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Deutschlandfunk
"Zwischentöne" - Gespräch mit Helmut Creutz
Sonntag,
den 10. August 2003 von 13:30 bis 15:00 Uhr
Unser heutiger Studiogast
heißt Helmut Creutz. Er ist Wirtschaftsanalytiker. Er hat kürzlich seinen 80.
Geburtstag gefeiert. Er ist also 1923 geboren, in Aachen übrigens. Er hat
zahlreiche Berufe ausgeübt. Unter anderem war er freier Architekt aber auch
Schriftsteller. Noch heute ist er Publizist in Unruhestand, könnte man sagen.
Sein Hauptwerk trägt den Titel "Das Geldsyndrom". Dieses Buch kam vor
10 Jahren heraus und erschien seither, wenn ich recht gezählt habe, in sechs
Auflagen. Helmut Creutz wurde von mehreren Seiten für den alternativen
Nobelpreis vorgeschlagen und heute sorgt er bei uns für die entsprechenden
Zwischentöne und damit herzlich Willkommen, Helmut Creutz.
Danke!
Ja,
ich versuche die Vorgänge in der Wirtschaft zu analysieren. Die
Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Bereichen und vor allen Dingen die
Wechselwirkungen zum monetären Bereich. In welcher Weise wirkt sich unser Geld
auf die Wirtschaft aus. Und in welcher Weise gibt es wieder Rückwirkungen auf
die Geldsphäre. Und welche Folgen sind damit verbunden.
Macht das nicht eigentlich
auch der Wirtschaftswissenschaftler?
Die
sind weitgehend, so weit ich das beurteilen kann, immer mehr mit der Theorie
befasst. Sie beschäftigen sich mit den verschiedenen Lehrmeinungen, variieren
diese und untersuchen seltener die konkreten Zusammenhänge zwischen ihren
Wissenschaftsbereichen und der Realität. Vor allen Dingen machen sie einen
Bogen um die Probleme, die sich mit dem monetären Bereich verbinden lassen und
deren Wirkungen auf unseren Alltag und auf das Geschehen in Wirtschaft und
Gesellschaft.
Das wollen wir heute bis
15:00 Uhr aus Ihrer Sicht und durch Ihre Brille sehen, beobachten, uns drüber
unterhalten. Aber nochmals, Sie sind ja kein Studierter. Sie sind kein
Wirtschaftswissenschaftler. Hat Ihnen das nicht viel Kritik eingebracht,
sozusagen in Anführungsstrichen, als Amateur sich dieser Geschichte zu widmen ?
Ja,
wenn man das aus der Sicht der Hochschulausbildung sieht, habe ich Wirtschaft
nicht studiert. Ich habe sie aber immerhin fast 30 Jahre in der Praxis
studiert. Und ich bin seit 20 Jahren dabei, eben diese Erfahrungen aus der
Praxis zu vergleichen mit den Theorien und den Entwicklungen, die sich immer
mehr bei uns anbahnen und deren Schwierigkeiten alltäglich deutlicher werden.
Also, Praktiker sind Sie
schon lange und Theoretiker erst seit ungefähr 20 Jahren?
Ja.
Die Praxis ist ja gut. Sagt
man ja immer.
Wenn die Praxis stimmt. Man muss es ja
in der Praxis ausprobieren. Dort muss es sich bewähren.
Ja,
ich kenne wie gesagt, die Praxis aus den verschiedensten Perspektiven. Ich war
lange Zeit Angestellter, Selbständiger und zeitweise Betriebsleiter. Ich habe
eine eigene Firma gegründet, eine GmbH im Zusammenhang mit einer Erfindung und
habe also die verschiedensten Rollen durchgespielt.
Da haben Sie auch ein
Patent. Was ist das für eine Erfindung?
Das
ist ein mitwachsendes, umbaufähiges Baukastenprogramm für Kindermöbel und
Kinderspielzeuge.
Wie sind Sie denn darauf
gekommen Wirtschaftsanalytiker zu sein, sein zu wollen? Wie kam es dazu?
Das
war, ähnlich wie andere Entwicklungen in meinem Leben, mit Zufällen verbunden.
Ich hatte in den 70er Jahren nebenbei etwas geschriftstellert, zuerst ein
Betriebstagebuch „Gehen oder kaputtgehen" geschrieben, das beim Werkkreis
"Literatur der Arbeitswelt" erschienen ist und damals der Auftaktband
einer längeren Reihe war. Und ein paar Jahre später habe ich über Erfahrungen,
die ich als Vater im Schulbereich gesammelt habe, mit den Schulerlebnissen
meiner Töchter verbunden, ein Buch geschrieben, "Haken krümmt man
beizeiten". Es gibt doch ein Sprichwort: Was ein Häkchen werden will,
krümmt sich bei Zeiten. Ein altmodisches Sprichwort. Aber ich habe es noch aus
meiner Kindheit in Erinnerung. Weil der Mensch, ja, ich möchte nicht sagen
verbogen, aber gebogen wird in der Schule, nach einem einheitlichen Schema, das
für alle gleich ist.
Sie sagen gebogen. Man
könnte es auch vornehm ausdrücken: Sie werden gebildet!
Auch
das ist eine einseitige Sache, das nach einem Schema abläuft, das keine
Rücksicht nimmt auf die individuellen Fähigkeiten und Veranlagungen der
einzelnen Kinder.
Wie sind Sie von diesem
Thema zum Wirtschaftsthema gekommen?
Die
Brücke ist leicht zu schlagen. Ein Leser dieses Schultagebuchs schrieb mich
etwa 1978/79 an und meinte, ich hätte wichtige Fragen angesprochen und zum Teil
auch Antworten gegeben. Ich sollte mich doch mal mit den Zusammenhängen
befassen zwischen Geld und Gesellschaft, zwischen Wirtschaft und Währung.
Wahrscheinlich würde ich da noch weitere Antworten finden oder sogar
entscheidende Antworten, die mir in manchen Dingen weiterhelfen könnten. Ich
war damals sehr skeptisch, weil ich ja auf Grund meiner fast 30-jährigen Praxis
glaubte, über Geld alles zu wissen. Ich hatte Finanzierungen gemacht,
Investitionsberechnungen, Kalkulation, Kredite für verschiedene Objekte
aufgenommen. Ich glaubte, über Geld alles zu wissen.
Auch wieder abgezahlt, die
Kredite?
Ja,
die sind inzwischen alle abgezahlt. Dies entspricht ja auch der Entwicklung im
Alter.
Und dann stellten Sie aber
fest, Sie wissen zu wenig?
Ich
wollte ihn an und für sich widerlegen. Er hatte mir da eine kleine Schrift
beigelegt von einem gewissen Hans Kühn, den ich nicht kannte, der da einige
konkretere Gedanken entwickelte, die mir auch fremd waren. Ich dachte, das kann
wohl kaum stimmen, was der Mann schreibt. Da ich aber Pragmatiker bin, habe ich
nicht versucht ihn aus dem Bauch heraus abzulehnen, sondern versucht anhand von
Fakten ihm nachzuweisen, dass er Unrecht haben müsste. Das war anfangs
schwierig, weil mir die Quellen, die Zugänge zu den Fakten fehlten, Statistiken
vor allen Dingen, mit denen ich dann arbeiten konnte. Aber in dem Maße, wie ich
dann tatsächlich Fakten fand, musste ich feststellen, dass der Mann irgendwie
Recht hatte.
Wir werden auch noch hören,
inwieweit er Recht oder Sie Recht haben, oder ob man überhaupt mit dem Begriff
Recht haben weiterkommt. - In Ihrem Buch "Das Geldsyndrom" gibt es
viele, viele Zahlen. Wir werden darauf noch kommen. Ich möchte noch mal bei
diesem Schultagebuch bleiben. Um welche Problematik ging es in diesem Buch, die
dann zur Geldproblematik führte. Also, welche Themen waren es, die Sie
aufregten und beschäftigten?
Die
Brücke hatte dieser Leserbriefschreiber geschlagen. Und ich kann mich nicht
erinnern, dass er speziell auf bestimmte Fragen eingegangen wäre im
Schultagebuch. Er hat das mehr allgemein aufgegriffen um zu zeigen, dass
bestimmte Zwangsstrukturen in unserem Leben vorhanden sind, die zum Teil in der
monetären Sphäre Erklärungen finden.
Was hat Sie an der Schule
damals aufgeregt, als Vater?
Also
erst einmal, dass Schule zu Kaisers Zeiten, in der ersten Demokratie, in der
Hitlerzeit und in der neuen Demokratie praktisch gleich geblieben ist. Die
gleichen Lehrer, die gleiche Art zu unterrichten, die gleichen Fächer. Es hat
sich nichts verändert, als ob die Schule nicht eingebunden wäre in die
Geschichte, die wir täglich erleben.
Sie wollen sagen, auch heute
im Jahr 2003 sei die Schule strukturell noch so wie zur Kaiserzeit? Das wäre
eine kühne Aussage.
Natürlich,
die Beheizung ist inzwischen anders, auch die Schulbankordnung ist etwas
anders, aber im Prinzip ist es weiterhin eine Lernanstalt, in der Menschen
gezwungen werden, praktisch gegen ihren Willen, zu bestimmten Zeiten, jeden Tag
zu erscheinen unter Androhung von Konsequenzen. Und ich habe darum die Schule
immer verglichen mit den anderen beiden Anstalten, die die Menschen ähnlich
entmündigen. Das sind Kasernen und Gefängnisse. In allen drei Anstalten wird
nach Klingelzeichen aufgestanden und sich gesetzt. In allen drei Anstalten muss
der Mensch gegen seinen eignen Willen verbleiben und anwesend sein. Und er muss
auch in allen drei Anstalten Tätigkeiten verrichten, die er nicht selber
aussuchen kann.
Aber mit diesem grenzenlosen
Individualismus kommen wir ja nicht weiter.
Wir
müssen versuchen, im Gegenteil, die Fähigkeiten im Menschen stärker zu wecken
und zu begünstigen in der Entwicklung. Das ist mit heutigen Lernprogrammen in
den Schulen, die auf einem bestimmten Fächerkanon beruhen, nicht möglich.
Soziale, künstlerische Fähigkeiten werden z.B. immer mehr ausgeklammert, die
früher noch in der Schule möglich waren. Da war es noch gang und gäbe, dass die
älteren Schüler die jüngeren unterrichteten, zwangsläufig. In einer
Ein-Klassen-Schule, in der acht Jahrgänge in einem Raum waren, ging das gar
nicht anders. Aber auch künstlerische Fähigkeiten wurden noch mehr gepflegt.
Heute sind sie nur dann gefragt, wenn sie sich in Zahlen messen und abfragen
lassen.
Leistung?
Und auch Leistung muss man messen können,
damit alles gerecht ist. Also fragt man statt Individualität eben
Programmierung ab oder fördert sie.
Aber Leistung ist ja auch
gar nichts Schlechtes. Ich will noch eins dazu sagen: Soziale Kompetenz ist
aber heutzutage ein Begriff, der in aller Munde ist und der sehr hoch im Kurs
steht.
Er
ist zwar in aller Munde, aber er wird nicht gepflegt, nicht gefragt. Gute
Schüler sind die, die gut lesen, rechnen und schreiben können. Aber Schüler,
die gut künstlerische Tätigkeiten ausüben können oder soziales Verhalten an den
Tag legen und anderen helfen, spielen keine Rolle. Sie stören den Unterricht
nur.
Oder vielleicht ein bisschen
langsamer sind und bestimmte Sachen erst später kapieren, im Gegensatz zu
anderen, die ihrerseits aber auch wieder manches zu spät begreifen. Also, einer
ist immer zu früh und ein anderer zu spät.
Man
sagt nicht, dass aus diesen Menschen nichts mehr wird. Aber man hat ihnen doch
die Entwicklung im Leben erschwert durch ein starres System, das keinen
Spielraum lässt für individuelle Fertigkeiten. Allen Menschen zur gleichen Zeit
das Gleiche im gleichen Tempo beibringen zu wollen, ist völlig irreal. Aber die
Schule lebt davon.
Eine übermenschliche
Organisationsleistung. Merkt man ja wie schwer es ist, schon so etwas Einfaches
wie einen Stundenplan anständig hinzukriegen.
Ja
aber auch, wie schwer es die Lehrer haben. Die leiden ja auch unter diesem
System. Und sicher sind es nicht ohne Grund Lehrer, die am frühesten in Pension
gehen. Die auch Schwierigkeiten haben und manchmal dem Alkohol verfallen und es
heute schwerer haben als früher. Früher hatten sie einen Stock in der Hand, mit
dem sie zuschlugen. Da wurden die Kinder mit dem Stock dressiert. Ich hab
es selber noch fast jeden Tag oder alle
paar Tage auf die Hände bekommen. Damit konnte man die Kinder dressieren.
Dieses Mittel ist heute nicht mehr gegeben. Wir haben heute nur noch die Wahl,
durch Drohungen mit Zensuren die Kinder bei der Stange zu halten.
Ich will Ihnen nichts in den
Mund legen, aber so wie Sie über Wissen, Wissensvermittlung sprechen, erscheint
es mir genau das Gegenteil dessen zu sein, was man unter dem Nürnberger
Trichter versteht.
Also, Leuten etwas
eintrichtern. Oder Kinder wie eine Ziervase mit Wissen zu übermalen.
Ich
glaube, man müsste aus den Menschen etwas herausholen, mehr als etwas in sie
hinein zu stecken. Man müsste versuchen, die Fähigkeiten, die in den Menschen
schlummern, die sehr unterschiedlich sind und auch zu unterschiedlichen
Zeitpunkten zum Vorschein kommen, zu fördern, statt dieses Einheitsschemas.
Helmut Creutz, lassen Sie
uns zur Musik kommen, die Sie uns mitgebracht haben, von einer Sängerin, die
Sie sehr mögen, Dominique, in den sechziger Jahren bekannt. Sie haben für uns
ausgesucht aus Ihrem Plattenschrank den Titel "Man geht nicht mehr ohne
Doppelkinn"
"Man geht nicht mehr ohne Doppelkinn"
Wie viele gibt es noch bei uns
Die nicht nach Macht und Reichtum jagen
Die unbequem auch heute noch fragen,
Das, was sie denken, auch sagen
Wie viele gibt es noch bei uns?
Heute spricht man von
Freiheit
Und denkt dabei ans Essen
Und Kaviar wird zum Ideal
Es hungern Millionen, ihr
könnt´s nicht ermessen
Was kümmert´s uns, wir haben
ja unsere Moral
Man geht nicht mehr ohne
Doppelkinn
Man geht nicht mehr mit
Verstand
Gesinnung wird zum
Doppelsinn
In unserem Vaterland
Wie viele gibt es noch bei
uns
Die nicht an sich nur heute
denken
Die jedem gern ein Lächeln
schenken
Die nicht nur befehlen, die
lenken
Wie viele gibt es noch bei
uns?
Heute spricht man von
Gleichheit
Und denkt an Inflationen
Und Umsatz wird zum Ideal
Es sterben Legionen für
Rüstungsmillionen
Was kümmert´s uns, wir haben
ja unsere Moral
Man geht nicht mehr ohne
Doppelkinn
Man geht nicht mehr mit
Verstand
Gesinnung wird zum
Doppelsinn
In unserem Vaterland
Herr
Creutz, ganz kurzes Wort dazu. Für mich als Nachgeborenen klingt das ja gut gemeint.
Ich sehe darin so eine Art von Protest-Song, wobei ich ein leichtes Lächeln
kriege. Es ist ja gut gemeint.
Man muss es aus der Zeit heraus
sehen. Die sechziger Jahre waren eine ziemlich lebendige, bewegte Zeit, die
dann 68 wohl ihren Höhepunkt gefunden hat. Und damals ist die Gesellschaft doch
ziemlich aufgerüttelt worden. Man hat langsam begonnen zu erkennen, welche
Probleme in der Welt vorhanden sind, in der Dritten Welt, in der Umwelt. Das
wuchs damals erst langsam heran. Vorher war man optimistisch. Und insofern
haben mich diese Lieder damals motiviert.
Es
waren nicht die Stones, die Beatles oder die Street Fighting Men.
Das kommt doch mehr bei den Liedern
auf den Inhalt an. Obwohl die Musik auch entsprechend gut sein muss. Ich weiß
noch, dass wir diese Lieder mit meinen Töchtern dann auf Autofahrten gemeinsam
gesungen haben.
Protestbewegt!
Ja, protestbewegt.
Das ist ja eigentlich ein Lied, ein
kritischer Kommentar zum Wirtschaftswunder, in den fünfziger Jahren schon.
Helmut
Creutz, jetzt würde mich interessieren, wie sind Sie denn in dieses
Wirtschaftswunder hineingewachsen? Und dann müssen wir vielleicht noch klären,
weil Sie einige Andeutungen machten zum Thema Schule, wo Sie überhaupt her
stammen? Wie sind Sie aufgewachsen?
Ich komme aus Aachen, bin dort
geboren, 1923. In der großen Zeit der Inflation, als alle Milliardäre waren.
Aber leider hatte mein Vater Pech, er war zwar auch Milliardär wenn er einen
Geldschein in die Hand nahm, aber er war arbeitslos. Damals gab es den
Ruhrkampf. Die Franzosen hatten ja das Ruhrgebiet besetzt und beuteten es aus.
Weil die Bevölkerung nun fror und keine Kohlen bekam hat man versucht durch
einen Streik, eine Art Generalstreik, die Franzosen daran zu hindern, alle
unsere Reichtümer abzuschleppen. Und aufgrund des Ruhrkampfes wurden dann die
deutschen Arbeiter ausgesperrt, vor allen Dingen bei der Bahn. Es war ja
hauptsächlich der Transport, der eine entscheidende Rolle spielte. Und mein
Vater war bei der Bahn und wurde dann arbeitslos als ich geboren wurde. Und
Arbeitslosigkeit damals hieß praktisch, ein Leben n der Hungergrenze. Das kann
man also nicht vergleichen mit Arbeitslosigkeit heute.
Er war Telegraphenarbeiter bei der
Reichsbahn. Und war damals, wie gesagt, arbeitslos geworden. Aber er hat dann
die Zeit genutzt und seinen Führerschein gemacht. Und hatte hinterher die
Chance, bei der Bahn als Kraftfahrer einen neue Stelle zu finden, als der
Ruhrkampf und die Aussperrung vorbei war.
Eine Schwester habe ich noch, also
eine Kleinfamilie. Aber meine Eltern kamen alle aus Großfamilien, wie dies
früher üblich war, mit 8 und 10 Kindern.
Wir hatten eine Wohnung direkt hinter
dem Bahnhof und konnten direkt in die Gleise reinschauen. Und da habe, ich als
Junge von vier, fünf, sechs Jahren, am Geländer rumgehangen und begeistert den
Elektrokarrenfahrern auf den Bahnsteigen zugeschaut. Und das war mein erster
Berufswunsch, Elektrokarrenfahrer zu werden. An den erinnere ich mich noch.
Aber das war natürlich, wie gesagt, noch in der Vorschulzeit.
Später
hatten Sie den Wunsch, ein Ingenieurstudium aufzunehmen. Daraus wurde aber
nichts. Es kam der Krieg. Sie wurden eingezogen. Würden Sie sagen, dass Sie,
wie viele, zu dieser betrogenen Generation gehören?
Im gewissen Sinne schon. Man hat
uns nicht nur um Jahre betrogen, all zu viele ja auch ums Leben. Daran muss man
ja auch denken. Und auch die Berufswahl war entsprechend reduziert, die
Berufsmöglichkeiten. Ich hatte auch noch das Pech, dass ich nach dem Kriege
zuerst noch in Gefangenschaft kam, erst in amerikanische dann in russische. Und
erst fast zwei Jahre später nach Hause kam, mit 96 Pfund Lebendgewicht.
Nein, nein, ich hatte, eine
Lungentuberkulose in der Gefangenschaft. Eine ganz normale Erkrankung, die aber
sehr schwerwiegend war. Ich habe dann fast noch zwei Jahre in Krankenhäusern
und Heilstätten verbracht und war dann etwa 1948/49 wieder so weit, dass ich
halbwegs auf den Beinen stand. Und dann habe ich den erstbesten Job angenommen,
der sich anbot, durch Zufall. Das war als Mädchen für alles, als Techniker in
einer Ladenbaufirma. Mit dieser Firma bin ich dann groß geworden, über das
Wirtschaftswunder hinweg. Und habe später das inzwischen größer gewordene
Planungsbüro geleitet und war dort auch zeitweise Betriebsleiter. Und daraus
haben sich dann eben die Erfahrungen ergeben, die mich befähigten, mich als
Architekt selbständig zu machen. Ich habe also auch Architektur über die Praxis
gelernt, mit einigen Studien nebenbei.
Ich war Flugzeugführer und
Fluglehrer.
Pilot.
Ja, und danach habe ich eine
Fluglehrerausbildung gemacht. Und hatte dadurch das Glück, dass ich nicht an
die Front brauchte. Aber in den letzten Kriegstagen wurden wir doch noch
zusammengekratzt, alles was noch Beine hatte. Und dadurch kam auch die
Berührung mit der Front und mit der russischen Gefangenschaft.
Wäre
dann Pilot nicht auch ein toller Berufswunsch gewesen, nach dem Krieg, zum
Beispiel Starfighter-Pilot oder so was?
Das wäre es. Und das war ja auch
das Einzige, was ich in meinem Leben richtig gelernt habe. Und perfekt mit
allen Scheinen, die man machen konnte. Und ich wäre auch zur Lufthansa
gegangen, wenn ich gesund gewesen wäre. Aber ich bin 70 Prozent
schwerkriegsgeschädigt. Und auf Grund dieser Einschränkung war diese
Möglichkeit nicht gegeben.
Wann
wurde Ihnen klar, dass Sie da verheizt wurden, wie viele andere Deutsche? Wann
kam das politische Bewusstsein, dass das wohl nicht so ... ?
Das kam ziemlich spät. Wie bei den
meisten anderen auch. Ich bin groß geworden in dieser Zeit.... Ich war 10 Jahre
alt, als die Nazis an die Regierung kamen. Und in diesem Alter hat man noch
keine politischen Vorstellungen und Meinungen. Ich wusste auch irgendwie von
diesen Dingen gar nichts. Man macht das einfach alles mit. Man hat sich da im
Jungvolk betätigt, schöne Wanderungen gemacht und Fahrten und Zelte aufgebaut
usw., ohne sich Gedanken zu machen, was da eigentlich sonst abläuft. In den
ersten Jahren war das ja auch positiv, die Entwicklung. Die Arbeitslosigkeit
wurde überwunden. Was das hieß damals, kann man heute kaum noch ermessen. Wenn
man an die Not der Arbeitslosen denkt, wird klar, warum so viele Menschen die
Nazis gewählt haben, bevor sie dann nach und nach erkannten, dass sie da wohl
aufs falsche Pferd gesetzt hatten.
Nein, eigentlich nicht. Obwohl ich
wie gesagt gesundheitlich gebrochen war. Aber innerlich hat er mich auch
stärker gemacht. Ich bin dadurch lebenserfahrener geworden. Und habe auch das
Leid kennen gelernt, was auch wichtig ist. Und ich meine, dass ich dadurch
stärker geworden bin in meiner Auffassung zu Krieg und Frieden und zu sozialen
Fragen.
Ja, so direkt nicht. Das kam erst,
als dann der Vietnamkrieg lief und die ersten Proteste stattfanden, die ersten
Demonstration und ich mitgegangen bin, weil ich wusste, was Krieg heißt und
dabei erlebte, dass praktisch aus meiner Generation kaum einer dabei war. Dass
also die Leute, die Kriegserfahrung hatten, seltsam inaktiv blieben. So dass
ich mich etwas als Außenseiter gefühlt habe am Anfang. Aber ich bin trotzdem
nach wie vor eingetreten gegen alles was mit Krieg zu tun hat.
Pazifist?
Kann man sagen.
Radikalpazifist?
Nein, nein. Radikalität ist mir
fremd. Und die schlägt ja auch um in andere Art von Gewalt, die ich auch
ablehne.
Schließen
Sie Gewalt überhaupt aus?
Schwere Frage! - Am liebsten ja.
Ich finde, man sollte Änderungen zu erreichen versuchen durch
Bewusstseinsveränderungen.
Wie
euphorisch war Ihr Gefühl zu Zeiten des Wirtschaftswunders? Es geht neu los, es
geht voran, es wird alles gut?
Habe ich nicht weiter darüber
nachgedacht. Ich war froh, dass ich einen Job hatte und irgendwie automatisch
kam dann der Prozess des Wachstums, der am Anfang auch notwendig war. Darum
ging es ja erst einmal, als ich damals die Arbeit bekam, etwa 1949. Bis 1955
etwa wohnten noch bei uns in Aachen Tausende von Menschen in unterirdischen
Bunkern! Und insofern war man glücklich, wenn man eben dieses Schicksal nicht
zu teilen brauchte.
Helmut
Creutz, die erste halbe Stunde der Zwischentöne geht so langsam zu Ende. Wir
wollen noch ein Lied hören, das Sie sich gewünscht haben, Sie uns mitgebracht
haben, ein Antikriegslied. Esther Ofarim singt es hier, „Monsieur le
Président", ein Lied von Boris Vian.
Eines
ihrer absoluten Lieblingslieder ?
Ja.
Das
hören wir uns jetzt an. Um 14:00 Uhr folgen die Nachrichten. Und um 14:05 Uhr
melden wir uns dann wieder. Und dann geht's weiter mit dem zweiten Teil der
Zwischentöne mit Helmut Creutz. Und das hier ist Esther Ofarim.
"Le
Déserteur" - Boris Vian |
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Französische Version |
Deutsche Version |
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Monsieur
le président Je
vous fais une lettre Que
vous lirez peut-être Si
vous avez le temps. Je
viens de recevoir Mes
papiers militaires Pour
partir à la guerre Avant
mercredi soir. Monsieur
le président Je ne
veux pas la faire Je ne
suis pas sur terre Pour
tuer des pauvres gens. C'est
pas pour vous fâcher Il
faut que je vous dise Ma
décision est prise Je
m´en vais déserter Depuis
que je suis née J´ai
vue mourir mon père J´ai
vue partir mes frères Et
pleurer mes enfants Ma
mère attend se faire …. Que
aller dans sa fombe Elle
se moquait des bombes Elle
se moquait des verres Quand
j´étais prisonnière ... Et tu
mon chère passé Demain
devant matin Je
fais murer ma porte On
est des années morte J´irai
sur les chemins Je
m’adirer ma vie Sur
les routes de France De
Bretagne, en Provence Et je
crierai aux gents Refuser
d´obéir Refuser
de la faire N´aller
pas à la guerre Refuser
de partie S`il
faut donner ses sans Donner
le vôtre Nous
n´avons rien encontre…. Monsieur
le Président Si
vous me poursuivait Revenait
vos gendarmes Que
je n´aurai pas d´armes Et
qu´ils pourrant tirer Et
qu´ils pourrant tirer |
Ihr sogenannten Herren, ich schreibe Euch ein Schreiben, lest oder lasst es bleiben und habt mich alle gern. Ich kriege da, gebt acht, die Militärpapiere, damit ich einmarschiere und zwar vor Mittwoch Nacht. Ich sag' Euch ohne Trug: Ihr wollt doch nur schmarotzen, ich finde das zum Kotzen, die Welt hat jetzt genug. Ihr sogenannten Herrn, ich sage Euch ganz offen, die Wahl ist schon getroffen: Ich werde desertier'n. Seit ich auf Erden bin, sah ich manch Vater sterben, sah Brüder schnell verderben, sah weinen oft ein Kind; sah Mütter voller Gram, sie konnten nicht vergessen, dass andre vollgefressen, wohlauf und ohne Scham. Sah der Gefang'nen Leid; Man hat sie nur belogen, um ihre Frau'n betrogen, um ihre gute Zeit. Früh, wenn die Hähne krähn, dann schließ' ich meine Türe, will tote Jahre spüren und auf die Straße gehn. Dann geht es drauf und dran auf Welle, Wind und Wegen der neuen Welt entgegen, ich rufe jedermann: Lebt Euer Leben aus, ringt Furcht und Elend nieder, schießt nicht auf eure Brüder in diesem Erdenhaus. Ihr sogenannten Herrn, müsst Ihr denn Blut vergießen, so lasst das Eure fließen, wir hätten das so gern. sagt Eurer Polizei, Sie werden mich schon schaffen, denn ich bin ohne Waffen, zu schießen steht Ihr frei. |
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Zwischentöne.
Da sind wir wieder, der zweite Teil der Zwischentöne. Noch bis 15:00 Uhr ist
heute zu Gast bei uns Helmut Creutz,
Wirtschaftsanalytiker, Schriftsteller, Publizist, freier Architekt, aber
vor allem Wirtschaftsanalytiker. Sein Buch heißt Das Geldsyndrom. Und bevor wir
uns weiter unterhalten, hören wir Musik. Beginnen wir mit Musik von Julius
Schittenhelm. Das Lied trägt den Titel "Die Arbeit geht aus"
„Die
Arbeit geht aus“
Die Arbeit geht aus Die Frage ist nur, |
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Der
Text von „Die Arbeit geht aus“ findet sich auch unter
http://www.julius-schittenhelm.de/CDTexte2.html#arbeit
Helmut
Creutz, in diesem Lied sind schon einige Themen angesprochen, die uns jetzt
beschäftigen bis 15:00 Uhr. Die Arbeit geht aus. Die Arbeit geht ja eigentlich
nicht aus. Arbeitsplätze gehen aus, wenn schon, an Arbeit mangelt es ja nicht!
Ja, das ist richtig, dass man
unterscheidet zwischen Arbeit und Arbeitsplätzen, denn wenn wir daran denken,
dass mein Großvater in der Woche noch sechs Tage 12 Stunden gearbeitet hat, das
waren 72 Stunden und wir heute bei 38 Stunden sind, zeigt sich dieser
Unterschied: Die Arbeit ist nicht ausgegangen, man hat sie nur durch kürzere
Arbeitszeiten ausgeglichen. Es kann also niemals Arbeitslosigkeit geben, wenn
wir flexibel auf den nachlassenden Bedarf an Arbeit eingehen und die
Arbeitszeiten entsprechend kürzen, nicht aber die Zahl der Arbeitenden.
Heute reduzieren wir, um das
Problem zu lösen, die Zahl der Arbeitenden, wir entlassen Leute, statt bei
allen die Arbeitszeit weiter zu verkürzen, wie man es nach dem Kriege gemacht
hat. So hat man In den ersten 10 bis 20 Jahren die Arbeitszeit innerhalb von 16
Jahren um acht Stunden verkürzt. Wir hatten 1950 angefangen mit etwa 49 Stunden
Arbeitszeit im Schnitt und waren nach 1966 bei 40 Stunden! Und immerhin haben
wir's damals getan in einer Zeit, in der Not war, in der wir tatsächlich
arbeiten mussten, um alles wieder aufzubauen. Und trotzdem hatten die
Gewerkschaften den Mut gehabt die Arbeitszeiten ständig runter zu fahren. Sogar
im überzogenen Maße mit dem Ergebnis, dass wir hinterher ein paar Millionen Arbeitskräfte
ins Land holen mussten. Aber diese Politik hat man leider danach eingefroren. 19
Jahre hat lang die IG Metall dann ihre Tarifvereinbarungen auf 40 Stunden
festgeschrieben, was natürlich Vorteil hatte für die Lohnsteigerungen. Denn während
man in den ersten Jahrzehnten, den Fortschritt der Technik und der
Produktivität aufgeteilt hat in steigende Löhne und sinkende Arbeitszeit, hat
man nach 1970 nur noch in die Löhne reingeschustert und die Arbeitszeit
eingefroren. Man hat dadurch eine schnellere Sättigung der Märkte bewirkt, mit
dem Ergebnis, dass dadurch Arbeitskräfte frei wurden, nur weil man weiterhin
die Stundenzahlen nicht reduzierte.
Jetzt
in dem Lied klang an: die Automatisierung befreit den Menschen ja - wir sind ja
erfindungsreich - von stumpfsinniger, mühseliger Arbeit. Das ist ja auch sehr
wünschenswert, dass man sozusagen Zeit hat für andere schöne Dinge, für
Philosophie und Kunst.
Das rechnet sich alles nicht!
Was
rechnet sich nicht?
Die Kunst, die Philosophie!
Ach
so, ach so. Das Denken kommt dann nur zu Stande, wenn man eben immer alles nur
daran misst, am reinen Geldbetrag, der vor allen Dingen aber immer stärker von
der Arbeit wegwandert zum Kapital. Jetzt stehen wir heute vor Problemen: Mit
der Arbeitszeitverkürzung ist es nicht getan. Wir hören es tagtäglich, dass es
so nicht weitergehen kann, die Probleme sind mannigfaltig, die ökonomischen.
Was tun wir, damit wir aus der Krise herauszukommen ? Wir hören es im Grunde
jeden Tag. Wir brauchen nämlich was, mehr Wachstum, Wirtschaftswachstum?
Dieses Thema Wachstum hat mich
schon sehr früh beschäftigt. Noch bevor ich mich mit dem Thema Geld befasst
hatte, weil ich die Dinge auch aus der Umweltbewegung heraus betrachtet hatte und
ich mir im klaren war, dass Wachstum, so erfreulich wie es nach dem Kriege war,
als Dauerzustand nicht durchzuhalten sein kann.
Sagen
Sie !
Ich habe damals mal überlegt und
einige Regeln des Wachstums festgeschrieben.
Die erste hieß: In einem begrenzten
Raum kann es kein grenzenloses Wachstum geben.
Wir sitzen hier im Studio! Wenn
hier alle fünf Sekunden ein Mensch reinkommt, dann ist der Raum ab einem
bestimmten Zeitpunkt voll. Und wenn er dann noch weiter gefüllt wird, würden
wir uns zerquetschen. Und die Erde ist auch ein begrenzter Raum. Deswegen ist
grenzenloses Wachstum auch von daher gesehen ein Unding.
Außer
wir gehen über die Grenzen hinaus und siedeln auf den Mars.
Ja, man versucht es. Aber die
zweite Regel besagt dann auch, dass es für jedes gesunde und natürliche
Wachstum eine optimale Obergrenze gibt. Wenn ein Mensch heranwächst, dann wird
er das nicht ewig tun, sondern bis zu einer bestimmten optimalen Größe, die er
dann etwa bei 20 Jahren erreicht. Warum wächst er nicht ständig weiter ? Nun,
weil die Probleme dann rascher wachsen würden als die Vorteile des
Grösserwerdens. Darum diese Regel: Für jedes gesunde Wachstum gibt es eine
optimale Obergrenze. Die dritte Regel
ist dann eine neue gewesen, die ich praktisch erst im Zusammenhang mit
der Geldfrage erkannt habe. Sie besagt, dass ein Organismus, ein wachsender
Organismus, nur stabil bleiben kann, wenn sich alle seine Teile an der
Entwicklung des Ganzen orientieren. Konkret: Wenn ein Mensch vom zehnten bis
zum zwanzigsten Lebensjahr sein Körpervolumen verdoppelt, dann müssen sich auch
die Organe in der Größe verdoppeln, die Gliedmaßen, alles muss im Gleichschritt
wachsen. Geschieht das nicht, würde zum Beispiel die Lunge eines Menschen
rascher wachsen als der Mensch selber oder würde sogar, was noch schlimmer ist, nach dem 20. Lebensjahr noch weiter wachsen,
dann würde er sehr schnell daran zu Grunde gehen. Die Lunge würde die anderen
Organe zerquetschen, wegdrücken. Sie würde den Brustkorb sprengen. Also wichtig
ist, dass alle Wachstumsstrukturen so gestaltet sind, dass sie sich bezogen auf
alle teilhabenden Teile gleichmäßig entwickeln. Das Ganze gibt also vor, wie
die Einzelteile wachsen können. Wenn wir das jetzt übertragen auf die
Wirtschaft, dann heißt das konkret: Wenn eine Wirtschaft um 3 Prozent in einem
Jahr wächst, dann können auch die Löhne um 3 Prozent steigen, die
Steuereinnahmen, die Gewinne der Unternehmen, die Kapitaleinkommen. Alles kann
um 3 Prozent größer werden, ohne Probleme.
Und
dann wird es besser. Darf ich ganz kurz dazwischen fragen? Muss sich denn
Wirtschaftswachstum analog zu natürlichem Wachstum ergeben? Man kann sich ja
auch denken, dass Wirtschaftswachstum nach anderen Kriterien funktioniert?
Ja, das scheint vordergründig so.
Aber die Wirtschaft ist ja in der Natur eingebettet. Und sie kann nicht den
Gesetzen der Natur zuwider handeln ohne sich selbst zu gefährden.
Na
ja, aber das Wirtschaftswachstum, es läuft ja schon ein ganze Zeit.
Die Folgewirkungen sind auch
inzwischen immer deutlicher.
Aber
der Club of Rome hat ja nicht Recht behalten, 1972 "Mit Grenzen des
Wachstums"?
Mit seinen konkreten Zahlen nicht,
aber mit seiner Tendenz schon. Die hat sich nicht verändert, auch wenn es sich
verlangsamt, weil man zwischendurch noch neue Quellen gefunden hat, die man
ausbeuten kann. Aber irgendwie ist die Erde nicht endlos. Sie ist ein
begrenzter Raum. Die auch nur ein begrenztes Wachstum auf Dauer ermöglicht.
Wir
brauchen Wirtschaftswachstum. Das hören wir jeden Tag. Das ist ein eherner
Grundsatz unseres ökonomischen Handelns.
Ja, und der Frage bin ich ja auch
besonders nachgegangen, im Anfang, im Hinblick auf die umweltbezogenen Ansätze
von mir und habe dann begriffen, warum wir ständig Wirtschaftswachstum
brauchen. Und zwar, weil wir die dritte Wachstumsregel verletzen, nämlich die
Regel, dass alles nur im Gleichschritt wachsen darf, wenn der ganze Organismus
weiterhin stabil bleiben soll. Aber das ist bei uns nicht der Fall. Bei uns
wachsen eben bestimmte Teile rascher als die anderen. Und die habe ich dann
orten können. Das war der Grund dafür, warum ich mich immer mehr mit diesem
Thema befasst habe, im Bereich des Geldes. Denn die Geldvermögen und Schulden
wachsen 2-3 mal schneller als die Wirtschaftsleistung wächst. Die Folge ist,
dass die Ansprüche des Geldkapitals an den Wirtschaftskuchen, der jedes Jahr
verteilt werden kann, von Jahr zu Jahr größer werden. Und zwar schneller größer
werden, als der Kuchen selber wächst.
Dann
backen wir einen größeren Kuchen, sagt zum Beispiel auch Herr Rogowski vom BDI.
Dann müssen wir einen größeren Kuchen backen!
Das haben wir auch lange Zeit
getan. Das hat lange Zeit auch funktioniert, weil wir den Kuchen immer größer
backen konnten. Das waren Entwicklungen, die noch in früheren Generationen
undenkbar waren. Aber wir haben sie realisiert durch Technik und durch immer
neues Erschließen neuer Ressourcen. Doch das Wachstum des Kuchens, das anfangs,
in den ersten Jahrzehnten, noch ausreichend groß war um die Verteilung nicht zu
gefährden, hat inzwischen nachgelassen.
Die
deutsche Wirtschaft ist kontinuierlich angewachsen seit den 50er Jahren?
Ja, und zwar jedes Jahr, obwohl die
Wachstumsraten selbst gesunken sind. Ein Prozent Wachstum ist in Mengen
gerechnet so viel heute wie sechs bis sieben Prozent in den 50er Jahren. Die
Wachstumsraten können also durchaus von Jahr zu Jahr fallen und trotzdem sind
die gleichen Mengenzuwächse vorhanden.
Noch
einmal zum Mitdenken. Wieso entspricht das einprozentige Wachstum sechs bis
sieben Prozent der damaligen Zeit?
Der Prozent-Maßstab wird immer
angelegt an die vorhandene Menge. Die vorhandene Menge des Sozialprodukts war
in den 50er/60er Jahren noch klein. Entsprechend ergab das Wachstum einer
bestimmten Anzahl von Kühlschränken, sagen wir mal einfachheitshalber einen
Zuwachs von sechs bis sieben Prozent. Der gleiche Mengenzuwachs ergibt heute,
wegen des inzwischen mehrfach größeren Sozialprodukts, jedoch nur noch ein
Prozent. Deswegen haben wir, trotz dieses Rückgangs der Wachstumsraten, eine
lineare und ständige Entwicklung der Wirtschaftsleistung. Wir produzieren und
verbrauchen heute, in realen Grüßen gemessen, siebenmal so viel wie in den 50er
Jahren!
Dann
werden wir es auch brauchen!
Aber die Geldvermögen und Schulden
sind nicht auf das siebenfache angestiegen, sondern auf das 32-fache.
Auf
wie viel?
Auf das 32-fache! Ebenfalls in
realen Zahlen gemessen. Und dieses Auseinanderdriften der realen und monetären
Größen, lässt eine Schere aufgehen zwischen den Einkünften aus Arbeit und den
Einkünften aus Geldkapital. Da das Geldkapital aber den Vorrang hat, bei den
Kuchenverteilungen, immer schon vorab sein Anteil festlegt aufgrund des
Geldvermögen mal Zinssatz gerechnet, bleibt für die anderen relativ immer
weniger übrig. Darum sind auch die Lohnentwicklungen immer mehr
zurückgeblieben, gemessen an der Entwicklung der Wirtschaftsleistung. Dafür ein
konkreter Vergleich: in den letzten 10 Jahren, von 1991 bis 2001, ist das
Bruttosozialprodukt um 37 Prozent gestiegen, die Bruttolöhne jedoch nur um 29
Prozent und die Nettolöhne um 23 Prozent. Aber die Geldvermögen und die Geldvermögenseinkünfte
sind und 95 Prozent gestiegen! Schon in 10 Jahren kann man erkennen, in welchem
Maße die Ansprüche des Geldkapitals an dem Kuchen überproportional wachsen,
Jahr für Jahr. Auch wenn das momentan etwas abgeschwächt ist, nach dem
Börsencrash, ist der Trend auf jeden Fall der gleiche geblieben, wenn man die
Sache langfristig betrachtet.
Das
klingt nach einer alten, verstaubten Kapitalismuskritik. Sind Sie ein alter
Marxist, oder so was ?
Absolut nicht. Ich bin sogar selber
Kapitalist, wenn man von den Zinseinnahmen ausgeht. Aber ich bin mir im klaren
darüber, dass dieses System langfristig nicht funktionieren kann, wenn eben die
Ansprüche von der Kapitalseite rascher zunehmen als die Wirtschaft in der Lage
ist, ihre Leistung zu steigern.
Ich
habe Sie recht verstanden: Wir haben einen Wirtschaftswachstumszwang, weil das
Geld wachsen muss.
Ja, genau. Das Geld nicht, sondern
die Geldvermögen.
Die
Geldvermögen?
Die Geldmenge - das wird manchmal
auch verwechselt - die Geldmenge, die wächst in etwa im Gleichschritt mit der
nominellen Leistung. Das ist also kein Problemfeld! Das Problem ist der
Tatbestand, dass die Ersparnisse, die Einkommensüberschüsse, die die Empfänger
nicht benötigen und die sie dann praktisch nur über Kredite wieder zurückschleusen
können in den Kreislauf, dass die eben rascher wachsen als die
Wirtschaftsleistung. Und das kann nicht funktionieren, das muss genauso
zerstörerisch sein, wie das Beispiel mit der im Übermaß wachsenden Lunge in
einem menschlichen Körper. Die Größenordnungen, die heute im monetären Bereich
aktuell sind, sprengen ja schon das Vorstellungsvermögen, wenn sie an die
Milliardenbeträge denken.
Da
gibt es eine schöne Geschichte, die das sehr deutlich macht. Die Geschichte vom
Josephs-Pfennig oder vom Jesus-Pfennig.
Ja, ja, das ist ein recht beliebtes
Beispiel, was manchmal sogar in Schulen herangezogen wird, wie ich gehört habe.
Wenn man davon ausgeht, dass der Vater von Jesus zur Zeit der Geburt seines
Sohnes, bei der Sparkasse von Bethlehem einen Pfennig angelegt hätte, mit fünf
Prozent Verzinsung....
Fünf
Prozent, ist irgendwie was Realistisches?
Ja, durchaus! Also langfristig
betrachtet, durchaus realistisch!
Also
einen Pfennig zu fünf Prozent angelegt....
...dann würde der Besitzer des
Sparbuchs, der es heute präsentieren könnte, genau nach 2004 Jahren, einen
Anspruch haben in einer Größenordnung, die man nur noch in Gold ausdrücken
kann, und zwar in Goldkugeln im Gewicht der Erde. Und zwar hätte er nicht nur
Anspruch auf eine solche Goldkugel, er hätte Anspruch auf 268 Milliarden
Goldkugeln im Gewicht der Erde, die aus diesem einen Pfennig herangewachsen
wären, bei fünf Prozent Zinsen in 2004 Jahren.
Das
ist exponentielles Wachstum!
Ja, ja, wir sehen daran, wie irreal
dieses Wachstum ist. Und dass ein solches Wachstum unmöglich langfristig
durchhaltbar ist. Wir haben es bisher, nach dem Krieg, nur durchhalten können,
weil wir eine ständige und fast exponentielle Steigerung der
Wirtschaftsleistung nötig hatten. Aber die fällt immer mehr zurück, relativ
gesehen, und deswegen kommt der Kollaps unausweichlich auf uns zu.
Der
Kollaps kam ja nicht. Ich meine, diese Goldkugeln gibt's ja nicht. Es ist ein
Beispiel. Da sagt jeder ja, die Wirklichkeit sieht anders aus.
Eben, darum kamen laufend
Zusammenbrüche, Staatsbankrotte und neue Anfänge, sogenannte Währungsreformen,
wobei man in Wirklichkeit nichts reformierte sondern mit den selben Fehlern
wieder anfängt, die vorher die Sache zum Einsturz gebracht haben. Also, das
sind keine Reformen, das sind Neubeginne mit einem falschen System. Eine Art
Kettenbriefsystem, eine Art Pyramidenspielsystem, das nur in Zeitlupe abläuft.
Während wir sonst bei solchen Spielen ja sehr schnell beobachten können, wie
sie sich selbst zerstören und zusammenbrechen, ist das bei dem Geld nur sehr
langgezogen, so dass man die Entwicklungen kaum empfindet. Wenn man als
Arbeitender jedes Jahr relativ ein Prozent von seinem Einkommen verliert, das
merkt man nicht. Aber in 20, 30 oder 50 Jahren wächst das zu einer
beträchtlichen Größe an.
Ist
das eigentlich so, dass das der gesunde Menschenverstand auffassen kann? Kann
man verstehen, wie sich dieses Wachstum auswirkt?
Wie sich das auswirkt mit dem
Wachstum? Gehen wir von den wirklichen menschlichen Bedürfnissen aus, dann
hätten wir in unseren Breiten doch längst genug gehabt! Vor allen Dingen, wenn
wir es messen an dem, was andere Menschen auf der Erde heute haben. Aber der
Abstand ist immer noch größer geworden zwischen Arm und Reich. - Wir haben damals, in den 60er Jahren die
große Welle gehabt der Hilfen für die Dritte Welt. Damals gingen
Entwicklungshelfer in alle Welt. Damals waren wir stolz darauf. Doch diese
Diskrepanz, die damals vorhanden war, hat sich noch vergrößert im Laufe der
Zeit.
Wir
Menschen setzen ja auf dieses System. Also Kapitalismus ist übrig geblieben
seit 1989. Es hat uns auch viel Wohlstand beschert. Es wird auch gesagt, in
Zeiten der Globalisierung kann dieses kapitalistische Wirtschaften überall auf
der Erde für Wohlstand sorgen. Also, es muss doch gute Gründe geben, warum wir
das verfolgen und so handeln, wie wir handeln. Was versprechen wir uns davon ?
Wir haben keinen anderen Ausweg.
Stellen Sie sich einen ausgewachsenen Menschen vor bei dem die Lunge ständig
weiter wächst. Dann hat er im Grunde nur den einen Ausweg, nämlich zu
versuchen, selber auch größer zu werden, eben auf 3, 4, oder 5 Meter zu
wachsen, wenn er mit dieser wachsenden Lunge leben will. Das ist genau der
Wachstumszwang in dem wir leben heutzutage und der von der monetären Seite
ausgeht!
Woher
rührt das, dass die Geldvermögen dieses Privileg besitzen, andauernd zu wachsen
? Ist das der Zins ?
Das
rührt tatsächlich vom Zins her, richtiger: vom Zinseszins, wie wir eben an dem
Beispiel mit dem Pfennig gesehen haben. Wenn wir uns mal vorstellen, man hätte
dabei die Zinsen auf die Seite gelegt, also nicht wieder angelegt, dann wäre in
diesen 2000 Jahren das Gesamtvermögen aus dem Pfennig nur auf eine Mark
angewachsen! Wir sehen daran, erst der Effekt der Wiederanlage der Zinsen, der
Zinseszinseffekt, der erzeugt dieses übermäßige Wachstum. Und das wiederum hat
seine Ursachen darin, dass eben das Kapital, das Geldkapital, eine
Überlegenheit besitzt gegenüber den übrigen Dingen in der Wirtschaft. Geld ist
mehr als die Ware die ich dagegen tauschen kann, weil es ein Universalmittel
ist. Es verdirbt nicht, es wird nicht alt, wird nicht unmodern. Der
Geldbesitzer ist nicht im gleichen Maße gezwungen, das, was er in der Hand hat,
anzubieten wie der Warenproduzent, der muss seine Ware loswerden um überleben
zu können. Der Geldbesitzer kann warten. Und dieser Vorteil des Geldes, diese
Überlegenheit des Geldes, die auch Keynes herausgearbeitet hat, die erlaubt es
ihm, sein Geld nur dann freizugeben, wenn man ihm einen zusätzlichem Lohn dafür
gibt, eben einen Zins. Der Zins ist gerechtfertigt im Bereich des
Risikoausgleichs wie auch des Inflationsausgleichs, aber es bleibt dabei ein
Sockel von ein bis zwei Prozent übrig, der unantastbar ist. Das ist die Grenze,
bei der die Menschen beginnen, ihr Geld nicht mehr auszuleihen, weil ihnen der
Zins nicht mehr attraktiv genug ist. Und dann kommt es zu Geldzurückhaltungen
mit schweren Folgen, möglicherweise sogar zu einer Deflation. Das ist das,
wovor inzwischen auch die Notenbanken, auch in Amerika und in Europa, Angst
haben. Man kann davon ja dauernd lesen.
Das ist jetzt ein neues
Thema. Das wollen wir vielleicht nach der nächsten Musik besprechen. Jetzt
hören wir noch mal was von Ihrer Lieblingssängerin Dominique aus Ihrem
Plattenschrank. Die Platten haben schon ein bisschen Patina. Es knistert schön.
Hin und wieder knackts. Dominique singt den Titel: "Ist das die Welt, die
wir mal erben sollen ?"
Ist das die Welt, die wir mal erben
sollen ?
die Welt für die wir vielleicht
morgen sterben sollen ?
ob Ost, ob West, ob Süd, ob Nord
wohin man sieht, da fließt noch
Blut
nur Hass und Pest und Krieg und
Mord
nicht mal sechs Länder bringt er
unter einen Hut
Statt diesen Wahnsinn zu verhindern
die Hungersnot zu lindern
zu helfen armen Kindern
fliegt ihr zur Venus und zum Mond
baut Bomben und Raketen
Bomben und Raketen
Glaubt Ihr, dass es sich wirklich
lohnt, dies Erbe anzutreten?
Ist das die Welt, die wir mal erben
sollen ?
die Welt für die wir vielleicht
morgen sterben sollen ?
sie ist nicht gut ist grau und
trist
fast jeder Tag bringt neues Leid
tut nicht, als ob wir das nicht
wisst
und kommt uns nicht mit eurer guten
alten Zeit
Wir sind noch jung, wir wollen
leben
darum sollt ihr uns eben, ein
besseres Beispiel geben
verschönt die Welt anstatt zu
schreien
nach Bomben und Raketen
Bomben und Raketen
Glaubt Ihr, wir werden glücklich
sein
sehr stolz und glücklich sein
dies Erbe anzutreten?
Die Zwischentöne im
Deutschlandfunk. "Ist das die Welt, die wir mal erben sollen ?" sang
Dominique auf Wunsch unseres heutigen Studiogastes Helmut Creutz, dem
Wirtschaftsanalytiker. Und Herr Creutz, jetzt müssen wir den Faden noch mal
aufnehmen. Vielleicht bevor wir über Inflation und Deflation reden komme ich
noch mal zurück zu dieser Grundaussage: Ohne Wachstum geraten wir in die Wirtschaftskrise.
Mit exponentiellem Wachstum geraten wir in die Umweltkrise. Könnte man sagen, das sei eine Behauptung.
Die Bäume stehen noch. Es ist noch alles in Ordnung. Und wir könnten vielleicht
auf Grund der Tatsache, dass wir alle so kluge Köpfchen sind, neue Filter bauen
und sozusagen den Naturverbrauch schonender betreiben. Ist das nur eine
Behauptung? Ich meine, Wachstum in die Umweltkrise?
Angesichts
der Begrenztheit der Erde kann diese Behauptung nicht falsch sein!
Eigentlich ist es ja Logik.
Es ist ein systemlogischer Widerspruch.
Alle
Entwicklungen, die ständig wachsen, geraten in die Kollapsgefahr.
Es ist immer so blöd dieses
Beispiel zu nehmen, Krebs ist ja ein Beispiel dafür.
Ja,
aber ein sehr treffendes Beispiel. Auch der Krebs wächst ja mit
Verdopplungsraten exponentiell an. Er kann jahrzehntelang im Körper schlummern
und langsam heranwachsen. Erst wenn er eine kritische Größe erreicht, dann wird
er problematisch. Und so ist auch das Geldvermögen herangewachsen, über
Jahrzehnte, ohne dass wir das irgendwie gemerkt haben. So langsam, nach und
nach, ließ zwar bei der Kuchenverteilung dann der Zuwachs der Arbeitseinkommen
nach, gemessen an der Kuchengröße, aber das hat man nicht empfunden als
Nachteil. Heute haben wir die Grenze erreicht, wo praktisch dieser Mehranspruch
umschlägt in eine Reduzierung der anderen Einkommen, vor allem des
Arbeitseinkommens. Deswegen überall die Versuche, an allen Ecken zu sparen,
Leute raus zu schmeißen, die Feiertagszuschläge und Nachtzuschläge und Pipapo
zu kürzen. Überall wird gekratzt daran, und keiner sagt wieso eigentlich. Wir
haben doch jedes Jahr noch eine Leistungssteigerung, aber diese wird eben
aufgefressen von den Ansprüchen des Geldkapitals, von Jahr zu Jahr mehr.
Aber das Geld darf ja
wachsen, das Geldvermögen.
Das
Geldvermögen dürfte wachsen, wenn es durch echte Ersparnisse wächst. Es kann
auch, meinetwegen, in bestimmten Zeiten, auch nur durch Zinsen wachsen, solange
die Zinsen nicht über der Wachstumsrate liegen. Das heißt, der Zins müsste ein normaler
Marktpreis sein, der sich genau wie Knappheitsgewinne im Unternehmensbereich
mit der Sättigung der Märkte zurückentwickelt. Ein Unternehmer kann keine
Knappheitsgewinne mehr machen, wenn das Gut nicht mehr knapp ist. Das Geld kann
aber weiterhin einen Knappheitsgewinn beanspruchen, auch wenn es gar nicht mehr
knapp ist. Selbst wenn wir im Geld schwimmen, bleibt der Knappheitspreis
bestehen, weil das Geld jederzeit die Möglichkeit hat, bei der Freigabe der
neuen Überschüsse zu sagen, ich gebe es nur frei, wenn ich so und so viele
Zinsen bekomme. Also, ein System, was unser allgemeines Rechtsempfinden auf den
Kopf stellt. Normalerweise hat jeder bei öffentlichen Einrichtungen das Recht,
sie unter gleichen Bedingungen zu nutzen. Aber keiner darf sie blockieren, da
in der Blockade ja die Nutzung durch andere verhindert wird. Denken wir mal an
die Fahrbahn, an die Straße, an den Straßenverkehr. Beim Geldverkehr aber habe
ich das Recht, praktisch das Geld zu blockieren und damit andere an der Nutzung
zu hindern.
Wenn es nicht mehr genügend
abwirft?
Genau!
Man muss ja irgend einen
Grund haben, warum ich wo rein investiere! Was verspricht denn Rendite?
Wir
müssen heute eben immer wieder versuchen, die Rendite zu beleben. Das kann nur
durch Wachstum geschehen. Wenn die Wirtschaftsleistung entsprechend wieder
Kapital bedarf, lebt auch der Zins wieder auf. Aber heutzutage wird versucht
den Zins auch bei sinkenden Wirtschaftsraten hoch zu halten. Doch solange der
Zinssatz über dem Wachstumssatz der Wirtschaft liegt, müssen die Spannungen
zunehmen. Der Zins müsste also, wenn er ein echter Marktpreis wäre, mit der
Sättigung der Märkte, genau so in Richtung Null gehen, wie die Wachstumsraten
der Wirtschaft bei Sättigung gegen Null gehen. Dann wäre das Problem gelöst.
Nun freut sich auch der
einfache Sparer über Zinsen, die er auf dem Sparbuch kriegt. Und jetzt deuten
Sie an, dass Sie eigentlich den Zins abschaffen wollen!
Den
Zins nicht abschaffen, sondern den Zins unter die Marktkräfte stellen! Dass der
Geldhalter eben nicht mehr künstlich Knappheit erzeugen kann! Und was den
Bürger belangt, der sich über die Zinsen freut: Dafür habe ich Verständnis! Ich
habe mich auch bis vor 20 Jahren über meine Zinsen gefreut, die ich bekommen
habe. Und habe gedacht, du darfst nur keine Schulden machen, dann bist du aus
dem Schneider. Aber was wir eben nicht wissen: Dass wir die ganzen Zinsen,
nicht nur die eigenen oder die des Staates, sondern auch die der Unternehmen,
als Kosten in den Preisen wiederfinden
und täglich mit bezahlen! Und die Unternehmer sind die größten
Zinszahler, sie haben die höchste Verschuldung. Über die Schulden des Staates
reden wir dauernd, aber nicht über die dreimal höheren der Unternehmen.
Und die Schulden des
Staates, kann man beim Bund der Steuerzahler schön sehen auf dieser Schulduhr,
die steigen sekündlich um über 2000 Euro. Inzwischen über 2000 Euro, jede
Sekunde!
Und
die würde bei den Unternehmen noch viel höher und noch viel schneller steigen!
Und diesen ganzen Schulden müssen mit Zinsen bedient werden. Und die Zinsen
können die Unternehmen nur zahlen, so lange sie in der Lage sind, sie auf die
Endpreise abzuwälzen. D. h., in den Preisen stecken nicht nur Materialkosten
und Personalkosten, es stecken auch die gesamten Kapitalkosten drin, die
genauso bezahlt werden müssen wie die übrigen anderen Kosten.
Die beziffern Sie auf ein
gutes Drittel in Ihrem Buch "Das Geldsyndrom". Also in jedem Preis
stecken grob 30 Prozent Zins drin.
Das
ist sehr vorsichtig ausgerechnet. Wenn man nur die Zinsen nimmt, die die Banken
kassieren im Laufe eines Jahres, ist man schon über 30 Prozent. Da kommen dann
noch die Zinsen dazu für die schuldenfreien Sachvermögen, die auch verzinst
werden müssen. Denn der Unternehmer, der sein Unternehmen mit seinem eigenen Geld
aufbaut wird genauso Zinsen haben wollen, wie derjenige der es mit Krediten
tut. Denn der Geldzins, den man bei der Bank bekommen kann, ist die Messlatte
bei allen Investitionen. Nur dann, wenn der Bankzins übersprungen werden kann,
findet eine Investition statt. Es kann also auch kein Arbeitsplatz entstehen,
wenn nicht garantiert ist, dass er mehr einbringt, als das Geld bei der Bank.
Jetzt: Wenn Sie mit dem Zins
runtergehen wollen, haben Sie vorher angedeutet, na ja, dann wird der
Kapitaleigner, Kapitalgeber nicht geneigt sein, etwas zu investieren. Wenn eben
die Rendite nicht stimmt!
Der
Investor schon, aber nicht der Geldgeber. Der Unternehmer wird gerne
investieren, wenn er billige Kredite bekommt. Aber der Geldgeber wird dann
anfangen zu streiken. Er wird eben sein Geld dann zurückhalten, und damit
praktisch den Unternehmer zwingen mehr Zinsen zu bieten oder seine
Investitionen aufzugeben.
Ja, eben! Also, dann sind
wir ja mit unserem Latein schon wieder am Ende, weil dann das Geld nicht mehr
zirkuliert und fließt. Und Sie haben vorher auch den Säulenheiligen, John
Maynard Keynes, erwähnt, der für dieses Problem auch schon eine Lösung
vorschlug, 1936.
Keynes
hat von der Liquiditätsfalle gesprochen, die dann auf geht, wenn der Zins zu
niedrig ist für die Interessen der Geldbesitzer. Bei einem Zins von 2 bis 3
Prozent verleiht man sein Geld nicht mehr gerne langfristig, da bleibt man
lieber liquide. Und darum hat Keynes auch den Gedanken von Silvio Gesell
aufgegriffen, dass man dem Geld Beine machen müsste, vor allem dann, wenn der
Zins nicht attraktiv genug ist zur Freigabe. Er hat auch von Durchhaltekosten
aufs Geld gesprochen, "carrying costs". So wie der Unternehmer ja
Durchhaltekosten bei der Ware hat, Lagerkosten, Pflegekosten usw. und
Alterungsverluste in Kauf nehmen muss, müsste auch der Geldhalter mit Kosten
belastet werde, die ihn genau so zwingen sein Geld anzubieten, wie der
Warenproduzent gezwungen ist seine Ware anzubieten und der arbeitende Mensch
gezwungen ist seine Arbeitskraft anzubieten. Dieser Zwang fehlt beim Geld. Geld
hat die Möglichkeit sich eben zurück zu ziehen, auch wenn es gar nicht knapp
ist, eine künstliche Knappheit zu erzeugen, die das weitere Fallen des Zinses
verhindert. Und fällt er trotzdem weiter. dann kommen wir an die berühmte
Grenze, bei der die Geldhaltung in Deflation umschlagen kann.
Deflation heißt.....?
Deflation
heißt normalerweise Geldmangel. Und die Deflation, die wir noch in Erinnerung
haben oder manche der Älteren noch, am Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre,
war eine echte Geldmangel-Deflation, weil damals die deutsche Notenbank,
Reichsbank, die Geldmenge effektiv vermindert hat. Heute aber entsteht der
Geldmangel durch künstliche Zurückhaltung von Geld. Wir haben also Geld genug,
doch jeder Geldschein, den ich festhalte, erzeugt eine Störung im Kreislauf.
Wenn wir im nächsten Monat alle 10 Prozent weniger ausgeben würden, als wir es
gewöhnlich tun und würden das Geld in der Schublade liegen lassen oder irgendwo
auf dem Girokonto parken, dann würde die Nachfrage um 10 Prozent zurückfallen.
Das würde dann eine Reduzierung der Nachbestellungen in den Läden ergeben und
eine Reduzierung der Produktion, die Arbeitslosigkeit erzeugt. Jeder
Geldschein, der gegenüber dem normalen Umlauf zurückgehalten wird, erzeugt also
Arbeitslosigkeit. Darüber müssen wir uns auch im klaren sein.
Das ist ja die Konsumflaute,
die wir haben. Die Händler hocken auf ihren Waren. Es ist alles da, aber die
Leute halten das Geld fest. Das ist das eine. Das andere ist: Es gibt ja viele,
die haben das Geld auch gar nicht. Also jeder vierte deutsche Haushalt ist
verschuldet.
Wer
Schulden macht, macht immer noch was Positives in Anführungszeichen. Weil er ja
praktisch dafür sorgt, dass das Geld überhaupt im Kreislauf bleibt. Er leiht sich
Geld und kauft damit. Würde er sich das Geld nicht leihen, würde der Ausfall
der Nachfrage noch größer sein. Nur ist es so, dass dieser Umweg über Kredite
jedes Mal diese Zinsschraube einen Gang weiter dreht. Die Masse der Schulden
wächst und damit die Masse der problemerzeugenden Zinsströme. Darum ist dieser
Ausweg des übrigen Geldes über die Rückführung über Kredite zwar durchaus
richtig und sinnvoll, aber durch die Verbindung mit Zinszahlungen wird er
schließlich zur Katastrophe.
Helmut Creutz, ich frage
mich gerade, ob wir weiter sprechen wollen oder vielleicht zur kurzen Erholung
einen kleinen Blues hören, von Louis Jordan, den "Inflation Blues"
aus dem Jahr 1948.
"Inflation
Blues"
Now
listen Mr. President
All
you congressmen, too
You
got me all frustrated
And
I don´t know what to do
I´m
trying to make a dollar
Can´t
even save a cent
It
takes all my money
Just
to eat and pay my rent
That´s
why I got the blues
I
got those inflation-blues
I´m
not one of those high-browes
I´m
average Joe to you
I gave
up eaten cornbread
candy
and Chicken-stew
Now,
you take the paper dollar
It
is only that in name
The
way the peoples buck is shrunk
Is a
low down pretty shame
I
got the blues
I
got those inflation-blues
Hey,
press, please cut the price of sugar
So I
can make my coffee sweet
I
like the smear of butter on my bread
And
you know I gotta have my meat
When
you stop rationing
You
really play the game
But
things are going up and up
and
up and up and up and
my
cheque remains the same
That´s
why I got the blues
I
got those inflation-blues
Der Inflation Blues von
Louis Jordan. Helmut Creutz ist heute zu Gast bei den Zwischentönen. Und wir
reden über ein heikles Thema. "Über Geld spricht man nicht, das hat
man." Das ist auch so ein Spruch. Ein anderer ist heutzutage:
"Leistung muss sich wieder lohnen". Das hört man vor allen Dingen aus
dem Munde jener Leute, die leistungslose Einkommen beziehen. Wie verhält sich
das. Wie kann sich denn solche Leistungen wieder lohnen ?
Ja,
dem Spruch stimme ich voll zu, dass Leistung sich lohnen soll.
Sagt jeder Arbeiter, jeder
Angestellte.
Darum
wird ja die Frage laut, wie gerechtfertigt sind Einkommen ohne Leistungen?
Wobei man das auch bei uns erwähnt, aber dann meint man immer die Arbeitslosen,
die eben auch durch ihre Unterstützungszahlungen Geld bekommen, ohne Leistung.
Die liegen uns alle auf der
Tasche.
Die
liegen uns auf der Tasche! Aber man vergisst dabei, in welchem Maße uns das
Geldkapital auf der Tasche liegt. Das ist unvergleichlich groß.
Das ist eine provokante
Aussage, die Sie da treffen. Das Geldkapital liegt uns auf der Tasche. Das
heißt, wir betreiben Sozialhilfe für die Reichen oder was wollen Sie damit
sagen?
Was
ich ja vorhin schon sagte, dass zwar jeder von uns in diesem Sinne, in
Anführungszeichen, Kapitalist ist, denn auch derjenige der ein Postsparbuch
hat, bekommt Zinsen. Problem ist eben nur, dass sich die Zinslasten und
Zinseinkünfte unterschiedlich verteilen. Wenn man dieser Spur mal nachgeht,
dann kann man herausrechnen, dass 80 Prozent der Haushalte praktisch Verlierer
sind, bei diesem Monopoly-Spiel. Sie zahlen mehr Zinsen, nicht nur über ihre
privaten Konsumentenschulden, die können wir fast vergessen, sondern über die
täglichen Ausgaben. Allein in der Miete, das weiß ich aus meiner Erfahrung als
Architekt, stecken 60 bis 80 Prozent Zinsen drin. Die besteht fast nur aus
Zinsen. Deswegen sprechen ja auch die Süddeutschen vom Mietzins, wenn Sie die
Miete ansprechen. Und im Schnitt gesehen aller Ausgaben, muss man mindestens
ein Drittel ansetzen, eher 40 Prozent ansetzen, die wir heute dafür zahlen. Mit
jedem Euro, den ich ausgebe, zahle ich 40 Prozent, 40 Cent Zinsen. Und ich muss
mal im Jahr zusammen addieren, was ich auf diese Weise an Zinsen gezahlt habe
und das vergleichen mit den Zinserträgen, die ich tatsächlich hatte. Da werden
80 Prozent der Bevölkerung feststellen, dass sie mehr eingezahlt als
herausbekommen haben. Sie sind also Verlierer, selbst bei Zinseinkünften von
ein paar 1000 Euro sind sie acht Zehntel der Haushalte Verlierer. Erst bei dem
neunten Zehntel ist es in etwa ausgeglichen. Aber bei dem letzten Zehntel der
Haushalte schlagen dann die Verluste der 80 Prozent als Überschussgewinne zu
Buche. Das heißt, die reichsten 10 Prozent der Haushalte bekommen mehr Zinsen
heraus, als sie eingezahlt haben. Und diese Entwicklung führt zu ständigen
Umschichtungen der Einkommen, die inzwischen in der Größenordnung von einer
Milliarde pro Tag liegen.
Eine Milliarde was ?
Eine
Milliarde pro Tag wird umgeschichtet von der Arbeit zum Besitz.
Eine Milliarde was, Euro ?
Euro, Euro, Euro.
Eine Milliarde Euro pro Tag, täglich ?
Allein
die Zinserträge der Banken machen schon über eine Milliarde pro Tag aus. Die
Bankzinserträge lagen 2001 bei 382 Milliarden Euro. Das entspricht praktisch 66 %
aller Nettolöhne und Gehälter. So groß sind die Bankzinserträge.
Ja, die müssen auch wovon
leben, die Banken und die Angestellten.
Die
Banken behalten das ja nicht! Die behalten ja nur ihre Bankmarge. Sie geben das
weiter. Von den 382 Milliarden Euro haben sie 2001 303 Milliarden Euro an die Geldsparer, an die
Geldgeber gezahlt, also das Gros der Zinserträge. Und diese Auszahlungen
konzentrieren sich dann als Einnahme bei einer Minderheit der Bevölkerung und
verursachen diese zunehmenden sozialen Spannungen. Und auch die Folgen daraus,
die sich dann bemerkbar machen innerhalb der Gesellschaft. Nach den Zahlen, die
das statistische Bundesamt veröffentlicht hat, verfügt die ärmere Hälfte der
Bevölkerung nur über 4 % der Geldvermögen, die reichere Hälfte über 96 %.
Hälfte, heißt das
fünfzig-fünfzig ?
Fünfzig-fünfzig,
ja! Aber bei der reicheren Hälfte konzentrieren sich die Geldvermögen nochmals
bei den letzten 10 Prozent. Also mehr als die Hälfte der ganzen Geldvermögen
liegt in den Händen von 10 Prozent der Bevölkerung. Und das ist die Gruppe, die
dann effektiv Gewinner ist.
Und das geht immer so weiter
? Die Reichen werden immer reicher.
Das
geht weiter und nimmt ständig zu. Mit zunehmendem Tempo nimmt das zu.
Drum nimmt vielleicht auch
die Hetze zu ?
Ja,
sicher. Wenn ich praktisch mein bisheriges Einkommen erzielen will, muss ich
unter Umständen mehr arbeiten, um es weiterhin aufrecht erhalten zu können. Wir
kennen ja die Geschichten aus Amerika, dass Leute da 2 bis 3 Jobs haben müssen,
um ihre Familie zu ernähren.
Und andere haben gar keinen.
Und das ist dann der "overworked american". Aber auch der Deutsche
ist überarbeitet. Lassen Sie mich noch.... das klingt alles so, ja, da kommt
der Begriff Neid mit rein, die Reichen sind zu reich. Es ist sofort im
Hinterkopf, es könnte sich um ideologisch motivierte Gleichmacherei handeln.
Stört
mich gar nicht, der Reichtum, wenn er nicht eben mit dem ständigen
Reicherwerden verbunden wäre. Wenn der Zins morgen in Richtung Null fallen
würde, würde mich gar nicht stören, dass Leute bei uns Milliardenvermögen
haben. Mich stört es nur, dass sie von alleine - in Anführungszeichen - ständig noch reicher werden.
Es
heißt immer, es gibt keine Alternative. Margaret Thatcher hat diesen Begriff
geprägt für unser kapitalistisches Wirtschaften. "There is no
alternative" - Es gibt nur diesen Weg. Und nun haben Sie uns einigermaßen
eindrücklich dargelegt, dass das eigentlich nicht klappen kann mit
immerwährendem exponentiellem Wachstum. Aber, aber wo liegt denn Ihre Alternative
? Gibt's denn einen Weg ? Haben Sie denn einen besseren Vorschlag?
Ich
würde das System im Prinzip nicht verändern. Ich würde nur vorschlagen, einen
kleinen Fehler in unserem Geldsystem, in der Geldstruktur, zu verändern, sonst
nichts! Ich will ja keinen Kapitalismus abschaffen. Der Kapitalismus ist
gerechtfertigt in Knappheitszeiten. Damit er Ansporn gibt, dass Leute sparen.
Damit er Ansporn gibt, das man investiert. Aber mit der Sättigung der Märkte
muss dieser Effekt abgebremst werden, in dem eben dann die Zinsen mit den
Wachstumsraten gegen Null gehen. Das würde ich also zu erreichen versuchen,
dass dieses weiterhin ständige Hochbleiben der Zinsen abgebaut wird. Sonst
würde ich nichts ändern wollen.
Ja, Marktwirtschaft ist
etwas sehr Sinnvolles und Gutes. Ich glaube da sind wir uns einig.
Die
würde sogar, wenn der Zins auch marktwirtschaftlich geregelt wird, zur
optimalen Lösung. Dann würden, wie Keynes das ausgedrückt hat, die anstößigen
Formen des Kapitalismus nach und nach verschwinden. Er hatte von dem sanften
Tod des Rentiers gesprochen. Dass also der Rentier, der von Zinsen lebt,
sozusagen langsam ausscheidet aus dem Einkommensbeziehen, aber sein Vermögen
behält. Nur das automatische Wachstum des Vermögens würde dann verhindert
werden.
Sie haben also jetzt eine
Lanze gebrochen für die Marktkräfte. Das führt mich noch zu einer Frage,
nämlich der Subventionen? Wo sehr viel in den Markt eingegriffen wird. Und es
ist auch eigentlich ein wünschenswertes Mittel etwas zu stützen.
Subventionen
sind heute weitgehend Versuche, von Staatsseite her Verteilungsprobleme zu
lösen. Und sie würden sich verringern, wenn diese Probleme nicht mehr zunehmen.
Insofern würde eine Korrektur unseres Geldsystems ja die diese Notwendigkeiten
abbremsen, und damit auch den Druck auf den Staat mit Subventionen
einzugreifen.
Also, was zum Beispiel
subventioniert wird, ist diese Überproduktion in der Landwirtschaft. Sie wird
mit Steuergeldern unterstützt und hinterher wird Geld verdient, in dem man
Lebensmittel wieder vernichtet. Was übrigens dann in Anführungszeichen zur
Wertschöpfung mit dazugerechnet wird.
Na
ja, das ist ein Problemfeld für sich, die so genannte Wertschöpfung. Aber das
sind eben Auswüchse, die alle damit zusammenhängen, dass wir irgendwie zum
Wachstum verdammt sind. Auch dann noch, wenn wir im Grunde es gar nicht mehr
brauchen und es im Grunde schädlich wird. Wie jedes Überwachstum schädlich
wird.
Wie wollen Sie das
anstellen? Wie soll das gelingen, Helmut Creutz? Also, das erscheint mir schon
ein ziemlich radikaler Ansatz zu sein. Sie sagen zwar, es ist in die Korrektur
eines Fehlers im System, aber trotzdem ein sehr fundamentales Kriterium.
Ja,
es kann geschehen, in dem ich dafür sorge, dass das Geld als öffentliche
Einrichtung genau so eingestuft wird, wie alle anderen öffentlichen
Einrichtungen auch. Jeder darf es nutzen, aber keiner darf es blockieren
können. So zahlt man ja z. B. beim Straßenverkehr dem Blockierer der Straße
nicht eine Freigabeprämie zahlt, sondern droht ihm ein Protokoll an. Genau so
müsste also auch derjenige, der Geld festhält, also den Geldverkehr blockiert,
mit Kosten rechnen müssen. Das ist dann das, was Keynes mit Durchhaltekosten
für Geld bezeichnet hat. Das würde einen dazu bewegen, auch dann sein Geld
freizugeben, wenn der Zins unter die Marke fällt, die man normalerweise dafür
beansprucht.
Das ist unangenehm, wenn ich
sparen will.
Sparen
kann man wie immer. Nur die Ersparnisse vermehren sich nicht mehr in dem Tempo
wie bisher. Die Ersparnisse sind also weiterhin gerechtfertigt und möglich. Es
wird auch dafür gesorgt, mit einer Umlaufsicherung des Geldes, die vom Zins und
von der Inflation abgekoppelt ist, das die Stabilität des Geldes gewährleistet
wird, die heute nicht gewährleistet werden kann. Man kann also seine Ersparnisse
mit ruhigen Gewissen aufheben. Die Kaufkraft bleibt ja erhalten.
Die Sorge ist aber, dass die
Inflation die Ersparnisse auffrisst und auch Ihr Vorschlag.
Über
die Umlaufsicherung des Geldes würde die Inflation nach und nach verschwinden
können.
Das klingt zu gut, um wahr
zu sein.
Weil
man die Geldmenge dann steuern kann! Heute versucht die Notenbank die Geldmenge
zu steuern, obwohl sie gar nicht weiß, wie viel aktiv als Geldnachfrage
eingesetzt ist. Sie weiß nur wie viel Geld sie rausgegeben hat. Sie spricht
zwar immer von der umlaufenden Geldmenge, wenn sie diese Menge meint, aber im
Grunde ist das ein Fehlbegriff, denn von dieser herausgegebenen Geldmenge läuft
eben nur ein Bruchteil um. Und allein dieser umlaufende Bruchteil ist konjunkturentscheidend.
Wenn aber durch eine Umlaufsicherung das Geld festhalten, Geld blockieren und
Geld Horten verhindert wird, dann wird die herausgegebene Geldmenge mit der
nachfragenden identisch. Und dann kann diese Geldmenge von der Notenbank auch
korrekt gesteuert werden vor dem Hintergrund einer stabil bleibenden Währung.
Helmut Creutz, Sie haben uns
viele anregende Gedanken beschert in diesen Zwischentönen. Wir müssen so
langsam zum Ende kommen. Es gibt noch einiges zu sagen und hinzuweisen. Zum
Beispiel dass man Ihren Namen Creutz mit C am Anfang und TZ am Ende schreibt.
Und Ihr Buch heißt "Das Geldsyndrom" und ist lieferbar im Buchhandel,
aber auch unter www.inwo.de. zu bestellen.
Das ist der nächste Punkt.
Eine sehr interessante Website: www.inwo.de!
Wofür stehen die Kürzel?
Die
stehen für „Initiative Natürliche Wirtschaftsordnung“.
Natürliche
Wirtschaftsordnung. Das ist auch schon wieder provokant, in gewisser Weise!
Das
ist ein historischer Begriff, der genommen worden ist noch von vorherigen Bewegungen,
die es schon in den 20er, 30er Jahren gegeben hat.
Freiwirtschaft, Silvio
Gesell und so was.
Darüber
kann man sich informieren auf dieser Website. Man kann auch da mein Buch
bestellen.
Und Sie schreiben, ganz zum
Schluss eine kurze Antwort, an einem neuen Buch. Es trägt den
Arbeitstitel......?
Der
Arbeitstitel heißt: "Das verflixte Geld - Die 22 Geldirrtümer".
Irgendwie, um diesen Dreh rum wird es heißen, in dem ich bestimmte
Fehlvorstellungen im Bereich des Geldes einzelnen aufdrösele.
Was ist der größte Irrtum,
den wir über das Geld hegen und pflegen?
Ja,
eins der größten Irrtümer ist zum Beispiel, dass Geld gleichzeitig Tauschmittel
und Wertaufbewahrungsmittel sein kann. Das widerspricht sich und das ist eine
der Problemursachen, mit denen wir tun haben.
Aber Geld hat man und man
spricht nicht drüber. Also, mit dieser Weisheit werden wir nicht mehr
weiterkommen.
Ich
glaube nicht. Wir müssen über Geld sprechen, wenn wir die Probleme in den Griff
bekommen wollen.
Helmut Creutz, herzlichen Dank
für den Besuch bei den Zwischentönen. Jetzt müssen wir Schluss machen. Ich darf
noch darauf hinweisen, dass es die Zwischentöne nächsten Sonntag wieder gibt,
mit meiner Kollegin Sabine Küchler. Dann im Gespräch mit dem Medizinhistoriker
Rolf Wienau. Jetzt hören wir noch bis zu den Nachrichten zum Schluss Musik von
Charles Mingus: Den Work Song.
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Der
Text wurde nach einer Tonbandaufnahme abgeschrieben und von Helmut Creutz
überarbeitet