig größten Steuerarten, den Einkommen- und Umsatzsteuern, gibt es heute noch ca. 40 andere Steuern, von der Mineralöl- über die Gewerbesteuer bis hin zu diversen Bagatellsteuern.

Alle diese Steuern werden auf die verschiedenste Weise und an den verschiedensten Stellen, mal direkt und mal indirekt, mal mehr oder weniger umfassend und konsequent, durch ein Heer von Firmenangestellten, Steuerberatern, Behörden und Verwaltungsstellen berechnet, erfaßt, geprüft und eingezogen.

Zusätzlich belastet wird dieses Steuerwirrwarr noch durch hunderte von Gesetzen, Ausführungs- Ausnahme- und Sonderbestimmungen, die sich oftmals überlappen, überschneiden oder gegenseitig aufheben. Der daraus resultierende Steuerdschungel von Gesetzen und Paragraphen ist sachlich und logisch kaum noch zu begreifen und zu begründcn. Er fordert darum geradezu zum Mißbrauch heraus.

Sieht man von den Lohn- und Gehaltsempfängern ab, bietet die Kompliziertheit des gegebenen Steuersystems außerdem den Zahlungspflichtigen immer mehr legale, halblegale und illegale Möglichkeiten, Zahlungen zu kürzen oder zu umgehen. Dies führt wiederum zu einem noch größeren Kontroll- und Fahndungsaufwand und zu vermehrten Rechtsstreitigkeiten, deren Kosten ebenfalls am Ende von den Bürgern zu tragen sind.

Die Ungerechtigkeit und ihre Folgen

Die Ungerechtigkeit unseres Steuersystems resultiert einmal aus den bereits angesprochenen Möglichkeiten für bestimmte Bürgergruppen, Steuerzahlungen mehr oder weniger zu umgehen, zum anderen aus den Absurditäten der Steuergesetzgebung und ihrer Anwendungsspielräume.

Hierfür einige Beispiele:

Selbständige kassieren oftmals ohne Rechnung und entziehen sich damit der Steuerpflicht, oder sie nutzen sogenannte "Abschreibungsobjekte" aus, wodurch sie nicht nur ihre Steuerzahlungen minimieren können, sondern oft noch vom Finanzamt Geld zurückerhalten.

Unternehmer lassen sich von hochbezahlten Fachleuten beraten, verschachteln ihre Firmen zur Gewinnverschleierung und nutzen jede Lücke im Gesetz zu ihrem Vorteil aus.

Spekulanten und Großgrundbesitzer stuft man nach lächerlich geringen und längst überholten Vermögenssätzen ein und zieht sie selbst bei millionenschweren Verkaufsgewinnen nicht zur Steuerzahlung heran.

Millionäre und Milliardäre legen ihre Gewinne immer wieder steuersparend an, vergrößern ständig den Besitz und finden oftmals auch noch Wege, das Kapital im rechten Augenblick ins Ausland abzufahren.

Multis und Großkonzerne weisen häufig nur Verluste aus, weil sie die Gewinne von einem Land ins andere verschieben, um sie am Ende dort zu sammeln, wo man sie nur noch ganz gering zur Kasse bittet.

Wirtschafts-, Subventions- und Steuerschwindler nutzen ebenfalls das Wirrwarr aus und betrügen so die arbeitende Bevölkerung um ungeheure Summen. Ebenso zahlt ein Heer von Schwarzarbeitern weder Steuern noch Sozialabgaben und bezieht dabei oft noch Arbeitslosenunterstützung oder Hilfe vom Sozialamt.

Die Steuer-Einnahmeverluste die durch diese Gruppen entstehen, werden von Fachleuten auf 100 bis 200 Mrd DM jährlich geschätzt, was etwa der Hälfte des heutigen Aufkommens aus den Einkommensteuern entspricht.

Diese Einkommenssteuern wiederum bestehen inzwischen fast nur noch aus der Lohnsteuer, während die "gestaltbare" veranlagte Einkommenssteuer immer weniger zu Buche schlägt.

Die Reihe der Ungerechtigkeiten und Absurditäten ließe sich seitenlang fortsetzen. Sie sind besonders bedenklich, weil alle daraus resultierenden Einnahmeausfälle, Kosten und Schäden letztlich von jenen Bürgern ausgeglichen werden müssen, die man jeden Monat für jede Mark unausweichlich zur Kasse bittet.

Alle anderen jedoch - und das sind meist die besser Verdienenden und mehr Besitzenden - profitieren zunehmend von diesem Steuerdschungel und dem System der Ungerechtigkeiten. Als Folge davon verringert sich die Arbeits- und Steuermoral der noch ehrlichen Bürger und es vermehren sich Staatsverdrossenheit und Korruptionsbereitschaft.

Die ökologischen Folgen

Nach dem heutigen System wird der Produzent wie der Käufer umweltschonender, gesundheitsfördernder oder energiesparender Güter praktisch im gleichen Maße steuerlich belastet wie der Erzeuger oder Käufer solcher Produkte, die das Gegenteil bewirken. Da außerdem die Ausgaben für die uns überflutende Werbung von der Steuer abgesetzt werden können, werden auch noch unnötiger Konsum und schädliche Verhaltensgewohnheiten auf Steuerkosten gefördert. Oft kommt es dadurch sogar zu einer Verdrängung umweltfreundlicher Produkte vom Markt.

Die Folgen dieses heutigen "wertneutralen" Steuersystems belasten darum gleichermaßen Ressourcen und Umwelt und damit die Zukunft. Kurz: Das System bietet praktisch keinen Anreiz, Rohstoffe und Energie zu sparen oder alternative Güter oder Produktionsmethoden zu entwickeln. Vielmehr belohnt man tendentiell das Gegenteil.

Läßt sich das derzeitige System verbessern?

Ganz gewiß kann man auch ein älteres Haus durch An- und Umbau immer wieder modernisieren. Irgendwann kommt aber überall der Zeitpunkt, wo auch mit den geschicktesten Umbauten und Verbesserungen die Unzweckmäßigkeiten des Gebäudes nicht mehr zu vertuschen sind und das Haus nicht mehr die Aufgaben erfüllt, für die es einst gedacht war. Das ist besonders dann der Fall, wenn die Problemursachen im Fundament liegen und darum alle Reparaturen an anderen Stellen nur Flickwerk sind, die letztendlich die Stabilität des Gesamtgebäudes zusätzlich belasten.

Das trifft auch auf unser Steuergebäude zu, das auch mit komplizierten Detailveränderungen nicht mehr zu retten ist. So haben sich, trotz einer Unmenge von Gesetzeskorrekturen und -erweiterungen in den vergangenen Jahrzehnten, die Ungerechtigkeiten und Unübersichtlichkeiten nie verringert, sondern immer noch vermehrt. Nur eine neue und vereinfachte Konstruktion des Steuergebäudes kann darum weiterhelfen. Diese Konstruktion müßte für alle Bürger versteh- und durchschaubar sein, ohne Schlupflöcher und Hintertüren. Und sie müßte von einer Grundlage ausgehen, die den Erfordernissen und Erkenntnissen unserer Zeit entspricht.


Dieser Text wurde ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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