Datum: 18.11.02
Betreff: Drei Beiträge für die Veröffentlichung oder den Umlauf
Tristan Abromeit, Gorch-Fock-Weg 3, 31535 Neustadt / Abromeit@t-online.de
Ich lese gerne Bücher, wenn ich auch ein langsamer Leser bin. Ich zitiere
gerne aus Büchern - möglichst im Wortlaut -, vielleicht weil ich nicht das
bin, was man belesen nennt. Aber ich beurteile höchst ungern Bücher, so wie
ein Lehrer die Aufsätze seiner Schüler beurteilt, vielleicht weil ich mich
dazu zu dumm fühle.
Und nun passiert folgendes: Ich erhalte von Uwe Timm (jenem vom espero,
nicht vom Schriftsteller gleichen Namens) eine Büchersendung. Ich öffne und
siehe da, Uwe Timm hat seine Schriften gesammelt herausgegeben. Donnerwetter
oder so ähnlich dachte oder fühlte ich. Aber wo ist die Rechnung? Ich schaue
nochmals in den Umschlag und finde einen kleinen Zettel mit dem Wort
"Rezensionsexemplar". Oh Schreck, ich fühlte mich wie in den seltenen
Angsträumen, in denen ich auf einer Schulbank sitze, mich äußern soll und
mir dann absolut nichts einfällt.
Rezension klingt in meinen Ohren so unangenehm wie Rezession. Dabei bin ich
mir bewußt, daß manches Buch nicht gelesen würde, wenn nicht durch eine
Besprechung Aufmerksamkeit dafür erzeugt würde.
Meine Situation: Ich lag mit einer Erkältung im Bett (eine unangenehme
Bettgenossin). Der Kopf wurde wieder klarer und ich sagte mir: "Da du noch
krank bist, kannst du andere Pflichten vergessen und darfst in
>Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11. 9.<
hinein schauen. Aber vorher muß noch der Hund raus, den du zwar nicht
wolltest, der aber nicht versteht, wenn du eigentlich nicht kannst. Du
kannst bei der Gelegenheit noch die Post mit herein bringen.
Und die Post brachte mir dann:
"Uwe Timm, Gesammelte Schriften, Veröffentlichungen von 1955 bis 2002"
ISBN-Nr. 3-8311-4482-6
E-Mail: Vertrieb: bod@libri.de / Autor: utespero@aol.com
Ich wollte nun Uwe Timms Buch durch den Daumen laufen lassen, um mir einen
ersten Eindruck zu verschaffen, um danach in den "Verschwörungen" zu lesen
anzufangen. Ich habe dann aber Timms Einführung von Seite 3 bis 51 in einem
Rutsch gelesen. Ich denke, ein besseres Kompliment kann man einem Verfasser
nicht machen. Und in der Tat war es für mich spannend zu erfahren, durch wen
er Kontakt zur Freiwirtschaft bekommen hat und wer Anlaß war, dieses Wissen
zu vertiefen. Aber natürlich auch wichtig die Kontakte zur und seine
Quellen über die Anarchie. Seine Erfahrungen mit der marxistischen Linken,
die aus seiner Betriebsratstätigkeit und seinem Engagements in und mit der
Mackay-Gesellschaft werden in der Einführung gespiegelt. Die einzelnen
gesammelten Aufsätze zeigen dann ein breites Spektrum an Themen und
Einsatzorten von Uwe Timm. Auch die Bergedorfer Gespräche, die von seinem
ehemaligen Chef Dr. Kurt A. Körber organisiert wurden, werdern erwähnt. Mir
sind diese Gespräche aus den 60er Jahren in Form der "Bergedorfer
Protokolle" bekannt. Damit man sich ein Bild von diesen Veranstaltungen
machen kann , nenne ich auswahlweise zwei Titel: "Maschine - Denkmaschine -
Staatsmaschine" und "Kybernetik als soziale Tatsache". Die
Teilnehmerverzeichnisse weisen eine hochkarätige Besetzung der
Gesprächsrunden aus. Ob darunter auch einmal ein Mensch war, der die
Freiwirtschaft und / oder den Anarchismus eingebracht hat, kann Uwe Timm
vielleicht bei einer anderen Gelegenheit berichten. Timm erwähnt aber auch
Körbers Mut oder Selbstwertbewußtsein in Form des Eigenlobes eines Vortrages
über eine Reise nach Moskau. Vielleicht wird dieser Tatbestand erwähnt, weil
Timm das Gefühl hat, seine eigene Schilderung klinge nach Selbstlob und er
müsse Kritik im Voraus abwehren. Ich vermerke: Uwe Timm trägt nicht dick
auf. Außerdem: Eigenlob stinkt nach Schiller nur dem Neider. Und : Wenn
uns, die wir in der zweiten oder dritten Liga agieren und schreiben,
niemand anders lobt, dann müssen wir es eben selber machen.
Zusammenfassend ist zu sagen: Uwe Timms Buch gehört auf unsere Bücherlisten
und sollte gekauft und gelesen werden, schon deshalb, weil die
anarchistische Variante der Freiwirtschaft verstanden werden will und
durchaus eine Verstärkung benötigt.
Ich komme damit als Zwischenspiel zu einem anderen Buch. Es trägt den Titel:
"Entmachtung der Hochfinanz
von Reiner Bischof
"Freiland
steht etwas verloren am unteren Rand
Vertrieb: Deutscher Rechts- und Lebensschutz-Verband, Fax: 04843-1087
Das Buch schaut mich seit Wochen vorwurfsvoll an, weil ich noch nicht einmal
das Buch von seiner Klarsichthülle befreit habe. Die Gründe: Einmal wollte
ich für eine laufende Arbeit nicht ein zweites Buch aus dem Verlag des oben
genannten Verbandes berücksichtigen. Und wenn ich ein Buch inhaltlich
kenne, kann ich ja nicht so tun als würde ich es nicht kennen. Und dann ist
es so, daß Reiner Bischof, Lehrer, genauso ein ehrenwerter Mensch ist wie
z.B. Uwe Timm. Er operiert aber am politisch konservativen, rechten Rand. Da
wir in der Vergangenheit viel politische Prügel dafür erhalten haben, daß
die Freiwirtschaft angeblich politisch rechts stehendes Gedankengut
vermittelt und wir in Sorge darum, daß unser Kernanliegen in Mißkredit
geraten könne, uns die Vorwürfe zu sehr zu eigen gemacht haben, reagieren
wir manchmal zu empfindlich, wenn etwas auftaucht, was diesen
Verdächtigungen Nahrung geben könne.
Vielleicht ist schon an anderer Stelle eine Besprechung von Reiner Bischoffs
Buchwerk erschienen. Wenn nicht, sollte sie bald erfolgen. Mein Verhalten in
Bezug auf Bischoffs Buch hilft nicht weiter. Außerdem ist das ganze
politische Links-Rechts-Schema unbrauchbar geworden. Es gibt jedenfalls
keinen politischen Ort, wo das Böse nicht zu Hause ist.
Heute morgen fand ich eine alte Buchbesprechung von Alexander Gauland aus
der FAZ vom 16. 11. 1992 mit dem Titel "Warum Reue im Stillen? - Joschka
Fischers neue Einsichten sind alte Wahrheiten". Es wird besprochen das Buch
von Fischer "Die Linke nach dem Sozialismus". Der Rezensent zählt zustimmend
Fischers Aussagen auf und schreibt dann: "Bleibt die Frage, weshalb
plötzlich als neue Einsicht verkündet wird, was wir 'Rechten' schon immer
wußten." Der ganze Streit um die Rechtslastigkeit der Freiwirtschaft war
nicht unnötig, hat aber viel Kraft gekostet und sollte nicht zu einer
Endlosschleife werden. Wir benötigen für unsere Arbeit Kriterien außerhalb
des Links-Rechts-Schemas, an denen wir ablesen können, ob wir individuell
oder kollektiv vom Weg abkommen. Verantwortlich sind wir nicht für die
Toten, sondern dafür was wir denken und tun und auch dafür, was wir
unterlassen.
Nun zu:
Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11. 9.
von
Mathias Brökers
bei Zweitausendeins
Da ich selber einen Beitrag zum Thema 11. September unter dem Titel "Die
Flug-Bomben / Tod und Zerstörung am 11. September 2001 in den USA und danach
in Afghanistan / Das Entsetzen, die Trauer, die Heuchelei und das
'Bomben-Geschäft' " geschrieben habe ( einzusehen unter
http://home.t-online.de/home/abromeit ) hat die informative Textanzeige in
der Wochenzeitung DIE ZEIT vom 7. November 2002 (S. 11) die für das Buch von
Mathias Brökers wirbt meine erhöhte Aufmerksamkeit gefunden. Das Buch
enthält auch ein Interview mit dem Ex-Staatssekretär im
Verteidigungsministerium Andreas von Bülow und einen Schaltplan der
Verschwörungen von G. Seyfried. Es kostet 12,75 Euro und hat die Nummer
28434.
Im Anzeigentext heißt es u.a.: Bröckers fragt, wer die faktischen Nutznießer
der Terroranschläge sind, und er bringt andere notorisch Verdächtige ins
Spiel. Nicht um seinerseits Verschwörungstheorien in die Welt zu setzen,
sondern um das Verschwörungsdenken als skeptische Wissenschaft fruchtbar zu
machen. Denn: "Ohne angemessene Verschwörungstheorien lässt sich unsere
hochgradig komplexe und konspirative Welt gar nicht mehr verstehen."
"Über den Autor
Mathias Bröckers ist freier Journalist und Buchautor. Zehn Jahre lang, bis
1991, leitete er den Kulturteil der taz. Später schrieb er Kolumnen für die
Zeit und die Woche - und 1993, zusammen
mit Jack Herer, den Zweitausendeins-Bestseller Die Wiederentdeckung der
Nutzpflanze Hanf (39 Auflagen). Zuletzt besorgte er die deutsche Ausgabe des
Lexikons der Verschwörungstheorien
von Robert Anton Wilson (2000). Seit dem 11.9.2001 schreibt er die
Serie »The WTC-Conspiracy«, die im Internet unter www.telepolis.de und
www.broeckers.com erscheint." (Seite 361)
Vom September 2002 bis Oktober 2002 sind 14 Auflagen erschienen. Ich habe
aber keine Angabe über die Auflagenhöhe gefunden.
Nachdem ich Uwe Timms Buch durchgelesen hatte, habe ich hier und dort schon
einmal in Bröckers Buch hineingeschaut und ich finde die Werbung verspricht
nicht zu viel. Mit dem Schaltplan von Seyfried kann ich nicht so viel
anfangen. Ich bin natürlich bei dem Kapitel "Die Geldverschwörung" hängen
geblieben. Die Geldverschwörung wird hier ganz im freiwirtschaftlichen Sinn
als ein Systemfehler beschrieben:
... "Das Internet, in dem das Verschwörungsdenken einen unglaublichen
Nährboden gefunden hat, versetzt uns gleichzeitig in die Lage, uns ein
eigenes Bild über reale Verschwörungen und falsche Theorien zu machen - und
sogar jene reale Verschwörung zu knacken, die nach der Liberalisierung von
Telefon-, Energie- und anderen Monopolbetrieben jetzt am dringendsten
ansteht: das Geldmonopol.
Schon zu Beginn des Jahrhunderts hatten findige Ökonomen entdeckt, wo der
eigentliche Haken der kommunistischen und der kapitalistischen
Wirtschaftssysteme liegt. Die Kommunisten lahmten den Markt, indem sie das
natürliche Prinzip der freien Konkurrenz völlig ausschalteten. Und die
Kapitalisten lahmten ihn fast ebenso, weil sie Konkurrenz zwar zuließen,
aber Investitionen durch teures, mit Zinsen belastetes Geld erschwerten, und
weil sie so auf Dauer nicht dem freien Unternehmer, dem Wettbewerb, der
Evolution, sondern stets nur den Geldbesitzern Vorteile verschafften. Freie
Marktwirtschaft, so Silvio Gesell, der Theoretiker und kurzzeitige
Wirtschaftsminister der Münchner Räterepublik, kann nur
mit »Freigeld« erreicht werden - einem zinslosen Geld, das nur als Medium des
Tausches, nicht aber zur Schatzbildung taugt, denn durch Aufbewahrung
gewinnt es nicht, sondern verliert es an Wert."...
..." Die Geldverschwörung läuft seitdem unangefochten und weitestgehend
unbemerkt weiter, und nicht nur das: Obwohl jeder Geld benutzt und bei jedem
Einkauf, bei jeder Rechnung Zinsen bezahlt, weiß doch kaum jemand von dieser
Verschwörung bzw. hält den Zusammenhang von Geld und Zins
für so naturgegeben wie den von Wasser und Feuchtigkeit." ... (S. 56 f.)
Insgesamt ist das Buch ein Beweis dafür, was ein kluger Kopf alles aus dem
Internet holen kann und es wird darauf hingewiesen, daß das Internet eher
und mehr die Herrschaftslosigkeit fördert als autoritäre Systeme. Bröckers
weist an einer Stelle, die ich auf die Schnelle nicht mehr finde, darauf
hin, daß man ihm vorwerfen könne, dieses oder jenes nicht berücksichtigt zu
haben, das läge dann daran, das sein Bio-Rechner eben auch seine Grenzen
hätte.
Bröckers weist auch darauf hin, daß der "religiöse" Antisemitismus eine
Verschwörung der Tempelritter war, die sich mit der Brandmarkung der Juden
als "Christusmörder" die Juden als Konkurrenten im Geldgeschäft vom Halse
halten wollten. Ich vermute schon lange, daß der "religiöse" Antisemitismus
als eine Konkurrenzabwehr entstanden ist. Ich habe die Verursacher aber
nicht bei christlichen Geldverleihern gesehen, sondern bei Handwerkern in
Zeiten der Unterbeschäftigung. Ich bin dabei aber nicht über das Stadium der
Vermutungen hinausgekommen.
Tristan Abromeit