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Martina Stemberger (Wien)



Rund um den Roman russe: Zur westeuropäischen Rezeption russischer Literatur aus kulturwissenschaftlicher Perspektive. Rezension und Reflexionen zu Cornelia Ruhes Band "Invasion aus dem Osten". Die Aneignung russischer Literatur in Frankreich und Spanien (1880–1910)1



Cornelia Ruhe's study "Invasion aus dem Osten". Die Aneignung russischer Literatur in Frankreich und Spanien (Frankfurt am Main: Klostermann, 2012) explores the reception of Russian literature in France and in Spain during the key period 1880–1910, in a theoretical framework combining Lotmanian cultural semiotics, discourse analysis, postcolonial studies, and translation theory. Ruhe's triple focus on the cultural exchange between Russia, France, and Spain (and the respective founding works, Eugène-Melchior de Vogüé's Le Roman russe and Emilia Pardo Bazán's La revolución y la novela en Rusia) as well as her association of theoretical reflection and detailed textual / translational analysis (notably of Halpérine-Kaminsky's and Morice's notorious version of Les Frères Karamazov) prove particularly illuminating. The following review essay takes this thematically and theoretically challenging monograph also as a starting point for sketching some additional reflections and research perspectives, concerning the Western European perception of Russian literature in general (being considered in a larger cultural context) and the reception of Vogüé's and Pardo Bazán's work – also beyond France and Spain – in particular; finally, it raises some questions regarding the cultural and ideological implications of Western translations of Russian literature later on in the 20th and in the early 21st century.


"C'était en 1886. Après quelques années de germination muette, les fleurs merveilleuses de l'art russe venaient de surgir de la terre de France. Les traductions de Tolstoï et de Dostoïevski paraissaient dans toutes les maisons d'édition à la fois, avec une hâte fiévreuse." So erinnert sich Romain Rolland, damals junger Normalien, an die literarische Entdeckung eines "monde nouveau" (Rolland 1978: 11). Andere Zeitzeugen rekurrieren auf eine weniger 'blumige' Metaphorik – hier wird eine regelrechte "Invasion" (Ruhe2 9ff.) in militärischer Rhetorik beschworen: "C'est la revanche de 1812. Ils ne brûleront point Paris […]. Ils le noieront sous l'encre d'imprimerie", heißt es bei Eugène-Melchior de Vogüé ("Les livres russes en France", publiziert 1886 in der Revue des Deux Mondes, zit. R 9).3




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Mit dieser literarischen "Invasion aus dem Osten" setzt sich Cornelia Ruhe in ihrer Studie zur "Aneignung russischer Literatur in Frankreich und Spanien" im Zeitraum 1880–1910 auseinander (es handelt sich um die vor dem Hintergrund des Konstanzer Projekts "Jurij Lotman und die Kulturtheorie" überarbeitete Version der Habilitationsschrift der Autorin aus dem Jahr 2008). Dieses literarhistorische Beispiel eines "intensive[n] interkulturelle[n] Dialog[s]" (R 313) wird hier in einem theoretischen Rahmen untersucht, der die Kultursemiotik Lotmans mit Ansätzen der Diskursanalyse und der Postcolonial Studies verbindet; mit Hilfe letzterer eröffnet sich ein erhellender Blick auf "den kolonialistischen Impetus, mit dem der hier beschriebene Prozess des kulturellen Dialogs betrieben wird" (R 34). Mag der Rekurs auf die postkoloniale Theoriebildung im Zusammenhang mit dem 'Kulturkontakt' zwischen Westeuropa und Russland für mit der Thematik weniger vertraute Leser auf den ersten Blick "befremdlich" anmuten, wie die Autorin prophylaktisch vermerkt (R 33), so zeigt die eingehendere Beschäftigung mit westlichen Russland-Diskursen rasch, wie präsent auch hier ein 'koloniales' Imaginarium ist (bis weit ins 20. Jahrhundert und selbst bis in die postsowjetische Ära hinein). Nicht umsonst beschreibt Adamovsky (2006) das Verhältnis der französischen lumières zu Russland in Kategorien eines spezifischen "Euro-Orientalismus"; zu Recht stellt Ruhe fest, dass "[d]ie Konstruktion Russlands aus der Perspektive des Westens […] auffallende Ähnlichkeiten mit der des Orients auf[weist]" (R 36).4

Das erste große Kapitel ("Invasion, Austausch und Explosion", R 9ff.) skizziert den theoretischen und kulturhistorischen Kontext für die folgenden detaillierteren Untersuchungen – dies in den Abschnitten "Literarische Invasion", "Die Grenzen der zivilisierten Welt" (eine Expedition an ebendiese bedeutet aus der Perspektive französischer Kritiker und Leser des späten 19. Jahrhunderts die 'Entdeckung' der russischen Literatur, R 14), "Explosion und Innovation", "Literarische Kolonisierung und Hybridisierung" (mit den Sub-Kapiteln "Frankreich – die Europäisierung des Barbaren" sowie "Spanien – Sympathien unter Peripherien"), "Dekadenz als Explosion". Bereits hier wird deutlich, dass in den kontroversen Debatten rund um den 'Import' des roman russe niemals 'nur' literarische Fragen auf dem Spiel stehen, sondern dass hier auch der "Status der eigenen Literatur und Kultur" (R 63), zunehmend auch "Fragen der nationalen Identität" (R 54) verhandelt werden, dies vor dem Hintergrund einer Epoche, in der in den romanischen Ländern die "Dekadenz" der 'lateinischen' Völker (R 55) – und die Perspektive einer potentiellen 'Renaissance latine' (zur gleichnamigen Zeitschrift vgl. R 57) – intensiv diskutiert wird: "Es lässt sich beobachten, wie Frankreich bzw. Spanien sich am Bild der eigenen Kultur im Spiegel der fremden, russischen, abarbeiten" (R 13).




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In dieser Hinsicht erweist sich der Dreifach-Fokus auf den "kulturelle[n] Austausch zwischen Russland, Frankreich und Spanien" (R 38) als besonders ergiebig, folgt die Aneignung der 'fremden' russischen Literatur doch jeweils einer unterschiedlichen Logik: An der Konstellation Frankreich / Russland ist der Prozess der Neuaushandlung der Positionen zwischen Zentrum und Peripherie im kultursemiotischen Sinne zu beobachten (R 37f.), wobei diese Dynamik auch eine zeitliche Dimension besitzt – im Rahmen der Diskussion um den roman russe wird in Frankreich, das sich (nicht nur) in literarischer Hinsicht "traditionell als Zentrum der westlichen Welt" sieht (R 14) und Russland aus einer Position kultureller Superiorität als ferne, mehr oder minder 'barbarische' Peripherie betrachtet, auch das Bild eines 'rückständigen' Landes ansatzweise relativiert (vgl. Vogüé 1886: XII). Eben Frankreich, das den russischen Einfluss auch als potentielle Bedrohung seiner kulturellen "Vormachtstellung" wahrnimmt, erfüllt freilich seinerseits eine wichtige Funktion als "Divulgator" der russischen Literatur, die sich auch "überall dort [verbreitet], wo Frankreichs Prestige als Kulturnation Geltung besitzt" (R 38).

Im Fall des politisch wie kulturell marginalisierten Spanien des späten 19. Jahrhunderts stellt dagegen der gemeinsame 'periphere' Status einen wichtigen Anknüpfungspunkt dar: "Das Neuland, das erobert wird, ist […] insofern attraktiv, als man es nicht nur als barbarische Anderswelt abweisen […], sondern sich auch darin spiegeln kann" (R 52). Über die Auseinandersetzung mit Russland und der russischen Literatur artikuliert sich hier eine vom "Schwanken zwischen Kosmopolitismus und Protektionismus" (R 46), vom Konflikt zwischen Tradition und Moderne gezeichnete Suche nach einer neuen 'nationalen' Identität, nach einer Neuverortung Spaniens in Bezug auf Europa: "'Europa und wir' – diese Frage, die für Russen und Spanier doch so typisch ist, würden Franzosen, Deutsche oder Tschechen sich schwerlich stellen", bemerkt pointiert Vsevolod Bagno (zit. R 46), von dem die These der Affinität Russlands und Spaniens als sogenannter "Grenzkulturen" ("pograničnye kul'tury") stammt (R 135, 141; vgl. dazu Bagno 2001 sowie ders. 2006).

In den beiden folgenden Abschnitten wird das jeweilige literaturkritische Diskursfeld ausgehend von zwei – den beiden – Schlüsseltexten der Rezeption russischer Literatur resp. im Frankreich bzw. im Spanien des späten 19. Jahrhunderts erschlossen. Im französischen Kontext fokussiert Ruhe Vogüés Studie Le Roman russe (zunächst in einer Artikelserie in der Revue des Deux Mondes, 1886 in Buchform publiziert); in seiner paradigmenstiftenden und rezeptionssteuernden Wirkung ist dieser Text kaum zu überschätzen: "Le Roman russe a révélé au public français un continent littéraire […]", schreibt Etkind (1989: 105).5

Vogüé verfolgt mit seiner 'Entdeckungsreise' auf diesen fremden literarischen Kontinent6 mehrere Ziele: Es geht ihm zunächst um die Vermittlung russischer Literatur in Frankreich (R 78); schon in dieser Hinsicht stellt seine 'Einführung' freilich auch einen "Diskurs der Macht" im Foucault'schen Sinne dar (R 83). Seine Auswahl von Autoren und sein Urteil erhalten "sanktionierendes Gewicht": "Er bestimmt, was gelesen werden soll und wie es gelesen werden soll" (R 82). So verzichtet Vogüé z. B. darauf, sich mit Gončarov zu beschäftigen, den er, wie Ruhe erklärt, "der Erwähnung nicht für wert befand" (R 278) – hier ist eine kleine Korrektur anzubringen: Gončarov wird im Roman russe sehr wohl erwähnt; Vogüé beschränkt sich allerdings auf die flüchtige Nennung seines Oblomov, "ce roman si caractéristique" (Vogüé 1886: 146).7




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Der (Ex-)Diplomat Vogüé betreibt jedoch auch bewusst "Werbung" für die franko-russische Annäherung (R 79ff.): Die Popularisierung russischer Literatur soll nicht zuletzt dazu dienen, den potentiellen Bündnispartner Russland vom Stigma eines (allzu) 'barbarischen' Landes mit 'inferiorer' Zivilisation zu befreien (vgl. Corbet 1967: 420). Die Publikation des Roman russe erfolgt "dans un but culturel, mais aussi politique" (Labriolle 1989: 54), wie der Autor selbst in seinem Avant-propos zu verstehen gibt (Vogüé 1886: VII). Der große Erfolg und die diskursive 'Katalysator'-Funktion des Textes ist auch daraus zu erklären, dass er in mehrfacher Hinsicht "auf […] vorbereiteten Boden traf" (R 76):8 "Jamais livre ne tomba mieux à son heure" (Corbet 1967: 420).

Das dritte große Ziel, das Vogüé mit seinem Roman russe verfolgt, ist kulturphilosophisch-moralischer Natur: "[…] plus encore que politique ou littéraire, la portée du message du Roman russe est d'ordre moral et spirituel", erklärt sein Nachfahre Pierre de Vogüé (1989: 17). Mit Hilfe der russischen Literatur, hier betrachtet als eine Art 'Seelenrettungsprogramm' (bzw. auch als "Frischzellenkur", R 85), soll die französische Literatur "aus dem historischen Tief des Naturalismus geführt werden" (R 84): "Fasse le ciel que l'âme russe puisse beaucoup pour la nôtre!" (Vogüé 1886: LIV). Dieses Programm der 'Regeneration' durch die russische Literatur (Ex Oriente Lux: auch Ruhe [36] weist auf die 'orientalistische' Komponente dieser "Idealisierung des russischen Romans" hin) wird nicht nur bei Vogüé artikuliert; auch Rolland (1978: 11) beschwört jene (literarisch vermittelte) "grande âme de Russie" als spirituellen Leitstern in der kulturellen Dämmerung des fin de siècle.

Aus der Sicht Vogüés, der die literarische 'Dekadenz' seiner Epoche als zeitversetzte Reaktion auf einen gesamtgesellschaftlichen Niedergang interpretiert (R 86), soll der Roman russe also als Heil- und Gegenmittel gegen die Krise der französischen Literatur zum Einsatz kommen. Nicht umsonst wurde sein Text auch als "Gegenmanifest zu Zolas Roman expérimental" (R 88) bzw. als "manifeste dirigé contre notre propre naturalisme" (Corbet 1967: 419) gelesen, auch wenn Vogüé die direkte Auseinandersetzung mit Zola vermeidet.9 Im russischen Roman findet er jene religiös-moralische Dimension, die der zeitgenössischen französischen literarischen Produktion aus seiner Sicht abgeht (R 91); vor allem Tolstoj und Dostoevskij – wenn auch Angehörige der Orthodoxie – sind für den überzeugten Katholiken Vogüé, "restaurateur zélé des valeurs morales et religieuses" (Corbet 1967: 417), als "Träger christlicher Werte" von Interesse (R92). Hier glaubt er jenes "supplément d'âme" (Struve 1989: 78) zu entdecken, das er bei Zola & Co. vermisst; hier sieht er das Programm eines "réalisme humanitaire" (Edgerton 1989: 100) bzw. gerade bei Dostoevskij auch eines "réalisme mystique" (Vogüé 1886: 268)10 umgesetzt, dem die "charité" nicht fremd ist (vgl. ibid.: XXIV).

Für Vogüé ist die russische Literatur insofern vor allem als "Vehikel" (R 92) der Krisenbewältigung und der Sicherung der kulturellen Suprematie Frankreichs (R 274) von Interesse. Der kulturelle Austausch wird zweckgebunden propagiert; Ruhe betont die frappierenden "Parallelen zu ökonomischen Prozessen in der Kolonialpolitik" in Vogüés Argumentation (R 86), in der Russland "nach wie vor als Peripherie, ja als kulturelle Kolonie" (R 275) betrachtet wird.11 Aus der Perspektive der Nachträglichkeit ist unübersehbar, dass Vogüés paradoxes Projekt der (nicht nur literarischen) Modernitätsabwehr durch Öffnung nach außen "den gewünschten Effekt verfehlt" (R 84); seine "Werbemaßnahme" für den Roman russe provoziert vielmehr eine regelrechte "Explosion an semiotischer Aktivität, die […] zu einer nachhaltigen Veränderung der Normen des französischen Zentrums führen wird" (R 94).




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Als 'Diskurs-Generator' entfaltet der Roman russe jedenfalls eine beträchtliche Wirkung. Bemerkenswert ist – an Vogüés Text wie an den Beiträgen zur bei Ruhe analysierten Anschluss-Debatte – die doppelte Transzendenz dieses niemals 'nur' literarischen Diskurses. Zum einen wird Literatur als privilegierter 'Schlüssel' zu Russland präsentiert: "Quelques personnes s'étonneront que je demande le secret de la Russie à ses romanciers", nimmt Vogüé (1886: XI) einen potentiellen Einwand gegen seine Methode vorweg und erklärt, dass in Russland "die Summe all dessen, was es über das Land zu wissen gilt, in der Literatur" zu finden sei (R 82).12 Zum anderen werden in der Debatte um den Roman russe auch in Bezug auf Frankreich allgemeingesellschaftliche Problematiken verhandelt; gerade bei den Kritikern Vogüés tritt klar ein kontrastives 'Identifikationsprogramm' zu Tage: "Frankreich ist in ihrer Darstellung alles, was Russland nicht ist, und umgekehrt" (R 174). Wenn etwa Jules Lemaître heftige Kritik an dem durch Vogüés Schrift provozierten "accès de septentriomanie" übt und eine "réaction du génie latin" in Aussicht stellt (zit. R 104ff.), so reflektiert seine Reaktion "in geradezu exemplarischer Weise die von Homi Bhabha postulierte Abweisung des hybriden Objekts […], wie sie sich auch 50 Jahre zuvor im einflussreichen historischen Text des russophoben Marquis de Custine fand" (R 107).13

Kurz: Die Diskussion um den Roman russe kann "als Versuch der 'Fremdheitsbewältigung' und zugleich der moralischen Korrektur" interpretiert werden (R 131). Insgesamt fällt die Reaktion der professionellen Kritik auf Vogüés Werk "eher verhalten" (R 100) aus. Seinen großen Effekt erzielt der Roman russe beim breiten Publikum: "[…] il y a cinq ou six ans […] on n'aurait jamais supposé que les noms de Gogol, de Dostoïevski, de Tourguéneff, de Pisemski, deviendraient familiers au grand public […]", schreibt Hugues le Roux im Februar 1888 in der Revue blanche (zit. Aucouturier 2000: 115).

Im spanischen Kontext setzt Ruhe den Fokus auf Emilia Pardo Bazáns La revolución y la novela en Rusia (1887), eine Studie, die ebenso wie Vogüés Roman russe ein neues Diskursfeld eröffnet – dies unter erschwerten Bedingungen. Im Gegensatz zum franko-russischen Austausch verlief der Kontakt zwischen Spanien und Russland lange Zeit nur indirekt (R 137). Die größere Distanz zwischen diesen beiden 'peripheren' Kulturen, denen wiederum die starke Orientierung an Frankreich als "cultura intermediaria" (P. Zaborov, zit. R 12) gemeinsam ist, wird auch in pragmatischen Details deutlich, auf der Ebene der zentralen Vermittlerfigur (Pardo Bazán war im Gegensatz zu Vogüé selbst niemals in Russland und verfügte über keine Russischkenntnisse, R 164), der Kritiker (keiner der Akteure, die sich in der spanischen Debatte zu Wort melden, kann als "Experte" für die Thematik gelten, R 219) und der Leser: Anders als Vogüé kann Pardo Bazán (die bereits mit ihrem Titel eine andere Akzentsetzung vornimmt, R 185) noch nicht auf ein Publikum vertrauen, das über zumindest elementare Kenntnisse russischer Literatur verfügt (R 276); angesichts "des eklatanten Unwissens über Russland" in Spanien sieht sie sich vielmehr veranlasst, zunächst eine allgemeine Vorstellung von "Land und Leute[n]" zu vermitteln (R 164).




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La revolución y la novela en Rusia sorgt in Spanien für eine nicht minder "lebhafte Debatte" (R 145) als Vogüés Werk in Frankreich; noch "komplizierter" (R 217) gestaltet sich die Rezeption hier aufgrund des Import-Charakters der russischen 'Mode' – und des Geschlechts Pardo Bazáns. Diese hatte die russische Literatur während ihrer "invernadas en París" (Pardo Bazán 1973: 760) für sich entdeckt und sich begeistert an die Erkundung dieser "regiones inexploradas para nosotros" (ibid.: 763) gemacht; im Herbst 1887 hält sie ihre Vorlesungen zur russischen Kultur und Literatur im Madrider Ateneo – dies als erste Frau, der dort die Ehre eines öffentlichen Vortrags eingeräumt wird (R 161).

In der folgenden Diskussion manifestiert sich eine beträchtliche Ambivalenz gegenüber der kulturellen 'Hegemonialmacht' Frankreich, aus der Sicht spanischer Traditionalisten eine "moralisch fragwürdige Nation" (R 138). Der "factor antifrancés" (zit. F. Caudet), der in der spanischen Naturalismus-Debatte eine große Rolle spielt (R 149), kommt auch in der Auseinandersetzung mit der über Frankreich 'importierten' russischen Literatur zum Tragen.14 Es wird auch das Argument vorgebracht, die französische Russophilie basiere lediglich auf "vanidad patriótica" (Juan Valera, zit. R 193): In der traditionell franko-affinen russischen Kultur bewunderten die Franzosen "gleichsam sich selbst" (R 66).15

In der Diskussion um die Schriften Pardo Bazáns kommt aber auch der Faktor Gender ins Spiel: Hier "fließen […] die inhaltliche und die misogyne Debatte in so unentwirrbarer Weise ineinander, dass es kaum möglich erscheint, die beiden Argumentationslinien zu trennen" (R 147f., vgl. auch 154f.). Auch die Plagiatsvorwürfe, die gegen Pardo Bazán vorgebracht wurden (und werden, vgl. R 203f.), sind im Kontext der diskursiven Verteidigung einer etablierten Geschlechterordnung gegenüber einer Autorin zu sehen, die "für eine männlich geprägte Gesellschaft mehr als nur ein Kuriosum […] eine Gefahr" darzustellen scheint (R 158). Spöttisch erklärt etwa Francisco de Icaza, die Studie seiner unbequemen Kollegin sollte eigentlich den Titel "La novela en Rusia, por el Vizconde de Vogüé, traducción castellana de Emilia Pardo Bazán" tragen (zit. González-Arias 1994).

Aber auch in anderem Sinne spielt der Gender-Aspekt hier eine Rolle: Pardo Bazán nützt ihre Ausführungen auch dazu, vor der Kontrastfolie eines "stark verklärte[n]" Russland-Bildes einige kritische Reflexionen über die condition féminine in der spanischen Gesellschaft ihrer Zeit anzustellen (R 161f.), wohingegen sie die Freiheit und Gleichberechtigung der Frauen in Russland betont – einem durch westliche Russland-Diskurse geisternden Wunsch-/ Angstphantasma zufolge Reich der "gynécocratie" (so C.-F. Ph. Masson in seinen Mémoires secrets sur la Russie [1800], zit. Grève 2002: 923f.). Ein weiteres Mal fungiert Russland als Projektionsfläche, auf der allerlei (anti-)utopische Phantasien – hier "das utopische Bild eines Zustands der Gleichberechtigung" der Geschlechter (R 162) – ausgemalt werden.

Kurz: Rund um Pardo Bazán und ihre Einführung in die russische Literatur vollzieht sich eine doppelte "Abweisung des Hybriden" (R 186) im Sinne Bhabhas, eine doppelte Abwehrreaktion gegenüber "schädlichen Importen aus dem Ausland" und dem "Übel des aufkommenden Feminismus" (R 158f.).




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Wie schon bei Vogüé dient auch bei Pardo Bazán die Auseinandersetzung mit Russland der literarischen und gesellschaftlichen Selbstreflexion (R 218). Mit Blick auf das russische Spiegel-, Vor- und Gegen-Bild erklärt Pardo Bazán, es könne Spanien nicht schaden, die Geste Peters des Großen zu imitieren und "de tiempo en tiempo aunque sea un ventanillo" nach Europa zu öffnen (zit. R 172); sie vermittelt insofern ebenfalls eine "politische Botschaft", als sie das Projekt einer kulturellen 'Emanzipation' von Frankreich propagiert (R 170).

Der große Unterschied zu Vogüé besteht in Pardo Bazáns prinzipiell positiver Haltung gegenüber dem Naturalismus. Die Diskussion um ihre Schrift La cuestión palpitante (1883) nimmt bereits einige Aspekte der Rezeption von La revolución y la novela en Rusia vorweg; nicht umsonst wurde auch dieses Werk im Kontext der spanischen Naturalismus-Debatte wahrgenommen (R 198, vgl. auch 185). Pardo Bazán – politisch "ebenso konservativ" wie Vogüé, literarisch jedoch "weit experimentierfreudiger" (R 170) – wirft dem Naturalismus zwar ähnliche Defizite vor (v. a. seinen "Determinismus und Utilitarismus", R 148, 165), was sie aber nicht daran hindert, ihn als "die große Chance der europäischen Literatur" zu bewerten; sie skizziert das Programm eines "korrigierten" (R 165f.), "von den Entgleisungen des französischen Vorbilds bereinigt[en]" (R 163) Naturalismus – den sie in den russischen Romanen als "Beispiele[n] für einen verbesserten, weil sozusagen rechristianisierten Naturalismus" (R 198) realisiert sieht.16

Der 'novela rusa' wird wie bei Vogüé eine (temporäre) Modell- und Regenerationsfunktion für die eigene Nationalliteratur zugeschrieben. Auch Pardo Bazán betrachtet die russische Literatur "als Vehikel zum Wiedererstarken der spanischen" (R 173), zur Wiederentdeckung auch vergangener spanischer Größe: Im Rahmen einer quasi-systematischen intertextuellen Spurensuche (R 182f.) wird etwa Gogol' – den bereits Vogüé (1886: 130) "à mi-hauteur entre Cervantes et Le Sage" platziert – als "Cervantes ruso" literarhistorisch 'eingemeindet', der Held von Dostoevskijs Idiot als "tipo imitado del Quijote" interpretiert (zit. R 183, vgl. auch 278).17 Hier kommt eine spezifische "Lektürematrix" zur Anwendung, die dazu dient, Fremdes unter Rückgriff auf Vertrautes "kommensurabel zu machen" (R 183).

Kurz: Erneut wird die Literatur zu einem "Mittel der politisch-ideologischen Auseinandersetzung" (R 150), wie Ruhes Analyse kritischer Reaktionen auf Pardo Bazán illustriert (u. a. Juan Valera, Leopoldo Alas alias Clarín, Soledad Acosta de Samper). Auch hier fungiert der 'russische Roman' als "Katalysator" (R 205), der eine umfassende "Diskussion um die eigene Literatur und Kultur" (R 220) in Gang bringt. Die distanzierte Reaktion von Seiten der professionellen Kritik verhindert nicht, dass nach der Publikation von La revolución y la novela en Rusia auch in Spanien eine "emsige Übersetzertätigkeit" beginnt; auch Pardo Bazáns "Werbemaßnahme" ist insofern als geglückt zu betrachten (R 220).

Der folgende Abschnitt ("Übersetzung und Hybridisierung") beleuchtet im Detail diese Vogue von Übersetzungen aus der russischen Literatur, die im Gefolge Vogüés resp. Pardo Bazáns einsetzt. Vogüé, vom Erfolg seiner eigenen "Werbeaktion" (R 222) überrumpelt, "effrayé de l'afflux soudain de traductions de romans russes" (Corbet 1967: 420), steht dieser Fülle von Übersetzungen, "oft minderer Qualität" (R 221), selbst skeptisch gegenüber; bereits im Sommer 1885 klagt er in einem Brief an P. D. Boborykin über den Mangel an geeigneten Übersetzern: "La grande difficulté à laquelle je me heurte, c'est la pénurie de bons traducteurs […]" (zit. Vogüé 1977).




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Bei aller berechtigten Kritik an konkreten Übersetzungsleistungen der Epoche gilt es zu beachten, "dass den eigentlichen Übersetzungen […] eine Vielzahl an semiotischen Akten vorausgegangen sind" (R 223). In der französischen Rezeptionsgeschichte russischer Literatur kristallisieren sich dabei – dies bereits vor Vogüé (vgl. Oščepkov / Trykov 2010) – bezeichnende Unterschiede im Umgang mit einzelnen Autoren heraus. Ruhe spricht die Pionierrolle Prosper Mérimées ebenso an wie die im Lauf des 19. Jahrhunderts allmählich wachsende, zunächst freilich eher – à la Michel Strogoff – folkloristisch orientierte Popularität 'russischer' Roman- und Theatersujets (R 75). Als prononciert franko-affiner russischer Schriftsteller spielt Ivan Turgenev – dem Lamartine (1867: 76) in seinem Cours familier de littérature das Etikett eines "Balzac des forêts et des déserts" verpasst – "un rôle essentiel et très sélectif dans la diffusion en France des lettres russes" (Labriolle 1989: 59). Tatsächlich erfreut sich Turgenev, mit dem "die ernsthafte Aneignung russischer Literatur in Frankreich beginnt" (Oščepkov / Trykov 2010), in Frankreich beträchtlicher Popularität und wird schon in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts regelmäßig übersetzt, wobei sein Ruhm in mancher Hinsicht jenen seiner russischen Zeitgenossen beeinträchtigt, wie Ruhe (75) unter Verweis auf Corbet festhält;18 bekannt ist sein Anteil an der verspäteten Rezeption seines ehemaligen Freundes und nunmehrigen Intimfeindes Gončarov (vgl. Labriolle 1989). Der "klare Favorit" in den ersten zwei Jahrzehnten der großen "europäischen Entdeckung der russischen Literatur" ist Lev Tolstoj (R 44), in Frankreich, wie Wyzewa feststellt, teilweise bekannter als 'nationale' Autoren: "Nous connaissons l'œuvre de Tolstoy19 autant et mieux que celles de nos romanciers français les plus illustres" (zit. R 44) – bekannter auch als Dostoevskij, dessen erste Rezeptionsphase "gleichsam überschattet" vom Nimbus Tolstojs erscheint (R 44).

Der Erfolg Tolstojs in Frankreich besitzt "tous les caractères d'une révélation": "il y a un effet de choc, de rupture, devant un mode d'écriture, une poétique du roman, qui fait violence aux habitudes du lecteur français […]" (Aucouturier 2000: 121). Einen noch größeren 'Kulturschock' stellt die Konfrontation mit dem Werk Dostoevskijs dar: Ruhe interpretiert die französische (und in weiterer Folge die spanische) Dostoevskij-Rezeption im Sinne Lotmans als "Moment der Explosion […], der zu einer Entfaltung vielschichtigen neuen Sinns führt" (R 44). Gerade Dostoevskij, "le vrai Scythe" (Vogüé 1886: 203), wird in Frankreich als der 'fremdeste' und 'barbarischste' russische Autor empfunden (R 12, vgl. auch 41, 225). Auch Corbet hält fest, dass Dostoevskij von allen großen russischen Romanciers in Frankreich auf den größten Widerstand stieß (Corbet 1967: 417, vgl. auch ibid. 449) – als Autor, den zu assimilieren, dessen sich zu 'bedienen' schwer fällt: Noch bei Gide (1923: 50) wird Dostoevskij mit einer bemerkenswerten Formel als "celui dont on ne sait comment se servir" beschrieben.

Trotzdem oder gerade deshalb fungiert eben 'Dostoevskij' im Westen als Interpretationsparadigma für Russland ("Rußland ist Literatur: Rußland ist Dostojewski und vice versa", wie Hansen-Löve [1998/ 99: 180] den "Zirkel" der okzidentalen Russlanddeutung pointiert zusammenfasst), weit über die Literatur hinaus: "Über Dostoevskij versuchten die westeuropäischen Denker der Jahrhundertwende Russland zu verstehen", stellt Kantor (2010: 333) fest und wirft die Frage auf, weshalb "ausgerechnet Dostoevskij" (und nicht etwa Puškin, Gogol', Tolstoj oder Čechov) im Zentrum dieser Auseinandersetzung mit dem russischen 'Anderen' stand; ebenso wie Boris Groys im Gespräch mit Ryklin (2006: 247) kommentiert er kritisch die Hyper-Exotisierung des Romanciers und seines Werks (Kantor 2010: 341).20




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Vogüé jedenfalls legt innerhalb der sorgfältig konzipierten 'Architektur' seines Roman russe großen Wert auf die Balance zwischen für die französischen Leser einigermaßen Vertrautem und – exotischem, aber auch irritierendem – Fremdem; diesem Prinzip gehorcht bereits die Auswahl des zentralen 'Quartetts' russischer Autoren: "On sait avec quelles précautions il présente Gogol et Dostoïevski. Ces deux écrivains dont le génie est si éloigné de l'esprit français, sont équilibrés par deux auteurs rassurants, Tourguéniev et Tolstoï" (Labriolle 1989: 58). Wird schon Gogol' mit vorsichtiger Distanz präsentiert (zur Gogol'-Rezeption Vogüés vgl. Grève 1989), so erweist sich gerade die Auseinandersetzung mit Dostoevskij als besonders aufschlussreich hinsichtlich der Ambivalenzen des Autors selbst (vgl. Struve 1989: 80).

Nicht minder erhellend sind die französischen und spanischen Dostoevskij-Übersetzungen, die Ruhe in der Folge analysiert. Selbst Autoren wie Tolstoj oder Turgenev, deren Werke aus französischer Sicht weit 'anschlussfähiger' waren und schon wesentlich früher als jene Dostoevskijs "weitgehend werkgetreu" übersetzt wurden (R 41), scheinen ihre frühen Übersetzer vor so manches Problem gestellt zu haben (R 224); so beschwert sich Turgenev aus Anlass der Publikation der Übersetzung seiner Zapiski ochotnika ('Mémoires d'un seigneur russe', später präziser wiedergegeben als Mémoires d'un chasseur) erbittert über die "véritable mystification littéraire", die der Übersetzer (Ernest Charrière) sich geleistet habe: "C'est à ne pas s'y reconnaître. J'affirme qu'il n'y a pas […] quatre lignes de suite fidèlement traduites" (zit. R 224).21

"Weit dramatischer" (R 225) fallen diverse translatorische Manipulationen bei Dostoevskij aus, dessen "essentielle Fremdheit" die Übersetzer durch allerlei "Auslassungen, Tilgungen, Verbesserungen" zu eliminieren oder doch zumindest zu domestizieren versuchen (R 41). Liegen zwei der großen Dostoevskij-Texte – nämlich Prestuplenie i nakazanie (Schuld und Sühne bzw. Verbrechen und Strafe) und die Zapiski iz mërtvogo doma (Aufzeichnungen aus einem Totenhaus) – schon 1884 bzw. 1886 in "akzeptablen Übersetzungen" vor, so werden die späteren Romane als problematischer empfunden (R 225): "Le Dostoïevski du Roman russe s'arrête pratiquement là où le grand auteur commence, c'est-à-dire à Crime et Châtiment […]", bemerkt Struve (1989: 75; vgl. auch Corbet 1967: 417). Mit den späteren Werken aus dem "pentateuque dostoïevskien" (Struve 1989: 77) weiß Vogüé offenbar nicht mehr viel anzufangen: So befindet er den Roman Besy (Die Dämonen bzw. Böse Geister in der Neuübersetzung Swetlana Geiers) für "confus, mal bâti, ridicule souvent et encombré de théories apocalyptiques" (Vogüé 1886: 263); angesichts der Brüder Karamazov wahrt der Propagandist des 'russischen Romans' im Wesentlichen einen "silence moqueur" (Struve 1989: 77). Vogüé (1886: 255) kritisiert die "longueurs […] intolérables" vor allem dieses Textes, wobei er sein Urteil auf die angeblich von Dostoevskijs romanesken Exzessen ihrerseits überforderten russischen Leser stützt (vgl. R 226): "très-peu de Russes ont eu le courage de lire jusqu'au bout cette interminable histoire" (Vogüé 1886: 265f.); "Je subodore que Vogüé n'en a pas eu davantage […]", fügt Struve (1989: 77) ironisch hinzu.




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Das Argument der 'exzessiven' Länge scheint insofern "unlogisch", als es in Bezug auf Tolstoj offenbar keine Rolle spielt (R 226). In diesem Kontext geht Ruhe auch kurz auf die französische Übersetzungsgeschichte von Tolstojs Opus magnum Vojna i mir (Krieg und Frieden) ein:22 Hier werden lediglich strategische Kürzungen vorgenommen; der Roman wird "handlungsorientierter" gestaltet, der Anteil theoretischer Reflexion zurückgenommen; Struktur des Textes und Figurengestaltung als solche werden jedoch nicht verändert (R 227).

Bei Dostoevskij bietet sich ein völlig anderes translatorisches – bzw. zunächst geradezu 'klinisches' – Bild. Tatsächlich entfaltet sich rund um den 'Fall' Dostoevskij ("il y a en France, entre 1880 et 1890, un cas Dostoïevski, ou plutôt un problème Dostoïevski", bemerkt Mortier 1967: 787), in Frankreich durch seine Epilepsie "ebenso bekannt […] wie durch seine Romane" (R 228), ein literaturkritischer Diskurs mit ausgeprägt 'pathologisierender' Komponente; so bezeichnet Vogüé die Lektüre von Crime et Châtiment als "une maladie qu'on se donne bénévolement" (vgl. R 42) und die "pour les femmes et les natures impressionnables" nicht unbedingt zu empfehlen sei (Vogüé 1886: 246). Die Pathologisierung des Autors (zu der später auch Freud [2000] mit seiner Studie über Dostojewski und die Vatertötung das Seine beitragen sollte23) liefert die Legitimation für allerlei '(psycho-)korrektive' Eingriffe in seine Texte, gilt es doch "[d]ie aufgrund der geistigen Verwirrung des Autors entstandenen Längen und überflüssigen Wendungen seiner Romane […] einzudämmen und zu kanalisieren" (R 229).

Bereits 1881 schlägt Jean Fleury vor, Dostoevskijs Romane für das französische Publikum zu adaptieren (zit. R 77, 225); nach dem Erscheinen des Roman russe machen sich die Übersetzer an die "Aufgabe der Anpassung Dostoevskijs an französische Verhältnisse" (R 231), dies nicht zuletzt nach dem von Vogüé vorgegebenen Programm (R 230). So Ely Halpérine-Kaminsky: Ruhe illustriert sein Projekt der Dostoevskij-Adaptation an seiner Version der Brat'ja Karamazovy – gerade dieser Text, nicht nur der "meistgelesene und -untersuchte Roman Dostoevskijs" (Kantor 2010: 48), sondern auch jener, der "in geradezu exemplarischer Weise den Umgang mit den russischen Romanen zeigen kann" (R 289), wurde von den Übersetzern "der stärksten Überarbeitung für notwendig" befunden (R 232) – und mit aus heutiger Sicht bemerkenswerter 'Skrupellosigkeit' auch unterzogen.24

Ruhe unternimmt in der Folge eine detaillierte Analyse der von Halpérine-Kaminsky (im Verein mit seinem Ko-Übersetzer Charles Morice) vollzogenen makro- wie mikrostrukturellen Änderungen. Insgesamt konstatiert sie eine ausgeprägte Tendenz zur "Normalisierung von Text und Erzähler" (R 244), die das subversive Potential der Romane Dostoevskijs zu 'entschärfen' versucht. Deren charakteristische Polyphonie (vgl. Bachtin 1963; einen Überblick über kritische Positionen gegenüber Bachtins Konzept der Dostoevskij'schen 'Polyphonie' bietet Gerigk 2012) wird reduziert, ohne dass es gelänge, sie völlig zu eliminieren (R 260); doch geraten die Texte in der Übersetzung "monologischer[,] als sie von ihrem Autor intendiert waren" (R 270).




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Dies vor dem Hintergrund, dass die narrativen Innovationen Dostoevskijs durchaus eine 'metaphysische' Dimension besitzen.25 Wie schon Vogüé stellt Kantor (2010: 98) fest, dass Dostoevskij dem Leser "eine gewaltige seelische Anspannung" abverlangt: Eben die "Elimination des alles verstehenden und allwissenden Demiurgen-Autors" führt zu einer kreativen 'Aktivierung' des Lesers, sie lädt diesen ein, ja zwingt ihn dazu, "seine Position klarzustellen" (ibid.: 131) – eine Aufgabe, die ihm jene Übersetzungen in vorauseilender Diensteifrigkeit zu erleichtern versuchen. Bei Halpérine-Kaminsky (der seine Arbeit noch fast 40 Jahre später als "Dienst am Leser" verteidigt, vgl. R 262ff.) wird etwa das – in seiner rezeptionssteuernden Funktion essentielle – Vorwort "Ot avtora" getilgt (R 232), das strategisch die unreliability des Erzählers betont (vgl. R 244).

Es werden freilich auch ganze Bücher umgestellt, Kapitel zusammengezogen, extrem gekürzt oder – wie auch sämtliche Kapitelüberschriften – überhaupt ganz gestrichen; zwei Handlungsstränge des Originals werden praktisch völlig eliminiert – u. a. jene Romanteile, die die Vorgeschichte des Starzen Zosima und das Klosterleben betreffen. Eben das Streben nach Straffung und Simplifikation provoziert allerdings neue 'Verwerfungen' im Text und sorgt damit für "einen potentiell subversiven, modernen Mehrwert" (R 234). Die besagten Auslassungen muten auch insofern überraschend an, als Vogüé die russische Literatur ja gerade aufgrund ihres christlich-moralischen Gehalts als "Heilmittel" für die französische propagiert; zu Recht wirft Ruhe also die Frage auf, "weshalb ausgerechnet die Teile, die der religiösen Erbauung des französischen Publikums hätten nützlich sein können, getilgt werden" (R 234). An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Übersetzer nicht als reine Erfüllungsgehilfen Vogüés agieren, sondern auch konkurrierende Interessen ins Spiel bringen – und den Erwartungshorizont ihrer Leser pragmatischer einschätzen: aus der Sicht von Halpérine / Morice stellen offenbar die 'spirituellen' Passagen dem "Unterhaltungswert" (R 235) des Romans nicht eben zuträgliche und von einem kommerziellen Standpunkt entbehrliche Längen dar.

Ebenfalls gestrichen wird die Handlung rund um das kindliche Personal des Romans; in Kombination stellen diese beiden Auslassungen einen massiven Eingriff in die Struktur des Textes dar, dem damit "seine Perspektiven auf Vergangenheit und Zukunft" (R 236) abhandenkommen. Gerade die Figur des Alëša Karamazov – in der Übersetzung Halpérine-Kaminskys / Morices der zentrale Held – verliert derart beträchtlich an "psychologische[r] Tiefe" (R 237) und wird "zu einem etwas überheblichen Heiligen" (R 241).

Damit nicht genug: Da nun einmal der 'kindliche' Handlungsstrang eliminiert wurde, ist auch der Schluss des Originals (Alëšas Rede beim Begräbnis Iljuša Snegirëvs) nicht haltbar – was den findigen Übersetzer nicht weiter stört: Das letzte Kapitel des Epilogs wird kurzerhand gestrichen und durch einen neuen Schluss26 ersetzt – und zwar "ein im Lichte des Originaltextes ganz und gar groteskes Happy-End" (R 240). Insgesamt zielen all diese Interventionen auf "Konsens und Gefälligkeit" (R 271), auf "Vereindeutigung und Simplifizierung" (R 242) – und auf die Bestätigung des stereotypen Bildes eines 'primitiven' Russland (vgl. R 260).27 Durch die massiven Kürzungen bleibt etliches "Material" übrig, das Halpérine-Kaminsky als routinierter Translations-Industrieller nützt, um 1889 unter dem Titel Les Précoces einen weiteren 'Dostoevskij-Roman' herauszubringen, in dem besagte 'Restbestände' verwertet werden; um Ärger mit dem Verleger der 'offiziellen' Frères Karamazov zu vermeiden, benennt der pragmatische Übersetzer seine Hauptfigur einfach in 'Alexej Chestomazov' um (R 262f.).




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Diese Version der Frères Karamazov aus dem Jahr 1888 stellt wohl "das drastischste Beispiel für den Umgang mit den Texten Dostoevskijs" (R 264) dar; doch auch im Fall anderer Dostoevskij-Übersetzungen sind teilweise sehr beträchtliche Manipulationen zu beobachten. So erscheinen die Zapiski iz podpol'ja (Aufzeichnungen aus dem Untergrund bzw. aus dem Kellerloch) 1886 in einer stark gekürzten Version; zum Ausgleich wird dem Text als angeblicher "erster Teil" die Novelle Chozjajka (Die Wirtin) vorangestellt. Der Übersetzer begründet dieses Prozedere mit den "inneren Ähnlichkeiten der Protagonisten" (die im Original nicht einmal den gleichen Namen tragen, R 264) – und maßt sich damit die eigentliche Interpretationshoheit über das Werk Dostoevskijs an.

Nicht nur bei Halpérine-Kaminsky, gewiss ein übersetzungshistorischer Fall für sich,28 stehen derartige massive Eingriffe in den Originaltext an der translatorischen Tagesordnung; auch Théodore de Wyzewa setzt sein Programm der 'untreuen' Übersetzung (zit. R 268f.) konsequent um. Kurz: Übersetzer wie Halpérine-Kaminsky oder Wyzewa agieren, wie Ruhe unter Rekurs auf Lotmans Konzept der an den Grenzen einer Semiosphäre wirkenden "filternde[n] Membran" bemerkt, als kulturelle "Filter" (R 266) bzw. auch als Akteure einer Foucault'schen "Diskurspolizei", die die russischen Texte systematisch "korrigiert" (R 267).

Die Situation südlich der Pyrenäen analysiert Ruhe im folgenden Kapitel unter dem vielsagenden Titel "Spanien – Übersetzte Übersetzung" (R 276ff.). Während in Frankreich bereits vor Vogüé etliche Übersetzungen aus dem Russischen vorliegen (vgl. Oščepkov / Trykov 2010), entdecken in Spanien Verleger und Leser erst mit der Publikation von Pardo Bazáns Schlüsselwerk "das literarische Neuland im Osten" (R 276).29 Wie Vogüés Roman russe kommt auch Pardo Bazáns Studie eine zentrale rezeptionssteuernde Wirkung zu; zunächst werden vor allem die von ihr besprochenen und "kanonisiert[en]" Autoren übersetzt (R 277), wobei sie gegenüber Vogüé teilweise auch unterschiedliche Akzentsetzungen vornimmt: Sie beschäftigt sich etwa ausführlich mit dem bei Vogüé vernachlässigten Gončarov (R 82) und dem "oblomovismo" (Pardo Bazán 1973: 854f.). Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen freilich auch im spanischen Kontext Tolstoj und Dostoevskij (dabei erfolgt die Rezeption beider Autoren – wie auch schon in Frankreich – etwas "zeitversetzt", R 277).

Ein Spezifikum der spanischen Rezeption russischer Literatur besteht darin, dass bis in die 1920er Jahre nicht direkt aus dem russischen Original, sondern auf der Basis der vorhandenen französischen Ausgaben übersetzt wird (R 281f.).30 Nun ist dieses Prozedere der indirekten Übersetzung zwar im 19. und sogar noch im 20. Jahrhundert per se nicht ungewöhnlich – bemerkenswert ist jedoch, dass man in Spanien weiter auf die französischen Übersetzungen rekurriert, obwohl sich die Kritiker offenbar längst über deren zweifelhafte Qualität im Klaren sind und vergleichsweise zuverlässige deutsch- und englischsprachige Übersetzungen vorliegen (R 284). Hier scheinen marktstrategische (Mangel an kompetenten Übersetzern aus dem Russischen31) und identitätspolitische Momente zusammenzuspielen: Die Präferenz für eine – selbst qualitativ dubiose – romanische Vermittlungsinstanz erklärt sich, so Ruhes (plausible) Hypothese, möglicherweise auch aus der zu jener Epoche "sehr prononcierten Rivalität zwischen romanischen und germanischen bzw. angelsächsischen Ländern" (R 284).




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Wie dem auch sei: Die mangelhafte Qualität der frühen spanischen Übersetzungen – als "Übersetzungen von Übersetzungen" bereits "Hybride zweiter Ordnung" (R 308, vgl. auch 53) – hängt nicht zuletzt "mit der Mittlerrolle des Französischen" zusammen (R 282). Die von den französischen Übersetzern vorgenommenen Änderungen werden "unhinterfragt übernommen" (R 289), neue Modifikationen (vor allem weitere Streichungen) kommen hinzu (R 301). Die "Fragmentierung" der Romane Dostoevskijs – so der schon in Frankreich hinreichend malträtierten Brüder Karamazov – wird fortgesetzt (R 287). Auch Pardo Bazán liefert quasi schon im Voraus die Rechtfertigung für diverse Eingriffe in die 'Architektur' der Dostoevskij-Romane, wirft sie – auf den Spuren Vogüés – dem Autor doch ebenfalls seine "Maßlosigkeit" vor: "Lo que sobra a Dostoyevski de originalidad […] le falta de mesura y armonía" (zit. R 288). Doch auch die "Monologisierung" der Texte wird vorangetrieben, die "psychologische Tiefe" der Figuren weiter reduziert, ihre Charakteristik "simpler und eindimensionaler gestaltet" (R 290). Die schon bei Halpérine-Kaminsky unübersehbare Tendenz, "Russland und die Russen zu simplifizieren" (R 302), wird weiter verstärkt. Bemerkenswert ist freilich, dass eben durch dieses implizite Programm der Komplexitäts-Reduktion bzw. der "Eindämmung von Ambivalenzen und Zweifeln" (R 288ff.) oft genug neue "Widersprüche und Lücken" (R 301) an unerwarteter Stelle sich auftun, die neuen Interpretationsbedarf stiften; die "Zensur des allzu Fremden" gerät so zugleich zur "Geburtsstunde eines neuen Hybrids" (R 311).

Die Texte sowohl Vogüés als auch Pardo Bazáns eröffnen insofern einen neuen diskursiven Raum, den ihre konservativen Kritiker (und die in ihrem Sinne agierenden Übersetzer) unverzüglich wieder zu "schließen" versuchen: "Der Wunsch, der diesen Bemühungen um Monologisierung zugrunde liegt, muss gesehen werden als ein Zurückschrecken vor der Erfahrung radikaler Kontingenz und der Pluralisierung von Bedeutungsangeboten, als ein Zurückschrecken vor der Schwelle zur Moderne", lautet Ruhes Conclusio (R 320).

Die Monographie beschließt eine Reflexion über "Das kreative Potential der Untreue" (R 313ff.): Hier wird der schillernde Begriff der 'Übersetzung' noch einmal in seinen unterschiedlichen Dimensionen ausgelotet, zwischen konkreter Praxis und kulturwissenschaftlich-metaphorischem Gebrauch. Ruhe reflektiert – auf Basis nicht zuletzt der zeitgenössischen lateinamerikanischen Translationstheorie (Rosemary Arrojo, Else R. P. Vieira) – die Ambivalenz der Übersetzung zwischen Foucault'schem "Dispositiv der Macht" und "subversive[r] Strategie" (R 314), zwischen 'kolonialer' und 'postkolonialer' Komponente, wobei sich im Umgang mit dem 'roman russe' bzw. der 'novela rusa' in der analysierten Periode vor allem erstere manifestiert (R 315) – werden die zu übersetzenden Texte doch "in gut kolonialistischer Manier als eine misslungene Kopie des westlichen Originals betrachtet, die es zu korrigieren gilt" (R 319).

Die polyvalente 'Palimpsest'-Metapher wird unter Rekurs auf Harald Weinrichs Reflexionen über "Europäische Palimpseste" (2006) kritisch auf ihre Tauglichkeit in einem übersetzungstheoretischen Kontext befragt – und diese Frage für den hier untersuchten Gegenstand bejaht, gerade aufgrund des "Moment[s] der Gewalt und der intentionalen Vernichtung", das der Idee des 'Palimpsests' – entgegen dem aktuellen inflationären Gebrauch – innewohnt (R 316ff.).




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'Übersetzung' wird hier als komplexer interkultureller "Verhandlungsprozess" verstanden (R 30f.); damit erscheinen auch die in den vorangegangenen Kapiteln analysierten, nach heutigen Vorstellungen 'misslungenen' Übersetzungen – so die Übersetzung der Brat'ja Karamazovy ins Französische bzw. "en halpérinois" (Fernand Baldensperger, zit. R 270) – in einem neuen Licht. Tatsächlich ist gerade die "inadäquate" Übersetzung aus semiotischer Perspektive von besonderem Interesse (R 23, vgl. auch 11); das Moment der translatorischen "Dysfunktionalität" fungiert als Informations- und Interpretationsgenerator, als Faktor der Freisetzung von "semiotische[r] Energie" (R 30).

Fazit: Es handelt sich um ein überaus gelungenes Beispiel für eine kulturwissenschaftlich orientierte Literaturwissenschaft, die detaillierte Textanalyse und (rezeptions- wie übersetzungs-)theoretische Reflexion über Literatur im soziokulturellen Kontext verbindet.32 Besonders hervorzuheben ist die fruchtbare Kombination unterschiedlicher Forschungstraditionen: Ihrem Gegenstand wird Ruhes Untersuchung auch in ihrer reflektierten theoretischen 'Polyphonie' gerecht; Eugène-Melchior de Vogüé und Homi Bhabha, Emilia Pardo Bazán und Jurij M. Lotman, Miguel de Unamuno und Niklas Luhmann treten in einen inspirierenden interkulturellen Polylog ein.

Erweist sich der hier gewählte komparatistische Ansatz schon im Rahmen des Dreiecks Frankreich / Spanien / Russland und der analysierten Epoche als überaus aufschlussreich, so lädt diese Studie in mehrfacher Hinsicht zur wissenschaftlichen Anschlusskommunikation ein – allgemein-theoretisch (Kultursemiotik, Übersetzungstheorie) wie themenspezifisch: Zu letzterem Aspekt seien hier in aller Kürze einige mögliche Achsen für weitere Forschungen skizziert.

Konkret wäre es zunächst von Interesse, die Rezeptionsgeschichte der Schlüsselwerke Vogüés und Pardo Bazáns über die franko-hispanische Sphäre hinaus zu verfolgen. Beide Texte wurden in andere Sprachen übersetzt und im Fall Vogüés bereits im französischen Original auch außerhalb Frankreichs intensiv rezipiert. So betont Krasavčenko (2011: 173f.) die zentrale Rolle der von Vogüés Roman russe gestifteten Interpretationsparadigmen auch im englischen Kontext; das darin vermittelte Bild von Russland, russischer Literatur und insbesondere Dostoevskij habe einige Generationen von Lesern geprägt. Auch hier erfüllt also Frankreich eine ambivalente Vermittler- bzw. Filter-Funktion, ohne dass – wie im Fall Spaniens – ein starkes kulturelles Machtgefälle vorläge; insofern könnte es von Interesse sein, die kulturelle Logik der Rezeption Vogüés bzw. des 'russischen Romans' resp. in Spanien und England zu vergleichen. Was die USA betrifft, so wird bereits die Artikelserie Vogüés in der Revue des Deux Mondes rezipiert; schon 1887 erscheint der Roman Russe in englischsprachiger, Edgerton (1989: 97) zufolge freilich "mediokrer" Übersetzung;33 auch in den USA wird mit spöttischer Besorgnis eine regelrechte russische 'Invasion' beobachtet (ibid.). Auch Pardo Bazáns La revolución y la novela en Rusia wird bereits drei Jahre nach Erscheinen des Originals in englischsprachiger Übersetzung publiziert (vgl. ibid.: 98).34




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Ruhe selbst weist darauf hin, dass die Rezeption russischer Literatur (und besonders Dostoevskijs) in Lateinamerika ein lohnender Gegenstand für weiterführende Untersuchungen wäre (R 286). Tatsächlich wird Vogüé auch in Lateinamerika intensiv rezipiert (Edgerton 1989: 99);35 ab 1886 kommt auch hier der 'russische Roman' in Mode. In der Folge hat auch das Werk Pardo Bazáns zu seiner Popularisierung beigetragen (ibid.: 100). Spielt bereits in der spanischen Wahrnehmung russischer Literatur das Bewusstsein des beiden Ländern gemeinsamen peripheren Status eine wichtige Rolle, so wäre die naheliegende Frage aufzuwerfen, in welcher Weise diese 'marginale' Selbstverortung und die sich daraus ergebenden Anknüpfungspunkte zu Russland auch in der lateinamerikanischen Rezeption präsent sind. Für lateinamerikanische Autoren stellen die großen 'Typen' der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts offenbar durchaus brauchbare Identifikationsparadigmen dar: So erklärt Ernesto Sábato den eponymen (Anti-)Helden des Oblomov in seinen Reflexionen "Sobre literatura nacional" zum perfekten Repräsentanten eines bestimmten argentinischen Typus nicht allzu guter alter Zeiten: "Usted ha leído Oblomov? Pues si en lugar de té ese caballero toma mate puede pasar aceptablemente por cierto género de argentino de hace unas décadas" (Sábato 1997: 12; zu Sábatos Verhältnis zur russischen Literatur vgl. Cadot 1992). Kofman (2011: 596f.) weist in einer imagologischen Studie zum "Bild Russlands in der hispano-amerikanischen Literatur" auf die frappierende Konvergenz zwischen (wesentlich aus literarischen Quellen gespeisten) Heterostereotypen des vorrevolutionären Russland und lateinamerikanischen Autostereotypen hin.

Die Rezeptionsgeschichte Vogüés und Pardo Bazáns wäre auch in Russland weiter zu verfolgen; Vogüés Studien zum 'russischen Roman' werden quasi zeitgleich übersetzt.36 Pardo Bazán wurde offenbar vor allem als belletristische Autorin wahrgenommen; die Literaturnaja Ėnciklopedija stellt sie zwar als "eine der größten spanischen Schriftstellerinnen des vergangenen Jahrhunderts" vor, erkennt ihren literaturkritischen Schriften dagegen nur "zweitrangige Bedeutung" zu.37 Schließlich wäre der Frage nachzugehen, wie Vogüés resp. Pardo Bazáns Auseinandersetzung mit der russischen Literatur ihr eigenes belletristisches Schaffen beeinflusst: Vogüé verfasst selbst mehrere Prosa- und Dramen-Texte zu russischen Sujets;38 Ansätze zu einer Untersuchung der Rolle der "intertextualidad rusa en la obra de creación de Emilia Pardo Bazán" finden sich bei González-Arias 1994.

Aufschlussreich schiene auch der Vergleich mit den zentralen Vermittlerfiguren russischer Literatur in anderen westeuropäischen Ländern: In Belgien etwa setzt das Interesse am 'russischen Roman' noch vor "la grande vague de 1886" ein (Mortier 1967: 779); eine Pionierrolle spielt hier Eugène Hins, der unter dem Titel La Russie dévoilée au moyen de sa littérature populaire (1883) Russland, "moins connue que l'Afrique" (Hins 1883: VI), auf literarischem Wege zu erkunden und – wie Vogüé, wenn auch aus anderen Motiven – vom Stigma eines "pays prétendument barbare" zu befreien versucht (zit. Mayné 1989: 47). Ab 1883 publiziert Hins, der auch selbst Gogol' und Dostoevskij übersetzte (u. a. die Legende vom Großinquisitor, die in der Halpérine-Kaminsky'schen Version der Frères Karamazov als irrelevante "digression" getilgt wurde, ibid.: 52), in der Revue de Belgique und in La Société Nouvelle diverse – im Unterschied zu jenen Vogüés nie in Buchform gesammelte und wohl auch deshalb viel weniger bekannte (ibid.: 53) – Studien zu Turgenev, zu Dostoevskij, Un romancier-psychologue russe, den er – im Gegensatz zu der in Frankreich verbreiteten spirituell-mystischen Lesart – als "un auteur essentiellement réaliste" (ibid.: 52) charakterisiert, aber auch zu Gončarov, "peut-être son auteur préféré" (Mortier 1967: 786), oder zu dem ukrainischen Dichter Taras Ševčenko, wobei er sein Publikum auch für weniger bekannte "écrivains foncièrement russes" zu interessieren versucht (Mayné 1989: 51). Kurz: Hier wäre ein Zeitgenosse Vogüés und Pardo Bazáns, dessen durchaus origineller Beitrag zur Erschließung der russischen Literatur bis heute außerhalb Belgiens kaum hinreichend gewürdigt wird, im europäischen Kontext weiter zu erforschen.




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Mit gutem Grund wird bei Ruhe die besonders aufschlussreiche Dostoevskij-Rezeption fokussiert; dennoch wäre es von Interesse, vergleichende Untersuchungen in Bezug auf andere Autoren zu unternehmen bzw. auch das (wesentlich von Vogüé geprägte) 'System' der französischen Aneignung russischer Literatur weiterzuverfolgen – so auch das Rezeptionsschicksal von Vogüé vernachlässigter Autoren, die – wie eben Gončarov – erst verspätet den Weg zum französischen Publikum fanden.

Was die Rezeptionsanalyse am Beispiel der Dostoevskij-Übersetzungen betrifft, so ergeben sich über die Konstellation Frankreich / Spanien hinaus interessante komparatistische Perspektiven. Ruhe betont die relativ höhere Qualität der deutschsprachigen Übersetzungen der Epoche, was im Vergleich mit den teilweise abenteuerlichen Manipulationen eines Halpérine-Kaminsky zweifellos zutrifft; dennoch war auch die Dostoevskij-Rezeption im deutschsprachigen Raum lange Zeit stark ideologisch gefärbt. Nicht umsonst vollzieht sich erst mit der Neuübersetzung der fünf romanesken 'Elefanten' Dostoevskijs durch Swetlana Geier39 ein Paradigmenwechsel in der Dostoevskij-Übersetzungskultur – den bereits die Titel-Änderung vom religiös-moralisch überinterpretierenden Schuld und Sühne zum original-konformen Verbrechen und Strafe exemplarisch illustriert.40

Vielversprechend erscheint auch die von Ruhe skizzierte Umkehrung der literaturkritischen Perspektive, d. h. die Untersuchung von Rezeption und Übersetzung französischer Literatur in Russland. Auch wenn das Französische in Russland als Kultursprache traditionell etabliert war und französische Literatur von einem gebildeten Publikum im Original rezipiert wurde, stellt sich die Frage nach Qualität und Spezifik der vorhandenen russischen Übersetzungen (R 11).41 Doch selbst dort, wo in Russland französische Original-Texte gelesen werden, findet ein semiotischer "Übersetzungsprozess" (R 30) statt, ein Prozess der "Entstellung und Hybridisierung" im Sinne Bhabhas; umso mehr gilt dies für ihre intertextuelle Weiter-Verarbeitung durch russische Autoren (R 32).

Im Rahmen einer Erweiterung entlang der zeitlichen Achse stellt sich die Frage, wie sich die Rezeption russischer Literatur in Westeuropa nach 1910 und insbesondere nach der Oktoberrevolution entwickelt: Welche Autoren und Texte werden im neuen ideologischen Kontext wie gelesen und übersetzt? Sowohl Vogüé als auch Pardo Bazán befassen sich bereits früh auch mit Maksim Gor'kij: Vogüés Maxime Gorky. L'œuvre et l'homme erscheint zuerst 1901 in der Revue des Deux Mondes, 1905 in Buchform;42 Pardo Bazán publiziert ebenfalls 1901 ihre Gor'kij- (und Merežkovskij-)Studie.43




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Ruhe weist unter Rekurs auf G. Portnoff darauf hin, dass die Rezeption russischer Literatur in Spanien mit der Oktoberrevolution in eine neue Phase eintritt, in der nicht nur neue russische Autoren 'entdeckt', sondern auch die bereits etablierten Klassiker Tolstoj und Dostoevskij neu übersetzt werden – nunmehr unmittelbar aus dem Russischen (R 277). Auch in Frankreich bleibt die russische Literatur des 19. Jahrhunderts eine wichtige Referenz, gerade auch in der Auseinandersetzung mit den veränderten politischen und gesellschaftlichen Realitäten. Dostoevskij spielt weiterhin eine Schlüsselrolle (Kantor [2010: 52] betont, dass gerade nach der Revolution die Popularität Dostoevskijs enorm angestiegen sei; vgl. auch seine Reflexionen über "Karamazovščina kak bol'ševizm", ibid.: 70ff.); schon 1919 bietet Joseph Kessel eine 'Lektüre-Anleitung' für Le Bolchevisme à travers Dostoïevski (vgl. Kessel 1992), aber auch Dmitrij Merežkovskij (1922) und Boris Vyšeslavcev (1923) präsentieren Dostoevskij als 'Propheten' der Revolution (vgl. Kantor 2010: 49f.); ähnlich André Gide: "Le livre tout entier des Possédés dénonce prophétiquement la révolution dont souffre à présent la Russie" (Gide 1923: 282; vgl. auch ibid.: 290).

Freilich wird der 'russische Roman' – in Frankreich wie in Spanien – auch rasch genug zum literarischen Stereotyp sui generis, in der Zwischenkriegszeit parodistisch variiert: So verfasst Francis de Miomandre mit seinen Âmes russes 1910 (1931) einen bewusst anachronistischen 'Dostoevskij-Roman' (vgl. Ouellet 2008); Paul Morand spielt in verschiedenen Texten mit Formeln à la "comme dans les romans russes" (Morand 2001: 79), "comme on dit dans les romans russes" (Morand 1997: 102); Ramón Gómez de la Serna verfasst seine Falsa novela rusa als "homenaje" an den bereits 'toten' russischen Roman (Gómez de la Serna 1989: 41); Louis Guilloux lässt in Le Sang noir seine Protagonisten nach Herzenslust ihrem Lieblingsspiel "jouer au roman russe" (Guilloux 2000: 417) nachgehen: Letzterer erscheint bereits fix mit einem bestimmten stereotypisierten Repertoire von Figuren, Situationen, Verhaltens- und Ausdrucksweisen assoziiert (vgl. dazu Stemberger 2009).

Die Untersuchung der westlichen Rezeption russischer Literatur über politische Umbrüche hinweg lässt sich schließlich bis in die Gegenwart fortsetzen: Während die großen Klassiker der russischen Literatur in kritischer Auseinandersetzung mit früheren Versionen neu übersetzt wurden bzw. werden (vgl. Geiers Dostoevskij-Projekt oder Vera Bischitzkys Neuübersetzungen von Gogol's Toten Seelen und Gončarovs Oblomov), erscheinen weiterhin teilweise ausgesprochen 'schlechte', in spezifischer (und damit wiederum kultursemiotisch aufschlussreicher) Weise tendenziöse Übersetzungen russischer Gegenwartsliteratur, die das jeweilige Original unter Bestätigung eines stereotypen Russland-Bildes trivialisieren – hier kommen nach wie vor jene translatorischen Strategien zum Einsatz, die Ruhe an ihrem Corpus kritisch analysiert.44 In diesem Sinne ist der interkulturelle, interdiskursive Raum, den Ruhe in ihrer Studie erkundet, bis heute 'in Bewegung'.


Zitate aus russischsprachigen Quellen wurden, so nicht anders angegeben, von der Autorin übersetzt.




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Anmerkungen

1 Eine französischsprachige Kurzfassung dieses Rezensionsaufsatzes ist in den Romanischen Forschungen (126:1 [2014], 95–103) erschienen.

2 Im Folgenden unter der Sigle "R" zitiert.

3 Die signifikante Metaphorik des 'Elementarereignisses' wird auch in der neueren Forschungsliteratur noch fortgeschrieben; ist bei Corbet (1967: 420) von einer "marée montante" die Rede, so bemerkt auch Aucouturier (2000: 116), Vogüés Le Roman russe sei "incontestablement à l'origine du raz de marée russe qui, pendant plusieurs années[,] va déferler sur la littérature française".

4 Zu "(De)Konstruktionen des 'Orients' in europäischen Russland-Diskursen" vgl. auch Stemberger 2010.

5 Noch 1956 erklärt Aragon, Vogüés Werk habe "pour qui sait lire un certain caractère d'actualité" bewahrt (zit. P. de Vogüé 1989: 10); Pierre Pascal hält 1971 fest: "[…] le Roman russe a été une révélation et a véritablement fait époque" (zit. ibid.).

6 "La région où nous allons voyager est vaste, à peine explorée […]", erklärt Vogüé einleitend (1886: VII); gleich darauf ist von einer erst noch zu erschließenden "contrée neuve" (ibid.: VIII) die Rede: Die räumlich-kartographische Metaphorik, die durch seinen Diskurs ausgesponnen wird, wäre – gerade in ihrer 'kolonial'-exploratorischen Komponente – eine eigene Untersuchung wert.

7 In seiner Bibliographie im Anhang führt er neben einer französischen Oblomof-Übersetzung auch Eugène Gothis auf dem Roman Obryv (Die Schlucht) beruhende Gončarov-"Adaptation" Marc le Nihiliste (Paris: Plon, 1886) an (vgl. Vogüé 1886: 350). Zu den (literarischen wie politischen) Gründen für Vogüés Missachtung Gončarovs vgl. Labriolle 1989; zur französischen Übersetzungsgeschichte Gončarovs vgl. Gus'kov 2002.

8 "[…] l'intérêt pour cette littérature n'est pas directement causé par les articles du vicomte, mais parce que ces romans répondaient à l'attente du public […]", betont auch Cadot (1989: 26). Vogüé verschafft dem 'russischen Roman' in Frankreich eine bislang ungeahnte – und plötzliche (vgl. Corbet 1967: 415) – Breitenwirkung, wobei aber etliche französische Schriftsteller und Intellektuelle nicht auf seinen literarischen 'Führer' durch die terre vierge der russischen Literatur gewartet hatten, um etwa Tolstoj für sich zu entdecken – so erklärt Romain Rolland (1978: 13): "La mode n'était pour rien dans notre sentiment. La plupart d'entre nous n'ont, comme moi, connu le livre d'Eugène-Melchior de Vogüé sur le Roman russe qu'après avoir lu Tolstoï; et son admiration nous a paru pâle auprès de la nôtre." Auch Aucouturier (2000: 116) weist darauf hin, dass die Tolstoj-Euphorie zumindest engerer Kreise der Publikation des Roman russe vorangegangen sei und in mancher Hinsicht den Weg für die breite Rezeption des Werkes geebnet habe.




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9 Was diesen nicht daran hinderte, sich angegriffen zu fühlen: Im Gespräch mit einer russischen Zeitschrift erklärt Zola – seinerseits früh und intensiv in Russland rezipiert – "que le succès des auteurs russes est le résultat d'intrigues et que Vogüé a plus ou moins inventé le roman russe pour [m']embêter" (zit. R 97).

10 Ebendiese Formel des "realismo místico" greift auch Emilia Pardo Bazán in Bezug auf Dostoevskij auf (vgl. R 167).

11 In dieser Hinsicht stellt Ruhe fest, dass Lotmans Thesen zur Dynamik des kulturellen Austauschs auf den hier analysierten Prozess nicht uneingeschränkt zutreffen: Suspendiert nach Lotman eine in einer 'rezeptiven' Phase befindliche Kultur bzw. Semiosphäre temporär ihren "Hegemonieanspruch", so versteht sich Frankreich auch in der untersuchten Epoche nach wie vor als kulturell dominantes Zentrum; insofern folgt die Rezeption der russischen Literatur Ende des 19. Jahrhunderts einer völlig anderen Logik als etwa jene der italienischen Literatur zur Zeit der Renaissance (R 273f.).

12 Zur Interpenetration von literarischem und philosophischem Diskurs in der russischen Semiosphäre vgl. Clowes 2004.

13 Gerade in Bezug auf Custine (der lange vor der Polemik um Vogüés Roman russe eine Reihe gegnerischer Argumente vorwegnimmt, R 73) arbeitet Ruhe die 'kolonialistische' Dimension des hier entfalteten Russland-Diskurses heraus (R 72). Im Sinne eines 'Writing Back' bzw. der postkolonialen Aneignung eines kolonialen Diskurses ist die russische Custine-Rezeption im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert von großem Interesse (vgl. Erofeev 2002, Ėpštejn 2005: 105).

14 Die französische Rezeption russischer Literatur wird im Rahmen dieses literaturkritischen Transfers stark simplifiziert wahrgenommen; von allen Ambivalenzen der französischen Debatte bleibt aus spanischer Perspektive lediglich "Frankreichs einhellige Begeisterung für Russland und seine Literatur" übrig (R 201).

15 In der Tat war die traditionell asymmetrische franko-russische Relation dazu angetan, den privilegierten Status Frankreichs als Kulturnation par excellence paradigmatisch zu illustrieren; die besagte 'Spiegelfunktion' scheint Russland in mancher Hinsicht bis in die Literatur der Gegenwart zu erfüllen (vgl. etwa Gassin 2012).

16 Diese Quasi-Gleichsetzung der russischen Romanliteratur des 19. Jahrhunderts mit dem französischen Naturalismus beruht auf einem literarhistorischen "Missverständnis"; vgl. Ruhes Erklärung der Konfusion rund um die russische "natural'naja škola", die im Spanischen im Handumdrehen aus einer "escuela natural" zur "escuela naturalista" wird, so dass schließlich Pío Baroja Gogol' als "creador del naturalismo ruso" charakterisieren kann (R 167f.).

17 Zur russischen Don Quijote-Rezeption vgl. Bagno 2009.

18 "[…] il ne se donnait pas une peine excessive […] pour éclairer notre public sur ses concurrents vivants", wie Corbet über Turgenev, diese "coqueluche du public français", ironisch bemerkt (1967: 368).

19 Auch Rolland macht sich nach einem entsprechenden Hinweis von Tolstojs ältester Tochter die französische Schreibweise 'Tolstoy' zu eigen (vgl. Rolland 1978: 10).




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20 "[…] Dostoïevski est un genre purement russe, Tolstoï est humain […]", betont die ihrerseits um 'französische' Selbstinszenierung bemühte franko-russische Autorin Irène Némirovsky (zit. in Philipponnat / Lienhardt 2007: 176).

21 In einem Brief an S. T. Aksakov vom 7. August 1854 legt sich der Autor weniger vornehme Zurückhaltung auf: "Ich habe endlich die französische Übersetzung meiner 'Zapiski' bekommen – und es wäre besser, ich hätte sie nicht bekommen! Dieser Herr Charrière hat weiß der Teufel was aus mir gemacht […]" (zit. Oščepkov / Trykov 2010).

22 Hier ist eine kleine übersetzungshistorische Ergänzung anzubringen: Ruhe (226, 321) verzeichnet die Edition "La guerre et la paix, roman historique traduit, avec l'autorisation de l'auteur, par une Russe" (Paris: Hachette, 1884); hinter besagter "Russe" verbirgt sich Irène Paskévitch (alternativ 'Paskiévitch'), deren französische (Erst-)Übersetzung des Romans bereits 1879 in St. Petersburg erschien und in der Folge in Frankreich von Hachette vertrieben wurde (Aucouturier 2000: 115, Corbet 1967: 413, 454). Vogüé publiziert am 15. Juni 1879 eine Rezension zu dieser Übersetzung in der Revue des Deux Mondes (vgl. Aucouturier 2000: 117).

23 Vgl. auch Kantor 2010: 333ff. über die Konstellation "Frejd versus Dostoevskij".

24 Corbet (1967: 450) attestiert den französischen Dostoevskij-Übersetzern jener Epoche generell "une désinvolture extraordinaire", wobei Halpérine-Kaminsky mit seiner Karamazov-Version zweifellos "[l]e comble du sans-gêne" erreicht habe.

25 "Der Entthronung Gottes durch die Skepsis der Figuren folgt die Entthronung des Erzählers des 19. Jahrhunderts […]" (R 43) konstatiert Ruhe unter Verweis auf Robbe-Grillets Reflexionen über Balzacs 'gottgleiche' Erzähler (zit. ibid.).

26 Dieser neue "Épilogue" – übersetzungshistorisches Kuriosum – ist im Anhang von Ruhes Studie abgedruckt.

27 Struve (1989: 77) weist darauf hin, dass auch der Autor selbst bei Vogüé gezielt 'naiv' dargestellt wird.

28 Es entbehrt nicht der Ironie, dass ein renommierter, 1937 von der Société des gens de lettres gestifteter Übersetzer-Preis ausgerechnet den Namen dieses 'traditore' par excellence verewigt (vgl. R 263).

29 Bis in die 1880er Jahre liegen nur vereinzelt spanische Übersetzungen russischer Texte vor. Hier gilt es freilich die Tatsache zu berücksichtigen, dass das gebildete Lesepublikum – wie auch Pardo Bazán selbst – diese Texte selbstverständlich in französischer Fassung rezipiert, weshalb die konkrete Übersetzungstätigkeit ins Spanische nicht als einziger Indikator für die (zunehmende) Popularität russischer Literatur gelten kann (R 281).

30 Auch in Italien wird russische Literatur bis in die 1920er Jahre indirekt über das Französische übersetzt (vgl. R 282); hier ergibt sich ein interessanter Anknüpfungspunkt für weitere komparatistische Untersuchungen. Ebenso hinsichtlich der russischen Rezeption spanischer Literatur: Auch diese beruhte, wie Ruhe unter Verweis auf die Studien P. Zaborovs erläutert (R 11f.), lange Zeit auf indirekten Übersetzungen, meist aus dem Französischen – teilweise freilich auch auf noch verschlungeneren translatorischen Pfaden: Die Romances del Cid erreichen den russophonen Leser auf dem mehrfachen Umweg über das Französische und das Deutsche (R 283).




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31 Es ist bezeichnend, dass sich – im Gegensatz zu Frankreich mit seinen zwar kontroversen, aber doch profilierten 'Großübersetzern' russischer Literatur wie Halpérine-Kaminsky oder Wyzewa – in Spanien keine entsprechenden 'Autoritäten' etablieren, sondern ständig wechselnde Übersetzer am Werk sind (R 284).

32 Die (auch politische) Aktualität der Thematik steht außer Frage, wird hier allerdings eine Spur zu bemüht herausgestellt; in diesem Sinne entbehrlich scheinen die Passagen, in denen die Rezeption russischer Literatur in Frankreich bzw. Spanien mit dem Umgang der heutigen westlichen Gesellschaften mit dem Phänomen der "Immigration und ihre[n] befürchteten Folgen für Gesellschaft und Kultur" (R 131) parallelisiert, die Debatte um den 'russischen Roman' unter Rekurs auf eine doch eher klischeehafte Politformel mit "den bis heute ausgetragenen Kontroversen zur Integration ausländischer Mitbürger" (R 132) verglichen wird (in Bezug auf die spanische Diskussion wird dieser etwas gekünstelte Vergleich erneut über mehrere Seiten hinweg ausgesponnen, R 178ff.).

33 The Russian Novelists (Übers. Jane Loring Edmands). Boston: D. Lothrop Company, 1887.

34 Russia: its people and its literature (Übers. Fanny Hale Gardiner). Chicago: A. C. McClure & Co., 1890.

35 Die Nicht-Existenz einer direkten Übersetzung sollte nicht zu dem Fehlschluss verleiten, dass Vogüé in Lateinamerika keine Rolle gespielt habe: Das gebildete frankophile Publikum liest den Roman russe ohne Weiteres im Original (Edgerton 1989: 99).

36 Mit dem Roman russe korrespondiert der Band Sovremennye russkie pisateli: Tolstoj – Turgenev – Dostoevskij (Moskva: V. N. Marakuev, 1887; gegenüber dem französischen Original fällt auf, dass in diesem Titel mit Gogol' einer der vier bei Vogüé zentral behandelten Autoren fehlt).

37 In Bezug auf ihre Studie über den russischen Roman (hier fälschlich mit dem Titel La revolucion [sic] de la novela en Rusia zitiert) wird auch der bis heute sich hartnäckig haltende Vorwurf mangelnder 'Originalität' wiederholt (vgl. Vygodskij). Die Bol'šaja Sovetskaja Ėnciklopedija würdigt das Werk immerhin unter dem korrekt auf Russisch wiedergegebenen Titel "Revoljucija i roman v Rossii" als einen "der ersten Versuche, die spanischen Leser mit der russischen Literatur des 19. Jh. bekannt zu machen" (vgl. Jasnyj).

38 Vgl. seinen Erzählband Cœurs russes (1893) sowie seine drei Dramen zu Sujets aus der russischen Geschichte: Le Fils de Pierre le Grand. Mazeppa. Un Changement de Règne (Paris: Calmann Lévy, 1884), wiederaufgelegt als Trois drames de l'histoire de Russie (Paris: A. Colin, 1911).

39 Vgl. Vadim Jendreykos der Übersetzerin gewidmeten Dokumentarfilm Die Frau mit den 5 Elefanten (2009).

40 Zur deutschsprachigen Dostoevskij-Übersetzungsgeschichte vgl. Kogut 2009; inbes. zu Geiers Neu-Übersetzungen, die sich auch "gegen ein bestimmtes Dostoevskij-Bild" richten (ibid.: 269) und "eine neue Dostoevskij-Rezeption im deutschen Sprachraum ausgelöst haben" (E. Ammann, zit. ibid.: 278).

41 Der in Ruhes Studie zu Recht ausführlich behandelte Ely [Il'ja] Halpérine-Kaminsky etwa übersetzte nicht nur aus dem Russischen ins Französische, sondern auch in umgekehrter Richtung – etwa Zola, Daudet oder Dumas fils (vgl. Corbet 1967: 441f.); die Frage liegt nahe, ob der berüchtigte "bourreau de Tolstoï" (Léon Bazalgette, zit. R 265) und eifrige Dostoevskij-Mutilator bei dieser seiner translatorischen Mission ebenso viel (fatale) 'Phantasie' bewies…




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42 Dieser Text zeugt nicht zuletzt von der Enttäuschung des Autors darüber, "que la littérature russe ne se développait pas dans le sens qu'il avait prévu – et désiré" (Corbet 1967: 452). Vogüés Gor'kij-Studie wird – und zwar noch vor der französischen Buchpublikation – gleich mehrfach ins Russische übersetzt (Petersburg 1902, Moskau 1902 [Neuauflage 1903], Odessa 1903); 1903 wird in Moskau auch eine mit Kommentaren russischer Kritiker ergänzte Ausgabe publiziert. In mehreren Auflagen erscheint auch seine Abhandlung zu Anton Čechov (Moskau 1902, Neuauflage 1903), wiederum auch in einem ergänzten Kommentar-Band (1903).

43 "Dos tendencias nuevas en la literatura rusa. El hampa y la bohemia (Máximo Gorki). La conciliación pagano-cristiana (Demetrio Merejkowsky) (Conclusión)" (zit. nach R 280).

44 Zu dieser Problematik (die eine eigene ausführliche Studie erfordern würde) sei etwa – um nur ein signifikantes Beispiel zu nennen – auf die im Heyne-Verlag erschienenen Übersetzungen der Romane Sergej Minaevs verwiesen (vgl. Minajew 2010 und 2012).