Startseite: http://www.geldreform.de/

 

 

Auszug aus:

 

Wolfgang Broer:

                Schwundgeld. Bürgermeister Michael Unterguggenberger und

                das Wörgler Währungsexperiment 1932/33

                Studienverlag Innsbruck-Wien-Bozen

                2007, 398 Seiten, 34,90 Euro

                ISBN 978-3-7065-4472-6

 

 

 

Über dieses Buch

 

 

Über das Wörgler Freigeld-Experiment gibt es eine Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten. Die erste erschien noch 1934, also zu Lebzeiten Michael Unterguggenbergers. Alfred Hornung war es aber eher darum zu tun, das Wörgler Experiment als gescheitert darzustellen und die Freiwirtschaftstheorien zu widerlegen.[1] Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wird das Thema wieder aufgegriffen. 1948 erscheint zwar eine Dissertation (eher Streitschrift) von  H. Tagwerker  unter dem Titel „Denkfehler der Schwundgeldvertreter“, doch sie disqualifiziert sich von selbst. Dort heißt der Wörgler Bürgermeister immer nur Guggenberger, von anderen Defiziten, vor allem der dünnen Quellenbasis, ganz zu schweigen.

1951 wird eine sehr gründlich gearbeitete Darstellung des Schweizer Politikers, Publizisten, Verlegers und Gesinnungsfreundes von Unterguggenberger, Fritz Schwarz, publiziert, die jetzt wieder neu aufgelegt worden ist.

1957 wird man sich erneut in einem wissenschaftlichen Rahmen mit dem Wörgler Währungsexperiment beschäftigen. Der Sohn Unterguggenbergers, Silvio, schreibt darüber seine Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien.[2] Es werden weitere zwei Jahrzehnte vergehen, ehe eine Reihe anderer, zum Teil sehr verdienstvoller wissenschaftlicher Arbeiten folgen (siehe Literaturverzeichnis). Das einzige Buch, das bisher über das Wörgler Freigeld erschienen ist, ist romanhaft geschrieben und hat als Zielpublikum vor allem Jugendliche.[3] Es ist aber ordentlich recherchiert.

Daneben gibt es auch noch eine Reihe von Beiträgen in Sammelbänden [4], die ein anderes Thema haben, Wörgl aber berühren. Die Zahl der Zeitungsartikel, die über das Experiment geschrieben zu seiner Zeit und bis auf den heutigen Tag geschrieben wurden, geht in die Tausende.

Allen Diplomarbeiten, Dissertationen und Publikationen, die eine sich stetig erweiternde Quellenbasis nutzten, ist eines gemeinsam: Das Wörgler Experiment wird fast ausschließlich unter wirtschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Aspekten behandelt.

Das vorliegende Buch stellt natürlich auch, auf der bisher breitesten Quellenbasis, die wirtschaftliche Seite des Wörgler Freigeldes dar. Es bemüht sich aber um eine neutrale Position. Der Leser soll sich selbst ein Bild machen können. Nur in Ausnahmefällen, in denen in vorausgegangenen Publikationen Behauptungen aufgestellt wurden, die aufgrund der Quellenlage nicht länger haltbar sind, wird Stellung bezogen.

Aber das Buch ist kein Plädoyer für oder gegen die Freiwirtschaft, es stellt auch keine wirtschaftswissenschaftlichen Fragen in diese Richtung und gibt daher auch keine Antworten. Gewisse Aspekte, wie etwa die Freiwirtschaftslehre Gesells, sind nur kurz dargestellt und sind nur so weit berücksichtigt, als es für das Verständnis des Wörgler Experimentes auch von Belang ist. Auch die juristischen Aspekte, die in einigen Arbeiten sehr gut und ausführlich aufbereitet sind, werden in diesem Buch verkürzt dargestellt.

Das Kapitel „Echo im Ausland“ stützt sich neben den Presse-Ausschnitten im Unterguggenberger-Archiv vor allem auf das Standard-Werk von Werner Onken „Modellversuche mit sozialpflichtigem Boden und Geld“ (Lütjenburg: Fachverlag für Sozialökonomie, 1997) sowie Bernhard A. Lietaer: Das Geld der Zukunft (1996).

Das vorliegende Buch stellt vor allem das Wörgler Experiment in das politische und soziale Koordinatensystem seiner Zeit, bettet es in einen zeithistorischen Gesamtzusammenhang. Das ist in bisherigen Veröffentlichungen nur sehr peripher, wenn überhaupt geschehen.[5] Aber ohne dieses Bezugssystem und der umfassenden Berücksichtigung des Umfeldes kann – aus meiner Sicht – das Wörgler Experiment und auch Unterguggenbergers Handeln gar nicht richtig verstanden und eingeordnet werden.

Ungeachtet dessen glaube ich, dass Geschichte auch von Menschen gestaltet wird. Ihre Motivation, die schließlich zur Tat führt, zu erforschen und darzulegen, ist daher eine wichtige Aufgabe, auch dieses Buches. Es scheint mir kein Zufall zu sein, dass eine Reihe österreichischer Gemeinden es Wörgl gleichtun wollten, aber alle schon nach kurzer Zeit gescheitert sind. Überspitzt gesagt, ohne die charismatische Persönlichkeit Unterguggenbergers hätte das Wörgler Experiment entweder gar nicht stattgefunden oder es wäre ebenfalls bald versandet, ohne Wirkung zu entfalten. Dass der Wörgler Bürgermeister auch Schwächen gehabt hat, macht ihn aus meiner Sicht sympathisch und menschlich, rückt ihn uns näher.

So enthält dieses Buch auch biographische Aspekte. Mit Empathie und möglichst auf Quellen gestützt wurde versucht sich in die wichtigen handelnden Personen einzufühlen. Das betrifft vor allem die Person Unterguggenbergers. Leider reichen die Quellen nicht zu einer umfassenden Biographie. Aber es sind genug Fragmente vorhanden, die zumindest die Option zulassen, dass sich die Darstellung der Wahrheit annähert, auch wenn die Fülle eines Menschen in all seinen Lebensvollzügen ja niemals voll erfasst werden kann und daher auch die beste Biographie, die auf einer ungleich breiteren Quellenbasis steht, immer unvollständig und fragmentarisch bleiben muss.

Ursprünglich war dieses Buch als zeitgeschichtlicher „Roman mit Fußnoten“ konzipiert. Gewissermaßen als „Hintergrundfarbe“ für die nun gewählte Art der Darstellung ist diese Intention erhalten geblieben. Es sind daher in dieser Arbeit sehr viele, für ein Sachbuch anscheinend „überflüssige“ Details berücksichtigt worden. Das hat einen einfachen Zweck. Der Leser soll so nahe wie möglich an diese so tragische und dramatische Zeit der österreichischen Zeitgeschichte herangeführt, ja in sie hineinversetzt werden. Er soll auch die Personen und ihre Handlungsweise verstehen lernen. Es wurde daher auch verhältnismäßig ausführlich aus den Originaldokumenten zitiert. Das scheint deswegen wichtig, weil die Sprache auch Zeitkolorit vermittelt.

Es geht in dieser Arbeit weder um Glorifizierung noch um Schuldzuweisung. Denn für den politisch Handelnden in jener und jeder Zeit ist die „Zukunft verhangen“ (Rudolf Neck).

Zu bedenken ist auch: Die Folgen einer Tat sind eo ipso nicht oder kaum abschätzbar, vor allem weil sie sich verselbstständigen, weil sie Eigenleben gewinnen und damit sogar der ursprünglichen Intention zuwider laufen können. (Manés Sperber).

Das Wörgler Experiment ist vor allem Dorfgeschichte, ein Teil der Geschichte des Landes Tirols und Österreichs, es ist auch ein wenig Weltgeschichte. Diese so heterogenen Elemente in eine ebenso informative wie spannende Mischung und Balance zu bringen, war die große Herausforderung dieser Arbeit.

Die Rechtschreibung, auch in den Originaldokumenten, ist der neuen Orthographie verpflichtet.

Trotz aller Sorgfalt von meiner Seite und vielfachem Korrekturlesen vieler Personen sind Fehler nie ganz auszuschließen. Sie gehen alle zu Lasten des Autors.



[1] Das Ergebnis des Wörgler Schwundgeldversuches. Ist Wörgl ein Freigeldexperiment? Sozialwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft Innsbruck 1934, Tiroler Studien, Heft 2

[2] Silvio Unterguggenberger: Das Schwundgeld von Wörgl. Diplomarbeit eingereicht an der Hochschule für Welthandel, Wien 1957

[3] Klaus Rohrbach: Freigeld. Michael Unterguggenberger und das Währungswunder von Wörgl, Verlag H. Möllmann, Hamborn 2002

[4] zum Beispiel Wörgler Notgeld in der Zwischenkriegszeit. Aus: Hannes Hofbauer/Andrea Komlosy (Hrsg.): Das andere Österreich. Wien 1987,

[5] Am ehesten geschieht das noch bei Klaus Rohrbach und vor allem bei Gebhard Ottacher: Der Welt ein Zeichen geben : Das Schwundgeldexperiment von Wörgl 1932/33 ; Diplomarbeit, Wien 2001