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1 300 Jahre Hochkonjunktur
Am Anfang stand die Urwirtschaft: Man aß selbst auf, was man gesammelt,
gefangen, geschossen oder geerntet hatte. Erst als der Mensch begann, die
primitive Ur- und Vorratswirtschaft mit der Tauschwirtschaft zu kombinieren,
war das Eis gebrochen: Die Entwicklung der Menschheit konnte beschleunigt
werden; der Tausch und die Arbeitsteilung machten es möglich. "Ich
beschlage dir dein Pferd, du webst mir das Leinen für die Hose."
Gefördert wurde der Tauschhandel durch das menschliche Bedürfnis,
sich schöne und nützliche Dinge anzueignen. Ausgeschlossen von
dieser erregenden Tätigkeit waren immer jene Marktteilnehmer, deren
Dienstleistungen oder Waren gerade mal nicht gefragt waren. Das muß
bitter gewesen sein. So blieb beispielsweise der Schuhmacher auf seinen
Sandalen sitzen, wenn ein Interessent das vom Schuhmacher so dringend benötigte
Getreide nicht entbehren konnte, weil er selbst kaum wußte, wie er
seine Familie sattkriegen sollte.
Mit der Zeit fanden die Bauern, Fischer und Handwerker aber Mittel und
Wege, ein Tauschgeschäft trotzdem abzuwickeln: "Also gut, du
kannst die Sandalen haben, wenn du mir die Brosche deiner Frau dafür
gibst." Mit der Brosche in der Hand war es dem Schuhmacher nun möglich,
ein Säckchen Getreide einzutauschen; er mußte nur noch einen
jungen Bauern finden, der mit der schönen Brosche das Herz eines Mädchens
zu gewinnen hoffte. Schöne Dinge, also Schmuck, noch dazu aus dem
bedeutungsschweren, unvergänglichen Metalle Gold, machten lebensnotwendige
Tauschgeschäfte möglich, die unter den bisherigen Umständen
gar nicht durchführbar gewesen wären. Doch erst mit der Einführung
des Geldes, das an die Stelle der Übergangslösungen Gold, Muscheln
oder Steine trat, kam Schwung in die Handelsbeziehungen der einzelnen Berufe
und Völker. Es ist sicher müßig, darüber zu streiten,
ob nun die bahnbrechende Erfindung des Rades oder die Erfindung der Schrift
die Menschheit am nachhaltigsten beeinflußt haben, stehen doch beide
ganz klar im Schatten der großartigen Erfindung des Geldes.
Wer in Arabien Kamele kaufen wollte, mußte nun nicht länger
Olivenöl in zerbrechlichen Amphoren quer durch die Wüste schleppen;
ein kleiner Beutel voller Münzen reichte plötzlich aus, das "Tauschgeschäft"
zum beiderseitigen Wohle abzuschließen. Das sofort Vertrauen erweckende
hohe Gewicht der kleinen Goldmünzen, die früh erkannte Unvergänglichkeit
des Goldes, sein unvergleichlich schöner Glanz, aber auch die praktische
Möglichkeit, den wertvollen Besitz leicht verbergen, herumtragen oder
vergraben zu können, ihn zu stückeln und zu wiegen, machten das
Gold und das Silber über Jahrtausende hinweg zu den begehrtesten Waren.
Da es sich leicht zu Schmuck verarbeiten ließ, konnte es andererseits
aber auch besonders gut zur Schau gestellt werden und eignete sich damit
vorzüglich, das Ansehen und den Ruhm seines Besitzers zu mehren. Reichliche
Gold- und Silberfunde sorgten zunächst dafür, daß immer
genügend Münzen in Umlauf gebracht werden konnten, eine - wie
wir später noch sehen werden - wichtige Voraussetzung für das
Funktionieren einer reibungslosen Wirtschaft.
An die Stelle der schwerfälligen Tauschwirtschaft trat also die Geldwirtschaft,
die sich um so blühender entwickelte, je öfter und je schneller
das Geld von Hand zu Hand ging. Umgekehrt brachen ganze Kulturen zusammen,
wenn durch Gold- und Silbermangel verursachte Stockungen im Kreislauf des
Geldes die Menschen auf den primitiven Tauschhandel zurückwarfen.
So wird von Ziegenhirten berichtet, die 100 Jahre nach dem Untergang der
griechischen Hochkultur fassungslos vor der gewaltigen Akropolis gestanden
haben sollen und sich nicht vorstellen konnten, daß diese Herrlichkeit
von ganz normalen Menschen und nicht etwa von Göttern erbaut worden
war. Der durch Handel und Geldwirtschaft erzielte Reichtum weckte natürlich
den Neid benachbarter Völker, die noch nicht so weit waren, oder er
ließ die vom Reichtum verblendeten Herrscher immer unersttlicher
werden. Also zogen sie in den Krieg oder wurden in den Krieg gezogen, und
Kriege kosten bekanntlich viel Geld. Um die Soldatenheere bezahlen zu können,
wurde das Geld durch drastische Steuern den Menschen und zum Teil auch
dem Markt entzogen. Das unveränderte Warenangebot auf den Mrkten stieß
somit auf eine durch Geldmangel herbeigeführte Verminderung der Nachfrage.
Daß Geld Nachfrage ist, wußte man damals noch nicht, man bekam
es lediglich zu spüren. Die Warenanbieter blieben also auf einem Großteil
ihrer Waren sitzen, was schon damals zu der irrigen Annahme geführt
haben dürfte, daß eben zuviel produziert worden sei. In Wirklichkeit
standen den Waren zu geringe Geldmengen gegenüber, was natürlich
dazu führte, daß der Wert des Geldes stieg und die Warenpreise
sanken. Dies wiederum veranlaßte die Menschen dazu, ihr weniges Geld
möglichst lange zurückzuhalten, weil sie hoffen konnten, später
mehr Waren dafür zu erhalten. Dadurch sank die Nachfrage natürlich
noch mehr, und für die Handwerker lohnte es sich kaum noch, neue Waren
herzustellen. Verschärft wurde der krisenverursachende Geldmangel
durch zwei weitere Faktoren, die der Konjunktur schließlich den Rest
gaben:
Auch der Untergang Roms ist eine direkte Folge einer durch Gold- und
Silbermangel ausgelösten Konjunkturkatastrophe. So mancher Geschichtslehrer
sieht das anders: Den Kindern wird z.T heute noch das interessante Märchen
aufgetischt, die Römer hätten sich durch das Verwenden von Blei
für Geschirr und Wasserrohre bis zur Verblödung vergiftet. Die
Geschichte der Menschheit muß also überall dort umgeschrieben
werden, wo dem Auf und Ab der geförderten Edelmetallmengen zu wenig
oder gar keine Beachtung geschenkt wurde.
Egal ob die Währung eines Landes aus Gold, Silber, getrockneten Kuhfladen,
Muscheln oder Papiergeld besteht, sobald Kräfte am Werk sind, die
einen Mangel an Geld oder Kuhfladen herbeiführen, bahnt sich unaufhaltsam
eine Konjunkturkrise an. Weil die Bedeutung der Geldmenge und die Bedeutung
des Geldumlaufs in ihren Auswirkungen auf die Konjunktur in früheren
Zeiten nicht erkannt wurden, waren die Menschen jahrhundertelang dem Spiel
des Zufalls hilflos ausgeliefert. Glückliche Umstände sorgten
andererseits aber auch dafür, daß die wohl längste Hochkonjunktur
in der Geschichte der Menschheit (1150-1450), sagenhafte 300 Jahre lang,
dem damals gar nicht erkannten Umstand zuzuschreiben war, daß dem
Markt wie durch ein Wunder immer genügend Geld zur Verfügung
stand, das in etwa dem Angebot von Waren und Dienst- leistungen entsprach.
Auslöser dieser konjunkturpolitischen Glanzleistung war u.a. der Magdeburger
Erzbischof Wichmann, der sogenannte Brakteaten prägen ließ,
dünne Silberblechmünzen, die nur einseitig geprägt waren
und nicht besonders schön sein mußten, da sie - und das ist
die Lösung des Rätsels - zweimal im Jahr für ungültig
erklärt, also verrufen wurden. Dadurch wurde es den reichen Pfeffersäcken
unmöglich gemacht, das Geld zu hamstern. Wer es dennoch tat, verlor
ein Vermögen. Ob arm oder reich, alle mußten zweimal im Jahr
das für ungültig erklärte Geld zum bischhöflichen Münzamt
tragen um es gegen neue, gültige Münzen einzutauschen. Der Vorgang
wurde dazu benutzt, den Leuten die Steuern auf zuerlegen: Für 4 alte
gab es 3 neue Münzen. Die Differenz - immerhin 25 % - wurde als Schlagschatz
einbehalten. So zahlte jeder seine Steuern; Steuerhinterziehung war unter
diesen Umständen einfach nicht mehr möglich. Was hier zunächst
wie eine besonders raffinierte Methode zum Eintreiben der Steuern und zur
Vermeidung von Steuerhinterziehung aussieht, war in Wirklichkeit viel mehr
und verdient gerade aus heutiger Sicht, sorgfältig unter die Lupe
genommen zu werden, denn 300 Jahre Hochkonjunktur sind schließlich
kein Pappenstiel und - wie man heute weiß - kein Zufall!
In dieser Brakteatenzeit konnte Geld nur durch ehrliche Arbeit verdient
werden. Das heute übliche Profitstreben, nicht durch Arbeit, sondern
mit Geld Geld zu verdienen, war damals nur den Landesfürsten , nicht
aber den Spekulanten und Wucherern möglich. Kein Wunder, saß
sich die damals vorhandene Geldmenge viel gleichmäiger und gerechter
auf die arbeitende Bevölkerung verteilen konnte.
In dieser Blütezeit des Hochmittelalters entstanden in Mitteleuropa
3000 Dörfer und Städte, die zum Teil alles bisher Dagewesene
an Schönheit und Pracht übertrafen. Kleinode, wie z.B. die Städte
Lübeck, Dinkelsbühl oder Rothenburg ob der Tauber, wurden nicht
etwa aus Sklaven herausgeprügelt, sondern von gut bezahlten Handwerkern
erbaut, die es durch Arbeit und Fleiß zu Wohlstand und Ansehen brachten.
"Die unter solchen Umständen unmögliche Schatzbildung wurde
ständig umgewandelt in eine pulsierende Nachfrage nach Erzeugnissen
des Gewerbefleißes" schreibt Karl Walker in seinem Buch "Das
Geld in der Geschichte". Noch 1450 - die 300 fetten Jahre neigten
sich dem Ende zu - konnte der ErzbischofAntonin von Florenz schreiben,
daß für die Gewinnung des Lebensunterhaltes selbstverstndlich(!)
nur eine kurze Arbeitszeit genüge und daß nur derjenige viel
und lange arbeiten müsse, der nach Reichtümern und Überfluß
strebe! Nach dieser Blütezeit des gerechten Geldes mußten z.B.
englische und deutsche Bergarbeiterfamilien bis weit in das 19. Jahrhundert
hinein hungern, obwohl sie zusammen mit ihren Kindern 12 Stunden am Tag
unter unwürdigsten Bedingungen geschuftet haben. Auch dafür gibt
es heute eine plausible Erklärung: Der Segen des Geldes hatte sich
in einen Fluch verwandelt, weil der dünne Brakteat durch den "Dickpfennig"
ersetzt worden war, einem hortbaren Geld, das nicht mehr verrufen wurde
und somit bestens geeignet war, je nach Bedarf konjunkturgefährdend
gehamstert oder zu horrenden Zinsen gnädig wieder in den Geldkreislauf
geschleust zu werden. Das Ende der Brakteatenzeit soll durch geldgierige
Fürsten herbeigeführt worden sein, die das Geld einfach zu oft
verriefen, die Geduld der Steuerzahler also schamlos mißbrauchten.
Darum wundert es auch nicht, daß der Dickpfennig zunächst mit
großer Erleichterung begrüßt wurde, ahnte doch niemand,
daß die seit Jahrhunderten vom Wohlstand verwöhnte Gesellschaft
schon bald das Opfer eines herrschenden Geldes sein würde, das sich
nur durch gewaltige Zinsgeschenke aus den Schatztruhen der Ausbeuter herauslocken
ließ.
Die Folgen dieser "Geldreform" waren furchtbarer als es Menschen
beschreiben können: Frieden, Wohlstand und Toleranz verwandelten sich
- den Menschen damals unerklärlich - in Hunger, Rebellion und Krieg.
Da für das nicht enden wollende Unglück eine Ursache gefunden
werden mußte, verschafften sich u.a. religiöse Fanatiker durch
Hexenverbrennungen ein grausames Ventil. Da das Eigentum der hingerichteten
Frauen eingezogen wurde, den Geldmangel also lindern half, kam es nur noch
darauf an, möglichst viele (und vor allem reiche) "Hexen"
zu verbrennen!
Es versteht sich fast von selbst, daß die monetären Zusammenhänge
dieser Menschheitskatastrophe von der heutigen Wirtschaftswissenschaft
ganz anders oder überhaupt nicht interpretiert werden, wäre man
doch sonst gezwungen, lauter als bisher über das eigene Versagen bei
der Erklärung und Überwindung gegenwärtiger Wirtschaftskrisen
selbstkritisch nachzudenken.