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Günter
Bartsch: Die NWO-Bewegung
ISBN
3-87998-481-6; Lütjenburg: Gauke, 1994
VI. Die
national-völkische Richtung
Über die
Zentralgestalt dieses Kapitels, Paul Hasse, war von allen Richtungsträgern der
NWO-Bewegung am wenigsten in Erfahrung zu bringen. Er kam aus dem Kreis um Will
Noebe, in dessen freiwirtschaftlicher Zeitung er sich die journalistischen
Sporen verdiente. Jedoch besaß er selbst jene magnetische Führungseigenschaft,
die zur Bildung eines eigenen Kreises befähigt.
Freiwirte
gab es in zahlreichen völkischen Gruppierungen, sogar unter den
Ludendorffianern. Aber nur Paul Hasse faßte den Entschluß, innerhalb der
NWO-Bewegung eine besondere völkische Organisation zu gründen, die ihrem
Internationalismus die Spitze abbrechen sollte. Sie war auch gegen den
philosophischen Einfluß Max Stirners und das individualistische Fregostentum
gerichtet. Mit ihr etablierte sich die Konservative Revolution - des
Formenwandels unter Beibehaltung der nationalen Substanz - im NWO-Bereich. Für
Hasse zerfielen die Menschen seelisch in zwei entgegengesetzte Gruppen. Eine
will eine Wir-Ordnung aufrichten, die andere eine Ich-Ordnung. Das Ichgefühl
ist zwar ursprünglicher, doch allein das Wir-Gefühl veranlaßt wertvolle
Menschen zur Selbstaufopferung für die Gesamtheit; auf ihm beruht alle Kultur
und menschliche Gesellschaftsbildung.
Hasses Ideal
war eine Aristokratie auf demokratischer Grundlage, worunter er Führung durch
die Besten, aber Aufstiegsmöglichkeit für jeden verstand. Ihm ging es nicht nur
um ein besseres Geld, sondern auch um die Befreiung der nordischen Seele von
allen artfremden Einflüssen, die im Laufe von 2000 Jahren vernichtend gewirkt
hätten. Im Banne solcher Vorstellungen schrieb Hasse, der sich auch als Poet
versuchte, sein Gedicht
Deutsche
Zukunft
Mächtiger
als Schwert und Panzer
waren stets
noch die Gedanken,
die aus
deutschem Geist entsprangen;
Fremdes muß
vor ihnen wanken.
Heute liegst
in Schmach und Schande
Deutschland
du, in fremden Ketten.
Deutsches
Denken, deutsches Handeln
wird auch
dieses Mal dich retten...
Diese Verse
zeigen das Denkmuster, innerhalb dessen sich Paul Hasses Geist unruhig hin und
her bewegte. Auch sein Name spricht für sich. Angesichts des in dem
vorstehenden Gedicht angeschlagenen Grundtons nahm es nicht wunder, daß Paul
Hasse nach einem Heiland der geschlagenen Nation zu suchen begann, oder nach
einem zweiten Arminius. Die künftige Schule sollte eine deutsch-gläubige im
Sinne des deutschen Gottmenschentums sein.
Laut Hasse
sind jene Völker, die einer ursprünglich biologischen Weltanschauung untreu
wurden, wie zur Strafe durch die danach einsetzende Mechanisierung ihres Lebens
und Denkens in den Untergang hineingeraten. Sie müssen zu den Quellen zurück.
Das deutsche Volk vor dem Untergang zu bewahren, darin sah Paul Hasse seine
Aufgabe. Zu diesem Zweck wollte er die völkische Ideologie durch die Gesellsche
Wirtschaftslehre und diese durch die völkische Weltanschauung ergänzen.
Insofern verstand er sich als Brückenbauer. Die Ideenklärung wäre bereits im
Sinne der arischen Völker erfolgt, in der Wirtschaft herrsche aber noch
mechanistische Unnatur. Doch auch hier sei der Sieg der Biologie und damit
deutscher Lebensauffassung nur noch eine Frage der Zeit. Silvio Gesell habe
freilich das lautere Gold seiner Wirtschaftslehre mit proletarischem Plunder
versetzt und damit in ihrem Wert beträchtlich gemindert. Auch sei er unter
artfremden Einfluß geraten.
Doch wenden
wir uns nun dem Ausgangspunkt der national-völkischen Richtung zu, und ihrer
Anfangsgeschichte.
Gegenzüge
Nationale
Bewegungen hat es in fast allen europäischen Ländern gegeben, eine völkische
Bewegung m. W. nur in Deutschland. Sie war großdeutsch und alldeutsch: sowohl
auf die Errichtung eines neuen Reiches als auch auf die Sammlung der deutschen
Erde bedacht. Ihr proklamiertes Ziel, die "Erneuerung des deutschen Lebens
von innen heraus, aus dem Grunde germanischen Blutes und Wesens" (1),
sollte alle Bereiche von fremdartigen Einflüssen reinigen: Recht, Sitten, Kunst
und Religion. Volksgemeinschaft bedeute Blutsgemeinschaft. Ihre Feinde erblickten
die Völkischen im Freimaurertum, im Judentum und in der katholischen
Weltkirche, den drei ‚überstaatlichen Mächten'. Sie wollten eine ,arteigene'
Staatsform, Wirtschaftsordnung und Religion. Das Römische Recht müsse einem
deutschen Recht weichen.
Diese Gedanken
durchdrangen teilweise auch die nationale Bewegung, deren Hauptziel die
Revision oder Zerreißung des Versailler Vertrags war. Das völkische Bewußtsein
schärfte sich in den schlesischen Grenzkämpfen, im Kampf gegen die rheinischen
Separatisten und im Ruhrwiderstand gegen die französische Besatzung. Zu den
Völkischen gehörte auch eine solch lautere Gestalt wie Friedrich Muck-Lamberty,
der im Sommer 1920 mit seiner Neuen Schar durch Thüringen zog, musizierend und
tanzend.
Doch worin
bestand die völkische Substanz? In der Betrachtung des Volkes als einen
physischen Organismus, von dem jeder Deutsche eine Zelle und an das germanische
Erbgut gebunden wäre. Der deutsche Volkskörper sei jedoch verschmutzt und von
Parasiten befallen. Wer an einen ,Volkskörper' glaubt, der durch fremde
Einflüsse erkrankt ist, wird auf Mittel sinnen, wie die eingedrungenen
,Bazillen' unschädlich gemacht werden können. Doch gab es in der völkischen
Bewegung außer den Radikalen, die sich in der NSDAP sammelten und gegen die Juden
schon das Messer wetzten, Gemäßigte und sogar einige Demokraten. Breit und
vielschichtig angelegt, beeinflußte sie auch den rechten Flügel der
Gesellianer. Dem kam entgegen, daß die Mendelsche Vererbungstheorie, aus
Pflanzenzüchtungen abgeleitet, auf einmal populär wurde.
Die
völkische NWO-Richtung bildete sich im Gegenzug zur internationalistischen
Grundtendenz der physiokratischen Strömung heraus. Ihr Ziehvater war Gustav
Simons, der lebensreformerische Ansichten mit völkischen verquickte. Beispielsweise
vertrat er die Meinung, "schon das Eintreten der gesamten Judenschaft für
die Friedens- und ethische Bewegung sollte Beweis genug sein, daß diese zwei
Bewegungen selbstbewußte, starke Völker auf die Dauer falls sie weiter um sich
griffen, zur inneren Auflösung bringen müssen." (2)
Simons
völkische Gesinnung war eine gemäßigte. Er hat auch viel Positives geschrieben.
Doch schon bei ihm verschob sich die Gesellsche Doppelreform auf die Bekämpfung
der sogenannten Schmarotzer, die aus dem ,Volkskörper' entfernt werden müßten.
Teilweise
wurden solche Ansichten schon vom 1915 gegründeten Bund für Freiwirtschaft
aufgegriffen. Doch erst angesichts der Novemberrevolution von 1918, des
Vertrags von Versailles und der Bayrischen Räterepublik gewann die völkische
Richtung ein hinreichend klares Profil. Sie konstituierte sich 1919 mit der
Zeitschrift "Deutsche Freiwirtschaft": Bezeichnend war, daß sie sich
im Gegensatz zu Gesell nur für deutsches Freiland interessierte. Mit der
Ausdehnung des Internationalismus wäre ein Absterben der Volkstumskräfte
verbunden, weshalb ihm Einhalt geboten werden müsse.
Die
national-völkische Richtung bezog sich nicht nur auf Gesell sondern insgeheim
auch auf Gottfried Feder, den Wirtschaftstheoretiker der Deutschen Arbeiterpartei
und späteren NSDAP. Er unterschied zwischen schaffendem und raffendem Kapital,
dementsprechend auch zwischen Schaffern und Raffern innerhalb der deutschen
Volkswirtschaft. Mit dem raffenden Kapital meinte Feder hauptsächlich das
jüdische. Die national-völkischen NWO-Anhänger verbanden diesen Begriff weit
neutraler mit Zins und Grundrente.
Der
profilierteste Vertreter des völkischen Gedankens innerhalb der NWO-Bewegung
war Dr. Ernst Hunkel. Seine Frau Margart hatte 1917 die Deutsche
Schwesternschaft gegründet, deren Hauptaufgabe die Aufzucht rassisch wertvoller
Kinder im Geiste deutscher Volks- und Lebenserneuerung sein sollte. Die
Deutsche Schwesternschaft ließ sich in Sontra nieder, wo Ernst Hunkel 1919 die
"Freilandsiedlung Donershag" schuf. In der Monatsschrift "Neues
Leben"; die er von Gustav Simons übernahm, verknüpfte er
lebensreformerische und freiwirtschaftliche Gedanken mit Deutsch-Gläubigkeit
und Germanentum, das durch artbewußte Sippenpflege und ländliche Siedlungen
wiedergeboren werden sollte.
Hunkel
bedauerte es in der Monatsschrift "Deutsche Freiwirtschaft" aufs
tiefste, daß Silvio Gesell als Volksbeauftragter für Finanzen in die
"sogenannte Räte-Republik" eingetreten war. Seine "neuen
Freunde", die Bolschewisten, müßten bis zum Äußersten bekämpft werden von
allen, denen "deutsches Wesen und deutsche Kultur lieb" sind.
"Räuber- und Verbrecherbanden als Gründer der Gerechtigkeit,
international-jüdische Verschwörer und Volksaufwiegler als Führer zu deutscher
Freiheit und deutschem Arbeitsrecht- das will uns nicht einleuchten." (3)
Den Massen sei jahrzehntelang das sozialistisch-kommunistische Evangelium in
die schwerfälligen Köpfe gehämmert worden. Die Freiwirtschaft könne nur in
langer, schwerer, mühevoller Aufklärungsarbeit siegen, nicht ad hoc wie durch
Gesell in München. Ihr einziger Verbündeter wäre die bittere Not des eigenen
Volkes. Aber leider würden nun Geldreform und Rätesystem als etwas
Zusammengehöriges in einen Topf geworfen. Gesell mit seinem verschwommenen
Internationalismus sei ein Illusionist. Sein unüberlegter Eintritt in die
Bayrische Räteregierung habe die Freiwirtschaft diskreditiert und ihre
Verwirklichung außerordentlich erschwert.
Ein Jahr
nach der Novemberrevolution gedachte die "Deutsche Freiwirtschaft"
unter dem Titel "Unseren toten Helden" der gefallenen Soldaten, deren
Opfergeist dem Siege und der Erkenntnis die Wege geebnet hätten. Heinrich
Kraeger aus Düsseldorf schrieb: "Das Weltgeschwür der maßlosen
Zinseszinswirtschaft wird bei uns zuerst aufgehen, und es werden dafür noch
Doktoren kommen, deutschblütige Doktoren, die tiefer und fachmännischer
arbeiten, bis aller eiternder, gelber Stoff herausgeflossen und die Heilung
eingeleitet ist. . . Not bricht Eisen. Wenig mehr als ein Dutzend sehr schwerer
Jahre, dann ist es getan und wir werden frei, denn der Mammon hat die Rechnung
ohne den Wirt, ohne die große, ewige Natur gemacht. Wir Deutsche, wir Germanen,
das Volk vom hohen Aar, vom Adler, wir Arier müssen es schaffen." (4)
Im gleichen
Heft wandte sich Siegmund Flückiger gegen eine Arbeitslosenunterstützung, durch
welche die Arbeiter nur zum Müßiggang verführt würden. Im übrigen wären die
besten industriellen Erwerbsquellen bereits vom Feinde aufgekauft.
Auf dem
freiwirtschaftlichen Bundestag von 1921 in Hannover sprach sich Gesell gegen
jeglichen Nationalismus und für die Anerkennung der Versailler
Reparations-Verpflichtungen aus. Damit war er unter die ,Erfüllungspolitiker' -
neben Erzberger, Stresemann und Rathenau - getreten.
Die Antwort
ließ nicht lange auf sich warten. Etwa vier Wochen später veröffentlichte die
"Deutsche Freiwirtschaft" einen Appell:
"An die
Stelle des Kampfes aller gegen alle, der naturgemäßen Folge des unlauteren
Hereinspielens von Grundrente und Zins in allen Bestrebungen, wollen wir setzen
den Kampf des Einheitsvolkes der Schaffer gegen die Ausbeutungsherrschaft der
Raffer. So überwinden wir den Klassenstaat und schmieden den Volksblock, der
durch seine Wucht und Kraft, durch seine Größe und Festigkeit unzerstörbar ist.
So verleihen wir unserem Volke die innere Kraft, anzuziehen, was zu ihm gehört,
und abzustoßen, was ihm fremd ist." (5)
Dieser im
Geiste Dr. Ernst Hunkels verfaßte Appell war von Helmut Haacke, Otto Maaß und
Richard Hoffmann unterschrieben. Der erstere sollte sich später nach links
wenden, der zweite zur Mitte der NWO-Bewegung hin. Doch damals war für sie die
materielle Not hauptsächlich ein völkisches Problem, das nur im Kampf der
Schaffer gegen die Raffer gelöst werden könne, welche in den deutschen Nachkriegsverhältnissen
gediehen "wie die Giftpflanzen unter der tropischen Sonne".
Die
Zeitschrift "Deutsche Freiwirtschaft" hatte eine prinzipiell
antisozialistische Tendenz. Gesell lehnte die Mitarbeit ab. Er wollte keinen
Volksblock, sondern eine proletarische Einheitsfront.
Deutscher
Kulturwart
Um die
gleiche Zeit, da sich Benedikt Uhlemayr in der Zeitschrift
"Freiwirtschaft" kritisch mit dem Nationalsozialismus und
insbesondere mit dessen Wirtschaftstheoretiker Gottfried Feder auseinanderzusetzen
begann, konnte man im "Deutschen Kulturwart" - einer anderen
Zeitschrift der NWO-Bewegung -beinahe Entgegengesetztes lesen. In einer
Rezension über Georg Schotts "Volksbuch von Hitler" schrieb Paul
Hasse, er wolle nicht darüber rechten, ob Hitler den richtigen Weg gehe. Er
habe jedoch ohne Zweifel den Kampf aufgenommen "gegen jene Mächte, die das
deutsche Volk zu Boden drücken". (6) Mit Hitler sei eine reine und lautere
Persönlichkeit aufgestanden, die sich gegen das Verlogene und Unwahre in der
deutschen Politik wende - freilich mit einer Heftigkeit und Schärfe, die den
Spießer verängstige. Vorerst bringe nur die Jugend und der jugendlich Fühlende
das angemessene Verständnis für diesen Freiheitskämpfer auf.
"Hitler
ist einer der Vorläufer der großen deutschen Freiheitsbewegung, die in ihrer
ganzen Stärke erst noch vor uns liegt. Er ist das Symbol der germanischen
Seele, die heute eingezwängt in die Zwangsjacke eines uns fremden Machtstaats
versucht, ihre eigene Ausdrucksform zurückzugewinnen." (7)
In einem
anderen Artikel ging Paul Hasse wohlwollend auf das Parteiprogramm der NSDAP
ein, um mit dem "orientalischen Einfluß in der
Freiwirtschaftsbewegung" abzurechnen. Damit war der jüdische Einfluß
gemeint. Selbst Gesell sei ihm aufgesessen und habe ihn ungewollt
weiterverbreitet. Er wäre daher zu einem "ungeheuren Hemmschuh" für
die weitere Entfaltung der Freiwirtschaftsbewegung geworden.
Gesell wolle
organisieren, obwohl die Freiwirtschaft nur das Ergebnis einer organischen
Entwicklung sein könne. "Aus dem Rechtsempfinden der germanischen Seele
heraus wird diese Ordnung wachsen, von der er, verführt durch
jüdisch-orientalische Ansichten, glaubt, man könne sie schaffen. Sie wird
kommen, diese Ordnung, aber nicht als eine der Natur des Menschen angepaßte
Ordnung, sondern als eine sich aus unserer Natur notwendig sich ergebenden Form
der Wirtschaft." (8) Entweder d e u t s c h e Freiwirtschaft oder keine -
dies war das Fazit. Sie könne nur die Wirtschaftsform der germanischen Seele
und ihres urdeutschen Rechtsempfindens sein.
Darauf
stellte Paul Hasse Eigennutz und Gemeinnutz gegenüber. Für Individualisten möge
es richtig sein, die Natürliche Wirtschaftsordnung auf den Eigennutz des
Individuums gründen zu wollen. Anders dächten jene, die sich bewußt als ein
Glied in der höheren Lebensform des Volkes fühlten. "Die sittliche
Begründung der treibenden Kräfte im Wirtschaftsleben ist für germanisches
Rechtsempfinden und germanische Wesensart bei Gesell falsch . . ., bei Feder
richtig." Dieser habe allerdings ein unorganisches Wirtschaftsprogramm
vorgelegt, jener ein durchaus organisches, aber artfremdes. Unglücklicherweise
ist die Gesellsche Theorie mit einer individualistischen Weltanschauung
verknüpft, die mit ihrer Wirtschaftslehre nichts zu tun hat, ihrer Verbreitung
sogar "stark hindernd im Wege" steht. Gesell kommt es immer auf den
Einzelmenschen an, wo es in Wahrheit um das Volk geht. Die Wirtschaft kann
nicht dem Einzelnen, sondern nur der Allgemeinheit dienen. Ein Volk ist mehr
als eine Summe von Individuen. Wenn Adolf Hitler und Gottfried Feder Gemeinnutz
vor Eigennutz stellen, so drücken sich darin laut Hasse jene natürlichen Kräfte
und ihre Rangordnung aus, die zwecks Entstehung eines gesunden organischen
Volkstums notwendig in Erscheinung treten müssen.
Gesell hat
zwar die Schäden der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und deren Ursachen
aufgezeigt. Unter seiner scharfen und richtigen Kritik bricht auch das Gebäude
der marxistischen Wirtschaftsordnung wie ein Kartenhaus zusammen. Aber er konstruierte
und verkennt die nationale Eigenart. Auch die Natur der Menschenrassen ist eine
verschiedene. "Das übersieht Gesell." (9) Durch einen Wust von
weltanschaulichen Unmöglichkeiten verdunkelt er die Klarheit und Richtigkeit
seiner Wirtschaftslehre.
Der
unentwegte Internationalist stoße jene Menschen zurück, die in ihrem Volkstum
verankert sind. Besonders befremdet sind die völkisch Gesinnten. Anderen
verleide er das Studium seiner Schriften. So stünden ihm die besten Deutschen
noch fern, obwohl seine Entdeckungen eine starke Bewegung hervorgebracht
hätten.
Gesells
richtiges Urteil in Wirtschaftsfragen dürfe kein Freibrief für Verworrenheiten
in anderen Dingen sein. "Seine jüdisch-internationale Einstellung allen
Menschheitsfragen gegenüber wird er als Sechzigjähriger nicht mehr
ändern." Man müsse ihn eher abschreiben als aus bloßer Pietät solche
Irrwege mitgehen oder weiterhin dulden.
Wer die
Allgemeinheit über den Einzelnen stellt, muß logischerweise der persönlichen
Freiheit skeptisch gegenüberstehen. Hasse schrieb denn auch, die erste
Voraussetzung einer wünschenswerten Gesellschaftsgestaltung sei die Überwindung
des absoluten Freiheitsbegriffs, dessen Gift aus orientalischem Denken in das
deutsche Vorstellungsleben eingesickert ist. Der Einzelne hat sich der
Gesetzmäßigkeit des Ganzen einzufügen.
Schon die
Bauernkriege waren Verzweiflungsausbrüche deutschen Strebens, das sich
auflehnte gegen Rom und den Orient. Aber Rom und der Orient siegten. Die
Bodenverteilung erfolgte auf undeutsche Weise nach fremdem Recht. Auch das
Geldwesen und der Geldhandel entstammen nach Hasse dem Orient. Die germanische
Seele wurde gefesselt, nicht zuletzt durch den Papst und die Katholische
Kirche. Erst Luther hat sie von ihren Banden befreit. Mit der objektiven Philosophie
von Raoul H. France sei der zweite Schritt zur germanischen Freiheit getan.
(Laut France tut in der echten Gemeinschaft keiner das, was er will, sondern
was die Gemeinschaft von ihm braucht, wobei einer dem anderen in die Hände
arbeitet und alle durch gegenseitige Hilfe bestehen.) Die Wurzeln des
Materialismus sind schon tödlich getroffen. Der sich von der Arbeit seiner
Mitmenschen ernährende Schmarotzer ist eine orientalische Erscheinung, denn der
Germane sieht in der Arbeit etwas Lebensnotwendiges. Am Schmarotzertum stirbt
die stets nationale Kultur, weshalb nun die Drohnen ausgeschieden werden
müssen, wenn die erkrankte deutsche Kultur wieder genesen soll. Darin sah Hasse
offenbar den dritten Schritt zur Befreiung der germanischen Seele, wozu die
Ersetzung des Römischen Rechts durch ein Deutsches Recht geboten sei.
"Deutsche Leistungswirtschaft oder jüdische Rentabilitätswirtschaft?"
- so formulierte er die Alternative.
Hasse führte
die Spaltung der NWO-Bewegung vom Mai 1924 in eine freiwirtschaftliche und eine
physiokratische Strömung auf rassische Unterschiede zurück:
- die
Hauptvertreter der individualistisch-anarchistischen Richtung (Timm, Tuercke,
Haacke) würden "schon äußerlich an den Orient erinnern"
- die
Repräsentanten der Magdeburger Richtung (Maaß Scheuffler, Merks, Isenberg)
"sind unverkennbar nordischen Bluts." (10)
Anscheinend
hatte Hasse den Eindruck, in der Gesellschen Bewegung fände ein gewaltiges
Ringen zwischen dem jüdischen und dem nordischen Menschentyp um die germanische
Seele statt. Er bezog sich auf den französischen Schriftsteller und ersten
Rassentheoretiker Gobineau, dessen Lehre vom Primat der arischen Rasse schon
von Hitler aufgegriffen worden war.
Auf dem
Titelblatt des "Deutschen Kulturwart" prangte jeweils ein Hakenkreuz
in gerundeter Form, nach einem altgermanischen Symbol. Hunkel und Hasse
gehörten eben nicht nur zur Freiwirtschaft, sondern auch zur völkischen
Bewegung, aus der sich wiederum die nationalsozialistische herausbildete -
gleichsam als ihre Speerspitze. Doch das Hakenkreuz zog in den 20er Jahren viel
weitere Kreise. Hasse griff Dr. Hunkel in seiner Zeitschrift an, weil er,
obwohl ursprünglich völkische Ziele verfolgend, "unter dem Einfluß von
Gesell vollkommen ins internationale Fahrwasser geraten" sei.
Der
"Deutsche Kulturwart" erschien erstmals im Mai 1924. Er wollte Wege
zu deutscher Freiheit weisen (so hieß auch sein Untertitel). Das Chaos des
deutschen Gesellschaftslebens müsse durch Wiederherstellung des Einklangs von
Wirtschaft, Seele und Denken überwunden werden. Dem Körper des Menschen
entspreche die Wirtschaft, seiner Seele die Weltanschauung und Religion, seinem
Denken die Wissenschaft und Gelehrsamkeit. (So begegnen wir abermals der
Dreigliederung.)
Hasse hatte
einen ganzheitlichen Ansatz, der, in den Versuch einer neuartigen Kulturtheorie
eingebettet, jedoch durch die Überbetonung des Deutschtums gebrochen war.
Politisch setzten er und seine Mitarbeiter 1924 auf eine Nachfolgepartei der
inzwischen verbotenen NSDAP (verboten wegen ihres Aufstandes vom 8./9. November
1923 in München) nämlich auf die Deutsch-völkische Freiheitspartei, die im Mai
mit 32 Abgeordneten in den Reichstag eingezogen war. Sie möge immer dessen
bewußt sein, "dass eine Befreiung zu deutscher Art nur möglich ist durch
eine radikale Erlösung des Volkes von allen inneren und äußeren
Schmarotzern." (11) Die Wahlbeteiligung des FWB wurde beflissen übersehen.
Wichtigster
Mitarbeiter Paul Hasses war der Bergwerksdirektor Otto Weißleder, von dem man
gelegentlich auch kurze Aufsätze in der Zeitschrift "Freiwirtschaft"
lesen konnte. Er hatte einen "Grundriß der Freiwirtschaftslehre"
veröffentlicht. Ihm zufolge sollten die Bodeneigentümer die Grundrente "an
den Staat als Vertreter der Allgemeinheit abführen" (12) Von ihrer
Verteilung an die Mütter hielt er nichts. Um das Geld unter Angebots- und
Umlaufzwang zu stellen, sollte es am Ende jeden Jahres für wertlos erklärt und
mit einem Kursverlust von etwa 5 % gegen neues umgetauscht werden. Das
umstrittene Aufkleben von Marken auf die Banknoten oder deren Abstempelung
fiele dann weg - ohne Zweifel ein sehr vereinfachtes Verfahren. Für einen
Hundertmarkschein bekäme man am Schluß des Jahres nur noch 95 Mark ausgezahlt.
Weißleder war wesentlich sachbezogener als Hasse.
Dieser
ermunterte seine Mitarbeiter zu einer schärferen Kritik Silvio Gesells, um den
"orientalisch jüdischen Einfluß in der Freiwirtschaft" zu brechen.
Eine der schärfsten Federn führte S. Friedrichs. Gesells illusionärer Traum der
Vereinigten Staaten von Europa werde solange unerfüllt bleiben, bis die
europäischen Völker "die Herrschaft der unheimlichen Macht abgeschüttelt
haben, die sie alle in ihren Klauen hält, sie bis aufs Blut aussaugt, das ein
Volk gegen das andere hetzend. . . Infolge der Beherrschung des Geldwesens in
allen Ländern ist es den jüdischen Geldmächten möglich..., ungeheure
Differenz-, Spekulations- und Konjunkturgewinne einzustecken, die alle
schaffenden Stände erarbeiten müssen." (13)
Freihandel
ist nach Friedrichs, wenn er "die Privatinteressen aller Volksgenossen
schont und fördert". Jetzt schon eingeführt, würde er den Landwirt
schädigen und viele Bauern in den wirtschaftlichen Ruin treiben. Die Zölle
haben sich als vorteilhaft erwiesen. Jedoch steht eine Modernisierung des alten
deutschen Bodenrechts an, eine Aktualisierung des germanischen Lehnsgedankens
(wie sie von Otto und Gregor Strasser gefordert wurde). Aber "auch im
Freiwirtschaftsbund ist es Alljuda gelungen, erleichtert durch die
anarchistische Weltanschauung Gesells, seine Spaltungs- und Verfeindungspolitik
zum Erfolg zu führen". Alljuda beherrscht den Marxismus wie nahezu die
gesamte deutsche Presse. Dennoch hat sich ein Teil der Freiwirte von
kommunistischer Propaganda anstecken lassen, was Gesell ebenfalls begünstigte.
Er verkennt, daß der Kampf zur Beseitigung der kapitalistischen
Ausbeutungswirtschaft nur gewonnen werden könnte, wenn das ganze schaffende
deutsche Volk - nicht nur das Proletariat - in diesem gewaltigen
Befreiungskampf einig ist. Aber selbst dann wäre an den Sieg seiner Ideen noch
nicht zu denken, weil Deutschland "auf Veranlassung der internationalen
jüdischen Weltmacht von allen anderen Ländern unter irgend einem Vorwand mit
Krieg überzogen würde, wenn es nicht gelingt, gleichzeitig auch bei den übrigen
Völkern . . . den Willen einzuimpfen, sich von Ketten zu befreien, in welche
jüdischer Machtwille sie geschlagen hat." (14)
Angesichts
solcher Artikel kam Gesell zu der Überzeugung, der Kampf gegen die Völkischen
müsse mit derselben Entschiedenheit "bis aufs Messer" geführt werden
wie der Kampf gegen die Rentiers und ihren Klassenstaat "bis zur
Strecke".
Hatte sich
Gesell für die natürliche Auslese der Besten ausgesprochen, so verlangte Hasse
die Förderung der rassisch wertvollen Menschen des Deutschtums durch
"lebensgesetzliche Regelungen im Gesellschaftskörper". Er sprach sich
für eine natürliche Rangordnung entsprechend der Rassenqualität aus. Auf
eigentümliche Weise die monetäre Geschichtsauffassung mit der völkischen
Ideologie verquickend, stand Hasse der Deutschen Glaubensbewegung nahe,
derzufolge sich Gottes Wille "im ewigen Gang der Allnatur" offenbart.
Er rief sogar zum Kampf "gegen den Untermenschen" auf, worunter er
aber nicht den Juden, sondern den Massenmenschen verstand:
"Der
Massenmensch von unten und der Herr des Geldes von oben vernichten das
wertvolle Blut und damit ihre eigene und unsere Zukunft. Die nordische Rasse
läuft Gefahr, das Rennen auch jetzt wieder zu verlieren wie in den alten
Kulturen. Es sei denn, dass sie sich ein Geldwesen schafft, das ihrer
seelischen Art angemessen ist." (15)
Gesells
Reformen als Mittel der neuen Germanen im kämpferischen Wettbewerb mit anderen
Rassen! Seine Wirtschaftslehre sollte von ihrer intellektuellen Ankränkelung
geheilt und durch eine organisch-biologische Weltanschauung überhöht werden,
welche den eisernen Lebensgesetzlichkeiten der Rasse treu und gehorsam folgte.
Eine Natürliche Wirtschaftsordnung könne es nur im Rahmen des nationalen
Wirtschaftsgebietes geben.
Für Gesell
war schon der Begriff des "nationalen Wirtschaftsgebietes", den auch
Dr. Hunkel benutzte, eine Katastrophe. Mit Freiland und Freihandel würde er
sich niemals vertragen. Die Bodenschätze gehören allen Völkern, werden jedoch
jeweils von einem bestimmten Volk mit Beschlag belegt, obwohl man
beispielsweise auch von "Freikohle" sprechen müßte. Gesell weigerte
sich, für die national-völkischen Zeitschriften gewisser Freiwirte auch nur
eine Zeile zu schreiben.
Hasse und
seine Mitarbeiter suchten nicht im industriellen Proletariat, sondern in der
Bauernschaft die soziale Basis der Freiwirtschaft. Dr. Hack spielte auf die
englische Revolution des 17. Jahrhunderts an, die vom Bauerntum getragen worden
war. Der Bauer sei Schöpfer und das Bauerntum die Quelle, aus der alle anderen
Volksschichten gespeist würden. Für den Mammonismus ist der Gold- und
Zinsaberglaube der Gebildeten verantwortlich! So kam noch eine
antiintellektuelle Tendenz hinzu.
Das Vorbild
der Natürlichen Wirtschaftsordnung soll nicht der freie Wettbewerb, sondern die
Natur sein, welche "mit Recht alles ausmerzt, was den Gesetzen der
Harmonie widerspricht". (16) Der Zins ist für Hasse ebenso wie die
Grundrente eine bösartige Wucherung parasitären Charakters, die aus dem
Volkskörper rechtzeitig herausgeschnitten werden muß. Jeder Mensch soll ein
nützliches Glied der Gesellschaft sein. Eine Zellgemeinschaft wird erst durch
das Stoffwechselsystem zum Organismus. Die Fähigkeit zum
Güteraustausch-Stoffwechsel unterscheidet den Menschen vom Tier. Wer sich dem organischen
Einklang widersetzt, muß ausgeschaltet werden. Das Unrecht dem Einzelnen
gegenüber könne immer nur die Gerechtigkeit des Ganzen sein.
Deutscher
Bund für krisenlose Volkswirtschaft (DBV)
Im Januar
1929 ging aus dem Leser- und Mitarbeiterkreis des "Kulturwarts" der
Deutsche Bund für krisenlose Volkswirtschaft e.V. hervor. Zum ,Bundesführer'
wurde Paul Hasse gewählt, zum Schriftwart Otto Weißleder, zum Kassierer Kurt
Nöhricke (noch im gleichen Jahr durch den Oberingenieur Leck ersetzt). Ein Bund
für krisenlose Volkswirtschaft bestand zunächst in Halberstadt. Er dürfte die
Keimzelle gewesen sein.
Das
Bundesprogramm umfaßte 11 Punkte, genau genommen nur zehn, denen jedoch
"die Befreiung des deutschen Volkes von inneren und äußeren Feinden"
vorangestellt war. Gefordert wurde die Brechung der Übermacht des Geldes, eine
Indexwährung, organischer Abbau des Zinses, Schutz des Eigentums, voller
Arbeitsertrag, Steigerung der Gütererzeugung bis zur vollen Bedarfsdeckung,
vermehrtes und gegen Entwertung gesichertes Sparen sowie eine "auf
lebendiges Recht und gegenseitige Leistung gegründete Volksgemeinschaft".
Später kam noch die besondere ,Förderung der produktiven Stände' hinzu. Im
übrigen wurde die "Gefahr der Überfremdung, des weiteren Fortschreitens
der Verschuldung und Internationalisierung der deutschen Volkswirtschaft"
bekämpft.
Dieses
Programm sollte das soziale Dynamit entschärfen und die weitere
Proletarisierung des Mittelstandes aufhalten. Strikt war der Bund gegen
internationale Freizügigkeit. Der deutsche Grund und Boden sollte allein den
Deutschen vorbehalten bleiben - den anständigen Deutschen unter Ausschluß der
Verbrecher und anderer asozialer Elemente.
Zunächst
legte sich der DBV auf Einzelmitgliedschaft fest. Doch eine Bundesversammlung,
die am 29.10.1929 (noch im gleichen Jahr) in Halle tagte, änderte die Satzung
dahingehend, daß künftig auch Körperschaften beitreten könnten, die mindestens
den 5-fachen Mitgliedsbeitrag zahlen müßten und jeweils 3 Stimmen hätten. Damit
wurden die völkischen Kleinbünde angesprochen, geschlossen in den DBV
einzutreten. Ihre Leiter übernahmen Vorträge oder schrieben Artikel für den
"Kulturwart".
Was anderswo
unter ,FFF' lief, das lief im Bund für krisenlose Volkswirtschaft fast durchweg
unter ,deutsch'. Selbst das Leistungsprinzip wurde als oberster Grundsatz
deutscher Rechtsauffassung hingestellt, als stünde dieses Prinzip nicht in
allen Industriestaaten auf der geschichtlichen Tagesordnung.
1930
radikalisierte sich die politische Lage in Deutschland, sowohl auf den Straßen
als auch im Reichstag und im Preußischen Landtag. Das relative Gleichgewicht
der politischen Kräfte war zerstört. In diesem Übergangsstadium suchte der Bund
für krisenlose Volkswirtschaft seine Bundesgenossen nicht mehr bei bürgerlichen
Parteien wie den Deutschnationalen, sondern auf einmal im revolutionären
Landvolk. Er nahm die Landvolk-Erhebung in Schleswig-Holstein zum Anlaß, sein
Verhältnis zur Bauernschaft zu überdenken. Für diese war Gesell, da er die
Verstaatlichung des Grund und Bodens verlangte, ein Halbbolschewist, und
Freiland ein neuer Trick zum Zweck des Bauernlegens.
Der DBV war
die einzige NWO-Organisation, welche sich solchen Einwänden stellte. Sein
Bundesvorstand legte einer außerordentlichen, eilig einberufenen
Bundesversammlung, die am 4.5.1930 in Halle tagte, den Entwurf einer geänderten
Zielbestimmung vor, nämlich § 2 der Satzung dahingehend zu ändern, daß künftig
nur noch die Ablösung des privaten Eigentumrechts an den Rohstoffvorkommen zu
fordern sei, an "Kohle, Kali, Erzlagern, Erdöl usw." (17)
Höchstwahrscheinlich
ist die Bundesversammlung diesem Antrag gefolgt, indem sie zugleich den
Beschluß faßte, die Verstaatlichung des Grund und Bodens fallenzulassen. (Im
Protokoll, soweit es veröffentlicht wurde, konnte ich allerdings einen solchen
Passus nicht finden.)
Über die
Zahl seiner Mitglieder hüllte sich der Bund für krisenlose Volkswirtschaft in
Schweigen. Geht man von seiner Rügener Arbeitstagung aus, so ist zu schätzen,
daß er zwischen 1930 - 32 etwa 300 - 350 Einzelmitglieder hatte, zu denen
mehrere körperschaftliche kamen. Die Arbeitstagung auf der Insel Rügen fand vom
27.7. bis 3.8.1930 statt. Paul Hasse, der nicht weniger als viermal sprach,
verkündete eine grundlegende Wirtschaftsreformation im Sinne von Martin Luther.
Er wurde ergänzt durch Pastor Walther Schultz,, der das geeignete Mittel zur
Entthronung des Mammons und zur Schaffung des Gottesreiches auf Erden im
Weitertreiben der Reformation sah. Im übrigen sprachen Arnold Wagemann, Vorsitzender
des Bundes für deutsches Recht; Dr. Oskar Aust, der Vorsitzende des Bundes für
deutsche Weltanschauung; Faßhauer, der Vizepräsident des Reichsbundes deutscher
Technik; Hugo Keidel und Arthur Kitson (London). Exzellenz Langemark begrüßte
die Tagung im Namen der völkischen Bewegung. Der Bundesvorstand faßte ihre
Ergebnisse in einer Denkschrift an die Regierung des Reiches und der Länder
zusammen.
Das
biologistische Weltbild
Paul Hasse
vertrat in Rügen und immer wieder die Ansicht, der natürlichen
Wirtschaftsordnung Gesells fehle noch die biologische Begründung. Sie
nachzuliefern sei eine Grundaufgabe des Bundes. Er sollte ein organisches
Weltbild ausarbeiten (das in gewisser Hinsicht ein Protest gegen die
wissenschaftliche Überspezialisierung war). Hasse schwebte allerdings eine
völkisch grundierte Biologie vor, da nun einmal von den völkischen
Lebensgesetzlichkeiten ausgegangen werden müsse. Der Bund für krisenlose
Volkswirtschaft stünde auf dem Boden des Idealismus, wolle diesen jedoch in der
Wirklichkeit verwurzeln, im wirtschaftlichen Stoffwechselbereich, der
rhythmisiert werden müsse. Ein besteuertes und unter Umlaufzwang gestelltes
Geld entspräche "den regulierenden rhythmischen Muskelzusammenziehungen
und Entspannungen des Herzens und der Adern". (18)
Aus der
natürlichen Wirtschaftsordnung wurde eine naturgemäße, die sich an biologische
Abläufe halten sollte, welche ihrerseits auf den deutschen ,Volkskörper'
beschränkt waren. Solch überkluge Leute wie Marx hätten mechanische Systeme
ersonnen, wie die Gesellschaftsvorgänge ablaufen sollen, statt zu beobachten,
wie sie tatsächlich ablaufen. Das mechanistische Weltbild ist den südlichen
Völkern eigen, des organische den nordischen, welche jedoch zu ihrem Unglück
die Auffassung des Südens übernahmen. Nun würde in Europa "der Endkampf
zwischen lebensgesetzlicher und mechanistischer Gesellschaftsordnung
gekämpft". (19)
Paul Hasse
wollte die NWO-Lehre auf eine lebensgesetzliche Grundlage stellen. Gegen den
Einwand, es sei doch eine materialistische Sicht, wie Marx von der Wirtschaft
als Grundlage des gesellschaftlichen Lebens auszugehen, führte er ins Feld, die
Ursache der Erkrankung des deutschen Volkskörpers liege im Stofflichen, in
einem fehlwuchernden Wirtschaftsleben, das die Unfähigen nach oben schwemme.
Also müsse in der Wirtschaft mit der Heilung begonnen werden. Doch hinter den
Erscheinungen liege die Welt der Ideen (welche Hasse platonistisch als Urbilder
deutete). Trotz einer vordergründig materialistischen Sicht stünde der Bund für
krisenlose Volkswirtschaft auf dem Boden des Idealismus.
Dr. Nölle
vertrat allerdings im "Deutschen Kulturwart" den Standpunkt, die
Freiwirte sollten "ehrliche Materialisten" sein. In der
kapitalistischen Mangelwirtschaft könnten weltanschauliche Ideale ohnehin nicht
verwirklicht werden. Wie Pilze wuchern giftige Gedanken in der Moderfeuchte des
sozialen Elends. Der Mensch kann nur gut sein, wenn es ihm auskömmlich gut
geht.
Der DBV trat
allerdings gegen jegliche soziale Fürsorge auf. Besonders stach ihm die der
Weimarer Republik 1927 eingeführte Arbeitslosenversicherung ins Auge. Sie war
für Hasse der beste Schutz zur Aufrechterhaltung der Geldherrschaft (20) lenke
sie doch die Arbeiter durch einen Almosen-Sozialismus von den Finanzhyänen ab.
Dem
gegenüber unterstützte der Bund die Aufrüstung der deutschen Flotte. Der
deutsche Volksorganismus müsse wehrhaft bleiben. Dr. Aust meinte sogar, dass
"der Kriegszustand in wirtschaftlicher Hinsicht einen Zustand größerer
Naturgemäßheit darstellt als der Zustand modernen Friedens" (21), da er
das Rentabilitätsgesetz außer Kraft setze.
Bur Suhrens
Vorschlag einer freiwirtschaftlichen Weltsprache (Esperanto) stieß im DBV auf
schroffe Ablehnung. In Deutschland sollte nur deutsch gesprochen, geschrieben
und gedruckt werden. Überhaupt war Bur Suhren mehrfach das Ziel heftiger
Angriffe im "Deutschen Kulturwart": er als ehemaliger Hauptmann
sollte das eigene Nest nicht beschmutzen. Der "Kulturwart" sprach vom
Giftbaum der Börse. Das dem Orient entstammende Geldwesen habe die germanische
Seele gemordet. Suhren erklärte, er halte nichts vom biologischen Denken. Die
Natürliche Wirtschaftsordnung dürfe nicht in den Rahmen der Naturgesetze
gezwängt werden. Worauf Hasse sich und seine Leser fragte, ob Suhren nicht
"eine Sprengbombe in der Freiwirtschaftsbewegung" (22) sei, wer sie
wohl gelegt habe und in wessen Auftrag er wühle.
Der Abbau
des Staates war für den Bund undiskutabel. Ohne seine Hoheitsrechte könnten
bestimmte Gefahren biologischer und rassehygienischer Art nicht gebannt werden.
Im
"Deutschen Kulturwart" fand ich auch einen Aufsatz über den
Getreideanbau von morgen, der sich auf den Vortrag eines früheren russischen
Gutsherrn und Hofrats ebenso stützte wie auf Erfahrungen eines
landwirtschaftlichen Versuchsrings in Ostrau-Sachen. Er brachte auch den ersten
Artikel über die Implosionstechnik Victor Schaubergers.
Hasses
"organisches Weltbild" hatte wegen seiner biologistisch-völkischen
Grundlage mit dem von Paul Diehl nur wenig gemeinsam. Es sollte von Otto
Lautenbachs "Schule der Freiheit" wieder aufgegriffen und
weitergedacht werden. Aber zunächst ging die Saat im Rolandbund auf.
1 Annonce
der Zeitschrift "Neues Leben" in "Deutsche Freiwirtschaft"
1/19, die davon selbst gezeichnet war
2 Gustav
Simons, Das Gesamtbild deutscher Erneuerungsbestrebungen, Berlin 1919, S. 25
3 Deutsche
Freiwirtschaft, Mai 1919
4 Deutsche
Freiwirtschaft, November 1919
5 Deutsche
Freiwirtschaft, März 1920
6 Deutscher
Kulturwart, Oktober 1924
7 ebenda
8 ebenda
9 ebenda
10 Deutscher
Kulturwart 6/1924
11 Deutacher
Kulturwart 2/1924
12 Deutscher
Kulturwart 4/1924
13 Deutscher
Kulturwart 3/1924
14 ebenda
15 Deutscher
Kulturwart 2/1929
16 Deutscher
Kulturwart 7-8/1929
17 Deutscher
Kulturwart 4/1930
18 Deutscher
Kulturwart 6/1929
19 Deutscher
Kulturwart 7-9/1930
20 Deutscher
Kulturwart 12/1929
21 Deutscher
Kulturwart 1/1930
22 Deutscher
Kulturwart 5/1924
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Günter
Bartsch: Die NWO-Bewegung
ISBN
3-87998-481-6; Lütjenburg: Gauke, 1994
Im Juni 2001 gescannt, korrekturgelesen und ins Netz gestellt von
W. Roehrig