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Günter
Bartsch: Die NWO-Bewegung
ISBN
3-87998-481-6; Lütjenburg: Gauke, 1994
VIII.
FFF-Kartell
Die
Reichstagswahlen vom 30. September 1930 brachten einen politischen Erdrutsch.
Der NSDAP gelang es schlagartig, den Prozentsatz ihrer Wählerstimmen von 1,9 %
auf 17,3 % zu steigern und statt ihrer bisherigen 12 Reichstagssitze 107 zu
erobern. Die KPD erhöhte ihre Stimmenzahl von 10,6 auf 13,1 % und die Zahl
ihrer Abgeordneten von 54 auf 77. Dadurch wurde die politische Mitte der
Weimarer Republik zerrieben. NSDAP und KPD beherrschten nun den Preußischen
Landtag. Dort wie auch im Reichstag erschienen sie in Kampfanzügen - die
Nationalsozialisten in SA-Uniform, die KPD-Abgeordneten größtenteils in der
Uniform des Roten Frontkämpferbundes (RFB). Die Tage der Weimarer Republik
waren gezählt. An die Stelle der parlamentarischen Demokratie trat ein
Präsidialsystem, das mit Notverordnungen regierte.
Der
politische Erdrutsch vom 30.9.1930 war auch für die NWO-Bewegung ein
Alarmsignal. In ihren verschiedenen Organisationen dachte man darüber nach, ob
es nicht mehr Gemeinsames als Trennendes gäbe. Im folgenden Jahr bildete sich
spontan eine Reihe von FFF-Arbeitsgemeinschaften, jeweils aus Vertretern
mehrerer NWO-Organisationen. Sie entstanden in Dortmund, Bielefeld, Halle,
Liegnitz, Striegau, Freiburg (Br.), Leipzig, Schmölln (Thürg.), Frankfurt/Main,
Königsberg, Dabringhausen, Emden, Magdeburg, Stuttgart und Köln, womöglich auch
an anderen Orten.
Das Attentat
Der
arbeitsgemeinschaftliche Denkprozeß wurde abrupt beschleunigt durch das
Attentat auf den Reichsbankpräsidenten Dr. Hans Luther. Für die öffentliche
Meinung handelte es sich zunächst um einen nationalsozialistischen, dann um
einen freiwirtschaftlichen Anschlag. Am 9. April 1932 befand sich der
Reichsbankpräsident im Potsdamer Bahnhof, als zwei Männer auf ihn zutraten und
der eine auf ihn schoß. Die Kugel streifte aber nur seinen rechten Oberarm und
verursachte lediglich eine Fleischwunde. Das Attentat glich mehr einer
politischen Demonstration als einem Mordanschlag. Tatsächlich sollte es die
öffentliche Meinung auf die Reichsbankpolitik lenken.
Die beiden
Revolver-Demonstranten waren keine Freiwirtschaftler, aber Anhänger der
Schwundgeldtheorie - sowohl Dr. Max Rosen (Hamburg) als auch Werner Kerschner
(Etzdorf). Sie standen am äußersten Rande der NWO-Bewegung. Rosen hatte wegen
der Wära-Aktion begeisterte Briefe an die Tauschgesellschaft geschrieben. Den
Schuß auf Dr. Luther feuerte Kerschner ab. Noch im Potsdamer Bahnhof verfaßten
sie eine Selbstanzeige: "Dem ordentlichen Richter und dem deutschen Volk
werden wir über diese Tat Rechenschaft ablegen. Wir wünschen die Eröffnung des
Hauptverfahrens und beantragen unter Ablehnung des Schnellverfahrens die
gerichtliche Voruntersuchung."
Den beiden
lag an einer möglichst langwierigen öffentlichen Gerichtsverhandlung, um ihre
Tat vor aller Welt ausführlich begründen zu können. Sie waren vorübergehend
Mitglieder der NSDAP gewesen, inzwischen jedoch einer von unbekannter Hand
gegründeten neuen Organisation unter dem Namen Freigeld, Freiwirtschaft,
Freiboden beigetreten.
Dr. Rosen
schlug die Einführung einer Doppelwährung (Rentenmark und Reichsmark) vor, um
den Zinsfuß zu senken, auch den Abbau des Staates und eine Wertzuwachssteuer,
um wenigstens 75 % der Konjunkturgewinne abzuschöpfen. (1)
Durch die
neue Organisation ließ er - nach mehreren Flugblättern - eine Anklageschrift
gegen den Reichsbankpräsidenten verbreiten, die ihn des Betrugs, der
Wechselreiterei, verschleierter Buchführung und der Schädigung des deutschen
Volksvermögens bezichtigte. Erst als auch dieser Versuch scheiterte, die
Reichsbank von ihrer Währungspolitik abzubringen, entschloß er sich mit
Kerschner zum Attentat, um die Öffentlichkeit aufzurütteln. Die "Wiener
Arbeiterzeitung" (Organ der SPÖ) schrieb dazu: "Es scheint, daß das
Attentat nicht dem Leben Luthers gelten sollte, sondern nur einer Reklame für
die närrische Freigeldbewegung diente". (2)
Der
Fisiokratische Kampfbund erklärte durch seinen Geschäftsausschuß, die Schüsse
hätten dem Exponenten des herrschenden Währungssystems gegolten, dem Urheber
des Hungers und der Obdachlosigkeit. Obwohl durch die Beseitigung von Personen
der Kapitalismus nicht getroffen werden könne, sei das Attentat eine Propaganda
der Tat gewesen. Es werde nun weniger schwierig sein, die Gesellschen Ideen den
Menschen nahe zu bringen. Was um so größere Bedeutung haben könne, als
erhebliche Teile "der revolutionären Arbeiterschaft nicht mehr gewillt
sind, den Parolen der KPD zu folgen. Fisiokraten! Nutzt die günstige Situation!
Veranstaltet überall große Versammlungen! Sprecht überall über das
Attentat!" (3)
Die
"Letzte Politik" bezeichnete das Attentat zwar als
"kurzsichtig", jedoch als "Alarmschuß auf einen
Schuldigen". (4) Darauf wurde diese Ausgabe beschlagnahmt. Durch ihre
Verherrlichung der Tat sei die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet.
Die Veranstaltungen des FKB und des FWB wurden nun überwacht. Der FKB fühlte
sich unter Polizeiaufsicht gestellt. Er rief zu "revolutionärer
Arbeit" (5) auf, was der Weisung gleichkam, ggf. in den Untergrund zu gehen,
wenn man anders nicht mehr tätig sein könne. Selbst zu Gruppensitzungen
erschienen Polizeikommissare. Das war jedoch nur kurze Zeit der Fall. Es
stellte sich bald heraus, daß die Organisation, der Rosen und Kerschner
angehörten, weder mit dem FWB noch mit dem FKB identisch war (was die
Untersuchungsbeamten zunächst angenommen hatten).
Die ersten
Schritte zueinander
Das
Näherrücken der verschiedenen Organisationen äußerte sich zunächst in der
Bildung eines Hamburger Anti-Zins-Kartells, an dem außer den örtlichen Gruppen
von FWB und FKB auch die Menschheitspartei Wilhelm Heydorns sich beteiligte.
Das ,A-K', wie es kurz genannt wurde, organisierte am 16. und 18. April 1931
zwei gut besuchte öffentliche Veranstaltungen über das Thema: "Wir wollen
Freiheit und Gerechtigkeit!" Das Referat hielt jeweils Wilhelm Heydorn, in
der Diskussion sprachen K. Siegel für den FWB und Fr. Weiser für den FKB.
Einige
Monate später richteten die Neuruppiner Freiwirtschaftler einen Aufruf an alle
Freiwirte, Physiokraten und Freunde Gesells, ihre Zwistigkeiten auszuräumen und
die verlorengegangene Einheit wiederherzustellen.
Das war im
August 1932. Den nächsten Schritt tat der Bund für krisenlose Volkswirtschaft.
Er rief zu einer gemeinsamen Konferenz in Halberstadt auf, zu der aber außer
seinen eigenen Delegierten niemand gekommen sein soll.
Nun ergriff
der FKB die Initiative. Er lud den FWB und die Freiwirtschaftliche Partei zu
einer gemeinsamen Tagung in Berlin-Treptow ein. Sie fand auch statt. Der FWB
wandte sich jedoch gegen die Bildung einer Dachorganisation auf dem Boden der
Timmschen FFF-Begriffsbestimmungen von 1923 (was der FKB zur Bedingung machte).
Artur Rapp sprach sich im Namen des FWB gegen die Festlegung von Zielen und
Begriffen aus: "Wir müßten gefühlsmäßig eine Massenorganisation
zusammenbringen, aber nicht mit logischen, verstandesmäßigen Zielsetzungen die
Werbung erschweren. Wir sollten uns an den Nationalsozialisten ein Beispiel
nehmen." (6)
Heraus kam
schließlich die Bildung eines Berliner FFF-Kartells, aber nur von FKB und FPD.
Je zwei Vertreter bildeten einen gemeinsamen Ausschuß. Der Kampfbund erklärte,
er sei (nicht mehr) grundsätzlich gegen jede Wahlbeteiligung. "Wenn FKB,
FPD und FWB zu einer gemeinsamen propagandistischen Arbeit im FFF-Kartell
kommen und wieder Reichstagswahlen stattfinden, dann soll eine gemeinsame
Wahlbeteiligung zum Zwecke des Zählens aller FFF-Anhänger ins Auge gefaßt
werden." (7) Das war dieselbe Auffassung des Parlamentarismums, wie sie
die KPD vertrat.
Die
Neuruppiner Freiwirte hatten viel freudige Zustimmung aus der NWO-Basis
erhalten, waren jedoch bei einigen Organisationszentralen auf Zurückhaltung
gestoßen. Nun erließen sie einen zweiten Aufruf, die Zerklüftung zu überwinden.
Angesichts einiger starrköpfiger Führer sei es notwendig, die Einheitsfront
"von unten herauf" zu schaffen. Sie empfahlen dringend, "dass
die Ortsgruppen aller Richtungen korporativ der Dachorganisation beitreten,
sofern die eigene Organisation den Anschluß ablehnen sollte." (8)
Vorerst
stimmten nur drei NWO-Organisationen der Bildung eines FFF-Reichskartells zu,
es gab jedoch mindestens elf:
Freiwirtschaftsbund
Fisiokratischer
Kampfbund
Freiwirtschaftliche
Partei Deutschlands
Physiokratische
Vereinigung
Bund für
krisenfreie Volkswirtschaft
Landesverband
sächsischer Freiwirte
Wära-Tauschgesellschaft
Verein für
FFF
Freiwirtschaftlicher
Kampfring Oldenburg-Ostfriesland
Mutterlandbund
Arbeitsgemeinschaft
Silvio Gesell
Als Alfred
Bader diese Liste der NWO-Organisationen zusammenstellte, hoffte er, wenigstens
die Mehrzahl genannt zu haben. Die NWO-Bewegung war derart aufgesplittert oder
aufgegliedert, daß buchstäblich niemand zu sagen vermochte, was alles
dazugehörte. Dazu gehörte z. B. auch ein Heidelberger Bund für freie
Wirtschaft, der aufklärerisch tätig war und dem laut Alfred Bader auch mehrere
FKB-Mitglieder angehörten. Dieser Bund wollte die politische Macht auf dem Wege
parlamentarischer Betätigung gewinnen.
Die
Neuruppiner Freiwirtschaftler betonten abermals, innerhalb des FFF-Kartells,
das sie vorgeschlagen, sollten die Selbständigkeit der einzelnen Organisationen
nicht angetastet werden. Es gehe vielmehr darum, "durch Zusammenfassung
aller freiwirtschaftlichen Kräfte propagandistisch im großen Stil unsere Idee
zum Vorteil der Gesamtbewegung und damit auch zugunsten der
Einzelorganisationen zu einer großen und kraftvollen Entwicklung und Enfaltung
zu bringen." (9) Die Ortsgruppen aller FFF-Organisationen wurden für den
7./8. 10. 1932 zu einem Reichskongreß nach Northeim eingeladen.
Der Kongreß
fand unter Beteiligung des Bundes für krisenfreie Volkswirtschaft (was den FKB
eher erschreckte als freute). Über 100 Ortsgruppen "aus allen Lagern"
der NWO-Bewegung hatten Delegierte oder Sympathieerklärungen geschickt. Einem
Bericht zufolge zeigte sich, "daß die bestehenden Unstimmigkeiten
hauptsächlich formaler und weniger sachlicher Natur sind". (10) Mit
‚formal' waren insbesondere "die persönlichen Gegensätze zwischen den
Leitern der verschiedenen Organisationen" gemeint.
Das
Reichskartell
In Northeim
wurde keine neue Einheitsorganisation gegründet, sondern der Dach- und
Zweckverband des FFF-Reichskartells. Er nahm nur geschlossene und bereits
bestehende Ortsgruppen der verschiedenen NWO-Organisationen auf. Dabei waren
auch Einzelmitglieder und Außenseiter eingeladen.
Die
Tätigkeit des Kartells sollte durch Spenden und periodische Umlagen der
angeschlossenen Organisationen finanziert werden. Der Kongreß wählte einen
7-köpfigen Vorstand: Gustav Gänserich, Herbert Müller, Dr. Nordwald, Rödiger,
Sander, Scheer, Richard Batz. Zum Vorsitzenden wurde Gustav Gänserich
(Einbeck), zum Geschäftsführer Herbert Müller (Neuruppin) bestellt. Sie sollten
versuchen, "auch alle noch abseits stehenden Gruppen zu erfassen".
(11)
Der Kongreß
beschloß auch eine Satzung des Reichskartells. Ihre wichtigsten Punkte waren
die folgenden:
"I. Die
Entwicklung der Dinge wird die freiwirtschaftliche Bewegung vielleicht schon in
kurzer Zeit vor Ereignisse stellen, welche den gesammelten Einsatz aller
freiwirtschaftlichen Kräfte erfordern. Die Arbeit an der Klärung der Gegensätze
in unseren eigenen Reihen mit dem Ziele der Vereinheitlichung der ganzen
Bewegung ist daher gegenwärtig unsere vordringlichste Aufgabe.
II. Die
Basis für diese Klärungs-und Einigungsarbeit ist durch einen kartellmäßigen
Zusammenschluß aller (?) freiwirtschaftlichen Einzelorganisationen geschaffen
worden. Die Arbeit dieses Kartells - und zwar sowohl der Ortsverbände als auch
des Gesamtkartells - hat in der persönlichen Fühlungnahme zwischen den
Mitgliedern der einzelnen Organisationen, der Aussprache über
Meinungsverschiedenheiten, Beseitigung von Mißverständnissen, ferner in der
Vorbereitung und Durchführung gemeinsamer Aktionen, im gegenseitigen
Redneraustausch, Schaffung eines gemeinsamen Pressedienstes usw. zu bestehen.
III. Es
erscheint durchaus nicht ausgeschlossen, auf diesem Wege auch die
organisatorische Einheit der gesamten Freiwirtschaftsbewegung wieder zu
erreichen. Im Hinblick auf dieses Ziel haben sich die im Kartell vereinigten
Bünde zu verpflichten, offen und zuverlässig miteinander zu arbeiten,
Gegensätze in loyaler, von gegenseitigem Vertrauen getragener Weise
auszufechten, keine irreführenden Auffassungen über andere, dem Kartell
angeschlossene Organisationen zu verbreiten oder zu stützen und keine
unausgesprochenen Absichten gegen andere Kartellorganisationen zu
verfolgen". (12)
Diese
Satzung war nicht im Sinne des FKB, welcher ebenso wie der FWB nur Beobachter
zum Northeimer Kongreß entsandt hatte. Insofern täuschte Punkt II der Satzung
etwas vor. Der individuelle Egoismus, den nicht allein die Fregosten pflegten,
entwickelte sich jetzt zum Organisations-Egoismus, der entschieden gegen die
Bildung von Ortsgruppen des Reichskartells auftrat, die den eigenen
Territorial- und Führungsanspruch in Frage gestellt hätten. Örtliche
Zusammenarbeit ja, aber keine gemeinsame Organisation. "Getrennt
marschieren, vereint beraten!" (Alfred Bader).
Kaum
gewonnen, schon zerronnen
Anfangs
unterstützte der Fisiokratische Kampfbund wenigstens die Bildung von
FFF-Bezirkskartellen. So am 4.9.1932 in Weinböhla-Dresden, wo ein
Freiwirtschaftliches Bezirkskartell Dresden und Umgebung entstand. Die
Konferenz wählte einen zweiköpfigen Vorstand - Netzband (FKB), Schultze (FWB) -
der gleichsam paritätisch besetzt war. Im Dezember 1932 schrieb der neue
FKB-Geschäftsführer: "Die Gründung von Bezirkskartellen trägt den Keim
einer neuen Organisation in sich, wenn es nicht gelingt, die drei großen
Reichsorganisationen zur Zusammenarbeit zu bringen . . . Den Organisationen in
Form von Kartellen Bollwerke entgegenzubauen heißt, sie wieder
auseinanderzutreiben und - eine neue hinzufügen." (13) Die sachliche
Einigung läge im Aufgehen der FPD und des FWB im FKB.
Der FWB
machte seinen Anschluß an das Reichskartell von einigen Änderungen der
Northeimer Satzung abhängig; er wollte sich nicht auf die physiokratische
Definition der drei FFF festlegen lassen.
Vorbehaltlos
scheint allein der Bund für krisenlose Volkswirtschaft gewesen zu sein. Die
meisten NWO-Organisationen nahmen das Reichskartell nur zur Kenntnis.
Gustav
Gänserich als dessen Vorsitzender wollte den Dachverband mit Pfeilern versehen.
Er schlug einen Umbau der Organisationen zwecks allmähliger Vereinheitlichung
vor. Der FKB reagierte darauf am gereiztesten. Das Erbe der Physiokratischen
Vereinigung in Anspruch nehmend, verstand er sich als Mutter der NWO-Bewegung,
im Vergleich zu der alle anderen Organisationen Töchter wären. Mehr noch: der
Freiwirtschaftsbund sei im Mai 1924 vom Fisiokratischen Kampfbund
"abgesplittert" und sollte daher in seinen Schoß zurückkehren.
Eine ganze
andere Absicht lag den Arbeitsgemeinschaften Silvio Gesell zugrunde, (die mit
den FFF-Arbeitsgemeinschaften nicht identisch waren). Sie bildeten sich in
Breslau, Leipzig, Köln, Braunschweig und Freiburg/Br. Der Name des Urhebers der
Natürlichen Wirtschaftsordnung diente ihnen als Brücke, auf der sich die
verschiedenen Richtungen wieder treffen sollten und auch tatsächlich trafen.
Sie veranstalteten Silvio-Gesell-Feiern, aber auch Vortragsabende, richteten
Treffpunkte ein und sprachen das Gefühl an.
Dr. Anton
Nordwall der in Norderney ein vegetarisches Restaurant unterhielt, avancierte
zum Kandidaten des FFF-Reichskartells für die Wahl am 6.11.1932. Der
Freiwirtschaftsbund schloß sich davon allerdings aus. Nordwall war Mitglied des
Fisiokratischen Kampfbundes; daher wurde ihm seitens des FWB das Recht
abgesprochen, als einziger Kandidat der NWO-Bewegung aufzutreten.
Örtliche
FFF-Reichskartelle bildeten sich in Köln, Pattscheid, Dortmund und anderen
Orten, auch ein zweites Bezirkskartell für Ostwestfalen-Lippe. Doch es war
schon zu spät - die braune Flut sollte bald alle verschlingen.
Der FKB
griff noch den Vorschlag Dr. Nordwalls zu einer Eilgeldaktion auf, die unter
Verzicht auf Freigeld lediglich eine beschleunigte Umlaufgeschwindigkeit der
üblichen Banknoten zum Ziele hatte. Aber Berlin sollte davon ausgenommen
werden. (14) Nordwall hoffte, die Umlaufbeschleunigung des gesetzlichen Geldes
würde denselben Effekt wie privates Freigeld haben. Die Wära-Tauschgesellschaft
beschloß, nun auch Eilgeld als Zahlungsmittel anzunehmen. Grundsätzlich wollte
man ,unbeirrt' beim Freigeld bleiben, doch das Eilgeld sollte über seinen Sinn
und Zweck aufklären. Es entsprach der Hektik des politischen Treibens.
Der
Freiwirtschaftliche Kampfring Oldenburg-Ostfriesland schlug dem Reichskartell
vor, sich in Reichskampfring FFF umzubenennen. "Der Ausdruck ,Kartell' hat
einen üblen Beigeschmack . . . Im Ausdruck ,Kampfring' ist sowohl das Einigende
als auch das Kämpferische unseres Wollens enthalten." (15) Auch örtlich
sollten überall Kampfringe gebildet werden, um die Mitglieder so fest
zusammenzuschließen, daß überall "die größte Stoßkraft im Kampf um die
Verwirklichung des FFF-Gedankens" gewährleistet sei.
Doch das
Reichskartell war alles andere als kämpferisch, eher eine FFF-Diplomatie.
Solche Organisationen wie die Freiwirtschaftliche Frauenliga (Freiburg) und die
Gewerkschaft Voller Arbeitsertrag (Wuppertal) sprach es kaum noch an.
Das
Reichskartell führte die Wahlverhandlungen und konnte sie in allen Bezirken
abschließen. Es rief zu einem allgemeinen FFF-Opfertag auf, der Spenden für
seine Tätigkeit bringen sollte. "Zur Durchführung unserer Aktionen
brauchen wir in allen Bezirken Vertrauensmänner. Wir bitten um Meldungen und
Vorschläge, möglichst nur von Mitkämpfern, die allseitiges Vertrauen besitzen
und befähigt sind, in sachlicher Zusammenarbeit mit allen angeschlossenen
Organisationen und Gruppen noch größere Aktionen zu leiten und
durchzuführen." (16)
Der FKB
behauptete im November 1932, als bisher einzige Organisation (geschlossen) dem
Reichskartell beigetreten zu sein. An den Wahlen beteiligte er sich trotz
seiner Zusage nicht, da durch den Widerspruch des FWB gegen die Kandidatur von
Dr. Nordwall die Möglichkeit einer Heerschau der NWO-Anhänger entfallen wäre.
Im
Hintergrund waren Bemühungen im Gange; eine soziale Synthese der verschiedenen
NWO-Richtungen zustandezubringen. Das politische Zweckbündnis innerhalb des
Reichskartells sollte eine geistige Grundlage erhalten. Diesen Versuch startete
Karl Rist im November 1931 mit dem Ziel, durch eine "soziale
Verkehrsregelung" der verschiedenen Richtungen eine geistige Festwährung
der NWO-Bewegung zu erreichen. Zu diesem Zweck sollte das Verhältnis der
Individual- und Sozialrechte untersucht werden, um den immanenten Konflikt
zwischen Individualismus und Sozialismus abzubauen. Rist richtete Studienabende
ein, welche zunächst die verschiedenen Begriffe von Freiwirtschaft klären und
aufeinander abstimmen sollten. Seine Gleichgewichtstheorie besagte folgendes:
Alles Geschehen ist proportional geordnet. Jede Änderung einer Komponente
verlangt und erzwingt auch die der anderen Komponenten innerhalb der
mathematischen Gleichung. Ein totaler Umsturz ist unmöglich. Alle Änderungen
sind relativ. Denn alles Seiende, ob positiv oder negativ empfunden, steht in
einem ganz bestimmten Verhältnis zueinander. Auch das Wissen unterliegt dem
nivellierenden Gesetz der Proportionalität. Demnach war niemand im Besitz der
totalen Wahrheit. Keine NWO-Richtung sollte das beanspruchen. Ihr begrenztes
Wissen könnte sich nur im Zusammenhang mit der anderen Richtungen erweitern.
Das Reichskartell
kam dem Organisations-Egoismus weit entgegen, als es beschloß, daß
FFF-Arbeitsgemeinschaften, die keiner der bestehenden Organisationen angehören,
nur unter der Voraussetzung die Mitgliedschaft erwerben könnten, "dass sie
sich einer Reichsorganisation anschließen." (17) Davon gab es nur drei:
FWB, FKB and FPD. Ihnen allein kam der Beschluß zugute. Mit ihm wurde ein
Organisationszwang ausgeübt, der die Grundlage des Reichskartells sogleich
wieder zerstörte. Diese Grundlage hatte in freien Arbeitsgemeinschaften aus
Mitgliedern verschiedener Organisationen sowie aus Unorganisierten bestanden.
Hinzu kam
die Regelung, von einer Organisation abgesplitterte Gruppen könnten nur ins
Reichskartell aufgenommen werden, wenn der Vorstand dieser Organisation damit
einverstanden sei. Das Kartell war ein Organ der Bewegung, welche die
Organisationen hätte unter ihre Kontrolle bringen müssen. Statt dessen wurde es
von den Organisationen kontrolliert, durch drei Monopolisten, von denen jeder
glaubte, er besäße den Alleinvertretungsanspruch. (Dieser Dünkel war
insbesondere dem FKB eigen.) Doch sie dankten die besagten Beschlüsse dem
Reichskartell schlecht, ließen es vielmehr im Stich and entzogen sich der
finanziellen Umlage. Der Fisiokratische Kampfbund gründete schließlich ein
neues und eigenes Kartell: den Wära-Bund. Damit war die letzte Chance einer
NWO-Einheitsfront gegen den Nationalsozialismus zu Grabe getragen.
1 Letzte
Politik 17/1932
2 Wiener
Arbeitszeitung 10.4.1932
3
FKB-Mitteilungsblatt 5/32
4 Letzte
Politik 14/1932
5 Letzte
Politik 15/1932
6 Letzte
Politik 34/1932
7 Letzte
Politik 35/1932
8 Letzte
Politik 35/1932
9 Letzte
Politik 35/1932
10 Letzte
Politik 41/1932
11 Letzte
Politik 40/1932
12 Letzte
Politik 21/1933
13 FKB-Mitteilungsblatt
v. 24.12.32
14 Letzte
Politik 49/1932
15 Letzte
Politik 46/1932
16 Letzte
Politik 45/1932
17 Letzte
Politik 45/1932
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Günter
Bartsch: Die NWO-Bewegung
ISBN
3-87998-481-6; Lütjenburg: Gauke, 1994
Im Juni 2001 gescannt, korrekturgelesen und ins Netz gestellt von
W. Roehrig