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4 Lagermeister im Urlaub
Niemand wird bestreiten, daß Banknoten eine offizielle Zahlungseinrichtung
sind, die ausschließlich vom Staat herausgegeben und von der Deutschen
Bundesbank gedruckt werden dürfen. Private Geldfälschungen werden
bekanntlich mit hohen Strafen geahndet. Somit ist das offizielle Geld -
sollte man meinen - ein Zahlungsmittel, das - wie die Autobahn - dem Staat
gehört. Sobald wir diese begehrten Scheine aber in unsere Finger kriegen,
hört das staatliche Brimborium schlagartig auf: Wir können damit
machen was wir wollen; plötzlich ist es unser ganz privates Eigentum.
Wir können das Geld im Garten verbuddeln, im Kamin andächtig
verbrennen, mit Hilfe eines Aktenvernichters in lauter kleine Schnipsel
verwandeln, zum Staunen unserer Gäste als Tapete verwenden, nach dem
Besuch eines Hobbykurses an der Volkshochschule in kostbare Lampenschirme
verwandeln oder in einem dunklen Tresor beliebig lange horten.
Damit ist aber immer noch nicht die Frage beantwortet, ob das Geld - so
wie die Autobahn - nun eine öffentliche oder eine private Einrichtung
ist, denn beides zugleich kann es ja wohl nicht sein, oder etwa doch? Tatsächlich
hat unser heutiges Geld eine Doppelnatur; es ist sowohl offizielles als
auch privates Zahlungsmittel. "Mein Gott, ist denn das so schlimm?
Mich stört das überhaupt nicht" wird sich so mancher sagen
und vielleicht vermuten, hier solle ein Scheinproblem konstruiert werden,
um von viel wichtigeren Themen abzulenken.
Wenden wir uns daher zunächst vom Zahlungsverkehr dem Personenverkehr
auf der Straße zu. Wie jedermann weiß, sind Straßen öffentliche
Verkehrswege, die auch von Privatleuten genutzt werden können. Das
Auto, in dem z.B. Herr Goldi sitzt, gehört ihm, die Straße unter
den Rädern seines Autos gehört dem Staat. Da sich alle Autofahrer
so schön an die Verkehrsregeln halten, fließt der Verkehr so
ruhig wie schon lange nicht mehr. Heute also mal keine Raser und keine
nervtötenden Langsamfahrer; alles fließt. Plötzlich fällt
Herrn Goldi ein, daß er mit dem Verkehrsmittel Geld in seiner Tasche
ja auch machen kann, was er will. Warum, so denkt er sich, sollte das mit
dem Verkehrsmittel Auto auf einer Bundesstraße anders sein? Behutsam
tritt er auf die Bremse und kommt nach ein paar hundert Metern zum Stillstand.
Da er nun in einer unübersichtlichen Kurve steht und bei regem Gegenverkehr
nicht überholt werden kann, bildet sich natürlich ein Stau. Ruhig,
wie das seine Art ist, verläßt er seinen Wagen, um hinter einem
Busch erstmal sein Wasser abzuschlagen. Anschließend zieht er mit
einem Stück Kreide rings um sein geparktes Auto einen Strich, wie
es die Polizei bei Verkehrsunfällen zu tun pflegt, und erklärt
den herbeigeeilten Staukollegen: "Dieses Stück Straße gehört
jetzt mir." Es kommt natürlich sofort zu Handgreiflichkeiten
aufgebrachter Verkehrsteilnehmer und - viel schlimmer - zu einem schweren
Auffahrunfall. Darum hat die Verrücktheit des Herrn Goldi ein gerichtliches
Nachspiel: "Aber Herr Richter, wenn ich durch das Horten von Geld
straflos schlimmste Stauungen und Stockungen im Wirtschaftsgefüge
verursachen darf und dadurch die Zahl der Arbeitslosen und Konkurse in
vorher nie gekannte Höhen treiben kann, ohne dafür belangt zu
werden, kann doch das Parken im fließenden Verkehr kein strafbares
Delikt sein!" Ja, das begreife einer.
Die Deutsche Bahn AG verfügt erfreulicherweise über eine große
Anzahl von Güterwaggons, die ein Unternehmer - falls er einen Gleisanschluß
hat - sich direkt vor die Tür stellen lassen kann. Der Waggon ist
natürlich nur geliehen, muß also der Deutschen Bahn AG zurückgegeben
werden. Nun könnte ein Unternehmer auf den Gedanken kommen, die Rückgabe
des Waggons bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag hinauszuschieben, um dieses prächtige
Gerät als billige Lagerhalle nutzen zu können. In den Anfängen
der Bahn und in den Wirrnissen der Nachkriegszeit ist das auch versucht
worden, doch heutzutage ist diese Zweckentfremdung nicht mehr möglich.
Der Bahn ist nämlich etwas eingefallen, wie man diesen Rückgabemuffeln
Beine macht: Die Deutsche Bahn AG erhebt ganz einfach Standgeld. Ohne ein
solches Standgeld, das die Unternehmen zwingt, sich mit dem Ausladen der
Waggons zu beeilen, würden die Waggons zu Tausenden überall im
Lande auf den Fabrikhöfen herumstehen und mit den dümmsten Ausreden,
z.B. "Lagermeister im Urlaub" verspätet zurückgegeben
werden. Klar, daß der Güterverkehr darunter zu leiden hätte
und schließlich zusammenbrechen würde.
Herr Goldi, den wir ja schon kennengelernt haben, hat sich etwas Neues
einfallen lassen. Er behält den Waggon, bleibt der Bahn das von Tag
zu Tag höher steigende Standgeld schuldig und riskiert erneut einen
Prozeß, in dessen Verlauf er das Verkehrsmittel Waggon mit dem Verkehrsmittel
Geld vergleicht. Beide, so behauptet er völlig richtig, sind ein Teil
des öffentlichen Verkehrs, und beide können - wenn auch nur vorübergehend
- privater Natur sein. "Ich bin doch nicht verrückt und zahle
der Deutschen Bahn AG auch noch Standgeld. Es müßte umgekehrt
sein, Herr Richter, die sollen mir einen finanziellen Anreiz bieten, der
so verlockend ist, daß ich den Waggon gegen eine anständige
Prämie, meinetwegen auch Waggonzins genannt, freiwillig wieder herausrücke."
Der Richter muß jetzt aufpassen. Er kann den Herrn Goldi nicht einfach
verurteilen, denn was dieser da zu seiner Verteidigung sagt, ist ja wie
aus dem Leben gegriffen, also eigentlich ganz normal, denn wer das vom
Staat herausgegebene Geld in seinem Tresor "geparkt" hat, zahlt
doch auch keine Standgebühr, obwohl es anderen Wirtschaftsteilnehmern
fehlt und dieses Fehlen der Wirtschaft schließlich schweren Schaden
zufügt. Der Zinserpresser zahlt nicht nur kein Standgeld, er läßt
sich die Herausgabe des gehorteten Geldes auch noch mit Zinsgeschenken
versüßen!
Erinnern wir uns der ersten Verrücktheit des Herrn Goldi: Sein stehendes
Auto bringt den Verkehr, sein im Tresor ruhendes Geld bringt die Wirtschaft
zum Erliegen oder zumindest ins Stocken. Denkbar wäre nun, er würde
mit einer Sammelbüchse in der Hand die im Stau stehenden Autofahrer
höflich um eine kleine Straßenfreigabegebühr bitten; so
nach dem Motto: Sobald das Geld im Kasten klingt, Herr Goldi in den Wagen
springt. Leute, die es eilig haben, z.B. termingeplagte Handelsvertreter,
sind sicher bereit, fünf Mark springen zu lassen. Andererseits - wenn
sich das herumspricht und immer mehr Rentner, Studenten und Arbeitslose
dazu übergehen, ein kleines Stück Straße vorübergehend
zu privatisieren, um die schnell verdiente Straßenfreigabegebühr
kassieren zu können, wird es mit dem Frieden auf der Straße
wohl bald vorbei sein. Verkehrsteilnehmer, die ja heute schon den Stinkefinger
zeigen, wenn mal einer nicht schnell genug die Herrenfahrerspur räumt,
würden sich vermutlich bewaffnen und den 10.000 Verkehrstoten pro
Jahr sicher noch so manche Stauleiche hinzufügen.
Man muß kein ADAC-Mitglied sein, um zusammenfassend sagen zu können:
Verrücktheiten, die den Verkehrsfluß behindern, sind gesetzlich
zu verbieten; egal ob auf der Straße oder im Tresor. Wer dem zustimmt,
muß sich natürlich auch fragen lassen, wieso er dem stauverursachenden
Horten des Geldes und den Zinserpressern ohne mit der Wimper zu zucken
eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Tun wir das denn?
Räumen wir dem Zinswucher wirklich diese geradezu absurde Narrenfreiheit
ein? Ja, wir tun es, aber wir tun es unbewußt. Die Leser dieser Zeilen
wollen dies bitte nicht als Vorwurf betrachten, zumindest jene nicht, die
hier zum ersten Male mit dem Vermächtnis Silvio Gesells konfrontiert
werden. Wichtig ist vor allem, daß mit diesem Kapitel nun auch klargeworden
sein dürfte, weshalb die das Geld beherrschenden Kreise ein großes
Interesse daran haben, die Natürliche Wirtschaftsordnung Silvio Gesells
aus Schule, Wissenschaft, Vereinsleben, Presse, Wirtschaft, Kirche und
Politik herauszuhalten.
Mit dem vorliegenden Buch, dem ich einen abendfüllenden Diavortrag
zur Seite gestellt habe, wird der Versuch unternommen, mit Hilfe meiner
Leserinnen und Leser die bisher so "erfolgreiche" Strategie des
Verschweigens wirksam zu unterlaufen. Den Lesern sei daher schon jetzt
geraten, über Konsequenzen nachzudenken, die der ganz persönlichen
Betroffenheit und Entrüstung entsprechen. Dem Schweizer Psychologen
Josef Hirt verdanke ich die Erkenntnis, daß der Mensch nur das tut,
was er auch tun will, nicht jedoch in der Lage ist, darüber zu entscheiden,
ob er es tun will! Damit bleiben meine Hoffnungen auf jene beschränkt,
die aus einem inneren Antrieb heraus - also ohne die Willenskraft bemühen
zu müssen - dem erst langsam sich drehenden Schwungrad der Natürlichen
Wirtschaftsordnung die längst fällige Anschubenergie verleihen.