Kapitel aus: Helmut Creutz: Das Geldsyndrom; Ullstein, 1997, 4. Auflage; ISBN 3-548-35456-4
Orginalausgabe 1993 by Wirtschaftsverlag Langen Müller in der F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München


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Vorwort
Geld ist eine tolle Einrichtung! Doch obwohl wir es seit Jahrtau-
senden kennen und benutzen, gibt es nichts Vergleichbares, wor-
über wir so wenig wissen! Geld ist immer noch mit einem Nebel
des Geheimnisvollen umgeben. Selbst Wissenschaftler reden von
„Geldschleier“ und „Geldillusion“ und verbinden Geld mit Ma-
giebegriffen.
 In diesem Buch wird versucht, die Begriffe und Funktionen
rund um das Geld zu erklären. Ebenso die geldbezogenen Vor-
gänge in der Wirtschaft und deren Auswirkungen für uns Bürger.
Vor allem aber wird den Fehlstrukturen unserer Geldordnung
nachgegangen, werden ihre Folgen verdeutlicht und am Ende
Wege aus dem heutigen Dilemma aufgezeigt. Denn die Kenntnis
dieser Fehlstrukturen sowie die Möglichkeiten ihrer Behebung
sind ausschlaggebend für unsere Zukunft. Das gilt nicht nur für die
überschuldeten Länder Lateinamerikas oder den inflationären
Niedergang der Ostblockstaaten. Das gilt auch für die Industrie-
nationen, in denen die Geldbezogenheit aller Problementwicklun-
gen täglich deutlicher wird. Und niemand von uns kann sich diesen
monetären Zwängen und Auswirkungen entziehen, es sei denn, er
flieht als Robinson auf eine Insel.
 Für den normalen Bürger stellten sich bisher solche Überlegun-
gen kaum. Er erhält Geld für seine Arbeit und gibt es für den
Lebensunterhalt aus. Allenfalls hat er in der Jugend ein paar
Sprichworte mitbekommen, ohne viel darüber nachzudenken;
zum Beispiel „Geld verdirbt den Charakter“ oder „Beim Geld
macht der Teufel immer auf den größten Haufen“. Noch bekann-
ter und in vielen Sprachen zu Hause ist das Sprichwort: „Geld
regiert die Welt.“
 Warum aber verdirbt Geld den Charakter? Würden wir das
auch von einem Gutschein sagen oder einer Theaterkarte, die,
ähnlich wie Geld, einen Anspruch auf eine Gegenleistung doku-
mentieren? Und warum bekommen diejenigen noch mehr Geld,
die bereits einen „großen Haufen“ davon haben? Ist Einkommen
nicht an Leistung gebunden? Wenn ja, widersprechen leistungs-
lose Einkünfte dann nicht den Grund- und Menschenrechten?
Und was bedeutet das dritte Sprichwort, nach dem die Welt vom
Geld regiert wird? Wenn dieses Sprichwort stimmt, sind dann
nicht alle Regierungen, ob gewählt oder nicht, ob rot, schwarz
oder grün, nur eine Farce, Marionetten des Geldes? Können wir
von einer aufgeklärten, mündigen Welt und vor allem von Demo-
kratien reden, solange diese Fragen ungeklärt bleiben? Oder hat
man bewußt den Schleier des Geheimnisvollen über die Geld-
sphäre ausgebreitet?



Was stimmt nicht bei unserem Geld?
Wer sich unvorbelastet mit unserem Geld befaßt, mit der Geld-
ordnung, der Geldtechnik und allen sonstigen Geldgegebenhei-
ten, dem stehen meist sehr schnell die Haare zu Berge. Allein die
Widersprüchlichkeiten, auf die man unter logischen Ansätzen
stößt, finden fast kein Ende:
· Da ist Geld eine öffentliche Einrichtung, gleichzeitig aber auch
  privates Eigentum, obwohl nichts in der Welt zwei Herren die-
  nen kann.
· Da ist die Geldvermehrung durch gefälschte Banknoten und
  Münzen bei Strafe untersagt, die Geldverminderung durch Ent-
  zug von Banknoten aus dem Wirtschaftskreislauf jedoch er-
  laubt.
· Da ist Geld das einzige gesetzliche Zahlungsmittel, gleichzeitig
  aber auch ein beliebig verwendbares Spekulationsobjekt.
· Da unterliegt Geld einem allgemeinen Annahmezwang, aber
  keinem Weitergabezwang, obwohl das erste ohne das zweite
  keinen Sinn ergibt.
· Da wird Geld gleichzeitig als Tausch- und Wertaufbewahrungs-
  mittel deklariert, obwohl die zweite Funktion die erste aufhebt.
· Da wird kein Maßstab in der Wirtschaft so oft gebraucht wie das
  Geld, aber dessen Wert nicht stabil gehalten.
· Da ist unser Geld mit einem Zins- und Zinseszinseffekt gekop-
  pelt, obwohl das aus mathematischen Gründen zur Selbstzer-
  störung führen muß.
Die Aufzählung dieser Widersprüche dürfte eigentlich genügen,
um die vom Geld ausgehenden Miseren zu erklären, vor allem,
wenn man sich die zentrale Bedeutung des Geldes in unseren heu-
tigen Volkswirtschaften vergegenwärtigt.




Welche Bedeutung hat das Geld?
Wenn man die Bewohner eines Hauses fragt, welche Teile des
Gebäudes die wichtigsten sind, werden sie sicher die Wohnge-
schosse nennen. Vom Untergeschoß wird kaum jemand reden,
und vom Fundament noch weniger. Dabei ist das Fundament für
die Stabilität des gesamten Gebäudes von entscheidender Bedeu-
tung.
 Ähnlich ist es mit den Etagen der „politischen Gebäude“, in
denen wir leben: Der Bereich der Gesellschaftspolitik ist uns der
wichtigste. Mit wirtschaftlichen Fragen befassen wir uns weniger,
und mit jenen der Geld- und Währungsordnung so gut wie gar
nicht.
 Diese Einschätzungs- und Interessenabstufung gilt nicht nur für
das Gros der Bürger, sondern auch für fast alle Politiker.
 Ein langjähriges Mitglied der SPD im Bundestag, vormals
Bundesbanker und als Folge Währungsexperte seiner Fraktion,
hat mal beklagt: Immer wenn es um gesellschaftspolitische Ta-
gesfragen ginge, wäre der Fraktionsraum überfüllt. Würde
ernsthaft über Wirtschaftsfragen diskutiert, gingen zwei Drittel
der Abgeordneten nach Hause. Und stünden Geld- und Wäh-
rungsfragen an, bliebe von der ganzen Mannschaft allenfalls ein
halbes Dutzend übrig. - In anderen Parteien dürfte es kaum an-
ders sein.
 Dabei wird die wirkliche Bedeutung des Geld- und Währungs-
sektors jedem klar, wenn man die Bereiche Gesellschaft, Wirt-
schaft und Währung - entsprechend unserem Wohnhausbeispiel-
einmal übereinander anordnet, wie in der ersten Grafik darge-
stellt: Eine stabile Gesellschaft kann es nur auf dem Unterbau
einer stabilen Wirtschaft geben, und diese nur auf dem Funda-
ment eines stabilen Geld- und Währungssystems. Doch ähnlich
wie bei den Gebäuden, wissen wir nur selten etwas von dieser fun-
damentalen Rolle der Währung. Tauchen in den „gesellschaft-
lichen Wohnetagen“ Risse auf oder droht das gesamte Gebäude
baufällig zu werden, versuchen wir darum meist „vor Ort“ mit den
Problemen fertig zu werden. Doch haben solche Reparaturversu-
che kaum Chancen auf Erfolg, wenn die Ursachen der Störung
tiefer liegen. Machen wir uns aber die Mühe, den „Rissen“ und
„Baufälligkeiten“ in unseren Gesellschaftssystemen intensiv ge-
nug nachzugehen, das heißt auf der Leiter der Ursachenkette bis
zur untersten, auslösenden Ebene hinabzusteigen, dann werden
wir fast immer im „Fundament“ fündig werden, also im Bereich
von Geld und Währung.

Die Bedeutung des Geld-Waehrungsbereiches
Bevor wir aber die fundamentalen Fehlstrukturen untersuchen, ist
Eine Abklärung der Geldbegriffe, größen und –funktionen sinn-
voll.
 



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