PhiN 63/2013: 45



Gerhard Poppenberg (Heidelberg)



Emmanuel  Alloa (Hg.) (2011): Bildtheorien aus Frankreich. Eine Anthologie. München: Fink.

Kathrin Busch und Iris Därmann (Hg.) (2011): Bildtheorien aus Frankreich. Ein Handbuch. München: Fink.


In Fragen avancierter Theoriebildung ist seit langem das Herkunftssiegel "aus Frankreich" ein Ausweis von Qualität. In der Reihe eikones des Fink Verlags sind nun zwei Bände zu Bildtheorien aus Frankreich erschienen. Der eine Band ist eine Anthologie; sie versammelt zwölf Aufsätze von Philosophen und Kunsttheoretikern. Der andere Band ist ein Handbuch; es stellt in Einzelbeiträgen 32 Denker vor, die bildtheoretische Überlegungen entwickelt haben. Der gemeinsame Obertitel deutet an, dass die beiden Bände in Zusammenarbeit entstanden sind und als Gesamtwerk zu lesen und zu benutzen sind.

Die zwölf Texte der Anthologie wirken auf den ersten Blick, vor allem auch im Vergleich mit den Autoren, die im Handbuch vorgestellt werden, etwas eklektisch. Wichtige und bekannte Autoren fehlen. Der Herausgeber Emmanuel Alloa stellt die Autoren und ihre Aufsätze in seiner umfangreichen Einleitung vor und begründet die Auswahl damit, der Band solle "archäologische Vorarbeit" für das Handbuch leisten, indem er "einflussreiche Primärtexte, die auf Deutsch bislang noch unübersetzt waren oder aber an abgelegener Stelle erschienen sind", vorstellt, während hierzulande gut eingeführte Autoren nicht aufgenommen wurden. Das ist nachvollziehbar, bedeutet aber auch, dass der Band nicht, nach Art der legendären Reihe „Wege der Forschung“ in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, maßgebliche Beiträge zum Thema bietet – wie Anselm Haverkamps bis heute musterhafte Sammlung von Texten zur Metapherntheorie –, sondern lediglich eine Anthologie von bislang nicht übersetzten Texten. Das ist auf jeden Fall im Hinblick auf einige der zugänglich gemachten Abhandlungen – von Hubert Damisch, Georges Didi-Huberman, Jean-François Lyotard, Louis Marin – sehr verdienstvoll. Es wäre noch verdienstvoller gewesen, wenn die Bände – wie der erwähnte von Haverkamp – durch eine umfangreiche Bibliographie zum Thema ergänzt würden. Der Mühe haben sich die Herausgeber entschlagen.

Das Handbuch präsentiert den größten Teil der maßgebenden französischen Theoretiker des 20. Jahrhunderts in Rücksicht auf ihre bildtheoretischen Gedanken. Die Auswahl ist angemessen, auch wenn vermutlich manche Benutzer den einen oder anderen Namen vermissen werden. Haben Alain Badiou, Luce Irigaray, Julia Kristeva, Michel Leiris oder Paul Ricœur gar nichts zur Bildtheorie beigetragen? Die einzelnen Beiträge sind in der Regel gut informiert und informativ. Sie bieten konzise Einführungen in das bildtheoretische Werk der einzelnen Denker. Wünschenswert wäre eine stärkere Kontextualisierung der jeweiligen Gedanken mindestens innerhalb der Theorielandschaft Frankreichs, womöglich gar im internationalen Kontext. Ein durchgängiger Befund ist der einer Subversion traditioneller Konzepte von Bildlichkeit. Deshalb wären wohl auch Bildräume und Bildkonzepte, die in der Literatur entwickelt wurden, hier einschlägig, zumal die Theoretiker sich häufig auch auf die Literatur beziehen. Das wäre vielleicht ein dankbares Thema für einen weiteren Band.