Kapitel aus: Helmut Creutz: Das Geldsyndrom; Ullstein, 1997, 4. Auflage; ISBN 3-548-35456-4
Orginalausgabe 1993 by Wirtschaftsverlag Langen Müller in der F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München


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32. Kapitel
Die Auswirkungen der Korrekturen
 „Ein in die Natur integriertes Geld kann we-
 gen des "Rostens" nicht mehr ohne Nachteil
 für den Inhaber aus dem Wirtschaftskreis-
 lauf zurückgezogen werden, sondern es
 muß sich den Märkten als Tauschmittel zur
 Verfügung stellen, auch wenn es nicht mehr
 wie bisher mit Zins und Zinseszins "ange-
 messen" bedient wird. Das Geld wird also
 verteilungsneutral. Indem es das Angebot
 und die Nachfrage sowohl auf den einzelnen
 Märkten als auch gesamtwirtschaftlich in ein
 stabiles Gleichgewicht bringt, können auch
 die falschen Strukturen in der Volkswirt-
 schaft allmählich gesunden.“
 Werner Onken
(Ökonom, Redakteur der, "Zeitschrift für Sozialökonomie“, in "Gerechtes Geld 
- Gerechte Welt“, 1991)




Was bewirkt die Rückhaltegebühr?

Die Umwandlung des privaten Eigentumsrechts am Geld in ein
Nutzungsrecht schafft erst die Voraussetzung zur Einführung
einer Geldnutzungs- oder -rückhaltegebühr. Statt wie bisher über-
schüssiges Geld durch eine Prämie in den Kreislauf zurückzulok-
ken, könnte die gemeinschaftsschädigende Geldblockade nun mit
Kosten belegt werden. Mit diesen Kosten wird auch der Liquidi-
tätsvorteil neutralisiert, der dem Geld aufgrund seiner besonde-
ren Eigenschaft anhaftet: Das Geld wird mit den zu tauschenden
Gütern auf eine Stufe gestellt. Außerdem wird es rechtlich genau-
so behandelt wie alle anderen öffentlichen Verkehrseinrichtun-
gen.
 Da diese Rückhaltegebühr auf die Geldhaltung einen gleich-
bleibenden Druck ausübt, bedarf es in der Wirtschaft zur Umlauf-
sicherung des Geldes keines ständig positiven Zinses mehr und
schon gar nicht einer Inflation. Aufgrund des gleichbleibenden
Freigabedrucks auf das überschüssige Geld dürfte die heutige
„magische Untergrenze“ des Kapitalmarktzinses sehr schnell
durchbrochen werden. Denn das Zurückhalten von Geld ist dann
nicht nur mit dem Verzicht auf Zinsen verbunden, sondern mit
konkreten Kosten. So wie jeder Knappheitsaufschlag auf den Gü-
termärkten mit der Sättigung gegen null absinkt, wird auch der
Zins nach und nach marktgerecht heruntergehen und bei ausgegli-
chener Angebots- und Nachfragesituation am Kapitalmarkt
schließlich um Null pendeln.
 Mit einem Zins um Null aber hätten wir ein „neutrales Geld“
(Suhr), das nur noch dienende Funktionen in der Wirtschaft aus-
üben kann und keine herrschenden mehr. Mit einem solchen
Geld, das alleine auch mit der Vorstellung von einer freien und
sozialen Marktwirtschaft vereinbar ist, würden auch alle jene Pro-
blementwicklungen, die in Teil III und IV dieses Buches beschrie-
ben wurden, verringert oder endgültig überwunden.








Was wären die konkreten Folgen der Trennung zwischen Nachfrage- und
Kreditpotential für die Notenbanken?

Da das Verrechnungs- oder Giralgeld nur durch Umwandlung aus
Bargeld entstehen kann, hat die Bundesbank das gesamte Nach-
fragepotential im Griff. Zwar können die Wirtschaftsteilnehmer
nach Belieben Bargeld in Giralgeld umwandeln oder umgekehrt,
aber die Summe der Nachfragemittel bleibt dabei unverändert.
 Das heißt: Ausweitungen des Nachfragepotentials sind nur in
dem Maße möglich, wie die Bundesbank neues Geld in den Kreis-
lauf einführt. Da alle Geldhalter - auch die Banken - aufgrund der
Geldhaltegebühren ihre Bestände an den tatsächlichen Marktbe-
dürfnissen orientieren, kommt es zu einer deutlichen Reduzierung
des Nachfragepotentials und schließlich zu einer Übereinstim-
mung mit dem Angebot. Anders ausgedrückt: Die Summe der
herausgegebenen Kaufkraft wird mit der nachfragenden iden-
tisch. Einwirkungen der Notenbanken auf die Zinshöhe mit ihren
fragwürdigen Ergebnissen erübrigen sich. Die Zinsbildung ist
alleine noch Sache des Marktes, die Stabilität der Kaufkraft allein
Sache der Notenbanken. Die Notenbanken brauchen nur aktiv zu
werden, wenn sich das Preisniveau verändert. Ein Ansteigen des
Preisniveaus signalisiert immer ein Zuviel an Geld, ein Absinken
des Preisniveaus ein Zuwenig. Da durch die Umlaufsicherung
Geldmenge und Nachfrage gekoppelt sind, ohne Leerlauf und
Zeitverzögerung, ergibt sich über die Stabilhaltung des Preisnive-
aus automatisch auch die richtige Geldmengenanpassung an eine
zunehmende (oder abnehmende) Wirtschaftsleistung. Spekula-
tive Geldmengenvorausberechnungen der Notenbanken sind un-
nötig.
 Die Inumlaufsetzung zusätzlich erforderlicher Kaufkraft
könnte am einfachsten über Geldhergabe an den Staat erfolgen,
ähnlich wie das heute bei den Gewinnüberschüssen der Bundes-
bank geschieht. Da es sich bei den preisniveaubezogenen Geld-
mengenausweitungen um wesentlich geringere und am Markt
orientierte Beträge handelt, sind hierbei keine negativen Auswir-
kungen möglich.
 Zeigt ein ansteigendes Preisniveau ein Zuviel an Kaufkraft
an, dann wird der Staat zur Hergabe von Geld, z. B. durch
Zwangskauf von Notenbankpapieren, veranlaßt. Der heutige
umständliche, ungenaue und zeitraubende indirekte Weg über die
Geschäftsbanken mit Hilfe ständiger Leitzinsveränderungen wäre
überflüssig.





Was sind die konkreten Folgen für die Geschäftsbanken?
Auch für die Geschäftsbanken ergeben sich durch die Trennung
glasklare Verhältnisse. Sie kennen im wesentlichen nur noch zwei
Bereiche: einmal den Bereich der Guthaben und Kredite und zum
anderen, bezogen auf die Nachfragemittel, den Bereich der Geld-
versorgungs- und Verrechnungsdienstleistungen.
 Da die Banken die Kosten dieser Dienstleistungen nicht mehr
mit Zinserträgen aus der Ausleihung der Girokontenbestände
finanzieren können, müssen sie diese den Kunden in voller Höhe
in Rechnung stellen. Diese Kosten könnten nicht nur auf die Bu-
chungsvorgänge umgelegt werden, sondern eventuell auch auf die
gehaltenen Bestandsgrößen. Mit einem solchen „Negativzins“
würden - wie beim Bargeld - auch die Giralgeldbestände auf das
notwendige Optimum reduziert. Ob darüber hinaus die Giralgeld-
bestände noch von der Bundesbank mit einer Umlaufsicherungs-
gebühr belegt werden müssen, würde die Praxis ergeben.
 Auch die Dienstleistungen im Bargeldbereich sollten sich die
Banken - ähnlich wie beim Sortentausch - über Provisionen be-
zahlen lassen. Eine solche Maßnahme wäre nicht nur sachgerecht,
sie würde auch zur Beruhigung der Vorgänge innerhalb des Nach-
fragepotentials beitragen. Mit den Dienstleistungsgebühren für
die Bargeldein- und -auszahlungen können die Banken auch die
Kosten abdecken, die sie der Bundesbank ihrerseits für die Geld-
bereitstellung bzw. die Geldhaltung in der Kasse zahlen müssen.
 Bundesbank und Geschäftsbanken haben also nur noch Berüh-
rungspunkte im Bereich der Bargeldversorgung. Die Kreditver-
gabe dagegen ist nur noch Sache der Geschäftsbanken und allein
an der Größe der Ersparnisse orientiert. Ähnlich wie heute kön-
nen diese Ersparnisse ständig zunehmen (und ggf. auch abneh-
men), jedoch ist das ohne jeden Einfluß auf das Nachfragepoten-
tial.
 Erwirtschaftet ein Wirtschaftsteilnehmer in seinem Bargeld-
oder Giralgeldbestand einen Überschuß, wird er ihn zur Ko-
stenminimierung auf ein Guthabenkonto übertragen. Damit ver-
größert sich das Kreditpotential, und die Ersparnis steht einem
Kreditnehmer als Giralgeld oder Bargeld zur Verfügung. Hebt ein
Sparer sein Guthaben ab, muß die Bank in gleicher Höhe einge-
hende Tilgungen einbehalten bzw. Neukreditgewährung unterlas-
sen.
 Alle Kreditgewährungen sind damit immer voll gedeckt. Ihre
Rückzahlung, wie die volle Risikovorsorge, ist allein Sache der
Banken. Ebenso die Einrichtung aller erforderlichen gemein-
schaftlichen Absicherungs- und Clearingstellen. Die Bundesbank
hat mit diesen Vorgängen - außer der Überwachung ihrer Ord-
nungsmäßigkeit - nichts zu tun und darf hier niemals mit „frischem
Geld“ einspringen. Wie der Zins, muß auch die Regulierung der
Wechselkurse den Märkten überlassen werden. Die Notenbanken
bzw. Staaten haben nur dafür zu sorgen, daß der freie Devisen-
und Kapitalverkehr nicht spekulativ mißbraucht werden kann.
 Für kurzfristige Bestandshaltungen und Umbuchungen würden
sich innerhalb der Bankguthaben ähnliche Formen finden wie die
bisherigen Sichtguthaben, deren Schwankungen jedoch weder auf
das Gesamtkreditpotential noch auf das der Nachfrage Auswir-
kungen haben würden.






Wie bilden sich nach der Geldordnungsreform die Zinsen bei den Banken?

 In der Darstellung 8 wurde aufgezeigt, daß der Guthabenzins sich
im allgemeinen aus drei Teilen zusammensetzt: dem Grundzins
(Liquiditätsverzichtsprämie), einem Knappheits- und einem In-
flationsaufschlag. Da mit der vorbeschriebenen Geldordnungsre-
form Kaufkraftstabilität ermöglicht wird, verschwindet als erstes
der Inflationsanteil im Zins und damit die problematischen Kon-
junkturschwankungen. Da durch die konstruktive Umlaufsiche-
rung die Geldhalter gezwungen werden, ihr Geld auch ohne Liqui-
ditätsverzichtsprämie freizugeben, verschwindet nach und nach
auch der Grundzins. Was alleine als schwankende Größe bleibt,
ist der Knappheitsaufschlag. Da sich jedoch aufgrund des Freiga-
bedrucks auch die (heute weitgehend künstlich erhaltene) Ange-
botsknappheit für Kredite abbauen würde, sinkt auch dieser Preis
irgendwann gegen null, um bei normalen Konjunkturlagen und
korrekter schuldenfreier Haushaltspolitik der Staaten um diese
Marke zu pendeln.
 Natürlich gilt dieses Pendeln um Null nicht für alle Guthaben-
zinsen gleichermaßen. Wie die Darstellung 76 als Schema zeigt,
wird es vielmehr - genauso wie heute - auch nach der Reform, je
nach Marktlage und Einlagedauer, eine „Zinstreppe“ geben.
Diese Treppe wird jedoch immer mehr nach unten sinken und sich
schließlich weitgehend unter Null bewegen. Allenfalls für langfri-
stige Geldüberlassungen wird es ab und zu noch geringe positive
Zinsen geben. Das Gros der kurzfristigen Ersparnisse wird dage-
gen mit Negativzinsen belastet sein. Da diese jedoch geringer sind
als die Gebühren auf Bargeld und Giralgeld, besteht auch hier ein
ausreichender Sog zur Freigabe überschüssiger liquider Bestände.
 Außerdem nimmt der Trend zu langfristigen Bankeinlagen zu,
wenn alle kürzerfristigen mit Kosten belastet sind. Die heute üb-
lichen Fristentransformationen, mit denen man kurzfristige Einla-




Auswirkungen der Umlaufsicherung auf die Zinshoehe
Darstellung 76







gen in längerfristige Kredite umsetzt, dürften dann weitgehend
überflüssig werden. Natürlich bedeutet ein Guthabenzins um Null
keine kostenfreien Kredite. Vielmehr hat der Kreditnehmer wei-
terhin die Bankmarge zu tragen, in der auch die Risikoprämie ent-
halten ist.





Wie könnte man dem Geld Beine machen?

Wenn Geld gleichmäßig im Umlauf bleiben und sich kein Infla-
tionspotential bilden soll, muß es unter einem gleichbleibenden
Umlaufdruck stehen. Mit diesem Umlaufdruck muß der Vorteil
des Geldes gegenüber den Waren und der Arbeit, der dem Geld
nicht genommen werden kann und soll, kompensiert bzw. neutra-
lisiert werden. Man kann das wieder mit einem Straßenverkehrs-
vergleich verdeutlichen: Wenn die Strafgebühren für das Parken
auf der Fahrbahn in ihrer Höhe ständig schwanken würden, wäre
auch das Ergebnis schwankend: Bei steigenden bzw. höheren Ge-
bühren klappt der „Fahrzeugumlauf“ auf den Straßen, bei sinken-
den bzw. zu niedrigen nehmen die Behinderungen des Verkehrs
durch abgestellte Fahrzeuge zu. Auch hier kann nur mit gleich-
bleibenden Gebühren ein gleichbleibendes Verhalten erreicht
werden. Dabei müssen die Gebühren mindestens so hoch sein,
daß die Vorteile des Parkens auf der Fahrbahn (Bequemlichkeit,
kurze Wege, schneller Einsatz usw.) kompensiert bzw. neutrali-
siert werden.
 Genauso muß auch das gesamte Nachfragepotential unter einen
gleichmäßigen Umlaufdruck gesetzt werden, also der gesamte
Bargeld- und Giralbestand.
 Beim Giralgeld ist die Sache - falls erforderlich - äußerst ein-
fach. Hier kann die Bundesbank monatlich durch die Geschäfts-
banken bestandsbezogene Gebühren abbuchen lassen, z. B. in
Höhe von jeweils einem halben oder einem Prozent. Das heißt;
alle Giralgeldbestände werden praktisch mit einem Negativzins
von sechs bzw. zwölf Prozent im Jahr belastet. Mit dieser Bela-
stung würde erreicht, daß die liquiden Bestände auf den Girokon-
ten den ausgabebezogenen Notwendigkeiten angepaßt bleiben.
Überschüssige Bestände würden auf normale Bankguthaben
übertragen und damit anderen Wirtschaftsteilnehmern zur Verfü-
gung gestellt.
 Bei den Bargeldbeständen ist die Sache nicht so einfach. Hier
gibt es keine Möglichkeit, die Bestände bei den Wirtschaftsteil-
nehmern zu erfassen und zu belasten. Gott sei Dank ist das so,
denn wenn wir auch noch „gläserne Taschen“ hätten, wären wir
als „gläserne Menschen“ Diktaturen Orwellscher Prägung noch
eher ausgeliefert. Geld ist ein entscheidendes Stück menschlicher
Freiheit. Nicht diese Freiheit gilt es zu beschneiden, sondern le-
diglich den Mißbrauch des Freiheitsmittels, der heute zum Scha-
den aller möglich ist.



Welche praktischen Möglichkeiten bestehen beim Bargeld?
Der regelmäßige Einzug des gesamten Geldes mit einem Um-
tauschabschlag wie im Hochmittelalter steht nicht zur Debatte. Er
wäre viel zu kompliziert, aufwendig und marktstörend. Klebegeld
wie in Wörgl oder andere Modelle wie Stempel- oder Tabellengeld
sind ebenfalls kein idealer Weg. Besser wäre beispielsweise die
deutlich sichtbare Unterteilung aller Geldscheine in drei oder vier
Serien durch groß aufgedruckte Ziffern oder Buchstaben. Gege-
benenfalls könnte dann eine der Serien überraschend zum Um-
tausch aufgerufen werden. Einfacher wäre der Aufruf einer ein-
zelnen Notengröße, was ohne weiteres bei den heute umlaufenden
Geldscheinen einzuführen wäre. Dabei wäre es auch möglich, die
Umtauschaktionen schwerpunktmäßig auf die großen Scheine zu
konzentrieren, die dem Umlauf überwiegend entzogen werden.
 Vielleicht wäre es auch schon ausreichend, wenn die geldausge-
bende Notenbank glaubwürdig androhen würde, Teile des Geldes
zum kostenpflichtigen Umtausch aufzurufen, wenn sie eine miß-
bräuchliche Ausweitung der Geldhaltung feststellt.
 Schon vor der Einführung der neuen Geldscheine haben die
Teilnehmer eines Geldseminars an der Katholischen Akademie in
Trier einen solchen Vorschlag ausgearbeitet. Dabei sollte ledig-
lich das bekannte „Kleingedruckte“ auf den alten Geldscheinen,
wie hier nachfolgend dargestellt, erweitert werden:
 Sinn dieser Texterweiterung ist also nicht nur die Ankündigung
eines eventuellen Umtauschaufrufs, sondern auch die Informa-
tion über die schwerwiegenden Folgen von Geldzurückhaltungen.
Diese Geldmengenverminderungen sind heute nicht nur mengen-
mäßig unvergleichlich größer als die Geldvermehrungen durch
Falschgeld, sondern sie sind auch vielmals gefährlicher.
 Möglicherweise würde eine solche Ankündigung eine ähnliche
Wirkung haben wie die einer Schweizer Stadt, unzulässiges Par-
ken mit 200, im Wiederholungsfall mit 1000 Franken zu bestrafen:
Auf Fahrbahnen und Bürgersteigen war kein abgestelltes Auto
mehr zu sehen. Genügt jedoch der Aufdruck auf den Geldschei-
nen alleine nicht, dürfte ein einmalig durchgeführter Umtausch-
aufruf, beispielsweise für die 1000- oder die 500-Mark-Scheine mit
einem deutlichen Abschlag, lange Wirkung haben.
 Eine solche Umtauschaktion erscheint vielleicht aufwendig und
schwierig. Sie ist jedoch viel einfacher als die heutigen wöchentli-
chen Lottoausspielungen. Denn der aufgerufene Schein kann mit
dem Abschlag überall in Zahlung gegeben werden und verschwin-
det auf diese Weise über die Banken sehr rasch aus dem Verkehr.
 Die neu in den Verkehr gegebenen Scheine würden sich dann
durch ihre Farbe und Gestaltung von den alten unterscheiden.
Zweckmäßig ist auch eine geringe Veränderung der Breite oder
Länge, damit die alten Scheine in Geldbündeln sofort sichtbar
werden.
 Rechtlich sind solche Umtauschaktionen heute bereits möglich.
Denn in Absatz 2 § 14 des Bundesbankgesetzes heißt es: „Die
Deutsche Bundesbank kann Noten zur Einziehung aufrufen. Auf-
gerufene Noten werden nach Ablauf der beim Aufruf bestimmten
Umtauschfrist ungültig.“





Was sagt die Wirtschaftswissenschaft zur Frage einer konstruktiven Umlaufsicherung?
Sieht man von Felix G. Binn ab (1932-1986), von dem viele le-
senswerte und überzeugende Publikationen über die Fehlstruktu-
ren unseres Geldes vorliegen, findet man in unseren Tagen kaum
einmal eine Veröffentlichung eines Wirtschaftswissenschaftlers zu
dem Themenkomplex verbesserter Umlaufsicherungen.
 Der Amerikaner Friedman hat mit seiner „Chicagoer Schule“
zwar die Bedeutung der Geldmenge für die Stabilhaltung der
Währungen wieder in den Vordergrund gestellt, sich mit der Frage
der Umlaufsicherung jedoch kaum befaßt. Binn hat darum dessen
Theorie einmal als „naiven Monetarismus“ bezeichnet.
 Fündig wird man in Sachen Umlaufsicherung jedoch bei Irving
Fisher, der dem Versuch von Wörgl große Bedeutung zugemessen
hat. Das umlaufgesicherte Geld, von Gesell als „Freigeld“ be-
zeichnet, „könnte der beste Regulator der Umlaufgeschwindig-
keit des Geldes sein, die der verwirrendste Faktor in der Stabilisie-
rung des Preisniveaus ist“, schrieb Fisher 1933.
 Besonders intensiv hat sich auch John Maynard Keynes in sei-
nem Hauptwerk „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des
Zinses und des Geldes“ mit den Anregungen Gesells befaßt und
ihnen vier Seiten gewidmet. Auch wenn Keynes die Theorie Ge-
sells für „unvollständig“ hielt, weil darin der Liquiditätsvorteil des
Geldes nicht genügend beachtet sei, ist er in Ansatz und Ziel mit
ihm weitgehend einig. Ähnlich wie Gesell sieht er in der Überle-
genheit des Geldes über alle Waren ein Problem und schreibt:
 „Jene Reformatoren, die in der Erzeugung künstlicher Durch-
 haltekosten des Geldes ein Heilmittel gesucht haben, zum Bei-
 spiel durch das Erfordernis periodischer Abstempelungen der
 gesetzlichen Zahlungsmittel zu vorgeschriebenen Gebühren,
 sind somit auf der richtigen Spur gewesen; und der praktische
 Wert ihrer Vorschläge verdient, erwogen zu werden . . . Der
 hinter dem gestempelten Geld liegende Gedanke ist gesund.“
Während Silvio Gesell von „rostenden“ Banknoten und Rudolf
Steiner von „alterndem Geld“ gesprochen hat - sie wollten das
Geld den Eigenschaften der Güter anpassen -, hat Keynes den
Begriff „Durchhaltekosten“ (carrying costs) in die Diskussion ein-
gebracht. Dabei hatte er nicht nur das zu erreichende Gleichge-
wicht zwischen Geld und Gütern im Auge, sondern er stellte auch
die Folgen solcher Durchhaltekosten für die Kapitalrendite her-
aus. Er erkannte, daß ein Geld, zum Angebot gezwungen wie die
Güter und die menschliche Arbeit, in der Lage sein würde, „inner-
halb einer Generation die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals
(sein Ertrag, d. V ) . . . auf ungefähr Null herunterzubringen“.
Und weiter schreibt er, ganz übereinstimmend mit Gesell:
 „Wenn ich recht habe mit meiner Annahme, daß es verhältnis-
 mäßig leicht sein sollte, Kapitalgüter so reichlich zu machen,
 daß die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals null ist, mag dies
 der vernünftige Weg sein, um allmählich die verschiedenen an-
 stößigen Formen des Kapitalismus loszuwerden.“
An anderer Stelle seines Buches nennt er die sozialen Auswirkun-
gen noch deutlicher beim Namen:
 „Obschon dieser Zustand nun sehr wohl mit einem gewissen
 Maß von Individualismus vereinbar wäre, würde er doch den
 sanften Tod des Rentiers bedeuten, und folglich den sanften
 Tod der sich steigernden Unterdrückungsmacht des Kapitali-
 sten, den Knappheitswert des Kapitals auszubeuten . . . Ich
 betrachte daher die Rentnerseite des Kapitalismus als eine vor-
 übergehende Phase, die verschwinden wird, wenn sie ihre Lei-
 stung vollbracht hat.“
Die „Leistung“, die der Zinsertrag des Kapitals zu erfüllen hat, ist
die der Überwindung der Knappheit an Produktionsstätten und
Gütern, mit der sich Knappheitszinsen und Renditen selbst gegen
Null abbauen würden. Das aber ist nur zu erreichen, wenn die
Möglichkeit ausgeschaltet wird, diese Produktionsstätten und Gü-
ter durch einen „Geldstreik“ künstlich knapp zu halten. Der Geld-
streik aber kann nur mit „Durchhaltekosten“, die nichts anderes
sind als eine konstruktive Umlaufsicherung für das Geld, durch-
brochen werden.
 Mit der Durchbrechung des „Geldstreiks“ bzw. der „Liquidi-
tätsfalle“, wie Keynes das nannte, gehen jedoch nicht nur Zinsen
und Kapitalrenditen zurück und damit die sich heute aufbauenden
sozialen Spannungen. Genauso baut sich der Überschuldungs-
druck ab und damit der Zwang zu einem ständigen Wirtschafts-
wachstum. Denn so wie man durch Knapphaltung der Löhne
Menschen zu ständigen Überleistungen zwingen kann, so eine
ganze Volkswirtschaft durch Knapphaltung des Kapitals: Denn
die hoch bleibenden Zinsen müssen nicht nur erarbeitet werden,
sie bewirken auch ein ständiges Wachstum der Geldvermögen und
der Schulden, die nur durch weiteres Wirtschaftswachstum zu tra-
gen sind. Mit sinkenden Zinsen würden nicht nur diese Negativfol-
gen abgebaut, sondern auch die Massen der unruhestiftenden Spe-
kulationsmilliarden in den Händen jener Minderheiten, die immer
weniger wissen, was sie mit ihren zinsbedingt wuchernden Reich-
tumsüberschüssen anfangen sollen.



Kann ein Land allein mit einer umfassenden Geldordnungsreform beginnen?
Jedes Land, das eine eigene Währung hat, bestimmt deren Stabili-
tät und damit seine Konjunkturentwicklung selbst. Wäre es an-
ders, würden wir in aller Welt die gleichen Inflations- und Zins-
sätze und die gleichen Leistungsergebnisse haben. Allein in
Europa klaffen jedoch diese Größen um mehrere hundert Prozent
auseinander. Selbst innerhalb der EG waren beispielsweise die In-
flations- und Zinssätze in Griechenland oder Portugal zeitweise
zwei- bis dreimal höher als in Frankreich oder in der Bundesrepu-
blik. Daraus ergibt sich, daß genausogut die Inflation auch einmal
in einem einzelnen Land bei null liegen kann.
 Mit jedem Prozentpunkt geringerer Inflations- und Zinssätze
würde in diesem Land - sofern der Geldumlauf gesichert ist - die
Wirtschaft immer stabiler und gesünder werden. Außerdem bie-
ten Länder mit niedrigen Zinsen günstige Standortbedingungen,
ähnlich wie Länder mit niedrigen Löhnen oder Steuern. Das
heißt, spekulatives Kapital (das alle Volkswirtschaften belastet)
würde möglicherweise ins Ausland gehen. Investives Kapital aber
(das alleine den Volkswirtschaften nützt) würde ins Land kom-
men. Denn Investoren setzen auf langfristige Sicherheit, Speku-
lanten auf kurzfristigen Gewinn.
 Die Schweiz war bekanntlich über Jahrzehnte hinweg das Land
mit den niedrigsten Zinsen, und trotzdem hat es nie an Kapital für
Investitionen gefehlt. Und so wie in der ersten Hälfte des Jahrhun-
derts die Notenbanken nach und nach jenen folgten, die sich von
der Goldbindung befreien, so werden sie auch denjenigen folgen,
die als erste die Inflation und die Umlaufstörungen durch eine ge-
eignete Umlaufsicherung überwinden.
 „Für die Art der technischen Durchführung einer wirksamen
 Umlaufsicherung wurden wiederholt verschiedene Verfahren
 theoretisch vorgeschlagen und zum Teil in Einzelfällen auch
 praktisch angewandt mit guten technischen und ganz überra-
 schenden wirtschaftlichen Erfolgen. Hier die zweckmäßigste
 Wahl zu treffen, wird Sache der Praxis und der Erfahrung
 sein. . . Dringend ist zunächst die Erkenntnis, daß die vorge-
 schlagene Reform als solche eine Notwendigkeit, ja eine Le-
 bensnotwendigkeit unserer heutigen Wirtschaft ist und daß
 selbst die unzweckmäßigste Form ihrer technischen Durchfüh-
 rung noch tausendmal zweckmäßiger für das Wirtschaftsganze
 ist als ihre Unterlassung.“
Das schrieb Ernst Winkler bereits 1952 in seinem bereits mehrfach
zitierten Buch „Theorie der Natürlichen Wirtschaftsordnung“ den
Notenbanken ins Stammbuch. Es wäre erfreulich, wenn sie sich in
dieser Richtung einmal Gedanken machen würden.
 Vielleicht könnte man den erforderlichen Lernprozeß beschleu-
nigen, wenn man - wie Johan Galtung bezogen auf die Arbeitslo-
sigkeit und die Einkommen der Wirtschaftsprofessoren einmal
vorgeschlagen hat - die Einkommen der Notenbankverantwort-
lichen an die Leistung koppeln würde. Konkret: Die Gehälter
würden bei jedem Prozent Inflation z. B. um fünf oder zehn Pro-
zent gekürzt. - Neuseeland soll eine solche Koppelung eingeführt
haben, nach Aussage von Prof. Otmar Issing, Mitglied des Direk-
toriums der Deutschen Bundesbank, bereits mit Erfolg.


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Kapitel aus: Helmut Creutz: Das Geldsyndrom; Ullstein, 1997, 4. Auflage; ISBN 3-548-35456-4
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