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Carolin Patzelt (Bochum)



Los españoles necesitan, os portugueses precisam? – Zur divergierenden Entwicklung von neces(s)itar / precisar (de) im Spanischen und Portugiesischen1



Los españoles necesitan, os portugueses precisam? – On the divergent development of neces(s)itar / precisar (de) in Spanish and Portuguese
The article compares the semantic range of two verbs expressing 'necessity' in Spanish and Portuguese. Due to the typological proximity of both languages, it is not surprising that they dispose of the same verbal means to express 'necessity': neces(s)itar and precisar (de). There is, however, a striking difference in the quantity with which these two verbs occur in either language: While necesitar is much more common in Spanish, it is exactly the opposite in Portuguese, where precisar (de) is found more often. Although previous studies have pointed out these quantative differences, they have not really been accounted for yet. Based on various web corpora of historical Spanish and Portuguese, the analysis at hand presents a contrastive study of the diachronic development of neces(s)itar and precisar (de) in Spanish and Portuguese. It is shown that there are slight differences in the frequency and functions with which both verbs occur from the very beginning, leading to more divergent usages in the development from Old to Modern Spanish / Portuguese. In addition, the analysis shows that the quantative differences cannot be accounted for from a merely semantic point of view, since part of the semantic restrictions observed are linked to syntactic ones.



1 Einleitung

Eine lexikalische Gemeinsamkeit der iberoromanischen Sprachen ist die Existenz zweier Verben zum Ausdruck von 'Notwendigkeit': neces(s)itar und precisar (de). Die quantitative Nutzung beider Verbalausdrücke allerdings divergiert deutlich, sie scheint sogar im Spanischen und Portugiesischen geradezu komplementär zu verlaufen. Der Beitrag setzt sich daher zum Ziel, der bislang lediglich intuitiv beantworteten Frage nachzugehen, warum der gängige Ausdruck für Notwendigkeit im Spanischen necesitar und im Portugiesischen precisar (de) ist. Immerhin existieren ja grundsätzlich beide Verben in beiden Sprachen.

Zur näheren Beschäftigung mit dieser Frage regt vor allem ein Blick auf den Forschungsstand an, denn dieser ist bislang sehr unbefriedigend und lässt sich exemplarisch an den beiden Lusitanisten de Almeida und Johnen aufzeigen: De Almeida (1980: 57) konstatiert für das Portugiesische eine vergleichsweise geringe Frequenz von necessitar und begründet diese damit, dass das Verb im Vergleich zu precisar de "weniger expressiv" sei.




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Weiterführende Belege für diese These werden nicht beigebracht. Johnen (2003: 401) hält dagegen, dass necessitar doch gerade aufgrund seines selteneren Auftretens ein höherer Signalwert in der Kommunikation zukomme. Zur Stützung seiner These verweist Johnen auf ein angeblich erhöhtes Vorkommen von necessitar in Kommentaren und Leserbriefen.2

Eine Diskussion auf dieser intuitiven Ebene scheint wenig zielführend, denn zum einen stellt sich die Frage, an welchen objektiven Kriterien 'Expressivität' denn festgemacht werden kann – außer an der Intuition des jeweiligen Forschers – und zum anderen bleibt die Frage offen, warum bei gleichem lexikalischen Inventar im Spanischen und Portugiesischen das jeweils andere Verb als gängiges Ausdrucksmittel von Notwendigkeit dient.

Eben diese bislang unbeantworteten Fragen legen eine systematische Untersuchung der Bedeutungen und Funktionen von neces(s)itar und precisar (de) nahe, und zwar in Form einer diachronen und zugleich kontrastiven Betrachtung, um die semantische Entwicklung der beiden Verben innerhalb beider Sprachen nachzuzeichnen und dabei vor allem Anfänge und Ursachen einer divergierenden Entwicklung ausmachen zu können. Zu diesem Zweck wurden unterschiedliche, diachron ausgerichtete Webkorpora des Spanischen und Portugiesischen ausgewertet: das Corpus del español bzw. Corpus do português von Davis, das CORDE-Korpus der RAE, das CRPC-Korpus der Universidade de Lisboa sowie das Tycho Brahe Parsed Corpus of Historical Portuguese von Galves/Faria.



2 Neces(s)itar im Spanischen und Portugiesischen

2.1 Deontische Modalität als gemeinsame Basis

Da neces(s)itar sowohl im Spanischen als auch im Portugiesischen existiert, verwundert es nicht, dass das Verb in beiden Sprachen zunächst auf identische Basiskonstruktionen zurückgeht. Hierbei zeigt sich allerdings schnell, dass eine ausschließliche Konzentration auf die Verbalkonstruktionen nicht zielführend ist: Sowohl das Altspanische als auch das Altportugiesische nämlich weisen von Beginn an regelmäßige Belege für das Adverb neces(s)ario sowie das Nomen necesidad/necessidade auf. Das Verb neces(s)itar dagegen wird erst später, konkret ab dem 16.Jh., geläufig. Bis zu diesem Zeitpunkt dominiert in beiden Sprachen ein deontisches es necesario que/é necessario que, das eine direkte Ableitung vom lateinischen necesse est33 nahe legt. Die Semantik dieser frühen Belege beschränkt sich auf den Ausdruck absoluter, alternativloser Notwendigkeit, wie etwa die folgenden – exemplarischen – Belege des Spanischen (1)–(2) und Portugiesischen (3)–(4) zeigen4:




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(1) Acaeció que el Rey llamó a Cortes generales a todos los grandes cavalleros (...) e assí fue necessario que aquel duque fuesse a ellas (...). [Los siete sabios de Roma, 13. Jh.]
(2) Es necesario & menester delo fazer mas que ninguna delas otras cosas necessarias. [Sevilla medicina, 13. Jh.]
(3) Mas, por que terra de Neapol revelou ao emperyo, foy necessario a Bellasario de se tornar sobre Neapol. [Crónica geral de Espanha de 1344]
(4) E porë he necessario que os homeës vaam pella rua contraria (...). [Euangelhos e epistolas, 1497]

Der Ausgangspunkt ist für beide Sprachen also zunächst einmal derselbe, und auch die frühesten semantischen Entwicklungen scheinen parallel zu verlaufen. Letztere Feststellung erweist sich bei näherer Betrachtung allerdings nur als bedingt korrekt, denn erste Unterschiede zwischen dem Spanischen und Portugiesischen zeigen sich interessanterweise schon in den frühesten Verwendungen des Nomens necesidad/necessidade, das als Weiterführung von lateinisch necesitas zwar unterschiedliche Bedeutungen wie 'Bedürfnis, Notlage, Notwendigkeit' etc. tragen kann, diese aber im Altspanischen und -portugiesischen bereits in unterschiedlichem Umfang ausprägt. So ist die dominierende Bedeutung in den frühen spanischen Korpusbelegen 'Notlage', während im Portugiesischen die Bedeutung der 'Notwendigkeit' überwiegt5 :

(5) Ante los puso en tan estrema necesidad que non sola mente comian las bestias (...). [Crónica de Espana, 1482]
(6) (...) grande necessidade he a nos de viver bem e haver bondade (...). [Livro da vita Christi, 1446]

Dieser Unterschied ist wichtig, denn ausgehend von der Semantik des Basisnomens bilden beide Sprachen im Folgenden unterschiedliche Funktionsverbgefüge6 (FVG) aus. Im Spanischen kommen dabei neben tener/haber/estar en necesidad de + INF ab dem 14.Jh. vor allem Konstruktionen mit dem Auxiliar poner auf:

(7) (...) y porque no pusieren en necesidad al cacique de Sant Miguel. [Verdadera relación de la conquista del Perú, 1531]
(8) Y tornando a la fortaleza y con gana de desamparar la cibdad y obedescer a su fortuna, que le había puesto en necesidad de hacello así o matar tantas gentes (...). [Historia de la conquista de la Nueva Espana, 1512]
(9) (...) y como el tienpo le ponia necesidad para que leriano saliese al canpo començolo a hazer esforçado los suyos con animosas palabras quedando sienpre enla reçaga sufriendo la multitud delos enemigos con mucha firmeza de coraçon. [Cárcel de amor, 15. Jh.]




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Wie diese Beispiele zeigen, drückt poner en necesidad in Belegen des 14.–16. Jh. neben 'jemanden in eine Notlage versetzen' (7) häufig auch die dreiwertige Konstruktion 'jemanden zwingen, etwas zu tun' aus (8)/(9). In beiden Fällen wird ein [+/-hum] Kausator als Auslöser genannt. Das ist im Portugiesischen anders: Auch hier bilden sich analog zum Spanischen die FVG ter/haver/pôr em necessidade heraus. Allerdings ist hier pôr em necessidade im Vergleich zu seinem spanischen Äquivalent generell seltener und kommt, wenn überhaupt, nur ohne Benennung eines konkreten Agens vor:

(10) E agora que sõõ posto ë necessidade, nõ posso auer de uos nehûû cõselho në ajuda e queredes-me dessenparar e nõ uos queredes hir comigo. [Orto do esposo, 15. Jh.]


2.2 Die Entwicklung von necesitar im Spanischen ab dem 16. Jh.

Die divergierende Entwicklung, die dieser zunächst eher unbedeutend erscheinende Unterschied auslöst, führt in der Folgezeit zu immer deutlicheren Unterschieden zwischen den Sprachen. Dabei ist vor allem im Falle des Spanischen deutlich erkennbar, wie unmittelbar das ab dem 16. Jh. regelmäßig belegte Verb necesitar seine vier dominanten Bedeutungen aus der Semantik der genannten FVG (poner en/tener/haber necesidad de) entwickelt:


Abb. 1: Bedeutungen von spanisch necesitar im 16. Jh.






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Abb.1 illustriert anhand entsprechender Korpusbelege die vier anfangs, d.h. im 16. Jh. dominanten Bedeutungen von necesitar. Betrachtet man nun deren quantitative Entwicklung vom 16. bis zum 20. Jh., so fällt neben dem allgemein rapiden Anstieg von necesitar nach dem 17. Jh. vor allem der deutliche und schnelle Rückgang der beiden kausativen Konstruktionen 'jemanden zu etwas zwingen' (N necesita a N a INF)7 und 'jemanden in Not bringen' (N necesita a N) in allen Korpora auf. Abb. 2 führt exemplarisch die entsprechenden Quantitäten aus dem Davis-Korpus auf:


Abb. 2: Entwicklung von spanisch necesitar vom 16.–20. Jh.



Anstelle des 'Zwangs' (N necesita a N a INF) kommt ab dem 18. Jh. allerdings eine neue semantische Bedeutung von necesitar auf, und zwar eine volitive ('wollen'). Deren Existenz und Verbreitung wird offensichtlich bereits im 17. Jh. angestoßen, denn von da an ist bereits in vielen Korpusbelegen eine veränderte Art des Kausators zu beobachten, wie etwa folgendes Beispiel belegt:

(11) Fuera de que la falta que en este aprieto me hace don Juan de Salcedo (...) me necesita a que le siga, pues hasta en salir los dos desterrados (...) somos parecidos. [Cigarrales de Toledo, 1616]

In (11) wird der vormals extrinsische offensichtlich bereits zum intrinsischen Auslöser, nämlich der eigenen Psyche. Und von dieser Stufe an ist es nur noch ein kleiner Schritt zum kompletten Wegfall eines expliziten Auslösers, wie er bis zum 17. Jh. vorhanden ist. Diese Entwicklung lässt sich anhand der Korpusbelege gut nachvollziehen. So kommen ab dem 18. Jh. zunächst verstärkt Konstruktionen intrinsischer Notwendigkeit wie necesito saberlo ('ich muss das unbedingt wissen') auf, die sich im 19./20. Jh. aber zu einer ganzen Bandbreite semantischer Bedeutungen ausweiten. Es kann hier nicht der Ort sein, die gesamte Bandbreite aktuell existierender Bedeutungen anzuführen und zu kommentieren. Um jedoch die enorme Breite des Funktionsbereichs, der sich zwischen den beiden modalen Polen Wunsch und Aufforderung aufspannt, zumindest ausschnittweise zu demonstrieren, bietet sich die Diskussion einiger (willkürlich ausgewählter) Beispiele an:





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Abb. 3: Modale Funktionen von necesitar zwischen Wunsch und Aufforderung



Die in Abb. 3 verorteten Beispielaussagen illustrieren das bereits angedeutete modale Feld: Bei einer Aussage wie necesito saberlo (1) ('ich will/muss das einfach wissen') geht es offensichtlich um eine intrinsische Notwendigkeit, einen Wunsch, der die eigene Psyche des Sprechers betrifft. Die Modalität des 'Wunsches' steht auch bei necesito un café (2) im Vordergrund, allerdings liegt hier tendenziell weniger Nachdruck auf der intrinsischen Notwendigkeit ('ich muss das unbedingt wissen' vs. 'ein Kaffee wäre jetzt schön/mir ist jetzt nach einem Kaffee'). 8 Bei einer Aussage wie necesito que me compartan sus experiencias (3) 9 ('bitte teilt eure Erfahrungen mit mir!') beinhaltet der Ausdruck intrinsischer Notwendigkeit – dem Sprecher ist es in seiner persönlichen Situation ein (inneres) Bedürfnis, sich über ein bestimmtes Thema auszutauschen – gleichzeitig einen Appell, d.h. im Kontinuum zwischen Wunsch und Aufforderung ist eine solche Aussage eher an letzterem Pol anzusiedeln, impliziert aber immer auch einen Wunsch, in Abb. 3 durch den gestrichelten Pfeil symbolisiert. 10 Im Gegensatz zu (1)–(3) dominiert in (4) und (5) jeweils eine extrinsische Notwendigkeit: In (4) entscheidet der Sprecher angesichts der vorliegenden Situation – er fühlt sich unwohl/krank –, dass er wohl lieber zum Arzt gehen sollte (= Creo que sería mejor/debería ver a un médico.). Einer extrinsischen Motivation – bei der es sich im Gegensatz zu (5) nicht um eine zwingende Notwendigkeit handeln muss –, entspringt hier eine innere Überzeugung, die auch einen Wunsch impliziert.




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Bei einer Aussage wie Necesito que me envien mi nombre de usuario (5) 11 schließlich ist die geäußerte Bitte/Aufforderung an eine objektiv vorhandene, nicht verhandelbare Notwendigkeit geknüpft, denn ohne Benutzername ist kein Einloggen ins Internet möglich. Somit repräsentiert (5) in einem Kontinuum zwischen Wunsch und Aufforderung bzw. intrinsischer und extrinsischer Notwendigkeit das jeweils obere Ende der Skala.12

Ersichtlich aus diesen Beispielen wird, dass die Bedeutung von necesitar immer irgendwo im Spannungsfeld zwischen intrinsischem 'wollen' und äußeren Gegebenheiten, die mehr oder weniger explizit zur Handlung 'zwingen' anzusiedeln ist. Die Dominanz in- oder extrinsischer Notwendigkeit oszilliert dabei abhängig vom Kontext – auf dessen zentrale Bedeutung u.a. auch Heine (1995) explizit hinweist – und macht necesitar zu einem flexiblen Ausdrucksmittel zwischen Wunsch und Aufforderung. Ähnliches gilt auch für andere Modalitäten wie beispielsweise Ratschläge. Hier oszilliert die Bedeutung kontextabhängig zwischen 'sollen', d.h. der Diskussion von Ratschlägen mit möglichen Alternativen und 'müssen', d.h. dem Vorbringen einer alternativlosen Notwendigkeit. Eben aus diesem Grund kann necesitar grundsätzlich nur dann stehen, wenn die Modalität des 'sollen' je nach Interpretation des Kontextes auch durch 'müssen' substituierbar ist, wie die unterschiedlichen Diskussionsforen des Internets entnommenen Beispiele (12)–(14) zeigen:

(12) ¿q debo/necesito comprar para cuando nazca el bébé? [http://es.answers.yahoo.com/question/ index?qid= 20120329192740AazdzYU]
(13) ¿Cual debo/*necesito comprar... Skyrim o Revelations? [http://mx.answers.yahoo.com/question/ index?qid= 20111111210555AANRFlO]
(14) Necesito un repetidor (wifi), ¿cual debo/*necesito comprar?
[http://foro.seguridadwireless.net/ enlacesaPHPSESSID= d3491dba1bf300e90b73293461ca6d20]

Der Grad der Dringlichkeit bzw. Alternativlosigkeit bestimmt hier jeweils, inwieweit das Modalverb deber durch necesitar substituierbar ist: Während in Beispiel (12) noch eine objektiv vorhandene Notwendigkeit, gewisse Dinge einzukaufen, denkbar ist – so gehören bestimmte Dinge einfach zur obligatorischen Grundausstattung für ein Baby –, ist die 'Notwendigkeit' in den beiden anderen Beispielen ausschließlich intrinsischer Art: Der Sprecher möchte ein Produkt aus persönlichem Interesse heraus erwerben und fordert hierzu nun Kaufempfehlungen ein. In diesen Empfehlungen ist folglich nur eine Interpretation als 'sollen', nicht als 'müssen' möglich.

Zusammengefasst stellt sich die semantische Entwicklung des spanischen Verbs necesitar somit wie folgt dar:





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Abb. 4: Entwicklung des spanischen necesitar




2.3 Die Entwicklung von necessitar im Portugiesischen ab dem 16. Jh.

Wie verläuft nun die entsprechende Entwicklung im Portugiesischen? Auch hier tauchen ab dem 16. Jh. erste Belege des Verbs necessitar auf, und zumindest in zwei Funktionen sind diese auch analog zum Spanischen zu sehen: 1) im Ausdruck faktischer Abhängigkeit wie in "França necessita das nossas assistências" (Padre António Vieira, Cartas, 1616) und 2) im Ausdruck von privar do necessário, etwa in "A guerra necessita os homens" (Décadas da Asia, 16. Jh.). Es gibt allerdings auch wichtige Unterschiede zum Spanischen: Während die im Spanischen anfangs so zentrale Bedeutung des 'jemanden zwingens' (X necesita Y a Z) im Altportugiesischen kaum auftaucht, ist die Verwendung von necessitar in der Bedeutung 'exigir/reclamar' – die wiederum im Spanischen praktisch nicht vorhanden ist – hier sehr dominant. Ein typisches Beispiel:

(15) Palavra menos usada que necessita de interpretaçam. [Prosodia 3, 1697]




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Die Dominanz von necessitar in der Bedeutung 'A erfordert B' hat sich im Portugiesischen bis heute gehalten und sich interessanterweise auch in Kontexten gefestigt, in denen andere iberoromanische Sprachen inzwischen auf requerir oder das in Kapitel 3 analysierte precisar zurückgreifen, wie folgender Übersetzungsvergleich Portugiesisch-Galicisch zeigt:


Abb. 5: Funktionsbereich von necessitar (erfordern) im Portugiesischen


Portugiesisch Galicisch
Esta operação necessita do Controlador. Esta operación requere o Controlador.
Para tirar vantagem destas capacidades adicionais você necessita de uma aplicação que as suporte. Para beneficiarse destas funcionalidades adicionais, precisará dum programa que as suporte.
  [http://gl.glosbe.com/pt/gl]


Die Funktionsbreite der Konstruktion N necessita de N ist im Portugiesischen offensichtlich größer als im Spanischen oder Galicischen und verschafft dem portugiesischen necessitar bereits früh eine semantische Sonderstellung innerhalb der Iberoromania. Diese wird ab dem 17. Jh. allerdings noch entscheidend ausgebaut, denn zu diesem Zeitpunkt kommt neben necessitar de zusätzlich noch die Struktur necessitar que auf:

(16) (...) para merecer algum sufrágio, necessita que primeiro morra o seu Autor. [Reflexão sobre a Vaidade, 1743] [=é necessario]

Diese verdrängt ab dem 18. Jh. zunehmend das äquivalente é necessario que als Ausdruck allgemeingültiger Fakten und Voraussetzungen. Ein Blick in das Davis-Korpus belegt diese Tendenz, denn ab dem 18. Jh. ist die Quantität von é necessario que hier deutlich rückläufig:


Abb. 6: Häufigkeit der Konstruktion é necessario que im Corpus do Português






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Parallel dazu kommt es im 18. Jh. zur Ausbildung von FVG wie vir/ver/sentir necessidade de, die in der Regel volitive Bedeutungen ausdrücken, z.B. sentir necessidade de repouso (=Ruhe brauchen/das Verlangen nach Ruhe haben), sentir necessidade de contar os seus negócios íntimos (das Bedürfnis haben, etwas zu erzählen) etc. Wie bereits deutlich wurde, drückt das Spanische solch inneres Verlangen schon frühzeitig mit necesitar aus. Dagegen werden FVG vom Typ verse en/sentir necesidad, die im Altspanischen sehr wohl existieren, hier eben nicht im Sinne einer intrinsischen, sondern extrinsischen Notwendigkeit verwendet, wie Beispiele wie "me vi en necesidad de comerlo crudo" (= ich sah mich [aufgrund äußerer Umstände] gezwungen, es roh zu essen) (Naufragios, 1524) deutlich machen. Die Entwicklungen verlaufen hier also quasi komplementär zueinander; während im Spanischen das Vollverb zum Ausdruck intrinsischer Notwendigkeit, das FVG dagegen zum Ausdruck extrinsischer Notwendigkeit dient, ist die Funktionsteilung im Portugiesischen genau umgekehrt:

In dem Maße, wie sich das Verb necessitar im Portugiesischen also zum unmarkierten Ausdruck allgemeiner Fakten durchsetzt, ist ab dem 17. Jh. eine deutliche Zunahme der Struktur AUX+necessidade zu beobachten. Quasi folgerichtig kommt es daher im 18. Jh. zu einer immer systematischeren Ausdifferenzierung von subjektiv empfundener und objektiver Notwendigkeit. Erstere wird nun praktisch ausschließlich durch die FVG ausgedrückt, letztere durch das Verb necessitar:


Abb. 7: Entwicklung des portugiesischen necessitar






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Aufgrund dieser Entwicklung findet necessitar mittlerweile vor allem im akademischen und technischen Bereich Anwendung. Wie (17) zeigt, tritt dabei im 19./20. Jh. die Semantik der Notwendigkeit als solcher zunehmend in den Hintergrund:

(17) Para reduzir o risco de adoecer e necessitar de recorrer a assistência medica (...).
Übersetzung auf http://de.bab.la/woerterbuch/deutsch-portugiesisch:
Um Erkrankungen und Arztbesuchen vorzubeugen (...).

Zwar liegt hier syntaktisch die Verbalkonstruktion necessitar de + INF vor, die Satzsemantik fokussiert allerdings nicht die Verbalhandlung, sondern das folgende Substantiv (assistência medica); die Modalität der 'Notwendigkeit' einer Handlung spielt im Gesamtkontext hier keine Rolle und wird folgerichtig auch nicht als solche übersetzt. Soll dagegen, wie es beispielsweise im fiktionalen Bereich oft der Fall ist, deontische/volitive Modalität explizit hervorgehoben werden, so wird in der Regel eben nicht auf necessitar, sondern auf ter necessidade zurückgegriffen, so etwa in folgendem Ausschnitt aus dem 'Kleinen Prinzen', wo die portugiesische Übersetzung bezeichnenderweise für das FVG, die spanische dagegen für das Vollverb optiert:


Abb. 8: Ausdruck volitiver Modalität im Spanischen vs. Portugiesischen


O Pequeno Príncipe [http://www.cirag.org/Principe] El Principito [http://www3.sympatico.ca/ gaston.ringuelet/lepetitprince/]
Mostrei minha obra-prima às pessoas grandes e perguntei se o meu desenho lhes fazia medo. Responderam-me: "Por que é que um chapéu faria medo?" Meu desenho não representava um chapéu. Representava uma jibóia digerindo um elefante. Desenhei então o interior da jibóia, a fim de que as pessoas grandes pudessem compreender. Elas têm sempre necessidade de explicações. Mostré mi obra maestra a las personas mayores y les pregunté si mi dibujo les daba miedo. Me contestaron: "¿Por qué un sombrero podría dar miedo?" Mi dibujo no representaba un sombrero. Representaba una serpiente boa que digería un elefante. Dibujé entonces el interior de la serpiente boa, para que las personas mayores pudieran comprender. Siempre necesitan explicaciones.




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3 Precisar (de) im Spanischen und Portugiesischen

3.1 Die Entwicklung von precisar im Spanischen

Nachdem eine Gegenüberstellung der Entwicklung von neces(s)itar systematische und im Laufe der Zeit immer deutlicher hervortretende Unterschiede zwischen dem Spanischen und Portugiesischen offenbart hat, soll nun das Verb precisar (de) betrachtet werden. Auch hier ist der Ausgangspunkt für das Spanische und Portugiesische zunächst derselbe. Bis ins 17. Jh. hinein dominiert in beiden Sprachen die deontische Konstruktion es/é preciso als Ausdruck alternativloser Notwendigkeit, wie Beispiel (18) für das Spanische bzw. Beispiel (19) für das Portugiesische zeigt:

(18) Es preciso trasladarse a la infancia de la sociedad moderna para admirar los aciertos y disimular los errores. [Memorias sobre el fuero de Madrid del año 1202]
(19) He perigoso demandar esta terra de noite e sendo assim preciso, governese ao noreste (...). [Dois roteiros do século XVI]

Danach setzt aber auch hier eine divergierende Entwicklung ein: Im Spanischen kommt es ab dem 16. Jh. zunächst vermehrt zu Konstruktionen vom Typ AUX+precisión, die, wie die Beispiele (20)–(21) zeigen, in der Regel eine von außen gesteuerte, meist negativ konnotierte Notwendigkeit für N ausdrücken, also im Sinne von 'es blieb ihm nichts anderes übrig als/er sah sich gezwungen zu' zu verstehen sind:

(20) (...) hasta el momento en que estos se ven en la precisión de echar fuera sobre Maluco. [Primer viaje, 1507]
(21) (...) viéndose en la precisión de volverlo a componer con el trabajo, si quiere gozar y subsistir. [Elementos de economía política, 17. Jh.]

Daneben kommen quasi zeitgleich [+dyn.] Konstruktionen in Form von hacer(se) preciso auf, die das 'erforderlich werden' oder 'erforderlich machen' einer Handlung ausdrücken:

(22) Hízose preciso a los que aborrecían la guerra y temían peligrar en ella, apartar este hombre de los oídos del Rey. [Comentarios de la guerra, 18. Jh.]
(23) (...) no hay bastantes colonos para cultivar la tierra que poseen, y esto hace preciso traer jornaleros de afuera. [Teatro Crítico Universal, 1720]

Während bei der Konstruktion hacer preciso der Kausator zunächst nur [-hum] ist, wie etwa esto in Beispiel (23), tauchen im 18. Jh. erstmals Belege für das Verb precisar auf. Damit einher geht auch ein vermehrtes Aufkommen der Konstruktion X precisa Y a algo, in der X auch [+hum] sein kann: "[...] quieren precisar a Penélope, su mujer, a casarse con uno de ellos." [La poética, 1728]




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Neben diesen neu aufkommenden Konstruktionen existiert auch es preciso ab dem 16. Jh. weiter, und zwar maßgeblich in zwei Bedeutungen: a) zum Ausdruck notwendiger Voraussetzungen, und hier meist in Kombination mit einem explizit genannten Ziel/Zweck (para... es preciso hacer/saber...). Und b) als kausative Konstruktion ser preciso a alguien, um auszudrücken, dass jemand aufgrund gegebener Umstände unbedingt etwas tun muss bzw. auf gar keinen Fall tun darf, z.B. in Kontexten wie "[...] le era preciso no descontentar a los Príncipes" (El Duque de Alba, 1814).

Ab dem 18. Jh. etabliert sich dann auch hier zunehmend das Verb precisar, und zwar zum Ausdruck faktischer Abhängigkeiten bzw. Voraussetzungen (X precisa Y) sowie notwendiger Handlungen (X precisa hacer algo).

Abb. 9 fasst die dargestellten Entwicklungen von ser preciso in einem Überblick zusammen:


Abb. 9: Entwicklung des spanischen precisar



Wie aus Abb. 9 hervorgeht, drückt precisar ausschließlich extrinsisch motivierte Notwendigkeiten aus.13 Die semantische Entwicklung des Verbs im Spanischen zeigt somit insgesamt ein hohes Maß an Alternativlosigkeit; hinzu kommt noch, dass syntaktisch immer beide Mitspieler obligatorisch sind. Eben dies – und damit beantwortet sich auch die Frage, warum precisar im Spanischen weniger häufig ist – führt zu einer Reihe von Restriktionen, die teils semantischer, teils aber auch syntaktischer Natur sind:

Zum einen existieren syntaktische Restriktionen, denn da ein konkreter Agens und Patiens jeweils obligatorisch sind, kann precisar nicht in unpersönlicher Form vorkommen: "se necesitan/*precisan frameworks", [http://es.wikipedia.org/ wiki/Rich_Internet_Applications]. Zum anderen existieren auch verschiedene semantische Restriktionen: In der Frage ¿Cuánto tiempo necesitas/*precisas? etwa fehlt das verabsolutierende 'zwingend/ dringend' etwas brauchen; darüber hinaus kann precisar auch nicht den Fakt eines repetitiv ablaufenden, sondern nur eines konkreten Prozesses ausdrücken, z.B.: "Las empresas necesitan/*precisan adaptarse continuamente a los cambios", [http://redautonomos.es/ pymes/outsourcing]. In Konstruktionen wie No necesitamos/?precisamos discutirlo ahora wiederum fehlt semantisch das für precisar obligatorische Element der Alternativlosigkeit: 'Wir können, müssen aber nicht.'





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3.2 Die Entwicklung von precisar (de) im Portugiesischen

Wie verläuft die Entwicklung im Portugiesischen? Hier ist precisar bekanntlich deutlich frequenter, obwohl die zur Verfügung stehenden Konstruktionen im Altportugiesischen nicht wesentlich vom Spanischen abzuweichen scheinen. Im Portugiesischen gibt es jedoch zumindest drei wesentliche Unterschiede in der Entwicklung von precisar:

1) Konstruktionen vom Typ AUX+precisão sind im Vergleich zum Spanischen deutlich seltener, v.a. die dort dominierenden verse em/sentir precisão. Die geläufigste Konstruktion ist pôr em precisão, wobei jedoch ausschließlich [-hum] Auslöser vorkommen, etwa in "[...] causas que os punham em precisão de fazer [...]" (Histórica da américa portuguesa, 1730). Der Schritt von [-hum] zu [+hum] fehlt im Portugiesischen und verhindert somit die Entwicklung der Bedeutung 'jemanden zwingen' mit [+hum] Agens. Das Portugiesische bleibt stattdessen auf der Ebene kausaler Relationen stehen, die auch mit dem ab dem 18. Jh. geläufigen precisar nicht überschritten wird. Stattdessen bleibt es bei Konstruktionen mit [-hum] Kausator wie "[...] o tempo o precisava a fazer [...]" (A Vida do Padre António Vieira, 1727) > 'da die Zeit drängte, musste er (...)'.

2) Die dynamischen Konstruktionen hacer/hacerse preciso des Spanischen haben im Portugiesischen nur ein reflexives Pendant: fazer-se preciso. Dieses übernimmt ab dem 17. Jh. zwei Funktionen: 1) den Ausdruck notwendiger Voraussetzungen: N se faz preciso para (...), und 2) in der persönlichen Form se le faz preciso + INF kontextabhängig die Bedeutung 'jemand muss/will/sollte etwas tun', d.h. hier sind bereits modale Bedeutungen angelegt, die sich heute in Ratschlägen wie "Ele precisa treinar e não falar!" (http://www.espbr.com/ noticias/ anderson-silva-sonnen-precisa-treinar-falar/ relacionadas) widerspiegeln.

3) Die Konstruktion ser preciso a alguien existiert in analoger Form auch im Portugiesischen, hier allerdings kommt der 'Zwang' in den meisten Kontexten nicht von außen, sondern von innen. So ist in Äußerungen wie "Para comprehender...foi-lhe preciso aprender linguas" die Notwendigkeit auf das Erreichen eines eigenen Ziels ausgerichtet. Auch das begünstigt die Entstehung intrinsischer Notwendigkeit, und tatsächlich finden sich bereits ab dem 18.Jh. regelmäßig Belege wie "[...] não vedes que me é preciso matar este pensamento" (Leonor de Menoça, 1847). – Insgesamt ergibt sich somit folgende Entwicklung:





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Abb. 10: Entwicklung des portugiesischen precisar




4 Fazit

Die Ausführungen haben gezeigt, dass ein Vergleich der Entwicklung von neces(s)itar und precisar (de) schon vor dem eigentlichen Aufkommen der Verben ab dem 16. bzw. 18. Jh. beginnen muss: Verfügen zu Beginn der altspanischen bzw. altportugiesischen Epoche beide Sprachen über zunächst scheinbar identische Adverbien und Nomen zum Ausdruck deontischer Modalität, so zeigen sich erste semantische Unterschiede bereits in der frühesten Verwendung der Nomen necesidad/necessidade. Auf der Basis dieser Nomen bilden beide Sprachen unterschiedliche FVG aus, die ihrerseits wiederum die semantische Grundlage des Verbs neces(s)itar darstellen. Spielt hier im Spanischen zunächst die Bedeutung des 'Zwangs' eine zentrale Rolle, so geht diese ab dem 18. Jh. zunehmend in eine volitive Bedeutung über, indem der in den frühesten Belegen übliche extrinsische Auslöser zunächst zum intrinsischen wird und schließlich komplett entfallen kann. Die so entstehenden modalen Bedeutungen von necesitar spannen sich zwischen den Polen Wunsch und Aufforderung auf. Im Portugiesischen dagegen führen die hier nicht vorhandenen FVG mit [+/-hum] Auslöser dazu, dass statt des 'jdn. zwingens' die Semantik des 'erforderns' in den Vordergrund tritt. Necessitar entwickelt sich zum Ausdruck allgemeingültiger Fakten und Voraussetzungen; intrinsische Notwendigkeit wird im Gegensatz zum Spanischen durch AUX+necessidade ausgedrückt.

Im Falle von precisar dominiert zunächst in beiden Sprachen deontisches es/é preciso als Ausdruck alternativloser Notwendigkeit. Während sich im Spanischen aus dieser Konstruktion zunächst die kausativen AUX+precisión und hacer(se) preciso mit jeweils [-hum] Kausator ausbilden und schließlich in der 'Zwang' ausdrückenden Konstruktion precisar a alguien a algo mit [+/-hum] Kausator zusammenfallen, entwickelt das Portugiesische hier zwei separate Stränge: Aus der Konstruktion AUX+precisão entwickelt sich das Vollverb precisar a X a Y, das im Gegensatz zur spanischen Konstruktion nur Kausalrelationen mit [-hum] Kausator ausdrückt. Dem spanischen hacer(se) preciso wiederum steht im Portugiesischen lediglich ein reflexives Pendant gegenüber, das in der persönlichen Form se le faz preciso + INF modale Bedeutungen übernimmt, die das spanische hacer(se) preciso nicht ausbildet. Auch die in beiden Sprachen präsente Konstruktion X precisa INF weist unterschiedliche Entwicklungen auf, denn nur im Portugiesischen ist hier neben einer extrinsischen auch eine intrinsische Notwendigkeit ausdrückbar. Insgesamt wurde deutlich, dass sich die im Spanischen durch necesitar ausdrückbaren Modalbedeutungen im Portugiesischen in precisar ausgebildet haben.




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Die diachron-kontrastive Analyse der Funktionsbereiche von neces(s)itar und precisar (de) hat gezeigt, dass im Wesentlichen unterschiedliche Grade semantischer Polyfunktionalität für die unterschiedliche Gebrauchsfrequenz von neces(s)itar und precisar im Spanischen und Portugiesischen verantwortlich sind. Dabei kristallisierten sich zwei grundlegende Erkenntnisse heraus, die das Problem des eingangs kritisierten, bislang eher intuitiven Umgang mit den beiden Verben betreffen: 1) Die semantische Polyfunktionalität korreliert mit syntaktischen Merkmalen und Strukturen, so dass eine ausschließliche Betrachtung der Verben auf semantischer Ebene nicht zielführend sein kann. 2) Eine diachrone Betrachtung ist insofern wichtig, als die beiden Verben nicht isoliert, sondern im Zusammenspiel mit den entsprechenden adjektivischen, adverbialen und nominalen Konstruktionen betrachtet werden müssen, denn hier, so wurde deutlich, wird bereits zu Beginn der altspanischen bzw. -portugiesischen Textproduktion der Grundstein für divergierende Entwicklungen gelegt. Das Zusammenspiel semantischer und syntaktischer Faktoren sorgt dafür, dass sich aus zunächst minimalen Unterschieden in Frequenz und Reichweite bestimmter Strukturen – die hier untersuchten Verben sind lediglich ein konkretes Beispiel für derartige Prozesse – im Laufe der Zeit immer deutlicher voneinander divergierende Funktionsbereiche herausbilden, die letztlich auch in einander so nahe stehenden Sprachen wie Spanisch und Portugiesisch zu deutlich verschiedenen Ausdrucksformen führen.





Bibliographie

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Anmerkungen

1 Für wertvolle Kommentare zu einer früheren Version des Manuskripts danke ich Werner Forner, einem anonymen Gutachter sowie den Herausgebern dieser Zeitschrift.

2 Eine Stichprobe anhand der brasilianischen Folha de São Paulo zumindest hat diesen Eindruck nicht ohne weiteres bestätigt.

3 Bolkestein (1980: 104ff.) unterscheidet hier zwischen zwei verschiedenen Konstruktionen, nämlich necesse est me venire (I) und mihi necesse est venire (II), wobei Bolkestein die erste Konstruktion als wahlweise deontisch und epistemisch klassifiziert, während die zweite Konstruktion nur deontisch vorkommt.

4 Soweit nicht anders angegeben, sind die angeführten Beispiele dem Corpus del Español bzw. dem Corpus do Português von Mark Davis entnommen. Die Hervorhebungen (Fettdruck) stammen von mir.

5 Konkret kommen für das 15. Jh. im spanischen Korpus 32 von insgesamt 43 Belegen für necesidad in der Bedeutung von 'Notlage' vor, im portugiesischen Korpus weisen 73 von insgesamt 119 Belegen für necessidade die Bedeutung 'Notwendigkeit' auf.

6 Unter FVG werden hier in Anlehnung an Schwall (1991) Syntagmen des Typs 'V (+Präp.) +N' verstanden, deren konzeptueller Inhalt in N enthalten ist, während es sich beim verbalen Bestandteil um ein grammatikalisiertes Funktionsverb handelt. FVG erfüllen prädikative Funktionen und erweisen sich dabei als semantische Einheit. Für eine nähere Definition vgl. auch Detges (1996).

7 Wie aus Abb. 1 ersichtlich, umfasst diese Konstruktion auch die Struktur N necesita (a) N + SUBJ.

8 Eine zweite mögliche Lesart von 'Necesito [tomar] un café', nämlich die einer logischen Implikation ('ich brauche einen Kaffee, um nicht einzuschlafen/ich muss einen Kaffee trinken, damit ich nicht einschlafe'), innerhalb derer necesitar+INF zum Synonym für deber+INF wird [nicht einschlafen → Kaffee], ist vergleichbar mit dem im folgenden Abschnitt diskutierten Beispiel (12) [Babyausstattung → Einkäufe]. Sie wird hier daher nicht verhandelt.




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9 Vgl. u.a. http://mx.answers.yahoo.com/question/ index?qid= 20120207072046AAAfMKg.

10 Der Pol der 'Aufforderung' impliziert immer auch einen 'Wunsch', jedoch nicht umgekehrt, so dass das Kontinuum insgesamt als eines der zunehmenden Aufforderung zu betrachten ist.

11 Vgl. u.a. http://www.chilecompra.cl.

12 Auf die Diskussion weiterer Beispielsätze sowie eine feingliedrigere Auffächerung potentieller Zwischenstufen im Kontinuum wird hier verzichtet.

13 Die einzige Ausnahme bildet hier ser preciso a alguien, denn das hat sich inzwischen auch zum Ausdruck intrinsischer Notwendigkeit entwickelt (z.B. in Äußerungen wie precisaba saberlo), indem der extrinsische Grund des 'müssens' durch intrinischen Druck ersetzt wird. Im Gegensatz zu necesitar bleibt in der Konstruktion N precisa N die intrinsische Notwendigkeit allerdings auf die Psyche beschränkt, das Verlangen nach materiellen N kann nur mit necesitar stehen, z.B. in "Ahora necesito/*preciso un café."