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Gaestebuch

 

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Datum: 18.11.02

Betreff: Geldhortung

 

Tristan Abromeit, Gorch-Fock-Weg 3, 31535 Neustadt, Telefon 05036/578

 

 

Hannoversche Allgemeine Zeitung

Leserbrief-Redaktion

bzw. für das HAZ-Leserforum Abt. Wirtschaft auf der HAZ-Hompage

 

 

Das Geld wurde nicht zum Sammeln und Horten erfunden!

 

TZ 1)  Am 1. November 2002 brachte die HAZ unter Welt im Spiegel einen

Bericht von Sonja Fröhlich mit dem Titel "Sammler sind verrückt nach Euro -

Ausländische Münzen lösen Sammelleidenschaft aus - Händler verlangen bis zu

12000 Euro für einen Vatikan-Satz". Im Text heißt es dann u.a.:

"Ausländische Euro haben ein wahres Sammelfieber bei Millionen von Menschen

ausgelöst - neben Historikern und Spekulanten sind immer mehr Hobbysammler

hinter den Stücken her."

 

TZ 2)  Sammeln ist eine schöne Sache, wenn sie nicht zur Krankheit wird. Ich

möchte auch den Münzsammlern nicht ihren Spaß verderben, aber ihr Wirken ist

unter den gegebenen Umständen - auch wenn es nicht so sichtbar ist -

verderblicher als jenes von politischen Extremisten. Das hängt damit

zusammen, daß das Geld nicht zum Sammeln erfunden wurde, sondern um eine

arbeitsteilige Wirtschaft und einen leichteren Güteraustausch als beim

Naturaltausch zu ermöglichen. Wer nun Geld aus dem Kreislauf nimmt,

unterbricht den Güter- und Leistungsstrom vom Her- bzw. Ersteller zum

Verbraucher. Im Normalfall kommt ein Mensch dadurch zum Geld, daß er einen

Markterlös erzielt. Wird dieser Erlös in Form des Geldes nicht wieder zur

Nachfrage auf dem Markt, bleibt der nächste Anbieter auf seiner Ware sitzen.

Absatzstockung nennt man das. Die Folge ist, wenn eine solche

Kaufzurückhaltung, eine Hortung im größeren Volumen auftritt,

Produktionsdrosselung, Arbeitslosigkeit, steigende Zahl der Konkurse. Der

Volksmund kennt die Zusammenhänge schon lange, nur die

Wirtschaftsredaktionen und Wirtschaftswissenschaften - überwiegend - nicht.

 

Taler, Taler du mußt wandern, von dem einem zum andern!

 

 Der Rubel muß rollen!

 

TZ 3)  In noch klarerer Form wird der Sachverhalt auf einer Gedenkmedaille

aus Fürth auf die Hungersnot von 1771 - 1772 mit dem Dante-Zitat

ausgedrückt:

 

Fortuna in der Welt Bringt Nahrung Brod und Geld

Fortuna in Kammer Bringt große Not u. Jammer

 

TZ 4)  Als ich mir 1966 den Spruch aus dem Buch  "Die Grünental Waage",

2/1966, Band 5, abgeschrieben habe, bin ich davon ausgegangen, daß "Fortuna

 nicht nur eine Göttin des Glücks und des Schicksals war, sondern wie zum

Beispiel die "Eule" eine Münze. Ich bin mir da nicht mehr sicher. Im

Brockhaus von 1884 finde ich den Hinweis, daß es viele Göttinnen Fortuna

(auch unter anderen Namen) gegeben hat. Eine Münze namens Fortuna wird nicht

erwähnt.  "Der Göttin des Staatswohls, der F. publica, stand die der

Einzelnen, die F. privata gegenüber, welche in eine zahllose Menge einzelner

F. zerfällt, ..." . In diesem Fall würde es wohl heißen, sperrst du dein

Glück in Form von Einkommen, Gold, Reichtum oder Geld in die Kammer,

herrscht in der Gemeinschaft ein großer Jammer.

 

TZ 4)  Nun war in der HAZ vom 28. 2. 02  unter den Schlagzeilen "Riesige

DM-Mengen geistern weiter durch die Welt / Bargeldbestand aufgrund der

Umtauschaktion drastisch gesunken / Deutsche hatten Hang zum Barem" in einem

Dpa-Beitrag unter anderem zu lesen:

 

..."Obwohl die größte Umtauschaktion in der Währungsgeschichte weitgehend

abgeschlossen ist, geistern noch immer riesige DM-Bestände durch die Welt.

Der gesamte deutsche Bargeldumlauf - Banknoten und Münzen - hatte am 20.

Februar 2002 einen Wert von 96,5 Milliarden Euro. 18,5 Milliarden Euro oder

19 Prozent davon entfielen noch auf DM-Noten und DM-Münzen.

 

  Selbst wenn in den nächsten Tagen die letzten Nachzügler noch ihre alten

DM-Scheine, Markstücke und Pfennige in die neue Gemeinschaftswährung

umtauschen, bleiben die DM-Restbestände immens. Der größte Teil dürfte

weiter in privaten Haushalten gehortet werden,

vermutet der Präsident der Landeszentralbank Hessen, Hans Reckers. Vor allem

die Zusage der Bundesbank, auf D-Mark lautende Noten und Münzen auf

unbegrenzte Zeit in Euro umzutauschen, treibe nicht zur Eile. Daneben gibt

es einen nicht zu beziffernden Sickereffekt von verlorenen oder in

Sammlungen entschwundenen Münzen. Völlig unklar ist auch, wie viel D-Mark

noch im Ausland schlummern. Die weitgehend reibungslose Umtauschaktion

brachte auch ein typisch deutsches Phänomen zu Tage. Der gesamte

Bargeldumlauf ist hier zu Lande drastisch zurückgegangen. Mitte 2001 waren

noch Noten und Münzen im Wert von 278 Milliarden DM oder umgerechnet 142

Milliarden Eure im Umlauf - beziehungsweise in Schränken, unter Matratzen

oder in Sparschweinen versteckt. Mittlerweile hat sich das Bargeld um gut 45

Milliarden Euro verringert.

Statt Erklärungen für diesen deutlichen Einbruch gibt es nur grobe

Anhaltspunkte. Ein großer Teil der früheren Bargeldhortung dürfte auf die

Konten von Banken und Sparkassen geflossen sein. Dies war der bequemste Weg

für den Wechsel in das  neue  Währungszeitalter.  Dafür  spricht auch der

überdurchschnittliche Rückgang von großen Geldscheinen. ...

 

  Ob der Trend zu niedrigerer Bargeldhaltung allerdings fortbesteht, ist

offen. Mit der Gewöhnung an den Euro könnten hier zu Lande auch alte

Gewohnheiten wieder zurückkehren, schließt LZB-Präsident Reckers nicht aus.

Anders als in Italien und Frankreich war in Deutschland der Hang zum Baren

immer größer.

 

 

TZ 5)  In den von der Deutschen Bundesbank herausgegebenen "Auszügen aus

Presseartikeln Nr. 13 vom 13. März 2002" wird aus der Börsen-Zeitung u.a.

zitiert:

 

... "Erstaunlich ... ist, dass der Notenumlauf in Deuschland - wie auch in

Euroland - noch nicht wieder den alten Stand erreicht hat. In Deutchland

liegt er mit rund 89 Mrd. Euro um knapp ein Drittel unter dem Niveau von

Ende 2000 (umgerechnet rund 130 Mrd. Euro). Meister erwarte aber eine

Zunahme etwa durch die Anlage neuer Bargeldhorte und den Rückfluss von in

Dollar umgetauschten DM-Beträgen in Euro." ...

 

TZ 6) Das war der Stand in diesem Februar und März dieses Jahres. Aber wie

ist der Stand heute und wie ist der Trend. Verfolgt man die

Wirtschaftsnachrichten und beobachtet das Verhalten der Menschen, dann ist

wahrscheinlich, daß wieder erheblich gehortet wird. Wenn wir

berücksichtigen, daß es eine vollbeschäftigte Wirtschaft nur geben kann,

wenn alle Einkommen wieder direkt oder indirekt über den Bankenapparat zur

Nachfrage werden, dann müßte man doch annehmen können, die Notenbanken

wüßten, wieviel von dem  Geld, das sie ausgegeben haben,  mit welcher

"Geschwindigkeit" 1) umläuft und wieviel davon jeweils  in den Horten ruht.

Auch könnte man meinen, die Europäische Zentralbank und andere Notenbanken

hätten ein Instrument, um das Fließen des Geldkreislaufes aufrecht zu

erhalten, den Geldstrom damit zu verstetigen und dadurch die wirksame

Nachfrage und die Preisniveaustabiltät zu bestimmen. Zweimal muß man mit

Nein antworten. Geldpolitik und damit Konjunkturpolitik wird bei uns im

Nebel ohne Kompaß gemacht. Man kann schon glücklich sein, wenn die

Verantwortlichen einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Politikbereichen

nicht verneinen.

 

TZ 7) Nun hörte ich in einem Vortrag von Prof. Dr. Thomas Huth 2) in einer

Tagung der Sozialwissenschaftlichen Gesellschaft in der Ländlichen

Heimvolkshochschule Mariaspring am 19. Oktober eine neue Version darüber,

wie und wo Geld-Hortung stattfindet. Huth sagte sinngemäß, daß das Geld,

das für den Güteraustausch gedacht ist, zum großen Teil dem Gütermarkt

entzogen würde und im spekulativen Bereich auf der Börsenebene zirkuliere

und damit für den Gütersektor wie gehortetes Geld wirke. Da an der Börse

wohl wenig mit Bargeld gehandelt wird, ist diese Behauptung wohl nur dann

schlüssig, wenn das sogenannte Buch- oder Giralgeld die gleichen

Eigenschaften hat wie das Bargeld. Damit kommen wir zu der Frage, was denn

eigentlich Geld ist. Es gibt ja einige Leute - auch kluge -, die sagen alles

ist Geld, womit man bezahlen kann. Der größere Block der Fachleute, die sich

zu einer Gelddefinition wagen, schließen sich einer der Lehrbuchaussagen an:

Bargeld, Giroeinlagen und weitere Einlagen, ganz wie man es für die

Plausiblität der eigenen Theorie oder Politik gebraucht. Aber es gibt auch

die hartnäckigen, quantitätsorientierten Leute, die klar unterscheiden

zwischen Bargeld - das preisbildend sei - und Buchgeld, das nur Forderungen

auf Geld darstelle. Wobei das zuletzt genannte Verständnis von Geld nicht

ausschließt, daß eine Zentralbank das Geld ohne Noten und Münzen in rein

elektronischer Form emittieren könnte, ohne die Aussage "Forderungen auf

Geld sind kein Geld!" aufzuheben.

 

TZ 8)  Wenn wir bedenken, das Milton Friedman seinen Nobelpreis dafür

erhalten hat, daß er die Quantitätstheorie des Geldes wieder in die

Wirtschaftswissenschaft eingeführt hat und damit Verantwortliche für die

Preisniveaustabilität wieder bestimmt werden konnten. Die ganze

Quantitästheorie )3 hat aber nur dann einen Sinn, wenn die Menge an Geld

eine Bestimmtheit hat. Vom Leiter der US-Notenbank, der Fedeal Reserve Bank

(FED),  Alen Greenspan war vor einiger Zeit das Bekenntnis zu lesen,

eigentlich wüßte man nicht, was Geld ist.

 

TZ 9)  Wie soll aber eine Marktwirtschaft - und zwar in einer besseren Form

als das bisher realisierte Zerrbild - entwickelt werden, wenn das Geld in

seinem Wesen und Wirken nicht verstanden wird und  darum auch nicht

optimiert werden kann? Dieses tatsächliche oder auch nur vorgeschobene

Unwissen verdeckt ja  nicht nur die tieferen Ursachen für Arbeitslosigkeit,

der Verzerrungen beim Einkommen und Vermögen und Umweltzerstörung, sondern

erzeugt Enttäuschung über das, was als freie Gesellschaft propagiert wird

und macht die Menschen wieder reif für zentralistische, autoritäre

Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle.

 

TZ 10)  Nun habe ich einen Bericht der HAZ in Erinnerung, der voll Lobes war

über die Wirtschaftsswissenschaftliche Fakultät der Universität Hannover.

Aber was bei mir als besondere Leistungen der Hannoverschen

Wirtschaftswissenschaftler hängen geblieben ist, war der Hinweis, daß sie

überdurchschnittlich viel Drittgelder für ihre Institute eingesammelt haben.

Das scheint mir keine wissenschaftliche Leistung zu sein und ist auch kein

Beitrag zur Lösung unserer marktwirtschaftlich-gesellschaftlichen Probleme.

Die Erforschung ökonomischer Zusammenhänge und die Vermittlung dieser

Ergebnisse in der Lehre  ist sicher kein leichtes Geschäft. Aber es ist

merkwürdig: Bei der Vielzahl der Wirtschaftswissenschaftler, die wir haben,

ist es nur eine kleine Zahl dieser gutdotierten Runde, die die

Geldproblematik sehen. (Das ist nicht meine, sondern die Variation der

Aussage von Prof. Binswanger sen.) Wenn die Wirtschaftswissenschaftler von

der Brauchbarkeit ihrer Arbeitsergebnisse abhängig wären, dann würden sie

verhungern. Aber sie verhungern nicht, weil sie Beamte sind, und als solche

können sie völlig an dem Markt für nützliches Wissen vorbei produzieren und

ihren Studenten  nach und nach die Hoffnung austreiben, daß sie nach dem

Examen als Volkswirte eine Hilfe für die Gesellschaft sein könnten..

 

TZ 11) Aber auch Wehe den Leserinnen, den Lesern, die in ihrer Zeitung eine

wirtschaftspolitische Orientierung suchen und dabei Wirtschaftsjournalisten

und -redakteuren ausgesetzt sind, die nur aus gängigem Hochschulwissen

schöpfen.

 

TZ 12)  Diese letzten Aussagen sind kein Versuch der Herabsetzung von

Mitgliedern bestimmter Berufe, sondern eine Erinnerung daran, wozu sie

geschaffen wurden. Ich bewundere die Klugheit und Brillanz von Professoren

und der schreibenden und redenden Zünfte in den Medien. Wenn ich unter den

Arbeitsbedingungen eines Redakteurs diesen Beitrag hätte fertigen sollen,

wäre er nicht entstanden.

 

 

Tristan Abromeit

 

 

 

1) Geschwindigkeit deshalb in Anführungstrichen, weil das U = Umlaufgeschwindigkeit des Geldes in der Quantitätsformel unkorrekt ist. Nach Untersuchungen von Karl Walker empfahl Hans Hoffmann aus der Schweiz den Begriff "Ausnutzungsgrad des Geldes".

 

2) Prof. Dr. Huth hat seine Lehre in einer Landeszentralbank absolviert und

lehrt an  der FH Nordost Niedersachsen in Lüneburg Volkswirtschaftslehre.

 

3) Ein verstorbener Freund, Elimar Rosenbohm, der in der LZB in Hannover gearbeitet hat, sagte: Theorie ist unkorrekt. Es handelt sich um eine Tatsachenbeschreibung.

 

 

TZ = Textziffer zur leichteren Bezugnahme durch andere HAZ-Leser