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Günter Bartsch: Die NWO-Bewegung

ISBN 3-87998-481-6; Lütjenburg: Gauke, 1994

 

 

 

 

 

 

 

IV. In "allen Kulturländern" vertreten?

 

Internationale Freiwirtschaftliche Union (IFU)

 

Der erste internationale Freiland-Freigeld-Kongreß Pfingsten 1923 in Basel hatte grundsätzlich beschlossen, ein internationales Freiwirtschaftliches Sekretariat einzurichten. "Grundsätzlich" hieß, unter Vorbehalt der finanziellen, personellen und technischen Möglichkeiten. Die Leitung sollte Fritz Schwarz übernehmen, der jedoch mit anderen Ämtern überhäuft war. Was als internationales Sekretariat gedacht war, konnte lediglich eine Auskunfts- und Kontaktstelle sein: "ruhender Pol in der Erscheinungen Flucht". Die Situation war charakterisiert durch "völliges Fehlen finanzieller Mittel" bei relativ finanzstarken NWO-Organisationen in mehreren Ländern. Trotz kosmopolitischer Gesinnung überwiesen sie keinen Pfennig. Zwischen 1933 und 45, als ein internationales Sekretariat am nötigsten gewesen wäre, stellte auch die Berner Auskunfts- und Kontaktstelle ihre Tätigkeit ein. Sie lebte erst wieder auf, als 1945/46 im Redaktionsbüro der Schweizer Wochenzeitung "Freies Volk" Freiwirte aus einer ganzen Reihe Länder vorstellig wurden. Auch erhielt es aus Deutschland und Österreich "eine wahre Flut von Wünschen" nach Lebensmittelpaketen, die der Ordnung halber in der Reihenfolge ihres Eingangs und entsprechend den von Schweizer Freiwirten eingegangenen Spenden befriedigt wurden.

 

Anstelle von Fritz Schwarz, der nach wie vor überlastet war, erklärte sich Friedrich Salzmann bereit, "eine internationale Verbindungsstelle zu schaffen, die über alle Grenzen hinweg die Gesinnungfreunde zusammenführt". (1) Nicht eine Organisation im üblichen Sinne sollte entstehen, sondern ein freier, unkomplizierter Kontakt, "der jeder Sektion ihre besondere Eigenart, auf regionalen Verhältnissen beruhend, läßt". Beabsichtigt war die Unterstützung der Freiwirtschaftsgruppen in den verschiedenen Ländern sowie die Kontaktvermittlung zwischen den Pionieren, die auf einsamen Posten standen.

 

Pfingsten 1948, 25 Jahre nach der ersten, fand in Basel eine zweite internationale Tagung statt. Sie beschloß die Gründung einer Internationalen Freiwirtschaftlichen Union (IFU) nach den schon erwähnten Richtlinien, die Friedrich Salzman vorgelegt hatte - er selbst übernahm die Geschäftsführung, obwohl bereits Bernoullis Sohn Lukas zum Sekretär der IFU auserwählt war.

 

Die IFU gliederte sich: in angeschlossene Organisationen, in Pioniere und in Korrespondierende Mitglieder (was nur werden konnte, wer Berichte über seine Tätigkeit und über die besonderen Arbeitsbedingungen seines Gebiets einsandte).

 

In den Vorstand der Internationalen Freiwirtschaftlichen Union wurden drei Schweizer und ein Deutscher gewählt (die deutschen Freiwirte mußten ihre Vertrauenswürdigkeit erst wieder beweisen):

 

Präsident Dr. Hans Bernoulli

Vizepräsident Richard Batz

Schatzmeister Fritz Schwarz

Sekretär Friedrich Salzmann.

 

Gegen den Freiwirtschaftsbund (Otto Lautenbach) liefen mehrere Beschwerden aus Süddeutschland ein, er "erschwere oder verunmögliche" Vorträge in den freiwirtschaftlichen Gruppen der französischen Besatzungszone, "um dadurch Zustimmung zur Arbeitsweise und politischen Linie des FWB zu erzwingen". (2)

 

Auf die beantragte Unterstützung freiwirtschaftlicher Siedlungsprojekte in Argentinien und Österreich ließ sich die IFU nicht ein. "Dagegen wird sie gerne Interessenten vermitteln, die auf eigenes Risiko mithelfen wollen."

 

Die materiellen Anfangsschwierigkeiten des neuen internationalen Sekretariats, das nunmehr die Geschäfte der IFU führte, wurden durch einen Vorschuß des Berner Verlags freiwirtschaftler Schriften überbrückt, der nach einem Jahr zurückgezahlt werden konnte. Das Sekretariat gab die "Mitteilungen" der IFU in französischer, englischer und deutscher Sprache heraus.

 

Beim Vorstand lag die Vollmacht, über die Aufnahme von Mitgliedern zu entscheiden. Sie war an die Bedingung gebunden, daß die Satzungen der betreffenden Organisationen eine Verpflichtung auf die Freiwirtschaftlehre Silvio Gesells enthielten. Die freiwirtschaftlichen Bünde und Parteien konnten ihren Beitritt zwar beschließen, ihre Mitgliedschaft aber nur beantragen. Als erste wurden im August 1948 provisorisch aufgenommen:

 

die Radikal-Soziale Freiheitspartei Deutschlands, welche bereits einen Vorschuß von 500 DM eingezahlt hatte;

die Freisoziale Jugend Deutschlands, deren Programm noch geprüft werden müsse;

die Liberal-Sozialistische Partei der Schweiz.

 

Das Aufnahmegesuch des Österreichischen Freiwirtschaftsbundes wurde zurückgestellt, da er sich nicht eindeutig für die Freiwirtschaftslehre Gesells ausgesprochen hatte.

 

Die nationalen Sektionen sollten Statuten beschließen, welche dem Statut der IFU angepaßt waren. Diese bekannte sich zur Demokratie und zu demokratischen Mitteln. Ihr Antrag auf Aufnahme in die UNO wurde abschlägig beschieden, da sie in den angelsächsischen Ländern noch zu schwach vertreten sei.

 

Wegen Will Noebes Verschwinden aus Berlin wurde beschlossen, "daß Fritz Schwarz privat zur russischen Gesandtschaft geht, um dort nachzufragen".

 

Von den Mitgliedsorganisationen machte die Radikal-Soziale Freiheitspartei (RSF) das lauteste Geräusch. Richard Batz gab bekannt, daß sie die alten deutschen Parteien in der Führung aller öffentlichen Angelegenheiten ablösen werde, durch ihre Wahlerfolge auf allen Ebenen.

 

Die IFU betrachtete die Wahlbeteiligung als eine Frage der jeweiligen Stärke und personellen Eignung. Solange eine freiwirtschaftliche Organisation schwach ist, wird Abwarten besser als ein sicherer Mißerfolg sein. In solchen Fällen sei die Unterstützung anderer Kandidaten durchaus am Platz, "sofern unterstützungswürdige vorhanden sind". Sonst sollten nur erstklassige Kandidaten aufgestellt werden.

 

Auf dem 2. internationalen Kongreß stellte eine Delegierte der englischen Freiwirtschaftsliga den Antrag, "Generalissimus Stalin mit der Freiwirtschaftslehre bekannt zu machen". Die Freiwirte hätten die Pflicht, Stalin auf den "anderen und erfolgreichen Weg zur Überwindung des Kapitalismus" hinzuweisen. Worauf die "Neue Züricher Zeitung" eine Glosse brachte: "Nicht auszudenken ist es, welchen Lauf die Weltgeschichte genommen hätte, wenn es gelungen wäre, Stalin zum liberalsozialistischen Wanderprediger zu bekehren . . . " (3)

 

Der Kongreß lehnte den Antrag gegen vier Stimmen ab. Die freiwirtschaftlichen Theorien könnten nur segensreich sein, wenn sie in einem freiheitlichen Gesellschaftssystem verwirklicht würden. Dennoch mußte Friedrich Salzmann erleben, daß es an solchen Anträgen niemals fehlte. Wie er einmal seufzend sagte, gab es buchstäblich keinen Diktator, dem die Freiwirtschaftslehre nicht nahegebracht werden sollte, in der stillen Hoffnung, er werde sie seinem Land verordnen, um ihre unübersehbaren und unüberbietbaren Vorteile zu nutzen.

 

Das Mitteilungsblatt der IFU eröffnete eine Diskussionsspalte. In dieser Rubrik konnten Fragen aufgeworfen werden, die innerhalb der NWO-Bewegung strittig waren und verschieden beurteilt wurden. Der Wissenschaftliche Beirat ergriff diese Möglichkeit für ein langes Plädoyer zugunsten der Mütterrente, auch für die freie Liebe.

 

 

 

 

 

Sorgenkind Deutschland

 

Deutschland war das ,Sorgenkind' der Internationalen Freiwirtschaftlichen Union. RSF und FWB tanzten sich gegenseitig auf der Nase herum. Die RSF berief zum 7.11.1948 eine Zusammenkunft ihrer Anhänger in der FWB-Domäne Stuttgart ein; der FWB gründete eigene Kreisverbände in ihrem Bereich. Die IFU konnte von Bern aus ihren stetigen Streit nicht schlichten. Sie richtete daher eine deutsche Zweigstelle ein.

 

Nach Gründung der Freisozialen Union gab es neue Rivalitäten, nämlich zwischen ihr und dem Freiwirtschaftsbund. Otto Lautenbach wurde vorgeworfen, sich an Bundeskanzler Adenauer zu verkaufen. Er selbst war der Ansicht, Adenauers Ost- und Außenpolitik sei die einzig mögliche; anders stünde es mit der Innenpolitik. Lautenbachs Argumente und Erfolge wirkten so überzeugend, daß er innerhalb der IFU trotz deren anfänglicher Reserve an Einfluß ständig gewann.

 

Umgekehrt war es mit Richard Batz, der 1952 in Bern zugeben mußte, daß er die Majorität der FSU nicht mehr hinter sich hatte. Das Internationale Sekretariat befaßte sich in zwei Sitzungen mit der unangenehmen Tatsache", daß als Vertreter der deutschen Freiwirtschaftler ein Mann im Vorstand mitarbeitete, der keine Möglichheit mehr hatte, in Deutschland innerhalb der Mitgliederorganisationen die Beschlüsse der IFU gebührend bekanntzumachen oder zu begründen". (4) Salzmann fuhr nach Hamburg, um die Sachlage zu überprüfen. Die deutsche Zweigstelle der IFU erwies sich als liquidationsreif.

 

Radecke, der neue FSU-Vorsitzende, geriet bald in den Verdacht, aus der Freisozialen Union eine nationalistische oder gar eine faschistische Partei zu machen. Neben zahlreichen deutschen Freiwirten klagte auch ein Hauptreferent des Wörgler Kongresses, Werner Zimmermann, Radecke an, die einst liberalistische Partei in eine rein nationalistische umzuformen. Die IFU wollte nicht den Schiedsrichter spielen, konnte ihre Sorge aber nicht verhehlen. Schließlich war die FSU ihre mitgliederstärkste Sektion. Es gab jedoch auffallend viel Ausschlüsse und Austritte. Einige Mitglieder der FSU, die öffentlich geäußert hatten, aus einer sozial-radikalen Partei sei eine rechtsradikale geworden, konnten von ihrem Hamburger Vorstand unter Androhung eines Gerichtsverfahrens zum Widerruf bewogen werden - so Arthur Rapp und Hugo Kierdorf. Andere verweigerten den Widerruf. Schätzungsweise 70 - 80 FSU-Mitglieder traten demonstrativ aus. Zu ihrem Sprecher und dem der Ausgeschlossenen machte sich Dr. Bernhard Hamelbeck, der dem Wissenschaftlichen Beirat der RSF angehört hatte und in der deutschen NWO-Bewegung beträchtliches Ansehen genoß. Auf dem IV. internationalen Kongreß in Interlaken stellte er folgenden Antrag:

 

"Die IFU nimmt im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse in Deutschland auch Einzelmitglieder auf und pflegt den Zusammenhang mit ihnen. Die Schweizer Zeitung ,Freies Volk' stellt die regelmäßige Verbindung unter diesen Einzelmitgliedern her, kümmert sich dementsprechend mehr um deutsche Belange und sucht größeren Absatz in Deutschland." (5)

 

In den Satzungen der IFU war eine Einzelmitgliedschaft - es sei denn als Pioniere und Korrespondenten - nicht vorgesehen. Die Annahme des Antrags hätten ihren Charakter verändert. Er wurde daher abgelehnt. Die deutschen Freiwirte um Dr. Hamelbeck sollten sich zu einer neuen Organisation zusammenschließen, welche dann als ordentliches Mitglied aufgenommen werden könnte.

 

Das war nur ein Teil der Probleme, mit denen sich Friedrich Salzmann als Sekretär der IFU laufend herumschlagen mußte. Er hatte Silvio Gesell in seinem Elternhaus, wo er verkehrte, kennen- und bewundern gelernt. Außerdem war ihm ein diplomatisches Geschick im Umgang mit schwierigen Personen eigen, zu denen die deutschen Delegierten gehörten. Sofern die Mitgliedsbeiträge der Sektionen überhaupt eingingen, reichten sie nicht einmal aus, um die "Mitteilungen" des Internationalen Sekretariats zu tragen. Nur die erste Nr. hatte damit finanziert werden können. Alle weiteren "Mitteilungen" übernahm die Verlagsgenossenschaft Freiwirtschaftlicher Schriften in Bern. Als Teilhaber dieser Genossenschaft mußte Salzmann 1954 in Interlaken bekanntgeben, "daß mit weiteren Subventionen dieser Art nicht mehr zu rechnen ist". Anscheinend sei das Bedürfnis an einem Mitteilungsblatt so schwach, daß es eingestellt werden müsse.

 

Illusionslos faßte Friedrich Salzmann ins Auge, daß die IFU entgegen euphorischen Hoffnungen bereits seit 1951/52 rückläufig war. Wer vom baldigen ,Endsieg' träume, sollte erwachen und sich mit offenen Augen umschauen. Manche Sektionen hatten mit phantasievollen Angaben über ihren Mitgliederbestand aufgetrumpft. Die abnehmende Zahl der Delegierten zu internationalen Tagungen - je ein Delegierter auf 1000 Mitglieder- gab ein getreues Bild. Am 11. Kongreß in Basel (1948) hatten 79 Vertreter freiwirtschaftlicher Organisationen teilgenommen, beim IV. Kongreß in Interlaken (1954) waren es nur noch 16. Der Aufwand lohnte nicht mehr. Das Manko wurde nur zum geringsten Teil durch Neuaufnahmen wettgemacht.

 

Um was für Neuaufnahmen handelte es sich? Wer beantragte sie?

 

1. Liberal-Soziale Hochschulgruppe (Berlin).

2. Gesellschaft für wirtschaftswissenschaftliche und soziologische Forschung (Bad Nauheim - aus einer Kommission des FWB hervorgegangen).

3. Uprena (Brasilien)

 

Hochschulgruppe und Forschungsgesellschaft lösten sich wohl schon im gleichen Jahr wieder auf. Die brasilianische Uprena schien lebenkräftiger zu sein, bestand aber nur aus rund 50 Mitgliedern, allesamt ausgewanderte Deutsche, die erst im Begriff waren, Kontakt zur brasilianischen Intelligenz aufzunehmen.

 

Überhaupt muß festgestellt werden, daß die freiwirtschaftliche Idee nur ihrem Charakter nach universal ist, ihre Verbreitung aber im wesentlichen auf den deutschen Kulturraum und die deutsche Sprache beschränkt blieb. Es gab nur wenige Ausnahmen - so Jean Barral in Frankreich und Dr. Paul Stanisic in Kroatien. Sie bestätigten die Regel. Über ihr Kerngebiet Deutschland, über Österreich und deutschen Kantone der Schweiz ist die NWO-Idee nur ansatzweise hinausgekommen; so schwach war sie beflügelt. Höchstens zwischen 1920 und 32 konnte man von einer internationalen Bewegung sprechen. Bei näherer Prüfung zeigte sich schon damals, daß die meisten Freiwirtschaftsbünde und -Ligen im ,Ausland' von zugewanderten Deutschen gegründet worden waren. Die rumänische Freigeld-Bewegung ging vom Siebenbürgerland aus. Über 90 % der eidgenössischen Freiwirte waren (und sind) Schweizer-Deutsche.

 

Dennoch wurde auf einem IFU-Kongreß der Antrag gestellt, sie möge sich künftig "Weltunion" nennen. Angeblich war die Freiwirtschaft- selbst Will Noebe verbreitete das - "in allen Kulturnationen" vertreten, in mindestens fünfundzwanzig. Wer die "Mitteilungen" der IFU oberflächlich las, konnte diesen Eindruck tatsächlich gewinnen. Sie enthielten Berichte über 25 Länder, von denen aber - wie sich erst bei genauem Studium herausstellte - nur vier oder fünf eine freiwirtschaftliche Organisation hatten. Was die Pioniere betraf, so zeigten schon ihre Namen, daß sie wie Apfel von einem deutschen Stamm gefallen waren:

 

Hugo Fack - USA

Leopold Quitt - Tschechoslowakei

August Gerig - Argentinien

Paul Klemm - Rumänien

Fritz Hückel - Brasilien

Otto Parzy - Schweden

Rathgeber - Australien

 

Aus den USA beantragte die 1949 gegründete Free-Economy-Association ihre Aufnahme in die IFU. Wie die Prüfung ergab, war sie alles andere als amerikanisch, vielmehr eine durch Bruno Schubert vollzogene Abspaltung von der Freiwirtschaftsliga Hugo Facks, die dieser inzwischen verstorbene Urpionier aus deutschen Auswanderern gebildet hatte. Die IFU lehnte den Antrag ab, weil seine Annahme gleichbedeutend gewesen mit dem Verzicht auf jegliche Zusammenarbeit mit den Freunden Facks, die "möglicherweise doch zahlreicher waren, als es jene Schuberts sind". Worauf dieser und seine Anhänger folgende Resolution beschlossen:

 

"Angesichts dieser Tatsachen erklärt die Free-Economy-Association die Internationale Freiwirtschaftliche Union .. . als außerhalb der Gesellschen Bewegung stehend und zieht deshalb ihren Antrag auf Aufnahme in die IFU zurück. Offenbar haben wir uns an die falsche Organisation gewandt." (6)

 

Hinter Bruno Schubert standen höchstens 20 Leute, für die ihre Association eine Art Reservat innerhalb der amerikanischen Gesellschaft war.

 

Um 1948 hatte es einen Schwedischen Freiwirtschaftsverein gegeben. 1954 gab es in ganz Skandinavien keine einzige, wenn auch noch so kleine NWO-Organisation, nur eine lose Diskussionsgruppe von 6 Personen. Man billigte ihr jedoch ausnahmsweise einen ,Delegierten' zu: Möschlin. Er empfahl die Methode ,Kuckucksei'.

 

In Frankreich, Belgien und Holland waren nach 1945 neue Freiwirtschaftsbünde tätig, sie lösten sich jedoch nach einigen Jahren wieder auf.

 

In Indien hatte Werner Zimmermann missioniert (und auf einem IFU-Kongreß darüber berichtet); in Bombay schien sich nun eine erste Gruppe mit eigener Zeitschrift zu regen. Von Neuseeland hieß es, man sei an höchster Stelle bereits Tag und Nacht damit beschäftigt, die praktischen Vorarbeiten zur Einführung der Indexwährung abzuschließen. Vorstandsmitglieder der IFU konferierten in Bern mit dem ,japanischen Pionier' Dr. Morikatsu Inagaki. Sie vereinbarten eine "allgemeingültige Schrift" über die Verwirklichung der Freiwirtschaft, die in verschiedenen asiatischen Sprachen verbreitet werden sollte. Nichts davon erfüllte sich.

 

Schon 1951 mußte Friedrich Salzmann auf einem Bundestag des deutschen FWB eingestehen, "daß es etwas langsam vorwärtsgeht mit unserer Sache". Den NWO-Organisationen gelinge es selten, brauchbare Vorschläge zu machen, die heute und nicht erst übermorgen realisiert werden könnten. (7) Ihre Argumente entsprächen vergangenen Zeiten. Sie kämpften zum Beispiel unverdrossen weiter gegen die Goldwährung an, obwohl diese in vielen Ländern längst abgeschafft worden ist. "Wir haben geistig und in der praktischen Politik den Anschluß an die Gegenwart noch nicht gefunden."

 

Friedrich Salzmann legte eine geographisch abgestimmte Dreigliederungsstrategie vor. Er meinte, in Asien könnte eine weltanschauliche Ausrichtung und womöglich auch eine revolutionäre Aktion gegen die eventuell noch bestehende Feudalherrschaft förderlich sein. In Europa hingegen dürften die Freiwirte "nicht mit Handgranaten politisieren". Hier wie in Nordamerika sei der freiwirtschaftliche Aufbau nur innerhalb einer Demokratie möglich, nicht in totalitären Systemen oder diesen angepaßt. In einer dritten Gruppe von Ländern, wie Spanien und Argentinien, die unter Franco und Peron autoritär regiert würden, aber keine lückenlose Diktatur hätten, wäre eine unpolitische Aufklärung und Arbeitsmethode am Platz. Bevor die freiwirtschaftliche Tätigkeit in einem Lande beginne, sei eine genaue Analyse der Gegebenheiten und Möglichkeiten geraten, wobei das jeweilige wirtschaftliche Hauptproblem abgeklärt werden sollte.

 

Salzmann mußte jedoch erleben, daß seine Ratschläge in den Wind geschlagen wurden und viele Freiwirte eine großsprecherische Als-ob-Politik betrieben, die vorauszunehmen pflegte, was erst erarbeitet und errungen werden wollte. Nach sechs mühevollen Jahren trat er 1954 von seinem Posten als Sekretär der Internationalen Freiwirtschaftlichen Union zurück. Da er nur für ein Jahr besoldet werden konnte, hatte er die anderen fünf Jahre ehrenamtlich gearbeitet.

 

Vor seiner Demission hielt Friedrich Salzmann in Interlaken noch ein großes Referat über die Voraussetzungen der Freiwirtschaft und die eingefleischten Verhaltensmuster ihrer Jünger. Im Grunde würden noch immer theoretische Saalschlachten um die politische Linie geführt, deren Akrobaten "wir ja in Wörgl bewundert haben" (auf dem III. internationalen Kongreß von 1951). Der Interlakener Kongreß sollte eigentlich "eine mächtig nach außen wirkende Demonstration für ein freiwirtschaftliches Europa" sein, doch diese Absicht hatte sich wegen konträrer Ansichten nicht verwirklichen lassen.

 

Im Endziel war man sich zwar einig, aber im Ziel und über den Weg ließ sich keine Gemeinsamkeit erreichen. Salzmann machte einen letzten Versuch, die widerstreitenden Auffassungen einander näher zu bringen. Hierbei stellte sich heraus, daß sie weniger auf Meinungsverschiedenheiten als auf divergierenden Verhaltensmustern beruhten. Ihre tiefgründige Analyse förderte 5 solcher Muster zutage:

 

"1 Operation Oberkellner: Eine bestehende Regierung oder ein liebenswerter Diktator anerkennt den Wert der Freiwirtschaft und serviert sie der Menschheit.

 

2. Operation Wunschtraum: Wir erringen auf demokratischem Wege die parlamentarische Mehrheit und regieren freiwirtschaftlich auf der Grundlage von beispielsweise 51 % aller Stimmen.

 

3. Operation Wildwest: Wir machen oder benützen eine revolutionäre Situation, um die Macht zu erobern und regieren dann nach dem Muster von Gesells "Diktatur der Not".

 

4. Operation Klassenkampf: Wir stützen uns bei dieser Machtergreifung auf eine bestimmte ökonomische Klasse.

 

5. Operation Urwald: Wir siedeln uns irgendwo an und bauen die freiwirtschaftliche Kolonie, wir statuieren das freiwirtschaftliche Exempel." (8)

 

Sämtliche Verhaltensmuster stellten sich als Wunschträume heraus, die ebenso realitätsfern wie vergangenheitsbezogen waren. "Aber alle sind für irgendwelche Gruppen oder ganze Sektionen von uns aktuell, werden diskutiert oder als einzige Möglichkeit zur Verwirklichung der Freiwirtschaft betrachtet."

 

Salzmann riskierte, es sich mit allen Strategen zu verderben, indem er ihre Operationspläne bis in die unterbewußten Wurzeln enthüllte. Es fehlte ihm nicht an feiner Ironie.

 

Für die "Operation Urwald" optierten meistens "europamüde Gesinnungsfreunde aus Deutschland" die beim Internationalen Sekretariat bescheiden anfragten, nach welchem Überseegebiet sie sich wohl am besten begäben. "Wir pflegen abzuraten." Wesentlich positiver wäre das freiwirtschaftliche Experiment innerhalb eines modernen Staates zu beurteilen.

 

Für die "Operation Wunschtraum" und die "Operation Wildwest" - für beide zugleich - habe sich anscheinend die Freisoziale Union entschlossen, die noch 1954 zwischen der Phase des "vorbereitenden Wirkens" und einer späteren des revolutionären "Durchbruchs" unterschied. "Gehört dann nicht auch die Ausbildung von Stoßtrupps und Nahkämpfern zur Phase des vorbereitenden Wirkens? Stattdessen wird uns Verzicht auf jedes Revoluzzertum (sogar noch) in Wort und Geste empfohlen." (9)

 

Die Strategen der "Operation Wildwest" wollen die Freiwirtschaft einfach gesetzlich ,einführen', obwohl von ihr schon etwas mehr realisiert sein müsse, als noch zu verwirklichen bleibe. Diese Romantiker übersähen, daß jeder Umwandlungsprozeß, der zur Freiwirtschaft führt, schon im Gang ist; nur vollzieht er sich "ganz anders, als unsere Pioniere sich das vorgestellt hätten".

 

Die "Operation Klassenkampf" biete keinerlei Raum mehr für freiwirtschaftliche Hoffnungen. Aus den einst kämpferischen Proletariern sind "Subventionsempfänger und Privilegienhamsterer" wenn nicht "Staatsgünstlinge" geworden. Auch das Denken in Klassen und Klassenkämpfen ist veraltet. Es war von jeher falsch, schon deshalb, weil Freiwirtschaft "ein auf persönlicher Leistung beruhendes Wirtschaftssystem ist". Der Leistungswille sei bei Unternehmern, Handwerkern und Bauern zumindest ebenso stark wie bei Arbeitern. Revolutionäre Überzeugung möge indes auch unabhängig vom Klassengedanken lebensfähig sein. Wilhelm Radecke (FSU-Vorsitzender) scheine aber zu glauben, die Freiwirte könnten sich je nach der Situation mit beliebigen Barrikadenkämpfern verbünden - "gestern Proletarier, morgen Offiziere, gestern Anarchisten, morgen Faschisten und grüne Freischaren - wenn nur das Währungsamt einem ausgekochten Freiwirtschaftler unterstellt wird". (10)

 

Die Befürworter der "Operation Oberkellner" erhoffen von einer nicht aus ausgekochten Freiwirtschaftlern bestehenden Regierung die Verwirklichung ihrer Postulate. Der Glaube an diesen Weg ist in einigen Gruppen und Sektionen sehr stark. Ihnen sei es gleich, wer ihnen die Freiwirtschaft serviert, wenn sie nur aufgetischt wird. Sie wollen alle Kompromisse umgehen, denen sie in Verhandlungen mit eventuellen Bundesgenossen nicht ausweichen könnten. Daher setzen sie lieber auf einen starken Mann. In Wahrheit besteht die Kunst darin, jeweils herauszufinden, "welche Rangordnung und Reihenfolge bei der Verwirklichung freiwirtschaftlicher Prinzipien möglich und was davon in einer gegebenen politischen Situation realisierbar ist". Wobei dieselbe Koordination von Theorie und politischer Tagesarbeit wünschenswert sei, die Ferdinand Lassalle für den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein gelang.

 

Lassalle hatte die Konzentration aller Kräfte auf jeweils einen Programmpunkt empfohlen. Friedrich Salzmann empfahl dieselbe Methode für die Freiwirtschaft, welche so Schritt um Schritt voranschreiten könne, ohne Bruch mit dem bestehenden Gesellschaftssystem. Die Macht der Hochfinanz als organisierte Verteidigungsstellung des Kapitals sei erschüttert. Aus einer Gewaltprobe würde jener Bündnispartner siegreich hervorgehen, "der sich als größerer Meister des Putsches erwiesen hat als wir".

 

Salzmanns Referat hörte sich wie ein Schwanengesang an, obwohl er überzeugt war, die Freiwirtschaft sei eine Grundtendenz der zeitgenössischen Entwicklung. Laut Otto Haag hatte er das Sekretariat nur ad interim übernommen. Nach seiner Erkrankung sei es an Johann Weber (Frauenfeld) übergegangen. "Wegen Differenzen mit Johannes Schumann ließ dieser aber die IFU einschlafen." (11)

 

Formell folgte Johann Weber noch Dr. Staehelin auf dem Posten des Internationalen Sekretärs. Er war jedoch wenig regsam und ließ die Zügel schleifen.

 

Es gab auch kaum mehr etwas zu berichten. Staehelin informierte kurz über eine Zusammenkunft von Freiwirtschaftlern verschiedener Länder in Aarau/Schweiz aus Anlaß des 80. Geburtstags von Hans Bernoulli, wo sie in Fortsetzung der Diskussion von Interlaken ,Gespräche' geführt. Damit war der neue Modus gefunden: unverbindliche Gespräche statt Kongresse und Aktionen.

 

Die IFU brachte nur noch ein vierseitiges Flugblatt (ohne Überschrift) heraus. Die Westmächte, hieß es darin, nähmen immer mehr Zuflucht zu marxistisch-kollektivistischen Rezepten, um die sozialen Schwierigkeiten und Nöte ihrer Länder zu übertünchen. Diese könnten allein durch einen liberalen Sozialismus gelöst werden, der eine "wissenschaftlich fundierte Brücke zwischen den besten Gedanken beider Systeme" sei. Freiwirtschaftliche Organisationen gäbe es "in zahlreichen Ländern der Welt" (in Wahrheit nur noch in der Bundesrepublik, Österreich und der Schweiz). Ihre "vielseitige, ausgedehnte Literatur in verschiedenen Sprachen" berücksichtige auch die neueren Entwicklungen. "Weder Kapitalismus noch Etatismus, aber eine im wahren Sinn des Wortes sozial gewordene Handels- und Gewerbefreiheit." (12)

 

Eine sozial gewordene Handels- und Gewerbefreiheit - hätte das nicht besser in den Vorabend der Französischen Revolution von 1789 gepaßt?

 

Die Internationale Freiwirtschaftliche Union hörte mit der Demission Friedrich Salzmanns de facto zu bestehen auf. Gleichzeitig war Präsident Bernoulli zurückgetreten. Ihr gut eingespieltes, aber müde gewordenes Gespann schirrte sich selbst ab.

 

Was nach dem IV. Kongreß in Interlaken noch weiterlief, waren übernationale Treffen zum Austausch von Erinnerungen und zur Pflege der freiwirtschaftlichen Tradition, deren Regie hauptsächlich die Freisoziale Union übernahm.

 

Für die Zeit vom 1. - 4.10.1967 setzte die Freisoziale Union in Zusammenhang mit ihrem Bundesparteitag eine Internationale freisoziale Woche an. Sie hatte dafür zwei namhafte Referenten gewonnen. Lothar Vogel (Ulm) sprach über "Die geistigen Grundlagen der sozialen Bewegung", Hans Hoffmann (Bern) über "Grundlagen und Aufbau einer modernen Notenbankpolitik". Ihnen folgten Dr. Ventker ("Abriß einer Geschichte der Freiheitsbewegung") und Johannes Schumann ("Der Freiheit eine Gasse"). Carl Rist berichtete: "Besonders international verlief diese öffentliche Tagung nicht ... Zumeist kamen ältere Interessenten zusammen, Freiwirte, die sich wohl schon vor der Nazizeit zur Natürlichen Wirtschaftsordnung bekannten, viele davon auch Parteimitglieder" (13) Genau besehen handelte es sich um eine deutsche freisoziale Woche mit einigen Gästen aus der Schweiz.

 

 

 

 

 

 

 

Schweiz - auch Bakunin ein Ahne des Liberalsozialismus

 

1946 wandelte sich ihr Freiwirtschaftsbund in die Liberalsozialistische Partei der Schweiz (LSPS) um. Das geschah insbesondere auf Drängen von Werner Schmid "ein Freiwirtschaftsbund sei nicht attraktiv, sei kraftlos, die Jugend wolle eine Partei". (14) Friedrich Salzmann hatte den Vorschlag gemacht, der Freiwirtschaftsbund solle künftig nur noch wissenschaftlich tätig sein, eine neue erst zu gründende Partei hingegen die politische Arbeit übernehmen. Dieser Zweigliederungsgedanke, der dem Naturgesetz der Polarität folgte, war nicht durchgedrungen. Jedoch legte sich die Liberalsozialistische Partei eine Wissenschaftliche Kommission zu, deren Leitung Hans Hoffmann übertragen wurde, die jedoch nach dessen Ansicht fruchtlos war und in die Hände von Dogmatikern fiel.

 

Friedrich Salzmann verfaßte ihr Programm der Freiheit, das vom 1. Parteitag am 17.8.1947 angenommen wurde. Es charakterisierte den Liberalsozialismus als ein "durch die Entwicklung von Jahrhunderten organisch gewachsenes System der Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft", zu dem Michael Bakunin und Pierre Proudhon ebenso beigetragen hätten wie Gustav Landauer, Franz Oppenheimer, Karl Bürkli und Stephan Geschwind. Aber erst Silvio Gesells System der Natürlichen Wirtschaftsordnung "erfüllt die Hoffnung der wahren Liberalen so gut wie die der wahren Sozialisten". In den Grundzügen sei es die Synthese von Liberalismus und Sozialismus.

 

Die Ziele der LSPS waren Sicherheit der Existenz, wirtschaftlicher Wohlstand und persönliche Freiheit für alle. Der Boden sollte nicht mehr verstaatlicht, aber kommunalisiert werden. Angestrebt wurde auch eine Verfassungsreform. Zu umstürzlerischen Tendenzen hieß es: "Wir halten die politische Demokratie in unserem Lande für gesund und lebensfähig. Verschiedene Institutionen lassen sich aber im Sinne einer Erweiterung der Freiheitsrechte verbessern". Die historischen Parteien hätten ihren Kampf gekämpft und wären zu Verteidigern des Bestehenden geworden. Auf diese Weise empfahl sich die LSPS als fortschrittlichste Reformpartei der Schweiz.

 

Viele Mitglieder des Freiwirtschaftsbundes waren nicht damit einverstanden, daß er in eine politische Partei umgewandelt wurde. Sie gründeten die Freiwirtschaftliche Bewegung. Zu ihnen gehörte auch Willy Hess, der es tief bedauerte", daß ehrgeizige Herren wie Schmid und Salzmann die schöne und wirksame ,Freiwirtschaftliche Zeitung' in das fade ,Freie Volk' verwässerten". (15)

 

Die LSP konzentrierte ab 1949 ihre Kraft auf ein "Kaufkraft-Initiative", die eine weitere inflationäre Abwertung des Schweizer Frankens verhindern sollte. Sie mobilisierte dafür all ihre Mitglieder zu einer fast hektischen Aktivität. Laut Hans Hoffmann führte die kleine Partei zwei Jahre lang einen "bravourösen Kampf gegen eine absolute Übermacht. . . Danach war alles müde, ausgepumpt". Was die Währungsreform von 1948 für die deutschen Freiwirte, das brachte die Ablehnung ihrer Kaufkraft-Initiative den eidgenössischen. Die Aufwärtsbewegung wurde unterbrochen und rückwärts geschleudert. Auch die beiden 1947 errungenen Nationalratsmandate gingen verloren.

 

Gleichwohl stützte sich die Internationale Freiwirtschaftliche Union hauptsächlich auf die Infrastruktur von Partei, Verlagsgenossenschaft und Wochenzeitung "Freies Volk" in der Schweiz. Sie und nicht die deutschen Organisationen waren ihr Kern. Aber ebenso wie der deutsche Freiwirtschaftsbund entschloß sich auch die Liberalsozialistische Partei für ein Bündnis mit den Neoliberalen. Werner Schmid betonte in einer besonderen Broschüre, die den Bernoulli-Preis der LSP erhielt, das gemeinsame Ziel sei eine von allen Vorrechten und Monopolen befreite Marktwirtschaft des freien Wettbewerbs. Er schälte aber auch die Wesensunterschiede zwischen Freiwirtschaft und Neoliberalismus heraus. Gesell wollte den freien Menschen und eine neue Gesellschaftsordnung. Er habe "nicht einfach in der Wirtschaft etwas korrigieren und reformieren wollen, etwa um ihren Ertrag zu erhöhen". (6) Für Werner Schmid war Gesells Lehre offenbar eine revolutionäre und umwälzende Kraft. Weit über das Wirtschaftliche hinaus sei es ihm auch um die Entwicklung und Auslese des Menschen gegangen, damit die Menschheit durch den freien Wettbewerb "mit der Zeit von alldem Minderwertigen erlöst wird, mit dem die seit Jahrtausenden vom Geld und Vorrecht geleitete Fehlzucht sie belastet hat". (17) Diese Sprache war in Deutschland nicht mehr möglich. Sie zeigte eine Rückstand an. 1958 starb Fritz Schwarz. Damit brach eine Säule der LSP zusammen.

 

 

 

 

 

 

 

In Österreich gelingt die Einigung

 

Österreichische Freiwirte um Franz Prankl hatten sich schon seit Mai 1943 bemüht, die Reste der zertrümmerten FFF-Bewegung einzusammeln und in ihren Ruinen eine neue aufzubauen. Im westlichen Teil entstand der Demokratische Freiheitsbund, im östlichen wirkten die Freiwirtschaftlichen Sozialisten innerhalb der Sozialdemokratie, bis diese einige von ihnen wegen Fraktionsbildung ausschloß, denen die anderen aus Protest freiwillig folgten.

 

Die Freiwirtschaftlichen Sozialisten hatten noch einmal versucht, was in der Weimarer Republik nach Anfangserfolgen mehrfach gescheitert war: Einfluß auf die Programmgestaltung einer größeren Partei zu nehmen und dieser die eigenen Ziele unterzuschieben. Die "Operation Unterwanderung", wie ich sie nennen möchte, mißlang auch diesmal.

 

Die Desillusionierten gründeten im September 1947 die Österreichische Freiwirtschaftliche Union (ÖFU). 1950 ging der Demokratische Freiheitsbund in ihr auf. Gemeinsam brachten die nunmehr vereinigten Gruppen die Neue Ordnung heraus. Gerhard Senft berichtete: "Die ÖFU verfügte nach der Verschmelzung über Landesorganisationen in allen neun Bundesländern, mit Schwerpunkten in Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Oberösterreich und Wien . . . Die Öffentlichheitsarbeit stützte sich vorrangig auf Vortrags- und Diskussionsabende in Wien, Linz und Bregenz". (16) Ich folge im wesentlichen seiner Darstellung.

 

1951 nominierte die Freiwirtschaftliche Union Österreich Prof. Ude als Präsidentschaftskandidat. Er wurde auch von einigen anderen Gruppierungen unterstützt. Um so enttäuschender war, daß Ude trotz seines glänzenden Rufes nur 5413 Stimmen erhielt. In Österreich gab es um diese Zeit allerdings auch eine Ergokratische Partei der Anhänger Färbers, die freiwirtschaftsähnliche Thesen verkündete und damit die Öffentlichkeit verwirrte.

 

Über den liberalen Verein der Unabhängigen konnte der Freiwirt Alwin Assmann in den Nationalrat einziehen. Er wurde allerdings nach seiner ersten Rede kaltgestellt. 1954 zählte die ÖFU etwa 1000 Mitglieder; sie entsandte nur einen Delegierten Krücki - zum IV. Kongreß der IFU nach Interlaken.

 

1961 hatte die zentrale Wiener Ortsgruppe der Freiwirtschaftlichen Union Österreich nur noch 20 Mitglieder. Neuen Auftrieb gab eine öffentliche Diskussion über die einst von dem englischen Sozialisten Robert Owen vorgeschlagene Arbeitswährung. Aber 1966/67 breitete sich Windstille aus.

 

 

 

 

 

1 Flugblatt Internationale Zusammenarbeit vom 1.5.1947

2 IFU-Mitteilungsblatt 3

3 Neue Züricher Zeitung vom 20.9.1948

4 IFU-Mitteilungen 17, S. 8

5 IFU-Mitteilungen 17, S. 11-12

6 IFU-Mitteilungen Nr. 17, S. 8

7 FWB-Verbindungsbrief 8/51, S. 13

8 Friedrich Salzmann, Die Verwirklichung der Freiwirtschaft, S. 6

9 ebenda, S.12

10 ebenda, S. 11

11 Auskunft Otto Haags vom 25.2.1992

12 Dieses Flugblatt hatte keine Überschrift und keine Unterschrift

13 Carl Rist, Freiwirtschaftsbewegung (unveröffentlichter Anschauungsbericht)

14 Hans Hoffmann am 31.1.1992 an den Autor

15 Willy Hess 3.2.1992 an den Autor

16 Werner Schmid, Neoliberalismus und Freiwirtschaft, Zürich 1957, S. 4

17 ebenda, S. 3

 

 

 

 

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Günter Bartsch: Die NWO-Bewegung

ISBN 3-87998-481-6; Lütjenburg: Gauke, 1994

 

 

Im Juni 2001 gescannt, korrekturgelesen und ins Netz gestellt von W. Roehrig