Kapitel aus: Helmut Creutz: Das Geldsyndrom; Ullstein, 1997, 4. Auflage; ISBN 3-548-35456-4
Orginalausgabe 1993 by Wirtschaftsverlag Langen Müller in der F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München


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4. Kapitel
Geld, Banken, Notenbanken
„Geld- und Bankwesen sind für den Durch-
schnittsmenschen so geheimnisvoll, daß von
ihnen als einzige volkstümliche Auffassung
nur die des "Tabu" besteht. . . Die volkstüm-
lichen Begriffe, einschließlich der dem
durchschnittlichen Bankfachmann eigen-
tümlichen, sind so primitiv wie der
Aberglaube eines russischen Bauern vor
dem Weltkrieg.“
Irving Fisher *
* US-Ökonom und Geldtheoretiker, „Die Illusion des Geldes“, 1934


Was ist die Hauptaufgabe der Banken?
Wirtschaftsteilnehmer kommen normalerweise nur über einge-
brachte Leistungen zu Einkommen und damit in die Lage, Lei-
stungen anderer nachzufragen. Über dieses Einkommen hinaus ist
eine Nachfrage nur mit Hilfe von Krediten möglich. Kredite wie-
derum setzen Ersparnisse eines anderen voraus.
Um den Wirtschaftskreislauf in Gang zu halten, ist also niemand
gezwungen, sein Einkommen regelmäßig auszugeben. Wohl aber
ist es erforderlich, daß alle Einkommensüberschüsse anderen zur
Nachfrage überlassen werden. Mit der Vermittlung zwischen Spa-
rer und Kreditnehmer erfüllen die Banken also eine wichtige
volkswirtschaftliche Aufgabe. Dabei dient diese Kreditvermitt-
lung nicht nur dem Kreditnehmer, sondern der ganzen Volkswirt-
schaft. Denn der Kreditnehmer schließt die Nachfragelücke, die
sonst aufgrund der Nichtnachfrage des Sparers entstanden wäre.
Diese Markträumung durch den Kreditnehmer nützt vor allem
aber auch dem Sparer, der mehr Leistungen in den Markt einge-
bracht hat, als er selbst nachfragt. Ohne diese ersatzweise Nach-
frage durch den Kreditnehmer bliebe letztlich seine eigene Mehr-
leistung am Markt liegen.
 Natürlich haben Banken nicht nur die Aufgabe, mit der über-
schüssigen Kaufkraft der einen die Kassen bzw. Konten der ande-
ren Wirtschaftsteilnehmer über Kredite aufzufüllen. Eine andere
wichtige Aufgabe ist auch die Abwicklung des unbaren Verrech-
nungsverkehrs in der Wirtschaft. Bedenkt man, daß 1993 in jedem
Monat etwa 3260 Mrd. DM zwischen den Girokonten umgebucht
wurden, pro Kopf in Westdeutschland also rund 50000 Mark,
dann wird die Größenordnung dieser Dienstleistung ermeßbar.
Hinzu kommt noch der Bargeldverkehr, dessen Größe und Um-
schlaghäufigkeit jedoch wesentlich geringer ist. Allerdings wäre es
falsch, den Bargeldverkehr deswegen als unbedeutend anzuse-
hen. Nach einer Untersuchung der Bundesbank aus dem Jahr 1985
wurden 87 Prozent aller Zahlungsvorgänge der „Nichtbanken“ (=
Wirtschaftsteilnehmer, ohne Banken) mit Bargeld abgewickelt
und nur 13 Prozent mit Guthabenübertragungen. Auch wenn de-
ren Einzelsummen die der Barzahlungen weit übertreffen, wird
die Rolle des Bargeldes deutlich. Außerdem ist zu beachten,
daß über die Girokonten auch das Gros aller Guthabenumschich-
tungen und Spekulationsgeschäfte abgewickelt wird sowie die
vielfachen Zahlungsvorgänge im Vorfeld von Investition und
Verbrauch. Alle diese letztgenannten Vorgänge im Vorfeld des
Konsums finden jedoch nur dann und so lange statt, wie am Ende
der Kette ein Verbraucher mit einem Geldschein in den Laden
geht und kauft.


Was ist mit der Macht der Banken?
Die Macht im Lande kann man im allgemeinen an der Größe der
Gebäude erkennen. Früher waren es Tempel, Burgen, Kathedra-
len, Schlösser oder Rathäuser. Heute scheinen es die Banken zu
sein. Das gilt nicht nur für die Banktürme in Frankfurt. Auch im
letzten Dorf ist die Volksbank oft das repräsentativste Gebäude.
 Imponierend sind auch die Zahlen: Insgesamt rund 4000 Insti-
tute mit 40000 Niederlassungen und 600000 Beschäftigten wiesen
1993 ein Geschäftsvolumen von 6597 Mrd. DM aus, mehr als das
Doppelte des westdeutschen Sozialprodukts. Und mit 4090 Mrd.
DM war das Kreditvolumen Ende 1993 fast achtmal größer als der
Bundeshaushalt.
 Trotzdem ist der Rückschluß auf die Machtverhältnisse etwas
fragwürdig. Denn die Größe der Bankgebäude und ihr Wachstum
spiegeln nur die Größe und das Wachstum der Geldeinlagen wi-
der, die den Banken von den Sparern anvertraut werden. Ihre
Macht ist also weitgehend eine geliehene. Das Eigenkapital der
Banken übersteigt kaum einmal jene sechs Prozent der Kredit-
masse, die von der Bankenaufsicht vorgeschrieben sind. Und die-
ses Eigenkapital ist bei zwei Dritteln aller Banken öffentlich-
rechtlich oder genossenschaftlich organisiert. Die bekannten drei
deutschen Großbanken sind am gesamten Geschäftsvolumen nur
mit 12,5 Prozent beteiligt, und ihr haftendes Eigenkapital verteilt
sich auf Hunderttausende von Aktionären. Echte Privatbanken à
la Rothschild oder Rockefeller, bei denen Einzelpersonen oder
Familien das Eigenkapital in der Hand haben, gibt es fast nicht
mehr. In der Bundesrepublik kommen sie größenmäßig gerade
noch auf 1,3 Prozent des Geschäftsvolumens. Macht, das heißt
Einfluß auf die Wirtschaft und darüber auf die Politik, haben
allenfalls jene Banken, die über größere Aktienbestände bei ein-
zelnen Unternehmen verfügen. Viel gravierender aber ist der Tat-
bestand, daß Banken bei Aktionärsversammlungen als Vertreter
ihrer Kunden handeln können, die ihnen ihr Stimmrecht überlas-
sen. Doch diese Machtausübung ist keine bankspezifische Frage,
sondern eine des Aktienrechts, das leicht korrigierbar ist.



Wächst die Macht der Banken mit den Umsätzen?
Die Annahme liegt nahe, daß die Banken mit der Überentwick-
lung der Geldeinlagen und Kredite immer mächtiger und einfluß-
reicher werden. In Wirklichkeit kommt es jedoch auch hier, wie
bei allen Überwachstumsprozessen, schließlich zu gegenläufigen
Wirkungen. Denn je größer die Geldvermögen und Schulden in
einer Volkswirtschaft sind, um so mehr nehmen - aufgrund der
sinkenden Realabsicherungen - die Kreditrisiken zu. Und kommt
es dann zu massierten Zahlungsunfähigkeiten der Kreditnehmer,
fallen die Marktpreise der beliehenen Objekte oft unter die offe-
nen Bankforderungen.
 Schon Anfang der 80er Jahre kam es in den USA zu reihenwei-
sen Zusammenbrüchen von Banken im ländlichen Raum, als
Zehntausende von hochverschuldeten Farmern ihren Besitz ver-
steigern mußten und mit den Versteigerungserlösen die Kredit-
summen nicht mehr abzudecken waren. Dasselbe wiederholte sich
Ende der 80er Jahre bei den Sparbanken und etlichen regionalen
Großbanken. Ursache waren die von Reagan zur Belebung der
Wirtschaft ausgeweiteten Beleihungsgrenzen für Immobilien, die
deren Werte in die Höhe schießen ließen und damit auch wieder
die Kreditaufnahmemöglichkeiten. Als dann der Spekulationsbal-
lon platzte, waren die Außenstände der Banken in vielen Fällen
nicht einzutreiben. Nach einem Bericht der FAZ vom 21.10.92
waren damals schon „1492 (= 12 Prozent) der rund 12000 Ge-
schäftsbanken konkursreif und 1179 strenggenommen bereits in-
solvent“. Und Prof. Udo Reifner berichtet Anfang 1993 in dem
Infodienst des Instituts für Finanzdienstleistungen „BankWatch“,
daß diese Bankzusammenbrüche „den amerikanischen Steuerzah-
ler bis Ende der 90er Jahre insgesamt nach Schätzungen zwischen
500 Mrd. DM und 1,2 Billionen DM kosten werden“. Doch wie er
weiter ausführt, häufen sich auch bei uns die Probleme, z. B. die
„Schieflagen deutscher Großbanken wie der BfG, der DG-Bank
sowie der BRZ, die mühsam durch Milliardenzahlungen am deut-
schen Markt interessierter Dritter. . . oder aus den Töpfen der
kleinen Genossenschaftsbanken verdeckt werden“. Um 2,6 Mil-
liarden Mark wurden die Sicherungsfonds bereits geleert, schreibt
er weiter, und da die Beiträge an diese Fonds je 100 DM Einlage
nur bei 3 bis 6 Pfennig liegen, hat auch bei uns die Absicherung der
Einleger ihre Grenzen.
 Die zunehmenden Zusammenschlüsse von Banken bzw. von
Banken und Versicherungen sind also nicht immer ein Zeichen
wachsender Stärke, sondern immer häufiger das Gegenteil.



Welche Aufgaben haben die Notenbanken?
 Im wesentlichen beziehen sich die Aufgaben der Notenbanken
darauf, die Geldversorgung der Wirtschaft und die Stabilität der
Geldkaufkraft zu sichern.
 Die Erfüllung dieser Aufgabe hängt von den Instrumentarien
und Rechten ab, die ihnen gesetzlich eingeräumt werden. Dar-
über hinaus von den Fähigkeiten der Verantwortlichen und nicht
zuletzt von den Einspruchsrechten Außenstehender, das heißt vor
allem der Regierungen. Bezogen auf das Einspruchsrecht spielt
natürlich auch die Frage eine Rolle, wer der Träger bzw. Eigentü-
mer der Notenbanken ist. Nach älteren Untersuchungen befinden
sich etwa vier Fünftel aller Notenbanken völlig, der Rest überwie-
gend in Staatsbesitz. Nur wenige Notenbanken (wie z. B. in der
Schweiz) sind privatrechtlich organisiert. Allerdings ist diese be-
sitzrechtliche Frage für den Erfolg der Notenbanken weniger
wichtig als die ihrer Unabhängigkeit. Hat z. B. der Staat das
Recht, von der Notenbank Kredite zu fordern, dann werden bei
jeder Notenbank, unabhängig von ihrer Organisationsform, die
Stabilitätsbemühungen unterlaufen.
 Wie bereits die Aufgabenbeschreibung zeigt, handelt es sich bei
den Notenbanken, auch Zentralbanken genannt, in Wirklichkeit
um gar keine Banken, sondern um Institutionen, die eine öffent-
lich-rechtliche Aufgabe erfüllen, nämlich die der Geldversorgung
der Wirtschaft. Auch hier, bei Banken und Notenbanken, werden
mit der Verwendung des gleichen Begriffs „Banken“ für zwei völ-
lig unterschiedliche Aufgaben- und Tätigkeitsbereiche wieder un-
nötige Verwirrungen gestiftet und Mißverständnisse geradezu
vorprogrammiert.



Wie ist die bundesdeutsche Notenbank organisiert?
Unsere Notenbank, die Deutsche Bundesbank, ist im Besitz des
Bundes, jedoch eine eigenständige Einrichtung öffentlichen
Rechts, vergleichbar etwa mit dem Verfassungsgericht. Der Bun-
desbankpräsident und die übrigen Mitglieder des Direktoriums
werden zwar von der Regierung eingesetzt, in ihren Entscheidun-
gen aber sind sie weitgehend unabhängig und an die Vorgaben
gebunden, die im „Gesetz über die Deutsche Bundesbank“ festge-
schrieben sind. Die wichtigsten Aussagen findet man in § 3 BBG:
 „Die Deutsche Bundesbank regelt mit Hilfe der währungspo-
 litischen Befugnisse. . . den Geldumlauf und die Kreditversor-
 gung der Wirtschaft mit dem Ziel, die Währung zu sichern. . .“
Und in § 12, der das Verhältnis der Bank zur Bundesregierung
festlegt, heißt es:
 „Die Deutsche Bundesbank ist verpflichtet, unter Wahrung ih-
 rer Aufgabe die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregie-
 rung zu unterstützen.“
Liest man diese beiden entscheidenden Passagen unvorbelastet
durch, dann kann man ob ihrer ungenauen Aussagen nur den
Kopf schütteln. Ursache dieser fragwürdigen Formulierungen
dürften die unzureichenden monetären Kenntnisse der Politiker
und ihrer Berater gewesen sein, die dieses Gesetz 1957 verfaßt
haben. So kann man bereits trefflich darüber streiten, welche
praktischen Konsequenzen aus der Verpflichtung, die „Wirt-
schaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen“, ggf. abgelei-
tet werden können. Das heißt, ob diese Verpflichtung gewichtiger
ist als der Auftrag zur Regelung des Geldumlaufs und zur Siche-
rung der Währung.



Was heißt „die Währung sichern“?
Ein Unbefangener könnte vermuten, daß mit diesem Wortlaut die
Absicherung des Geldwertes mit Gold, die Verhinderung von Fäl-
schungen oder auch die sichere Unterbringung der Geldscheine in
Tresoren gemeint ist. Tatsächlich war es auch lange strittig, ob die
Väter dieser Textfassung an feste Wechselkurse oder an gleich-
bleibende Kaufkraft des Geldes gedacht haben. Inzwischen hat
man sich - vor allem nach dem Desaster fester Wechselkurse An-
fang der 70er Jahre - auf das Ziel der Kaufkraftstabilität geeinigt,
wenn auch mit wenig praktischen Erfolgen. Denn wenn man be-
denkt, daß die Mark von 1950 heute keine 30 Pfennig mehr wert ist
und ihre größten Verluste in den beiden letzten Jahrzehnten ein-
stecken mußte, kann man kaum behaupten, die Bundesbank habe
ihre Aufgabe nach § 3 erfüllt. Hauptursache dieses Mißerfolges ist
die unzulängliche Sicherung des Geldumlaufs, die ihr im gleichen
Paragraphen zur Aufgabe gemacht ist.


Wie regelt die Bundesbank den Geldumlauf, und warum ist diese Aufgabe so wichtig?
 Wenn man von der Versorgung der Wirtschaft mit Geld ausgeht,
denkt man meist nur an die Regulierung der Menge. Die Menge ist
aber nur ein Faktor der Wirksamkeit, der zweite ist die Einsatz-
häufigkeit des Geldes, das heißt, ob und wie oft es als Tauschmit-
tel in der Wirtschaft aktiv eingesetzt wird. Denn bleibt herausge-
gebenes Geld irgendwo liegen, ist es genauso wirkungslos wie
nicht herausgegebenes. Eine Notenbank hat darum nicht nur die
Aufgabe, Geld in den Umlauf zu geben, sondern sie muß auch für
dessen gleichmäßigen Umlauf sorgen. Erst bei einer störungs-
freien „Umlaufgeschwindigkeit“ kann es auch störungsfreie Kon-
junkturen und stabile Kaufkraft geben.
 Vergleicht man das Geld mit einem Pferd und die Wirtschaft mit
dem Wagen, den das Pferd zu ziehen hat, dann könnte man die
Notenbanken als die Kutscher ansehen, die für die notwendigen
Pferde zu sorgen haben und für deren gleichmäßigen Gang. Will
ein Kutscher seine Aufgabe optimal erfüllen, wird er die Pferde
am kurzen Zügel so führen, daß der Wagen in gleichmäßiger Be-
wegung bleibt. Vor allem wird er dafür sorgen, daß die Pferde
nicht beliebig ausscheren oder gar Pausen machen können.
 Die Notenbanken aber begnügen sich im wesentlichen damit,
eine von ihnen für richtig angenommene „Pferdemenge“ vor den
Wirtschaftswagen zu spannen. Den „Lauf der Pferde“ regulieren
sie - wenn überhaupt - allenfalls an ganz langer Leine, hoffend,
daß die Pferde es schon richtig machen werden. Erst wenn sie mer-
ken, daß der Wagen zu schnell oder zu langsam rollt, werden sie
aktiv. Dabei greifen sie jedoch nicht direkt in die Zügel. Vielmehr
versuchen sie, das Bewegungstempo der „Pferde“ mit verringer-
ten oder vergrößerten „Haferrationen“ zu beeinflussen, die sie ih-
nen vor die Nase halten. Konkret: Merken die Notenbanken, daß
das herausgegebene Geld nicht regelmäßig umläuft, versuchen
sie, statt das Geld an „kurzer Leine“ zu führen, die Geldhalter
durch mehr oder weniger „Zinshafer“ anzuregen, das Geld regel-
mäßiger in Bewegung zu bringen. Und um einen allzu großen
Rückgang der Bewegungsgeschwindigkeit zu vermeiden, lassen
sie das Geld - entgegen ihren Stabilitätsschwüren - ständig etwas
unter der Inflationspeitsche laufen. Da sie jedoch die Geschwin-
digkeitsveränderung des Wirtschaftswagens immer erst mit Ver-
spätung merken und ihre Korrekturversuche über Zins und Infla-
tion mit noch größeren und dazu unberechenbaren Verzögerungen
verbunden sind, ist das Ergebnis mehr als offen. In ihrer Verzweif-
lung bekämpfen sie schließlich sogar die durch zuviel herausgege-
benes Geld selbst verursachte Inflation mit hohen Zinsen, was der
Austreibung des Teufels mit dem Beelzebub gleichkommt. Daß
die Erfolge dieser Prozedur in aller Welt entsprechend sind, ist
verständlich.
 Dabei gibt es eine ganz klare Vorgabe für die Umlaufgeschwin-
digkeit des Geldes, nämlich die Geschwindigkeit der Einkom-
mensströme. Die Notenbanken brauchen also nur durch eine
funktionierende Umlaufsicherung dafür zu sorgen, daß alle Ein-
kommen regelmäßig, direkt oder indirekt, auch wieder zu Ausga-
ben werden. Um die Höhe der Zinsen brauchen sie sich dann
keine Sorge mehr zu machen, und die „richtige Geldmenge“ wie
die Kaufkraftstabilität spielen sich automatisch ein.



Was heißt „regelt. . . die Kreditversorgung der Wirtschaft“?
 Diese Formulierung vernebelt heute noch die meisten Köpfe.
Selbst Sachkundige leiten daraus ab, daß die Bundesbank die Wirt-
schaft mit Krediten versorgt. Dabei stammen die Kredite in unserer
Wirtschaft, soweit sie nicht privat vergeben werden, aus Einlagen
der Sparer bei den Banken, also aus den Einkommensüberschüssen
von Wirtschaftsteilnehmern, nicht von Bundesbank. Nur an den
Staat konnte die Bundesbank bis 1994 kurzfristige Kassenkredite
vergeben, allerdings in eingegrenzter, relativ geringer Höhe.
 Darüber hinaus räumt sie lediglich den Geschäftsbanken Kre-
dite ein, die aber nur in Form von Bargeld von den Banken abge-
rufen werden können. Das heißt, diese Kredite dienen allein der
Versorgung der Wirtschaft mit Geld. Über die Größenordnungen
und Abgabebedingungen dieser Kredite versuchen die Notenban-
ken dann die „Geldmenge“ mit dem Ziel stabiler Kaufkraft zu
steuern. Da jedoch der Umlauf heute nicht gesichert ist (da jeder
Geldhalter das Recht hat, Geld nach Belieben stillzulegen), bleibt
es bisher nur bei diesem Versuch.



Wie läuft das mit den Krediten an die Banken?
Da die Banken die Kredite der Notenbanken nur als bares Geld
abrufen können, nehmen sie auch nur in dem Umfang Kredite auf,
wie sie für die Abwicklung am Schalter Geld benötigen. Das heißt,
nicht die Notenbanken und auch nicht die Geschäftsbanken
bestimmen über die Geldmenge in der Wirtschaft, sondern die
Wirtschaftsteilnehmer, die bei der Bank Geld abheben. Heben sie
mehr Geld ab, als die Bank in der Kasse hat, weitet die Bank bei
der Notenbank ihre Verschuldung aus, um zusätzliches Geld zu
erhalten. Hat die Bank zuviel Geld in der Kasse, gibt sie es schleu-
nigst an die Notenbank zurück. Denn alles Geld in der Kasse ist
für die Bank „totes Kapital“, für das sie an die Bundesbank Zinsen
zahlen muß. Das heißt, die bundesdeutschen Geschäftsbanken
sind in der Höhe der über sie in Umlauf gesetzten Geldmenge bei
der Bundesbank verschuldet. Sie müssen also für das Gros des
herausgegebenen Geldes (Ende 1993 rund 197 Mrd. DM) Zinsen
zahlen, ohne daß sie diese Kosten bei den Geldabhebern und -be-
nutzern ihrerseits wieder kassieren können. Selbst für die Geld-
scheine, die seit Jahren in irgendwelchen Tresoren schlummern,
im Ausland kursieren oder gar durch Feuer o. ä. vernichtet wur-
den, trifft das zu. Das heißt, die Kosten für das umlaufende wie
das nicht umlaufende Bargeld müssen die Banken den Kreditneh-
mern aufhalsen, die vielleicht gar kein Bargeld bei der Einsetzung
des Kredits in Anspruch nehmen. Über diese für den Bargeld-
nachschub notwendigen Kredite hinaus verschulden sich die Ge-
schäftsbanken nur noch in Höhe der bei der Bundesbank zu hal-
tenden „Mindestreserven“ (Ende 1993 rund 60 Mrd. DM).
 Diese Mindestreserven waren ursprünglich einmal als Zwangs-
hinterlegungen zur Absicherung der Kundeneinlagen gedacht. In
den 60er und den ersten 70er Jahren wurden sie von der Bundes-
bank benutzt, um zuviel herausgegebenes Geld (vor allem als
Folge der Dollarstützungskäufe) wieder aus dem Verkehr zu zie-
hen. Heute dienen sie lediglich noch dazu, die Banken über hö-
here Zwangsverschuldungen verstärkt an die Zinsleine zu legen,
so fragwürdig das auch sein mag. Das heißt, auch wenn es in den
Lehrbüchern noch anders dargestellt wird: Von den Ersparnissen,
die man bei einer Bank einbezahlt, verschwindet keine Mark als
Mindestreserve zur Bundesbank. Die Kreditgewährungen der
Banken werden also durch diese „Reserven“ nicht eingeschränkt.
Vielmehr räumt die Bundesbank den Geschäftsbanken in der von
ihr selbst vorgeschriebenen Mindestreservehöhe „Zentralbank-
guthaben“ ein.


Wann müssen Notenbanken das Geld vermehren?
Wie können sie das tun?
Ein Schweizer Notenbanker hat einmal gesagt, daß man zur Geld-
mengenregelung nur eine Notenpresse und einen Ofen brauche.
Die Notenpresse, um bei Bedarf mehr Geld zu drucken, den
Ofen, um zuviel Geld zu verbrennen. Etwas schwieriger als das
Drucken und das Verbrennen sind natürlich die Inumlaufsetzung
und der Wiedereinzug von Geld.
 In Umlauf setzen können die Notenbanken Geld auf verschie-
dene Weise. Zum Beispiel durch Ankauf anderer Währungen aus
Exportüberschüssen, durch kurssichernde „Stützungskäufe“ und
durch Kredite oder Gewinnausschüttungen an den Staat. Die häu-
figste Methode ist - wie beschrieben -, den Banken „frisches
Geld“ zur Verfügung zu stellen. Wollen sie dabei die Menge im
Griff behalten, müssen sie die jeweiligen Zuteilungskontingente
festsetzen, so wie sie das heute bei der Annahme von Wechseln
tun. Allerdings können sie über diesen Weg nur dann Geld loswer-
den, wenn die Bankkunden mehr Geld haben wollen. Um diesen
bzw. den Wirtschaftsteilnehmern die Geldnachfrage schmackhaft
zu machen, müssen sie es ggf. „verbilligen“, das heißt die Zinsen
senken. Diese meist angewandte Methode der Geldmengendosie-
rung über die Zinshöhe ist bereits sehr fragwürdig, wenn es um
präzise Ergebnisse geht.
 Eine einfachere Möglichkeit wäre eine Inumlaufsetzung des er-
forderlichen Mehrgeldes über den Staat. Solange allein die Noten-
bank darüber bestimmt, ob und wieviel zusätzliches Geld sie der
Allgemeinheit zukommen läßt, ist dieser Weg über den Staat völ-
lig problemlos. Problemloser jedenfalls als die heutigen schwan-
kenden Gewinnausschüttungen an den Staat.
 Auch ein notwendiger Einzug überschüssigen Geldes, am stei-
genden Preisniveau abzulesen, wäre über den Staat am einfach-
sten machbar. Denn der Staat kann direkt zur Rückgabe bzw. Still-
legung von Geld gezwungen werden, die Bürger nicht. Und da es
sich bei diesen Regulierungen um relativ geringe Summen han-
delt, wesentlich geringfügiger als die sonstigen Schwankungen der
Staatseinnahmen, wären mit diesem Weg auch keine Probleme
verbunden.
 Mit einer solchen Geldmengenregelung über den Staat würde
auch deutlich werden, daß sowohl die Ausgabe wie die Stabilitäts-
erhaltung des Geldes eine öffentliche Angelegenheit ist. Anderer-
seits würde deutlich, daß die Verantwortung für die Bankeinlagen
und die daraus gewährten Kredite allein Sache der Geschäftsban-
ken ist. Einen Rückgriff auf die Notenbanken als „lender of last
resort“, also als Nothelfer mit frisch gedrucktem Geld, gäbe es
dann nicht mehr.



Was ist mit dem „Geldmengenziel“ der Notenbanken?
 Die meisten Notenbanken geben der Öffentlichkeit am Jahres-
ende bekannt, in welcher Größenordnung sie die Geldmenge im
kommenden Jahr auszuweiten gedenken. Daß diese Ankündigun-
gen mit der Realität wenig zu tun und allenfalls psychologische
Effekte haben, beweisen nicht nur die Ergebnisse, sondern auch
die Sachgegebenheiten: Aufgabe der Notenbanken ist nicht die
Festlegung einer „Geldmenge“, an der sich die Wirtschaft zu
orientieren hat, sondern die Notenbanken müssen sich umgekehrt
mit ihrer Geldmengenpolitik flexibel an die Entwicklungen in der
Wirtschaft anpassen. Da sie aber die eingespannten „Pferde“ nach
Belieben laufen lassen, statt sie an kurzer Leine zu führen, das
heißt die Geldmenge nicht im Griff haben und statt dessen den
„Zins-Hafersack“ mal höher und mal tiefer hängen, flüchten sie in
solche fragwürdigen „Geldmengenziele“, um sich selbst eine
Stütze zu geben.
 Vergleichen kann man diese Methode der Notenbanken mit
einer Bahnverwaltung, die sich mit der Bereitstellung der Wag-
gons nicht nach den tatsächlichen Transporterfordernissen der
Wirtschaft richtet, sondern dieser vorgibt, welches Transportvolu-
men von ihr im kommenden Jahr vorgesehen ist. Stimmt dann die
Anzahl der Waggons nicht mit dem tatsächlichen Transportbedarf
überein und versucht sie die „Stabilität“ des Transportverkehrs
durch Anhebung bzw. Senkung der Waggonmietpreise zu steu-
ern, statt durch eine Anpassung der erforderlichen Waggonzah-
len, dann handelt sie wie unsere Notenbanken.
 Noch simpler kann man die Zielvorgabe der Notenbanken mit
Eltern vergleichen, die ihren Kindern für das kommende Jahr die
Schuhgrößen vorgeben, nach denen sie sich mit dem Wachstum
ihrer Füße richten sollen.


Welche „Geldmenge“ versuchen die Notenbanken zu steuern?
Man sollte meinen, daß die Notenbanken sich bei ihren Steue-
rungsversuchen mit jener Geldmenge befassen, über die nur sie
bestimmen können, also der Bargeldmenge, die alleine auch wirk-
liches Geld darstellt. Statt dessen hantieren sie mit den verschie-
densten „Geldmengenaggregaten“ herum, die überwiegend aus
Größen bestehen, die gar kein Geld, sondern Geldguthaben sind.
Dabei begnügen sie sich keinesfalls nur mit den Sichtguthaben, die
man aufgrund ihrer Übertragbarkeit noch als Nachfragepotential
einstufen kann, sondern ziehen auch Spar- und Terminguthaben-
bestände mit in das „Geldmengenziel“ hinein.
 Die Notenbanken versuchen also, die Kaufkraft des Geldes
nicht durch eine Beobachtung des Preisstandes und entspre-
chende Mengenkorrekturen stabil zu halten, sondern durch Vor-
ausberechnungen der jährlich hinzukommenden Geldmenge.
Diese Methode entspricht der eines Verantwortlichen, der die
Füllung eines Stausees stabil halten muß, sich dabei aber nicht am
Pegelstand orientiert, sondern dieses Ziel mit Vorausberechnun-
gen des jährlichen Wasserzuflusses zu erreichen sucht. Würde er
dabei noch unberücksichtigt lassen, daß ein Teil des zufließenden
Wassers gar nicht pegelwirksam wird, weil es mehr oder weniger
verdunstet, wäre diese Steuerungsmethode mehr als fragwürdig.
Noch fragwürdiger aber wäre sie, wenn der Verantwortliche, au-
ßer der zufließenden Wassermenge, auch noch das in den Wolken
gebundene Wasser mit hinzuaddieren würde.
 Genau das aber machen die Notenbanken. Sie lassen bei ihren
Vorausberechnungen nicht nur unberücksichtigt, daß ein Teil des
hinzukommenden Geldes gar nicht preiswirksam wird, weil es
mehr oder weniger aus dem Kreislauf verschwindet. Sie ziehen
auch noch bei den Banken gebundene Guthabenbestände als
„Geldmenge“ mit heran. Doch wie im Stauseezufluß das aus den
Wolken kommende Wasser bereits enthalten ist, so im Umlauf des
Geldes die über die Banken abgetretene Kaufkraft. Die Zusam-
menfassung muß also in beiden Fällen zu Doppelzählungen und
damit falschen Berechnungsgrößen führen.



Woher kommen die Bundesbankgewinne?
 Wie bei jedem Unternehmen und jeder Behörde fallen auch bei
der Bundesbank Einnahmen und Ausgaben an. Bei keiner Institu-
tion klaffen diese Größen jedoch so extrem schwankend auseinan-
der wie bei der Währungsbehörde in Frankfurt.
 Zieht man die Zahlen für das Jahr 1991 heran, dann lagen die
Einnahmen der Bundesbank bei 25 Mrd. DM. Rund 99 Prozent
dieser Einnahmen stammen aus Zinserträgen. Davon wurden
17 Mrd. über die Banken aus der bundesdeutschen Volkswirt-
schaft abgezogen, 7,5 Mrd. resultieren aus der Anlage von Wäh-
rungsreserven (vor allem Dollarbeständen) im Ausland. Von den
Aufwendungen der Bundesbank in Höhe von rund 10 Mrd. DM
entfielen u.a. 1,4 Mrd. auf die Personalkosten für die rund
18000 Beschäftigten und 330 Mio. DM auf den Notendruck. Die
größten Ausgabeposten waren der Zinsaufwand mit 4,3 Mrd. und
die Abschreibungen auf Währungsreserven in Höhe von 2,9 Mrd.
DM.
 Der nach Abzug der gesetzlich vorgeschriebenen Rücklage ver-
bleibende Gewinn fließt - wie bekannt - dem Eigentümer der
Bundesbank zu, also dem Bund. 1991 waren das rund 14,5 Mrd.
DM, im Jahr zuvor nur 8,3 Mrd. Das heißt, die Bundesregierung
hat 1991 in einem hohen Maße von der Hochzinspolitik der Bun-
desbank profitiert. Diese ausgeschütteten Bundesbankgewinne
sind für den Staat wie die Wirtschaft praktisch nichts anderes als
eine zusätzliche Steuer, deren genaue Höhe allerdings nicht kal-
kulierbar ist. So schwankte dieser Einnahmeposten seit 1980 zwi-
schen 240 Mio. (1987) und der genannten Größe von 14,5 Mrd.
(1991). Im Schnitt lag er bei 9 Mrd.
 Legt man den Gewinn von 14,5 Mrd. einmal auf die etwa
34 Mio. Beschäftigten in der vereinten Bundesrepublik um, dann
wurden jedem über diesen versteckten Steuereinzug rund 430 DM
aus der Tasche gezogen. Gemessen an den 7.500 DM Lohn- und
Einkommenssteuern, die jeder Erwerbstätige insgesamt 1991 er-
wirtschaften mußte, sind diese 430 DM zwar nur ein Klacks. Es
fragt sich jedoch, ob dieser mit den Bundesbankgewinnen verbun-
dene indirekte Staatszugriff auf den Bürger mit einem demokrati-
schen Rechtsstaat vereinbar ist.


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