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Günter Bartsch: Die NWO-Bewegung

ISBN 3-87998-481-6; Lütjenburg: Gauke, 1994

 

 

 

 

 

 

Teil 1 (1891-1932/33)

 

Zum Begriff

 

Warum keine Geschichte der FFF-Bewegung? Weil sich Gesell gegen das dritte F ausgesprochen hat.(1) Und warum keine Geschichte der Freiwirtschaft? Weil Gesell eine Art Zweistufenplan hatte: erst Freiwirtschaft, dann Physiokratie.

 

In den letzten Jahrzehnten ist es freilich üblich geworden, die Anhänger und kämpferischen Vertreter seines Ideenguts als "Freiwirtschaftler" zu bezeichnen. Sie nennen sich auch selber so. Im Deutschen Kaiserreich und während der Weimarer Republik haben sich jedoch viele von ihnen lieber "Physiokraten" genannt.

 

Einer davon, Martin Hoffmann, hat damals sogar von verschiedenen Bewegungen gesprochen und einen scharfen Trennungsstrich gezogen. Auf der einen Seite der Barrikade stünde die bürgerliche Freiwirtschaft, auf der anderen die proletarische Physiokratie. Jedoch handelte es sich um verschiedene Entwicklungsformen derselben Idee.

 

Im Begriff der NWO-Bewegung sind beide Strömungen wieder zusammengefaßt. Er stützt sich auf Gesells Werk "Die natürliche Wirtschaftsordnung", kurz NWO genannt. Hier geht es um eine ganzheitliche Betrachtung, die auch Zwischenströmungen und Außenseiter einbezieht. Als Verbindungsglied kann der Begriff "Gesellianer" dienen, jedenfalls bis 1945, auch der Begriff "Freiwirt"!

 

 

 

 

Zur Methode

 

Meine Studie geht vom historischen Standpunkt statt von dem eines Anhängers aus. Dieser Standpunkt ist notwendigerweise ein distanzierter, was überhaupt erst die Möglichkeit verschafft, wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen. Er muß möglichst objektiv und überschauend sein. Kühl, aber nicht kalt. Der Historiker kann nicht Partei ergreifen, ohne seine Aufgabe zu verfehlen, weder Partei für eine bestimmte Bewegung noch für eine Strömung innerhalb derselben.

 

Andererseits verlangt die historische Methode, wie ich sie verstehe, eine sehr intensive Beschäftigung mit dem Stoff. Distanz und Intensivität müssen sich ergänzen. Die Distanz ermöglicht eine kühle Betrachtung von außen, die Intensität tastet das Innenleben der betreffenden Bewegung ab. Zur Würdigung des letzteren sind die wissenschaftlichen Kriterien zu eng, da beispielsweise auch der biographische Aspekt berücksichtigt werden muß. Gerade in der NWO-Bewegung, die sich im großen und ganzen als eine individualistische verstand, spielten Persönlichkeiten und ihre Eigenarten eine größere Rolle als anderswo. Um so erstaunlicher ist, daß sie es überhaupt zu Organisationen brachte. Der historischen Methode obliegt in diesem Fall die besondere Aufgabe, das Verhältnis von Individualismus und Organisation zu erforschen. Keine andere soziale Bewegung hat diese Spannung im gleichen Maße aufzulösen oder zu nutzen vermocht.

 

 

 

 

 

Zum Zusammenhang

 

In welchem Bezugsrahmen entstand die NWO-Bewegung? Sie bildete sich als eine Art Subkultur innerhalb der sozialen Gesamtbewegung heraus, in der sie eine bestimmte, sonst vernachlässigte Aufgabe übernahm: das Problem des Geldes und der Grundrente unter dem Gesichtspunkt sozialer Gerechtigkeit zu lösen, was auch die Währungsfrage einschloß.

 

Im Sozialen Komplex, welcher alle sozialen Bewegungen und Sonderbewegungen umfaßt, sind diese arbeitsteilig aufeinander zugeordnet. Er birgt jene utopische Spannung, welche erforderlich ist, um die Verkrustung der Gesellschaft zu verhindern und ihre ungelösten Probleme aufzuarbeiten. (2) Geschieht das nicht, kommt es in gewissen Abständen zu Revolutionen. Jede soziale Bewegung bedarf einer eigenen Sozialutopie, um die Bannschranke der gegenwärtigen Verhältnisse zu durchbrechen und ihre Aufgaben zu lösen. Jede schlägt einen anderen Weg ein und entwickelt spezifische Methoden wie auch besondere Organisationsformen. Doch das Ziel ist im wesentlichen dasselbe: die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abzuschaffen und eine Neue Gesellschaft zu formen, die dem Prinzip der sozialen Gerechtigkeit entspricht.

 

Zum Sozialen Komplex gehören alle gesellschaftlichen Kräfte, welche die soziale Frage stellen, einen Vorschlag zu ihrer Lösung machen und sich um seine Realisierung auch praktisch bemühen. Die verschiedenen Theorien und Ideologien sorgen für den geistigen Stoffwechsel innerhalb der sozialen Gesamtbewegung. Alle sozialen Bewegungen und Sonderströmungen schwingen um die Grundfrage nach dem Verhältnis der Arbeit zum Kapital und zum Boden. Ihr gemeinsames Dogma ist das Primat der Arbeit und die Auffassung, sie sei die Quelle jeglichen Reichtums.

 

Ich habe die NWO-Bewegung schon anderweitig als eine Soziale Sonderbewegung charakterisiert. (3) Sie entstand am Rande des Sozialen Komplexes, hat diesen jedoch insgesamt beeinflußt und vor gewisse Fragen gestellt, welche noch immer aktuell sind. Isoliert dargestellt und außerhalb des sozialen Gesamtkomplexes könnte sie m.E. nicht begriffen werden.

 

Eine andere soziale Sonderbewegung war die von Rudolf Steiner inspirierte Soziale Dreigliederung. Zwischen Steiner und Gesell gab es mannigfache Berührungspunkte, als hätte der erste die esoterische und der zweite die exoterische Seite desselben Grundanliegens vertreten. Auch in der NWO-Bewegung leuchtet mehrfach eine Dreigliederungsidee auf.

 

Das Hauptfeld der NWO-Bewegung war Deutschland, von wo sie sich auf andere Länder ausbreitete, insbesondere auf die Schweiz und Österreich. Wir können uns im wesentlichen auf die deutschen Freiwirtschaftler und Physiokraten beschränken, da sie prototypisch waren und musterbildend wirkten.

 

 

 

 

 

 

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Günter Bartsch: Die NWO-Bewegung

ISBN 3-87998-481-6; Lütjenburg: Gauke, 1994

 

 

Im Juni 2001 gescannt, korrekturgelesen und ins Netz gestellt von W. Roehrig