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Günter Bartsch: Die NWO-Bewegung

ISBN 3-87998-481-6; Lütjenburg: Gauke, 1994

 

 

 

 

 

IV. Die "Schule der Freiheit" des Otto Lautenbach

 

Bekenntnis zur Nationalen Revolution

 

Im Frühjahr 1933 erhielten 3000 Freiwirtschaftler und Physiokraten einen Prospekt im zierlichen Taschenformat zugeschickt: die Ankündigung einer neuen Zeitschrift unter dem Titel "Schule der Freiheit". Als ihr Herausgeber war Otto Lautenbach genannt, von dem auch der Text des Werbeprospektes stammte:

 

"Unsere Generation erlebt einen scharfen Umbruch der Zeit..., in unseren Tagen äußerlich dokumentiert und für alle sichtbar in der Nationalen Revolution von 1933. Vergängliches vergeht, Vergängliches entsteht. Der ewige Drang der Einzelnen und der Gemeinschaften zur Freiheit ist das einzig Beständige . . .

 

In unseren Tagen ist ein politisches System zusammengebrochen, das ,auf der freiesten Verfassung der Welt' aufgebaut war. Und doch gibt es nur wenige, die diesem System von Weimar nachtrauern. Die Mehrheit des Volkes hat mit Hilfe dieser Verfassung gegen die Freiheit optiert, hat einer starken Führung durch diesen Entscheid die Freiheit des Handelns gegeben . . . Aber solange es Menschen gibt und solange es Menschen geben wird, war die Freiheit das höchste ldeal und sie wird ewig . . . das Ziel des Menschen bleiben. In diesen ewigen Kampf stellt sich die Schule der Freiheit." (1)

 

Sie sei die lebendige Zeitschrift des geistigen Menschen, dessen bewußt, daß Freiheit im Kampfe errungen werden will. Nicht die des "schalen Liberalismus", der "in ihrem Namen zucht- und verantwortungsloses Handeln zur Lebensform erheben will", sondern die "Freiheit wozu?" im Sinne "Friedrich Nietzsches. Doch gemach: Die neue Zeitschrift werde für eine "natürliche soziale Ordnung" durch die Freiwirtschaft Silvio Gesells kämpfen. Sie erstrebe eine Lebenswelt für Volk und Individuum, "in der alle Kräfte sich ihrer Bedeutung nach in Freiheit entwickeln können".

 

Was sollte das in den engen Verhältnissen des nationalsozialistischen Systems heißen, und warum wurde Nietzsche vor Gesell genannt? Der Herausgeber bekannte sich zur "Nationalen Revolution" Adolf Hitlers, jedoch sollte die "Schule der Freiheit" eine unabhängige Zeitschrift sein. Sie werde Fragen erörtern, für die "jeder organisatorische Rahmen zu eng" sei, diene aber in gleicher Weise der freiwirtschaftlichen Idee und den freiwirtschaftlichen Organisationen. Allerdings in dem Glauben, "daß dieser Dienst unabhängig von den Organisationen am besten geleistet werden kann". (2) Im übrigen erstrebe die Zeitschrift einen Sozialismus in Freiheit (wie ihn Werner Zimmermann schon vor langer Zeit dargestellt). Sie wolle weder eine neue Organisation gründen noch lehne sie sich an eine bestehende an. Er - Otto Lautenbach - sei schon 10 Jahre aktiv für die Freiwirtschaft tätig und wolle nun einen wertvollen Beitrag zu ihrer Verwirklichung leisten "Soweit es meine Zeit und Kraft erlaubt, werde ich auch weiterhin der Bewegung zur Verfügung stehen".

 

Schon im ersten Leitartikel schlug Lautenbach einen anderen Ton als im Werbeprospekt an. Die Nationale Revolution habe das im November 1918 aufgerichtete System der Scheinfreiheiten liquidiert. Mit Adolf Hitlers Bewegung "marschierte die neue Zeit. Der neuen Zeit wird die neue Form gegeben. Anstelle des parlamentarisch-liberalistischen Systems tritt die universalistische Ordnung der Bindung". Wie sie wissenschaftlich seit etwa 20 Jahren durch Othmar Spann fundiert, ausgebeutet und aktualisiert worden sei. Man müsse aber aufpassen:

 

"Beim System von Weimar haben wir erlebt, wie gute Form zerbricht, wenn kein entsprechender, kein würdiger Inhalt gegeben wird. Hier liegt auch die Problematik des neuen Deutschland. Wie schaffen wir die Grundlagen für das lebendige Leben innerhalb dieser neuen politischen Form?" (3)

 

Dies also war das weitgespannte Ziel. Lautenbach wollte kein Herrenvolk, aber "ein Volk der Herren, der selbstbewußten und selbseverantwortlichen Menschen" im Rahmen einer echten, organisch gewachsenen nationalen Gemeinschaft. Es handele sich darum, für Generationen eine neue Lebenswelt zu formen. Da dürfe keiner achtlos abseits stehen, am wenigsten ein Freiwirt.

 

 

 

 

 

Die 10 Grundsätze Lautenbachs

 

Für den Versuch, innerhalb des NS-Systems eine lebendige Form zu schaffen, die sich zu einer Natürlichen Ordnung entwickeln könne, skizzierte Otto Lautenbach im Juli 1933 10 Grundsätze:

 

1. Raum und Zeit. Die Gegenwart nicht überschätzen. Das Leben besteht bereits Jahrmillionen, im Vergleich zu denen die 250 Generationen menschlichen Denkens und Handelns verschwinden. Räumlich ist die Erde nur ein Sandkorn innerhalb unseres Sonnensystems.

 

2. Die allumfassende Natur. Der Mensch und seine Welt ist nur ein kleiner Bestandteil von ihr, deren Gesetze ihn und seine Welt beherrschen.

 

3. Herrschaft des Riesen Zufall. Über der ganzen Menschheit waltete bisher der Ohne-Sinn. Die Welt ist eine "ungeheure Experimentierwerkstätte" (Nietzsche), in der unsäglich Vieles mißrät und nur Einiges gelingt. Die Menschheit steckt noch in den Kinderschuhen.

 

4. Sinngebung des Sinnlosen. Innerhalb der historischen Entwicklung besteht die Aufgabe aller Freiwirtschaftler darin, ihrem Erkenntnisvermögen und ihrer Kraft nach "in die Speichen des Rades der Geschichte zugreifen", es vorwärts zu drehen und die Sinnlosigkeit zu beenden. Sie haben eine Umwertung der Werte zu vollbringen, Kämpfer und Schaffende zu sein.

 

5. Freiheit wozu? In der Weimarer Republik sei sie zu Zucht- und Verantwortungslosigkeit entartet. "Die Freiheit des Einzelnen und der Gemeinschaft hat nur dann einen Sinn, wenn sie im Einklang mit den Gesetzen der Natur bleibt."

 

6. Autoritärer Staat. "In Zeiten des Umsturzes und Aufbaus braucht man eine starke Macht, um all das selbst gegen die Herde durchzuführen, was notwendig ist." (4)

 

7. Gesellschaft contra Gemeinschaft. Die Politik wird von Bindungen bestimmt, in die Mensch und Volk hineingezwungen sind. Jeder, der an ihr teilnehmen und in sie eingreifen will, muß sich wohl oder übel an die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen halten. In den Gemeinschaften werden die Natur- und Menschengesetze wirksam, in der Gesellschaft entscheidet der Verstand. Er hat dafür zu sorgen, daß die zwangsmäßigen Bindungen dem Leben dienen und "die natürlichen Kräfte in der Gemeinschaft zu immer höheren Lebensformen führen".

 

8. Die nationalsozialistische Revolution. Sie hat die Macht erobert und im Sturmschritt einen neuartigen Ständestaat geschaffen, um mit diesem eine soziale Revolution durchzuführen. "Die Freiheit des kompromißlosen Handelns nach innen ist gegeben, die Benutzung dieser Freiheit Verpflichtung der Geschichte gegenüber. Hier wird die letzte Entscheidung fallen."

 

9. Geld und Boden. Der Staat ist für alle Menschen notwendig, die neue politische und soziale Ordnung noch im Fluß. Durch eine Neuordnung des Bodenrechts im Sinne von Freiland muß das Vaterland dem Volke zurückerobert werden, "um aus ihm, im Sinne Nietzsches und Silvio Gesells, ein Mutter- und Kinderland zu machen". Sodann ist die arbeitsteilige Wirtschaft zu ordnen. Hier bietet Silvio Gesells Freigeld-Festwährung "das Mittel, um die Programmforderung der nationalsozialistischen Revolution nach Brechung der Zinsknechtschaft zu verwirklichen".

 

10. Herrschaft der Edlen. Wer glaubt, mit der Geld- und Bodenreform wäre alles Notwendige getan, bräche eine Lanze für den lebensfremden Historischen Materialismus von Marx.

 

 

"Die Arbeit an der Höherentwicklung des Einzelnen und der Gemeinschaft kann erst n a c h der sozialen Neuordnung richtig beginnen." Bis dahin wird die menschliche Kraft im Kampf um das tägliche Brot aufgebraucht. "Dann hängt alles davon ab, über welche ererbten und im Kampf mit sich selber erworbenen Fähigkeiten der einzelne Mensch verüigt und welche Kräfte in den Volksgemeinschaften vorhanden sind und entwickelt werden können." Die soziale Ordnung des vergangenen Jahrhunderts hat das Minderwertige an die Oberfläche gespült, in der neuen sozialen Ordnung sollen die edelsten und wertvollsten Menschen bestimmen.

 

Mit diesen 10 Punkten legte Otto Lautenbach auch sein Glaubensbekenntnis dar. Es keimte aus der Wirtschaftslehre Silvio Gesells, war jedoch in Nietzsches Weltsicht eingebettet und auf die universalistische Staatslehre Othmar Spanns gegründet. Die Unterscheidung zwischen Gesellschaft und Gemeinschaft stammte von Tönnies. Anscheinend war Lautenbach der Ansicht, sein Credo könne zum neuen Richtmaß der gesamten Freiwirtschaft werden. Er wiederholte es in einem besonderen Artikel "Über Freiheit und Bindung", der im "Almanach" des Jahres 1937 nachgedruckt wurde. Das war der rote Faden, an dem sich seine Politik entlangschlängelte.

 

 

 

 

 

Der Einfluß Nietzsches

 

Jener Wille zur Macht, der laut Nietzsche allen Lebewesen und insbesondere dem Menschen eingeboren ist, erschien bei Lautenbach als ,Welt-Wollung', ja als ,Welt-Anschauung' seiner Schule der Freiheit. Sie sollte dem Riesen Zufall das Feld streitig machen und an seine Stelle die bewußte Gestaltung setzen, dem Ohne-Sinn "die Herrschaft entreißen und den Sinn der Erde erfüllen".

 

Doch dies könne nur ein mächtiger Staat wie der nationalsozialistische, dem freie Fahrt gegeben werden müsse, um den Auftrag des Weltwillens zu vollziehen. Die Schule der Freiheit fühlte sich als "winziges Glied des Ganzen", aber auch als Schub- oder Triebkraft der deutschen Entwicklung. Sie wollte durch Denkschriften und Vorschläge Einfluß gewinnen. Schon im Juli 1933 unterbreitete sie der Reichsregierung den Vorschlag, eine Indexanleihe zur Finanzierung öffentlicher Arbeiten aufzulegen.

 

Dies war der erste Versuch, einer Zwangsverwaltung der Wirtschaft vorzubeugen. Wegen des von Göring angekündigten Vierjahresplans sollte die NS-Regierung davon abgehalten werden, wie in Rußland eine Planwirtschaft einzuführen.

 

Gespannt wartete die SdF-Redaktion auf das Echo des ersten Heftes, von dem über 3000 Freiwirte Freistücke erhalten hatten. Sie war sich dessen bewußt, daß die große Mehrheit des Abonnenten nur aus dem NWO-Bereich kommen konnte und aus anderen Kreisen vorerst sehr wenig einlaufen würde. Doch die Rechnung ging auf "Wir haben mehr Anerkennung gefunden, als wir zu hoffen wagten." Otto Lautenbach sah sich freilich veranlaßt, folgende Beruhigung zu veröffentlichen: "Mitglieder des FWB. Um Mißverständnisse zu vermeiden: Ich bin nach wie vor Mitglied des Freiwirtschaftsbundes und gehöre seit dem Bundestag an Pfingsten 1933 dessen Pressekommission an." (4)

 

Das zweite Heft befaßte sich mit dem Ende der Völkerdemokratie, Goethes mit dem Chaos, Friedrich Hebbel und Bernhard Harms. Wo vom Kampf um die Indexwährung die Rede war, schien er nun allein auf den Schultern der SdF-Redaktion zu liegen. Allerdings hätten sich auch schon "viele Kämpfer die Nationalen Revolution" für sie ausgesprochen. Im Zeitspiegel verwies das zweite Heft auf die volkstümliche Gesetzgebungssprache der Männer von heute. "National und international liegt das demokratische Prinzip in den letzten Zügen. Vergleichen wir den Elan Hitlers, mit dem er die Staatsmacht eroberte und ausbaute, mit den Vorgängen in jenen Tagen, in denen Bürokraten Staatsführung durch ein Netz von Paragraphen glaubten ersetzen zu können, so begreifen wir die Hilflosigkeit der bleichsüchtigen deutschen Demokratie... Zuvor eroberte der Faschismus Italien und Ungarn. Heute sehen wir in der alten Demokratie Englands die Faschisten Owald Mosleys . . . marschieren. In Frankreich ruft man nach autoritärer Staatsführung. Selbst die Schweiz hat eine starke antidemokratische Bewegung. . . Das Volk ist um eine Illusion ärmer und eine Erfahrung reicher."

 

Auch die restlichen Bastionen der Demokratie würden fallen! Auf die Dauer könnten sie dem vehementen Angriff der neuen autoritären Staaten nicht widerstehen, mit denen die Revolution und der Zeitgeist sei. "Wir sind wieder in einem Stadium der Weltpolitik, die ohne Tarnung darauf beruht, die nationalen Interessen . . . des einen auf Kosten des anderen auszubauen. Dieser Zustand ist zu begrüßen, denn er befreit Völker von der Illusion".

 

 

 

 

 

 

Für völkisch-soziale Revolution

 

Hinter dem politischen Geschehen sah Lautenbach den "Aufstand der vergewaltigten Grundrente gegen den Zins. . . Die Interessen der Grundrentner erfordern starke Nationalstaaten" (5)

 

Der offen ausgebrochene Kampf zwischen Grundrente und Zins, nunmehr überall in Politik umgesetzt, habe den Scheinfrieden einer verlogenen Völkerdemokratie beendet.

 

Über diese Zwangsläufigkeit hinaus führt ein Weg, den zu gehen dem nationalsozialistischen Deutschland vorbehalten scheint:

 

"Die Nationale Revolution hat sich in den Kampf zur Brechung der Zinsknechtschaft begeben, um die deutsche Arbeit frei zu machen von den goldenen Ketten internationaler Bankiers. In diesem Kampf wird sie auf eine Währungsreform und ein Geld mit Umlaufzwang nicht verzichten können. Das wäre das eine. Das andere ist, daß sich die Nationale Revolution eindeutig gegen das volksfremde römische Bodenrecht wendet, das den größten Teil des Volkes heimat- und vaterlandslos gemachthat. . . Dieser entscheidende Schlag gegen den nationalen und internationalen Volksfeind wird die Nationale Revolution zur größten aller Zeiten machen, wird endlich aus dem Kreislauf der Geschichte in einen Aufstieg führen. Den Zinsherren wird die Macht über die Arbeit zerschlagen, die sie unter Mißbrauch von Völkeridealen ausübten, den Grundrentnern wird unmöglich gemacht, das Vaterland, wie es im Grundbuch steht, zu Handels- und Ausbeutungszwecken zu benutzen . . . An die Stelle papierner Verträge tritt die lebendige Tat, phantastische Ideale werden gelebte Wirklichkeit." (6)

 

Dieser Gedanke, der Nationalsozialismus sei die machtpolitische Avantgarde im Kampf gegen das internationale Finanzkapital, wurde im Jahre 1936 noch vertieft, diesmal von Kurt Becker unter dem Pseudonym ,Martin Hardt'. Deutschland müsse einen internationalen Zweifrontenkrieg führen: gegen den westlichen Wirtschaftskapitalismus und den russischen Staatskapitalismus, die nicht in allen Ländern mit den gleichen Waffen anzugreifen und zu besiegen sind. Es gilt, "die Waffen neuer Erkenntnis . . . anderen Völkern zu übermitteln. Ein weltgeschichtlicher Sinn liegt heute in dem Wort: "Die Deutschen an die Front!" Paul Krannhals habe mit seinem organischen Weltbild den Weg gewiesen. Die organische Idee ist sowohl dem Bolschewismus als auch der westlichen Plutokratie überlegen. Sie läßt auch ein gesundes Freiheitsstreben zu. Das Entscheidende einer organischen Wirtschaftsreform ist weder die tote Maschine noch der Betrieb, sondern der lebendige ungehemmte Austausch aller Arbeitserzeugnisse, ganz gleich, ob sie materieller oder geistiger Art sind.

 

Lautenbachs wichtigster Mitarbeiter war Kurt Becker. Diesem zufolge wurde die soziale Frage vom nationalsozialistischen Staat durch Arbeitsbeschaffung gelöst. Die sozialistische Volksgemeinschaft sei "im Blute verankert". Dessen Reinhaltung erfordere einen "dauernden Auslese- und Ausmerzeprozeß". (7) Ausmerze - das war ein neuer Begriff aus dem SS-Jargon. Es war Himmler, der die "natürliche Auslese" Darwins durch die Ausmerze (des ,schlechten Bluts') ergänzt hatte. Becker machte Othmar Spann, obwohl er seinen Universalismus bejahte, zum Vorwurf, die Verankerung der völkischen Gemeinschaft im Blute übersehen zu haben.

 

"Bildlich gesprochen hat jedes Volk einen Kern, in dem die lebensfördernden und erhaltenden Kräfte am stärksten ausgeprägt sind. Daran grenzen die Gebiete, in denen mehr oder weniger stark die artfremden, minderwertigen und lebenshemmenden Kräfte vorherrschen. Der ständige Kampf dieser Gegensätze gibt dem völkischen Dasein das Gepränge. Es geht um den Sieg des lebenbejahenden oder des nivellierenden Typs. Am deutlichsten ausgeprägt ist das Wirken der nivellierenden Kraft vielleicht beim jüdischen Menschen, der von einer Lebensganzheit nichts erkennen läßt." (8)

 

Der lebensfördernde und -erhaltende Typus erschien Becker am stärksten im Nationalsozialismus ausgeprägt, welcher die Fackel völkischer Befreiung von den Minderwertigen auch in andere Länder trage. Die deutschen Armeen und SS-Legionen waren ihm "Revolutionsarmeen" (Hitler), auf deren Bajonetten die Freiwirtschaft bis nach Rußland getragen werden sollte.

 

Becker trat jedoch für die Achtung der persönlichen Eigenart ein und wandte sich gegen die totale Verstaatlichung des gesellschaftlichen Lebens, welche ebenso ein Merkmal des Bolschewismus wie die Heiligkeit des Zinses das der Plutokratie sei.

 

Beide mißbrauchen den Staat zu einer völkischen Vergewaltigung. "Höchste Verwirklichung der völkisch-sozialen Idee ist der Sozialismus in Freiheit!"

 

Der Nationalsozialismus dünkte Becker als Bewußtseinsträger einer Neuen Welt. Seiner Idee müßten Opfer gebracht werden. Dazu sei jeder Deutsche verpflichtet.

 

"Rußland hat die marxistische Idee der Weltrevolution, Italien die historische Idee des römischen Imperiums, Deutschland die organische Idee der völkischen Geschlossenheit." (9)

 

Ohne den Sieg der deutschen Waffen könne die Geld- und Bodenfrage nicht gelöst werden. Sie sei mit den Substanzwerten des Volkes - Nation, Rasse, Arbeit und Ehre - verknüpft.

 

In Namen der SdF-Leserschaft begrüßte Becker die Bildung einer ,Internationalen Rechtskammer' durch die Juristenverbände der Achsenmächte, welche zur Befreiung der Völker vom plutokratischen Joch beitragen wollte. Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen kam ihm zufolge erst auf, als sich ein bestimmtes System herausbildete, das in widernatürlicher Weise den Minderwertigen gestattete, die Hochwertigen in ihre Abhängigkeit zu bringen. So entstanden die Plutokratie auf der einen und der Bolschewismus auf der anderen Seite. Die völkisch-soziale Idee stehe nun beiden "in einem Entscheidungskampf auf Leben und Tod gegenüber". (10) Der Zweite Weltkrieg ist eine Auslese ganz großen Stils.

 

Becker trug raumpolitische Gedanken in die SdF hinein. Er verknüpfte sie mit der "Geopolitik" Karl Haushofers, woraus schließlich eine "Kriegsgemeinschaft" der beiden Zeitschriften hervorging. Machiavelli hat s. E. die Naturgesetze der Politik entdeckt. Das Wesen der Politik ist der Wille zur Macht.

 

Zwei andere Mitarbeiter Lautenbachs waren Dr. Franz Hochstetter und Hans Uhle, der erstere ein angesehener, der zweite ein eher anrüchiger Nationalsozialist. Hochstetter wurde in der SdF zunächst aus seinem Buch über "Leihkapital und Goldwährung" zitiert, worauf er sich intensiv mit Gesells "Natürlicher Wirtschaftsordnung" zu beschäftigen begann. In der NSDAP hätten "Demagogen und Phraseure Oberhand bekommen" (11), die eine gänzlich verschwommene Vorstellung von der sozialen Frage in sich herumwälzten. Nur von freiwirtschaftlicher Seite aus "drangen neue Erkenntnisse und Strebungen ein".

 

Der Nationalsozialist Hochstetter war von diesen neuen Erkenntnissen so ergriffen, daß er das Gespräch mit Lautenbach suchte. Mit Gesells Hauptwerk hatte seines Erachtens "die Auseinandersetzung zwischen zwei Welten begonnen. Sie muß zu Ende geführt werden". Dazu wollte Hochstetter auf Seiten der Gesellianer beitragen. Er selbst mauserte sich zu einem davon. War er doch schon 1936 überzeugt: "Durch den Geldumlaufzwang läßt sich das Urübel unserer Zeit heilen".

 

Im Verhältnis zu dem stillen und versonnenen Hochstetter wirkte Hans Uhle wie ein Schreihals, der ab und zu mechanisch die Hacken zusammenknallte und ,Heil Hitler!' brüllte. Den deutschen Angriff auf Frankreich am 10. Mai 1940 begrüßte er als Beginn des "Schicksalskampfes um den Bestand des völkischen Lebensrechts" sich dafür auf Machiavalli berufend. Infolge der "jüdischen Revolte des Novembers 1918" sei in Deutschland eine geistige und seelische Leere eingetreten, wodurch das deutsche Volk zum "Spielball fremder Mächte" wurde, "die mit den jüdischen Novemberverbrechern Hand in Hand arbeiteten". Erst Adolf Hitler", das große Wunder unserer Geschichte", füllte die Leere aus und gab dem Volk wieder eine Führung. Dessen Dank sollte die Ausweitung des Befreiungskampfes zu einem Volkskrieg sein.

 

Die Taten des Führers sind die Verkörperung des Volkswillens. "Es bedarf keiner Betonung, daß wir unverbrüchlich an ihn glauben. Diese Bewegung eines 80-Millionen-Volkes, das seiner schicksalhaften Sendung gewiß ist, kann keine Macht der Welt aufhalten, denn es ist das Leben selbst, das auf den Straßen des deutschen Sieges marschiert." (12) Soweit Hans Uhle, der sich in den SdF-Spalten auch über Persönlichkeit und Gemeinschaft ausließ. Über die Sowjetunion hieß es in ihrem Zeitspiegel vom August 1941: "Juden sind es, die in erster Linie den Partei- und Staatsapparat beherrschen, die die Propaganda bestimmen und die Wirtschaft lenken. Die Leitung des Rates der Volkskommissare liegt gleichfalls in jüdischen Händen." (13) Nach der Wahrheit wurde nicht geforscht.

 

Wie im "Schwarzen Korps" der SS konnte man in der SdF lesen: "Die enge Verbindung von Plutokratie-Weltjudentum-Bolschewismus kann heute nicht mehr geleugnet werden, auch nicht das Ziel einer Weltherrschaft und der Krieg als Mittel zu diesem Zweck." (14) Immer wieder träte das Doppelgesicht der Juden hervor, sowohl Mammonisten als auch Bolschewisten zu sein. "Sie beherrschen nicht nur die Wallstreet, sondern auch Roosevelt und seine Politik." (15)

 

Paul Hasse schrieb 1938, der bevorstehende Kampf um den Lebensraum sei auch ein Kampf der mongoliden Rasse, deren Waffen hohe Bevölkerungsvermehrung und große Bedürfnislosigkeit sind. "So vollzieht sich innerhalb der von Europäern besiedelten Erdräume der unheilvolle Vorgang einer Gegenauslese, in dem die Träger der wertvollen Erbanlagen von den Trägern der geringwertigen Anlagen verdrängt werden . . . Nur eine dem Wesen des nordischen Menschen gerecht werdende Ordnung in den europäisch bevölkerten Teilen der Erde kann diese Gebiete vor dem kulturellen Untergang retten." (16)

 

Durch diesen Aufsatz wurde der Marsch deutscher Armeen und SS-Divisionen nach Osten im voraus gerechtfertigt. Der Bundesführer des Bundes für krisenlose Volkswirtschaft konnte sich über 21 Seiten verbreiten, was Lautenbach keinem anderen Autor zugestand. Er stellte ihm de facto ein ganzes Heft zur Verfügung. Dabei vertrat Hasse die Ansicht, nur der wahrhaft nordische Mensch habe innerhalb des deutschen Volkes einen ausgesprochenen Sinn für das übergeordnete soziale Ganze, der dem ostischen Typ völlig fehle. Man müsse allerdings beachten, daß ein Mensch, der in seinem Erscheinungsbild nordisch ist, seiner Seelenhaltung nach ostisch sein könne. Dies bezog sich auf einen bestimmten Vorfall. Ein Angehöriger der SS-Garde im Leibregiment ,Adolf Hitler war des Diebstahls überführt worden. Himmler hatte es nicht glauben wollen. Blaue Augen, blonde Haare und ,nordischer Wuchs' schlossen seinem Weltbild nach solche Gemeinheiten aus.

 

In der SdF und ihrem Almanach standen auch einige kritische Artikel über die Vererbungslehre. Beispielsweise hieß es: "So groß auch das Erbteil sein mag. . ., so groß ist andererseits die Tendenz, über die früheren Generationen hinaus zu kommen und, auf ihren Schultern stehend, neue Daseinsmöglichkeiten zu gestalten. Diesem Fortschrittsprinzip entspricht die Unfertigkeit bei der Geburt und die lange Dauer der Jugend". (17)

 

Selbst Physiokraten aus dem FKB konnten für die Mitarbeit gewonnen werden: Hans Schumann, Fox Reiner, Rolf Engert und einige andere. Im allgemeinen hielten sie sich an die orthodoxe Linie der ursprünglichen Freiwirtschaft, doch gerade der bekannteste - Hans Schumann - entgleiste zweimal. Die goldene Brakteatenzeit wäre wie die anderen Hochzeiten Deutscher Geschichte sicher unmöglich gewesen "ohne das stolze Fürstengeschlecht der Hohenstauffer und ohne die Erbanlagen, die in der deutschen Rasse schlummern: Fleiß, Geschicklichkeit, Ausdauer, Unternehmungslust und Tatkraft". (18) Marxisten und Christen würden systematisch Feigheit züchten, "womit man allerdings schließlich eine Herde entarteter Lebewesen erzielt". Auch der letzte Rest von Liberalismus müsse beseitigt werden; der Widerstand gegen seine Machtansprüche "wurzelt seit Urzeiten im nordischen Menschen". (19) Während der Bolschewismus "die einzelwirtschaftliche Initiative völlig vernichten und die Menschen zu willenlosen Sklaven eines von Juden beherrschten Weltstaats machen" wollte, erstrebe der Deutsche Sozialismus "die Freiheit des einzelnen, ihrem Volke - und nur ihrem Volke - durch ihre Leistung zu dienen". Er sei, wie einmal Dr. Ley gesagt habe, die Synthese zwischen staatlicher Lenkung, Selbstverwaltung und privatwirtschaftlicher Initiative. Den Kampf einer solchen Weltanschauung müsse man unterstützen.

 

Das Gesellsche Gedankengut trat in den Hintergrund. Die in der Schweiz erschienene Neuauflage der NWO wurde von Otto Lautenbach nur noch mit einem einzigen Satz bedacht. Eine Neuauflage von Nietzsches relativ unbedeutender Schrift über "Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben" erhielt hingegen 43 Zeilen. So ungleich waren nun die Gewichte verteilt.

 

Die SdF erschien zunächst als Monatszeitschrift im Nürnberger Zitzmann-Verlag. Bereits im August 1933 lagen 1800 Bestellungen vor. Sie schlug derart ein oder hatte so freigiebige Finanziers, daß sie ab 1. Juli 1934 - schon nach einem Jahr - wöchentlich und im kleinen Zeitungsformat herausgegeben werden konnte. Einige Jahre später mußte sie auf das ursprüngliche Maß und auf eine 14-tägige Erscheinungsweise zurückgeschraubt werden, der wieder eine monatliche folgte. Inzwischen hatte Otto Lautenbach längst einen eigenen Verlag in Berlin-Wannsee gegründet, der schließlich nach Uchtdorf in Pommern verlegt wurde.

 

Lautenbach gab den nationalsozialistischen Machthabern Anfang der 40er Jahre zu verstehen, die deutsche Wirtschaft könne eine staatliche Zwangslenkung nicht länger ertragen, ohne ihre schöpferische Kraft einzubüßen. Nun wollte er die Unternehmer hinter sich bringen. Er veröffentlichte einen Aufsatz von Georg Hanisch, der die ketzerische These enthielt, die Arbeiter erhielten im Kapitalismus den vollen Arbeitsertrag. Der Hinweis auf arbeitslose Einkommen könne "diese Feststellung nicht erschüttern". (22) Gleichzeitig stellte der alte Freiwirtschaftler Hanisch die Theorie der drei Produktionsfaktoren in Frage. Produzieren täte nur die Natur, auch ohne den Menschen, der lediglich arbeiten könne. Nicht einmal Boden und Arbeit wären Produktionsfaktoren im strengen Sinne des Wortes: "Ihr Vorhandensein setzt die Produktion bereits voraus, sie sind ja selbst aus dem Zusammenwirken von Boden und Arbeit hervorgegangen."

 

Herbert Müller schrieb zur Grundrente, ihre Wegsteuerung im nationalsozialistischen Staat würde sich als eine "einseitige Vermögensbeschlagnahme zu Lasten der jeweiligen Bodeneigentümer auswirken und wäre in seiner letzten Konsequenz gleichzusetzen mit der in der UdSSR durchgeführten sogenannten Nationalisierung des Grund und Bodens". Auch Gesells Vorschlag einer Bodenverstaatlichung durch Aufkauf sei kaum noch akzeptabel. "Der gleiche Erfolg ist auch ohne den schwerfälligen Weg der Verstaatlichung durch die von mir vorgeschlagene volle Wegsteuerung der absoluten und relativen Grundrentensteigerungen zu erzielen." (23) Der erdverbundene Bauer würde eine Verstaatlichung des Bodens "als willkürliche Zerreißung des Bandes zwischen Blut und Boden auffassen und sich dagegen auflehnen". Nicht die Methode, das Ziel sei entscheidend.

 

Indem Lautenbach solchen Äußerungen Raum gab, zeigte er, daß er kein Dogmatiker, eher ein Pragmatiker war. Bemühte er sich um eine Weiterentwicklung der freiwirtschaftlichen Theorie?

 

Der Freiwirtschaft wurde eine neue Ideologie übergestülpt, die aus dem Universalismus abgeleitet war und eine Brücke zum Nationalsozialismus schlug. Den Schlußstein lieferte Jo van Kampen in einem gedankenreichen Aufsatz über Volks- und Machtstaaten. Die Volksmacht beruhe auf dem "Einklang der Volkszugehörigkeit in rassischer, religiöser, rechtlicher, besitzmäßiger Hinsicht". Sie habe sich bei den frühen Römern, Griechen, Iranien, besonders aber bei den in Germanien lebenden Völkern herausgebildet, die sie "begeistert priesen als einen Nachhall des Goldenen Zeitalters". (24)

 

Daneben sei jedoch eine Gewaltmacht entstanden, die auch auf Deutschland übergriff. Sie vernichtete die Volksmacht durch die Einführung des Römischen Rechts und die Unterwerfung der Bauernschaft.

 

Beide Systeme, der Volks- wie der Machtstaat, haben ihnen zugehörige Formen des Besitzes, des Rechts, der Wirtschaft und der Religion hervorgebracht. Aus der Volksmacht entstand "eine natürlich wachsende (organische) Kultur", aus der Gewaltmacht die künstliche Zivilisation, ein "hochgezüchteter seelenloser Technizismus". Die erstere sei auf biologische Vorzüge gegründet, die zweite auf gesellschaftliche Vorrechte und das arbeitslose Einkommen. Entstand die frühere Gewaltmacht aus dem Landkapitalismus (Feudalismus), so die neuere aus dem Wirtschaftskapitalismus. Für Jo von Kampen sah es so aus, daß der Nationalsozialismus den Ansatz zu einer neuen Volksmacht geschaffen hatte, diese aber noch der Vollendung durch freiwirtschaftliche Reformen bedurfte. Dies war, abgesehen von ihren "biologischen Vorzügen" im wesentlichen dasselbe, was Otto Lautenbach schon im ersten Heft seiner "Schule der Freiheit" geschrieben oder angedeutet hatte. Jo von Kampen lieferte den systematischen Grundriß nach. Aber vertrug sich die Freiwirtschaft mit einem auf die Rassenlehre gegründeten Staat? Und war dieser keine Gewaltmacht?

 

 

1 Aus dem Prospekt der Lautenbachschen Zeitschrift

2 Schule der Freiheit (SdF) Nr. I/1, S. 40

3 SdF I/1, S. 5

4 SdF I/2-3, S. 104

5 ebenda, S. 47

6 ebenda, S. 48

7 SdF 21-22/41, S. 401

8 ebenda, S. 399

9 SdF 3-37, S. 40

10 SdF 9-10/41, S. 118

11 SdF-Almanach 1937, S. 69

12 SdF 3-4/41, S. 49

13 ebenda, S. 43

14 SdF Juni 1943, S. 455

15 SdF 15-16/42, S. 298

16 SdF 6/38, S. 87

17 SdF 10.7.1938, S. 28

18 SdF 5/38, S. 143

19 SdF 5/37, S.133

20 SdF Juli 1939, S. 42

21 SdF 22/34, S.161

22 SdF 29/35, S. 208

23 SdF 10/41, S. 207

24 SdF Juni 1943, S. 463

 

 

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Im Juni 2001 gescannt, korrekturgelesen und ins Netz gestellt von W. Roehrig