Kapitel aus: Helmut Creutz: Das Geldsyndrom; Ullstein,
1997, 4. Auflage; ISBN 3-548-35456-4
Orginalausgabe 1993 by Wirtschaftsverlag Langen Müller in der
F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München
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29. Kapitel
Geld, Krieg und Kapitalvernichtung
„Wenn der Friede die Frucht der Gerechtig-
keit ist, dann ist der Konflikt, die kriegeri-
sche Auseinandersetzung, die Frucht der
Ungerechtigkeit.“
Adolf Paster*
* Präsident der Hifa-Austria, "Die Zukunft beginnt jetzt“, "Der Dritte Weg“ 7/1992
Das Problem der wachsenden Asylantenströme macht seit langem
Schlagzeilen. Zukünftig werden immer mehr Menschen versu-
chen, vor Armut, Hunger und Bürgerkriegen in die reichen Indu-
strienationen zu flüchten. In den Fluchtursachen findet man die
Fehlstrukturen unseres Geldsystems auf vielfältige Weise bestä-
tigt, direkt und indirekt:
- Die schulden- und zinsbedingten Diskrepanzzunahmen zwi-
schen Arm und Reich in aller Welt sind Zündstoff für soziale
Spannungen. Diese wiederum führen zu politischen Spannun-
gen und sind der Auslöser für Gewalt, bis hin zu Aufständen
und Bürgerkriegen.
- Die Inflationen in den ärmeren Ländern ruinieren nicht nur die
Währungen, sondern auch die Volkswirtschaften. Armut und
Hunger sind die Folgen, die zu Flüchtlingsströmen führen und
zum Chaos.
- Der geldbedingte Zwang zum Wachstum und zur Kapitalbin-
dung treibt die Industrienationen in die Überrüstung und zu
Waffenexporten in die übrige Welt. Damit nimmt nicht nur die
Verarmung in den bereits armen Ländern zu, sondern auch das
Waffenpotential zur Unterdrückung der Bevölkerung.
Da jedoch alles das nicht ausreicht, die wachsenden Geldkapital-
massen renditeträchtig zu binden, sind außerdem immer wieder
Kapitalvernichtungen erforderlich. Kriege sind dazu noch ge-
„Rüstung bedeutet ökonomisch den Abzug zinsdrückenden Kapitals
vom Markt. Und da die Rüstungsindustrie nicht für den Markt produ-
ziert, bedeutet Rüstung die Trockenlegung zinsbedrohender Kapital-
überschüsse auf Kosten der Steuerzahler.“
Hans Fabricius, „Telos“, Dezember 1966
„Der Krieg ist die großzügigste und wirkungsvollste "Reinigungskrise
zur Beseitigung der Überinvestition", die es gibt. Er eröffnet gewaltige
Möglichkeiten neuer zusätzlicher Kapitalinvestitionen und sorgt für
gründlichen Verbrauch und Verschleiß der angesammelten Vorräte
an Waren und Kapitalien, wesentlich rascher und durchgreifender, als
es in den gewöhnlichen Depressionsperioden auch bei stärkster künst-
licher Nachhilfe möglich ist. So ist . . . der Krieg das beste Mittel, um
die endgültige Katastrophe des ganzen kapitalistischen Wirtschaftssy-
stems immer wieder hinauszuschieben.“
Ernst Winkler, „Theorie der natürlichen Wirtschaftordnung“, 1952
„Ich glaube, daß wir in unserem Geldsystem eine Art karzinombil-
dendes Element haben, was unsere Wirtschaft fortwährend krank
macht ... Meiner Meinung nach kann dieses Geldsystem nur da-
durch funktionieren, daß es immer wieder zusammenbricht und dann
immer wieder von vorn begonnen wird. Diese Zusammenbrüche
nennt man dann Kriege oder Wirtschaftskatastrophen oder Inflatio-
nen, je nachdem, aber das bedeutet eigentlich nur, daß dieses System
in sich selbst kein Regulativ hat, was zu einer vernünftigen Eindäm-
mung führen würde . . .“
Michael Ende, Autor, Interview mit Helmar v. Hanstein, 1992
„Wenn wir einst erkennen werden, was es auf sich hat mit dem Hin-
dernis, das die Produzenten nicht zu den Verbrauchern kommen läßt
und umgekehrt, dann werden wir nicht nur die Hauptursache der Un-
zufriedenheit in der Welt, der bestehenden Feindseligkeit und Miß-
gunst unter den Nationen, sondern gleichzeitig den einzig richtigen
Weg zum Weltfrieden entdeckt haben.“
Vincent C. Vickers, Großindustrieller, von 1910 bis 1912 Gouverneur
der Bank von England, aus „Wirtschaft als Drangsal“
„Es kann keinen Frieden auf Erden geben, ehe wir nicht die Forde-
rung unserer Zeit erfüllen und den großen ewigen Fluch unserer Rasse
beenden und jedem Arbeiter den vollen Verdienst seiner Arbeit ver-
schaffen.“
Abraham Lincoln, ehemaliger Präsident der USA
eigneter als Wirtschaftsrezessionen, nicht nur aufgrund des gro-
ßen Waffenverschleißes, sondern auch wegen der Zerstörungen in
zivilen Bereichen und des erforderlichen Wiederaufbaus. Mit Rü-
stung und Krieg kann man also in einer besonders wirksamen
Weise das Absinken der Zinsen unter jene Marke verhindern, die
zum Geldstreik führt und damit zum deflationären Wirtschaftszu-
sammenbruch (siehe auch vorstehenden Kasten).
Hat der Zins tatsächlich mit Krieg zu tun?
In der Kundenzeitschrift „Sparkasse“ erschien im Dezember 1988
ein hochinteressanter Nachdruck, entnommen aus einem Vorläu-
fer der gleichen Zeitschrift aus dem Jahr 1891. Dieser vor 100 Jah-
ren geschriebene Artikel befaßte sich mit der Zinsentwicklung,
schwerpunktmäßig mit jener des 19. Jahrhunderts. Dabei wurde
vor allem der damals zu registrierende Trend sinkender Zinsen
beklagt und erklärt:
„Die Ursache für das Sinken des Zinsfußes wird
vorzüglich darin gefunden, daß die besonders ren-
tablen Capitalanlagen großen Maßstabes heute er-
schöpft sind und nur Unternehmungen von gerin-
ger Ergiebigkeit übrig bleiben.“
Um den damals bei drei Prozent liegenden Zinssatz vor weiterem
Fall zu bewahren, müßten, so hieß es weiter:
„... die neuen Länder, beispielsweise Afrika, sehr
rasch durch europäische Capitalien erschlossen
werden, damit einem solchen Sinken begegnet
werde."
Doch da auch das zu einer Umkehr des Zinstrends nicht ausrei-
chen würde, schließt der 1891 erschienene Artikel mit folgenden
Sätzen:
„So spricht denn alles dafür, daß wir noch einem
weiteren Sinken des Zinsfußes entgegensehen. Nur
ein allgemeiner europäischer Krieg könnte dieser
Entwicklung Halt gebieten durch die ungeheure
Capitalzerstörung, welche er bedeutet.“
Dieser Schluß scheint ungeheuerlich. Aber er hat sich - wie wir
wissen - seit 1891 zweimal erfüllt: Zwei „allgemeine europäische
Kriege“, die man sogar weltweit ausdehnen konnte, haben dem
„Sinken des Zinsfußes Halt geboten“.
Haben die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs ausreichend lange vorgehalten?
Etwa ein bis zwei Jahrzehnte waren die Menschen nach dem Zwei-
ten Weltkrieg in den zerstörten Ländern mit dem Wiederaufbau
beschäftigt. Wer Bilder oder Filme über die Trümmerstädte sieht,
kann sich kaum vorstellen, daß diese Arbeit überhaupt zu schaffen
war. Angesichts dieser Aufbauinvestition war das Kapital entspre-
chend knapp und mit real fünf bis sechs Prozent in der BRD aus-
reichend hoch verzinst. An Rüstungs- oder gar Kriegsgeschäfte
dachte kaum jemand in dieser Zeit. Im Gegenteil: Viele Unter-
nehmer hatten nach Kriegsende geschworen, niemals mehr in die
Rüstungsproduktion einzusteigen. Als Folge dieses allgemeinen
Desinteresses dauerte der erste indisch-pakistanische Krieg Ende
der 40er Jahre nur acht Tage. Beide Seiten hatten ihre Munition
verschossen, die Panzer waren kaputt, und niemand in der Welt
war anscheinend bereit, ausreichend für Nachschub zu sorgen:
Man (und das Kapital) hatte mit der Behebung der Zerstörungen
des großen Krieges noch genug zu tun.
Mit dem Auslaufen des Wiederaufbaus, den ersten Sättigungs-
erscheinungen auf den Konsummärkten und einer wachsenden
Geldvermögensbildung kam der Zins jedoch langsam unter
Druck. Schon in den 60er Jahren fiel der Realzins am Kapital-
markt in der BRD im Durchschnitt auf vier Prozent zurück.
Wenngleich Adenauer über die Köpfe des Parlaments hinweg
1956 wieder eine Bundeswehr entstehen ließ, kam das Gros der
benötigten Ausrüstung noch weitgehend aus fremden Produktio-
nen. In Deutschland setzte man immer noch auf friedliche Metho-
den zur Garantie der Kapitalrentabilität. Doch hinter den Kulis-
sen entstand auch bei uns wieder eine Rüstungsindustrie, die sogar
nach und nach das Ausland mit ihren Qualitätsprodukten be-
glückte. In den 70er und 80er Jahren gewann die BRD immer
mehr Anschluß an die Siegermächte, die bereits in den 50er Jah-
ren ihre Rüstungsindustrie wieder auf Hochtouren brachten.
Selbst der damalige US-Präsident und frühere Weltkriegsgeneral
Eisenhower warnte mehrfach öffentlich vor dieser gefährlichen
Verselbständigung des militärisch-industriellen Komplexes. Aber
das Kapital hatte im wahrsten Wortsinn „Blut gerochen“, zuerst
im Koreakrieg und dann an vielen anderen Kriegsschauplätzen in
der Welt, so daß es kein Halten mehr gab.
Obwohl man jeden potentiellen Gegner nur einmal töten kann,
reichten die Waffenarsenale und Vernichtungskapazitäten in den
80er Jahren bereits aus, um jeden Menschen auf der Erde 15- bis
20mal umzubringen. Der Irrsinn dieses ständig wachsenden Over-
kills ist mit keiner Logik erklärbar. Niemals in der Menschheitsge-
schichte hat es ein Tötungspotential in dieser Größenordnung ge-
geben. Allein ein U-Boot der Trident-Klasse hat eine Sprengkraft
an Bord, die achtmal größer ist als die gesamte, die im letzten
Krieg in aller Welt verschossen und als Bomben abgeworfen
wurde. Und um diese kaum noch vorstellbare Zerstörungskraft
abzuschießen, braucht solch ein U-Boot keine sechs Jahre, son-
dern nur noch sechs Minuten.
Doch dieser Wahnsinn hatte Methode. Er garantierte einmal
Tausenden von Waffenschmieden und -händlern in aller Welt
lukrative und staatlich abgesicherte Gewinne. Vor allem aber
sorgte er dafür, daß die Zinsen in der Welt auf einer ausreichen-
den Höhe blieben, um den Streik des Kapitals zu vermeiden.
Die Kapitalrenditen blieben auf diese Weise zwar lange Zeit
gesichert, nicht aber der Wohlstandsanstieg der Menschen. Denn
mit den Waffen und Militäranlagen mußten sie Produkte schaffen,
von denen sie keinerlei Nutzen hatten, ja diese Rüstungsgüter
wurden sogar zu einer immer größeren konkreten Bedrohung für
ihr Leben. Doch diese Produktionen brachten den arbeitenden
Menschen nicht nur keinen Nutzen, sie wurden für diesen Milliar-
den-Wahnsinn auch noch durch immer höhere Steuern zur Kasse
gebeten.
Wird mit der Rüstung das Kapital nur bedient?
Mit der Rüstung wird nicht nur Kapital bedient, sondern auch ge-
bunden, richtiger: vom Markt genommen. Würde man das in die
Rüstung, die Raketensilos, die Kasernen usw. investierte Kapital
im zivilen Sektor einsetzen, dann wäre das dort gegebene Angebot
deutlich größer. Ein größeres Angebot an Wohnungen, Konsum-
gütern usw. aber würde auf die Kapitalrendite einen entsprechen-
den Druck ausüben. Aufgrund dieses Drucks müßte - wenn das
Kapital nicht streiken könnte - der Zins schließlich gegen null her-
untergehen. Da aber das Kapital streiken, das heißt sich vom
Markt zurückziehen kann, sind die Staaten an ständiger Knapp-
heit und ausreichend hohen Zinsen interessiert, notfalls sogar
unter Duldung oder Förderung von Kriegen.
Statt das Geld zu zwingen, sich ggf. auch bei niedrigeren Zinsen
der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen, sorgen die Staaten auf
diese irrsinnige Weise also für die streikvermeidende Knappheit.
Vergleichbar ist das mit der Praxis der EG-Agrarmarktpolitik.
Auch hier sorgt man bei allzu guten Ernten durch künstliche Ver-
knappung des Angebotes (sprich Vernichtung) für weiter hoch
bleibende Preise, um Streiks der Bauern aus dem Weg zu gehen.
Findet diese Kapitalverknappung und –vernichtung tatsächlich statt?
Wer zum erstenmal von diesen Zusammenhängen hört, wird da-
von nichts glauben wollen. Auch mir ging das lange so, bis die
Indizien und Beweise zu überzeugend wurden. Dabei braucht
man sich nicht auf die Sparkassenzeitung aus dem vergangenen
Jahrhundert zu stützen. Auch in der wissenschaftlichen Literatur
taucht der Vorgang der Kapitalvernichtung unter dem Begriff
„Reinigungskrise zur Beseitigung von Überinvestitionen“ auf.
Gemeint ist der Zustand, bei dem der Investitionsumfang so groß
geworden ist, daß er den Zins unter jene Grenze drückt, bei der es
zu Geldzurückhaltungen und damit deflationären Rezessionen
kommt. Auch ohne Krieg und ohne Rüstung werden in solchen
Rezessionen durch Unternehmens- und Privatbankrotte, durch
Verschleudern oder Verderben von „Überproduktionen“ bereits
Kapitalmassen vernichtet. Mit dieser „Reinigung“ - sprich Kapi-
talvernichtung - wird dann eine ausreichende Knappheit erzeugt,
die über höhere Zinsen das Kapital wieder aktiv werden läßt.
Durch ständige Ausweitung marktferner Investitionen - von
der Raumfahrt bis zur Rüstung - kann man die Notwendigkeit
solcher „Reinigungskrisen“ zwar eine Zeitlang hinausschieben,
aber kaum auf Dauer. Irgendwann wird eine „große Reinigung“
unausweichlich. Und dazu ist ein Krieg nicht nur durch den
erhöhten Waffenverbrauch und die angerichteten Schäden un-
übertreffbar wirkungsvoll. Auch durch die Vernichtung der
Geldvermögen, die meist mit dem anschließenden Staatsbank-
rott verbunden ist, verschwinden riesige Kapitalpolster aus der
Welt. Die Gewinner solcher großen „Reinigungen“ sind diejeni-
gen, die rechtzeitig in Sachvermögen umgestiegen sind, mög-
lichst außerhalb der Kriegsgebiete. Noch besser ist natürlich die
Anlage in das unzerstörbare Bodenkapital. Den so „Überleben-
den“ der Kapitalvernichtung wird jedenfalls ein ganz enormer
Reichtumsanstieg beschert.
John Maynard Keynes, als Zeuge über alle Zweifel erhaben, hat
die Zusammenhänge in etwas komplizierterer Sprache beschrie-
ben: „Jedesmal, wenn wir das heutige Gleichgewicht durch ver-
mehrte Investitionen sichern, verschärfen wir die Schwierigkeit
der Sicherung des Gleichgewichtes von morgen.“
Und als Notausgänge aus diesem Dilemma nennt er „das Bauen
von Pyramiden und Kathedralen, Erdbeben, selbst Kriege“,
denn, so schreibt er weiter, „zwei Pyramiden, zwei Steinhaufen
für Tote sind doppelt so gut wie einer, aber nicht zwei Eisenbah-
nen von London nach York“. (Zitiert nach Ernst Winkler aus
„Theorie der natürlichen Wirtschaftsordnung“.)
Diese etwas schwer verständliche Darlegung bestätigt, daß
ständig vermehrte Investitionen im zivilen Bereich das zinshoch-
haltende „Gleichgewicht“ gefährden, dagegen aber sinnlose Bau-
ten, Erdbeben und Kriege dieses „Gleichgewicht“ auf Dauer
sichern.
Wem diese Bestätigung nicht genügt, der sollte die „Pyrami-
den“ unserer Tage Revue passieren lassen: vom „Schnellen Brü-
ter“ bis zum Hochtemperaturreaktor, von der halbfertig gebauten
WAA in Wackersdorf bis zu dem „Raketenfriedhof“, der im Orbit
kreist. - Von den Milliardengräbern der x-mal verschrotteten und
erneuerten Rüstung nicht zu reden. Und alle diese Projekte haben
nicht nur bei ihrer Entstehung Milliarden neutralisiert. Sie benöti-
gen oft nicht minder große Summen für ihre ordnungsmäßige Be-
treuung und Beseitigung. Und das letztlich immer nur auf Kosten
der arbeitenden Menschen und allein zugunsten des eingesetzten
Kapitals.
Wie war das beim ersten Golfkrieg?
Seit fast 50 Jahren hat es in Europa keinen Krieg mehr gegeben,
und darauf sind die meisten Politiker sehr stolz. In Wirklichkeit ist
es uns nur gelungen, die „ungeheure Capitalzerstörung“ durch
Kriege, die zum Erhalt der Kapitalrendite früher nötig waren,
durch eine ungeheure Naturzerstörung und Überrüstung bislang
überflüssig zu machen. Doch wenn sich anderswo in der Welt die
Möglichkeit zur kriegerischen Kapitalzerstörung bot, war Europa
immer dabei, als Lieferant der Todeswaffen ebenso wie hinterher
beim kapitalverschlingenden Wiederaufbau. Diese „Stellvertre-
terkriege“ waren außerdem die beste Möglichkeit, die Waffen in
der Praxis vorzuführen und weitere Kunden zu gewinnen.
Wenn man bedenkt, daß „die fünf ständigen Mitglieder des
Weltsicherheitsrates der UNO (Großbritannien, UdSSR, USA,
Frankreich, China), die den Weltfrieden sichern sollen, die größ-
ten Waffenlieferanten der Entwicklungsländer sind“ (terre des
hommes, Dezember 1991), braucht man sich über nichts mehr zu
wundern. Die ganze Skala aller „Nachkriegskriege“ durchzu-
gehen, würde zu weit führen. Auch wäre es ein fruchtloses Unter-
fangen, für einen dieser „Stellvertreterkriege“ nachträglich einen
Sinn zu konstruieren, sieht man von den Kapitalprofiten ab. Hier
soll darum nur noch einmal an die beiden Golfkriege erinnert wer-
den, die uns, trotz schnellebiger Zeit und täglich neuer Kriegs-
schauplätze, wohl noch gegenwärtig sind.
Der erste, acht Jahre dauernde Golfkrieg zwischen Irak und
Iran war das bisher größte „Nachkriegsgeschäft“ für die waffenlie-
fernden Länder. Dabei lagen die sogenannten „christlichen Natio-
nen“ immer an der Spitze. Vor allem verstanden sie es vorzüglich,
gleich beide kriegführenden Seiten zu beliefern. Und da es sich bei
beiden Ländern aufgrund der reichen Bodenschätze in Form von
Ö1 um zahlungskräftige Kunden handelte, war der Dauer dieses
Krieges fast kein Ende gesetzt. Doch aufgrund der großen Zerstö-
rungen in den Ländern und des allgemeinen Leistungsrückgangs
kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem man auch dort wieder
in die Hände spucken muß, wenn die Zahlungsfähigkeit erhalten
bleiben soll. Außerdem verspricht man sich bei einem bestimmten
Ausmaß der Zerstörung vom Wiederaufbau noch größere Ge-
schäfte. So schrieb „Die Zeit“ am 18.10.1987, noch vor Beendi-
gung der Kämpfe:
„Eine größere Zahl deutscher und japanischer Finanzvertreter
harrt in Teheran aus. Sie setzen auf die Zeit des Wiederaufbaus
nach dem Ende des Krieges . . . Wirtschaftsschäden von über
300 Milliarden habe der Krieg verursacht. Da winkt, so hoffen
die Geschäftsleute, mancher dicke Investitionsauftrag.“
Doch nicht nur die Lieferungen ziviler Ausrüstungen zum Wieder-
aufbau helfen die Kapitalrendite sichern, sondern auch die dazu
gewährten Kredite.
Und was brachte der zweite Golfkrieg?
Der Irak unter Saddam Hussein war jahrelang - vor und im ersten
Golfkrieg - einer der Spitzenkunden für die westlichen und öst-
lichen Waffenlieferanten. Daß es sich bei Hussein um einen der
übelsten Diktatoren handelt, hat dabei keinen Politiker gestört.
Sie finanzierten seine Käufe sogar gerne im voraus mit gutverzin-
sten Krediten.
Auch das Nachbarland Kuwait, dem iranischen Fundamentalis-
mus wenig zugeneigt, half Hussein mit respektablen Krediten bei
der Bändigung des Irans. So war es für den überschuldeten Hus-
sein schließlich eine doppelte Versuchung, das kleine Kuwait
einzukassieren. Einmal wurde er auf diese Weise einen lästigen
Gläubiger los, gleichzeitig wurden ihm sprudelnde Ölquellen be-
schert, mit deren Hilfe er die hohen Schulden in den Industriena-
tionen leichter bedienen oder sogar tilgen konnte.
Was danach kam, ist uns noch allen geläufig. Während sich die
gutbetuchten, kampffähigen Söhne der Kuwaitis in Ägypten und
an der Riviera vergnügten, wurde das besetzte Land von den USA
und einigen Helfern mit einem ungeheuren Materialaufwand (bei
nicht minder großer Behinderung der Berichterstattung) befreit
und der Irak in die Knie gezwungen. Allerdings nicht so weit, daß
Saddam Hussein hätte abdanken müssen.
Die USA hat dieser Krieg so gut wie nichts gekostet, außer ein
„paar Menschenleben“. Wie ein Söldnerheer kassierte die füh-
rende Weltmacht bei allen Bündnisstaaten ab. Natürlich auch bei
den reichen Scheichs, deren von der Zeit längst überholte feudali-
stische Herrschaftssysteme noch einmal eine Überlebenschance
erhielten.
In welcher Größenordnung in dieser Materialschlacht Kapital
vernichtet wurde, geht aus einer Stellungnahme des Hilfswerkes
„Misereor“ hervor. „Golfkrieg auf Kosten der Armen“, war der
Bericht überschrieben, der bereits am 26. 1. 1992 durch die Presse
ging. Die Vergleichszahlen von Kriegskosten und Entwicklungs-
hilfe muten „fast unvorstellbar“ an, hieß es darin, und weiter: Mit
bis zu einer Milliarde Dollar seien in der ersten Woche allein auf
seiten der multinationalen Truppe täglich mehr Mittel verbraucht
worden, als Misereor „in den 32 Jahren seines Bestehens für die
Entwicklungs- und Friedensarbeit in der gesamten Dritten Welt
einsetzen konnte“.
Doch auch beim zweiten Golfkrieg war die große Materialver-
nichtung und -zerstörung nur die eine Seite der Profitmedaille, der
anschließende Wiederaufbau wiederum die zweite. Dank der
größten Leistung im Krieg haben sich die USA auch dabei den
Löwenanteil gesichert. Aber auch die Helferstaaten meldeten
rechtzeitig ihre Ansprüche an, wie der Auszug aus dem Berliner
„Tagesspiegel“ vom 12.2.1991 zeigt (siehe nächste Seite).
„Bombenerfolge“ im doppelten Wortsinn sind also mit solchen
Kriegen für die Mitmacher verbunden. Und es ist gleichermaßen
entlarvend wie bezeichnend, daß es bei dem Wiederaufbau-Ge-
schacher sogar schon um Objekte ging, die noch gar nicht zerstört
waren.
Geht man den Zusammenhängen weiter nach, kommt noch
mehr ans Tageslicht. So berichtet die schweizerische Zeitschrift
„Der Zeit·Punkt“ von einem geheimgehaltenen Regierungsbe-
richt, nach dem die britischen Steuerzahler „rund 500 Mio. Fran-
ken für Waffen bezahlen, mit denen der Irak die eigenen Truppen
des Inselreiches beschossen hat. Die Rechnung geht zurück auf
eine Exportgarantie, die die britische Regierung Firmen ge-
währte, die in den Irak ausführten“, heißt es in dem Text. Und
weiter: „Unter dem Strich müssen die Briten . . . zweimal bezah-
len. Einmal für die irakischen Waffen und einmal für die eigenen,
die irakischen zu zerstören. Der Kreislauf ähnelt in gewisser Hin-
sicht demjenigen, der vor allem die EG-Länder zwingt, Lebens-
mittel zu vernichten, deren Produktion subventioniert wurde.“
Bombenerfolge für britische Industrie erhofft
London kämpft bereits mit den USA um Aufträge für den Wiederaufbau Kuwaits
Von unserem Korrespondenten
London,11. Februar
Die Londoner Regierung fordert mit größerem Nach-
druck die Beteiligung britischer Unternehmen an dem Wie-
deraufbau in Kuwait, wenn der Krieg gegen Irak einmal
vorüber ist. Die Briten erwarten eine bevorzugte Behand-
lung bei der Vergabe der Aufträge, welche den eigenen mi-
litärischen Beitrag zur Befreiung des Landes in Rechnung
stellt.
Der Korrespondent der Financial Times berichtet aus
Riad über das Treffen: „Peinlichkeit bei den Diskussionen
war nicht zu erkennen, obwohl Kuwait erst noch befreit
werden muß, und ein großer Teil der Infrastruktur, welche
britische Unternehmen wiederaufbauen wollen, noch nicht
zerstört ist. „ Jede erfolgreiche britische Bombe ist daher
kommerziell und finanziell auch ein möglicher Erfolg für
die britischen Firmen, die gerade in einer Zeit der Rezes-
sion dankbar für Aufträge sind. Das gleiche gilt prinzipiell
genauso für die anderen Mitglieder der Allianz gegen Sad-
dam Hussein, voran die USA.
Was läuft so in der Bundesrepublik?
„Nie wieder Krieg“ war das Motto nach der Totalzerstörung
Deutschlands in den 40er Jahren und auch noch in den 50er Jah-
ren. Und wie die Vorgänge in der letzten Zeit dokumentieren, tun
wir uns erfreulicherweise auch heute immer noch schwer, uns ak-
tiv in Kriegshandlungen einzubringen. Diese Einstellung hat uns
aber nicht davon abgehalten, nach den ersten Sättigungserschei-
nungen im Konsumbereich, bei gleichzeitig überreichlich zuneh-
mendem Geldvermögen, anderen tüchtig beim Vorbereiten und
Führen von Kriegen zu helfen. Ob legal, halblegal oder illegal,
direkt oder um zwei Ecken, war es uns schon in den 80er Jahren
gelungen, in der weltweiten Hitliste der Rüstungslieferanten auf
Platz sechs aufzusteigen. Schon 1962 machte der frühere Bundes-
minister Alex Möller in seinem Buch „Währung und Außenpoli-
tik“ die Tore für diese Entwickung auf:
„In Zeiten der Überbeschäftigung ist es durchaus erstrebens-
wert, die Rüstungseinfuhr möglichst hoch zu halten; in der
Phase mäßigen Konjunkturverlaufs können von Rüstungsauf-
trägen an das Inland volkswirtschaftlich erwünschte Impulse
ausgehen.“
Daß in Zeiten der Unterbeschäftigung auch die letzten mora-
lischen Skrupel über Bord geworfen werden, hat der Bremer Bür-
germeister Wedemeier im Jahr 1987 einmal deutlich zu verstehen
gegeben:
„Rüstungsproduktion und Arbeitsplätze sind in Bremen unzer-
trennbar verbunden. Angesichts von 40000 Arbeitslosen stellt
sich nicht die Frage der Umwandlung von Rüstungsplätzen in
friedliche.“
Warum eigentlich keine Rüstungskonversion?
Die von Bürgermeister Wedemeier ausgeschlossene Umstellung
der Rüstungsproduktion auf friedliche Güter wird von vielen Frie-
densgruppen immer wieder gefordert. Unter dem Begriff „Rü-
stungskonversion“ hat man mit viel Engagement und Idealismus
bereits detaillierte Umstellungspläne für manche Unternehmen
ausgearbeitet. Doch eine solche Umstellung ist nicht nur eine
Frage des Wollens oder Wünschens. Sie scheitert ganz einfach
daran, daß eine solche Umstellung das Angebot auf jenen Märk-
ten vergrößern würde, auf denen bereits heute eine weitgehende
Überversorgung besteht. Diese Überversorgung im privaten Sek-
tor war ja bereits einer der Gründe, warum das Kapital in Bereiche
drängte, die - wie die Rüstung - nicht renditedrückend sind.
Die Forderung nach Umstellung der Rüstungsproduktion auf
friedliche Güter ist sicherlich ein richtiger Ansatz. Selbst wenn der
Staat die ganze zivile Produktion der vormaligen Rüstungsfabri-
ken aufkaufen und verschenken würde, z. B. an die armen Länder
dieser Welt, wäre eine solche Umstellung für uns Bürger billiger
als die heutige Produktion von Waffen, deren Pflege wir zusätzlich
bezahlen müssen. Außerdem hätte eine solche Aktion Vorbild-
charakter und würde uns mehr Freunde in der Welt verschaffen als
die heutigen Waffenlieferungen.
Trotzdem ist diese Rüstungskonversion so lange eine Illusion,
wie der Staat zur Wahrung des Geldumlaufs für eine ausreichend
hohe Verzinsung sorgen, das heißt bei der Knapphaltung des Ka-
pitals mithelfen muß. So wie das Problem der sozialen und der
Umwelt-Frage, ist also auch das der Rüstung und des Friedens
nicht zu lösen, solange wir die Fehlstrukturen unseres Geldes un-
angetastet lassen.
„Wo nicht der Mensch, sondern das zinstragende Kapital der
Gegenstand ist, dessen Erhaltung und Mehrung der Sinn und
das Ziel der politischen Ordnung ist, da ist der Automatismus
schon im Gang, der eines Tages die Menschen zum Töten und
Getötetwerden auf die Jagd schicken wird.“
Das hat der bekannte evangelische Theologe Karl Barth vor rund
einem halben Jahrhundert niedergeschrieben. - Man kann es
nicht kürzer fassen.
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