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Martina Drescher (Bayreuth)



Valentin Feussi (2008): 'Parles-tu français? Ça dépend ...' Penser, agir, construire son français en contexte plurilingue: le cas de Douala au Cameroun. Paris: L'Harmattan.



Das zu rezensierende Buch mit dem etwas sperrigen Titel geht auf eine unter der Betreuung von Didier de Robillard entstandene Dissertation an der Universität Tours zurück und ist bereits im Jahr 2008 erschienen. Im Zentrum steht die Problematik der afrikanischen Varietäten des Französischen, die der Autor am Beispiel der kamerunischen Wirtschaftsmetropole Douala untersucht – einer Stadt, in der er selbst lebt und mit deren sprachlicher Situation er bestens vertraut ist. Aufgrund der Aktualität der Thematik, des originellen Zugangs sowie der vielen, über die Fallstudie hinausweisenden Fragen, scheint mir eine Besprechung auch vier Jahre nach Erscheinen des Buches noch lohnenswert.

Zunächst sei vorausgeschickt, dass das kamerunische Französisch zu den am gründlichsten untersuchten afrikanischen Varietäten gehört. Vermutlich hat dies seinen Grund darin, dass Kamerun aufgrund seiner wechselvollen Geschichte – nach einer kurzen Episode unter deutscher Kolonialherrschaft stand es seit dem Ende des ersten Weltkriegs unter dem Mandat des Völkerbundes und wurde unter französische und englische Verwaltung gegeben – sowie seiner komplexen Sprachsituation gern als "Afrique en miniature" angesehen wird. Erst 1961 kam es zur Vereinigung der frankophonen und der anglophonen Gebiete in der Republik Kamerun, deren sprachliche Vielfalt schon früh das Interesse von Linguisten geweckt hat. Denn das zentralafrikanische Land verfügt nicht nur über zwei Amtssprachen – das Französische als die in demographischer, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht dominante Sprache teilt sich diesen Status mit dem Englischen –, sondern auch über ca. 250 lokale Sprachen. Hinzu kommen ein englischbasiertes Pidgin, das auch in einigen französischsprachigen Provinzen als Vehikularsprache dient, sowie das camfranglais oder francanglais – eine französische Kontaktsprache, die v. a. von Jugendlichen verwendet wird. Alle diese Sprachen stehen in mehr oder weniger intensivem Kontakt mit dem Französischen; sie sind Teil seiner "Ökologie" (Mufwene 2001) und wirken auf seinen lokalen Gebrauch ein. Am deutlichsten zeigt sich die multiethnische, multikulturelle und multilinguale Komplexität Kameruns in seinen urbanen Zentren, die – wie das kosmopolitische Douala – in hohem Maße durch Migration gekennzeichnet sind.




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Bisherige Untersuchungen verfolgen in der Regel eine differenzielle, auf den Vergleich zweier Sprachsysteme bezogene Perspektive. Sie erfassen die Abweichungen des kamerunischen Französisch gegenüber der hexagonalen Referenznorm mit Blick auf die unterschiedlichen Ebenen der Sprachbeschreibung (insbesondere Phonetik/Phonologie und Lexik, in jüngster Zeit verstärkt auch Morphosyntax) und dokumentieren diese meist in Form von Listen (Mendo Zé 1990, 2009; Biloa 2003). Nicht selten geschieht dies vor dem Hintergrund sprachdidaktischer Überlegungen zum Erwerb des Französischen als einer im kamerunischen Kontext primär durch die Schule vermittelten Zweitsprache. Besondere Beachtung kam dem camfranglais (Féral 1993, 2010) zu, das als Kontaktsprache mit vielen Einflüssen aus den lokalen Sprachen sowie Entlehnungen aus dem Englischen auch Anlass zu sprachpuristischen Einlassungen gab (Ntsobé et al. 2008). Von diesem Zugriff setzt sich die Untersuchung Feussis ab, deren Originalität aus einem dynamischen und kontextbezogenen Verständnis der Sprachvariation herrührt. Das Französische erscheint hier nicht als Kode, als mehr oder weniger statisches sprachliches System, sondern – wie schon der Untertitel deutlich macht – als eine stets neu zu verhandelnde "Konstruktion", die in den in der Interaktion emergierenden, vielfältigen sprachlichen Praktiken der Akteure greifbar wird. Vor dem Hintergrund einer "continuité entre les 'langues' utilisées", stellt sich Feussi die Frage "comment décrire cette alchimie linguistique faite de stabilité et d'instabilité?" (24). Ziel ist es, einen Beitrag zur "théorisation de l'hétérogénéité" (24) zu leisten. Im Zentrum der empirisch angelegten Untersuchung stehen weniger die sprachstrukturellen Eigenschaften dieser Praktiken, sondern die damit verbundenen Repräsentationen, also der symbolische Gehalt für die Mitglieder der Sprachgemeinschaft, sowie ihr Beitrag zur Herausbildung sprachlicher Identität(en) (vgl. dazu bereits Naguschewski 2003). Zentral ist die Annahme, "que l'usage de pratiques identifiées comme une langue est dénué de toute neutralité. Chaque choix conscient ou non est en ce sens un 'acte d'identité'" (24). Um die leitende Frage nach "l'image que les acteurs sociaux ont des langues dans leurs interactions quotidiennes, leurs différentes représentations sociales et linguistiques" (17) zu beantworten, wählt Feussi die von den Teilnehmern selbst verwendeten Kategorien als Ausgangspunkt der Analyse. Den allgemeinen theoretischen Bezugspunkt bildet die Ethnographie der Kommunikation, wobei sich der Verfasser v. a. an der französischen Spielart der "sociolinguistique urbaine" orientiert. Eine besondere Rolle spielt die Tatsache, dass der Autor selbst Mitglied der von ihm untersuchten Gemeinschaft ist und in hohem Maße auf sein Wissen und seine eigene Kompetenz rekurriert. Die Integration der "dimension expérientielle" (254) sowie die Relevanz, die Feussi einem subjektiven, auf der Erfahrung basierenden Zugang beimisst und die ihren Ausdruck im Bild des Forschers als "acteur-enquêteur" (257) findet, wird immer wieder thematisiert. Sie steht auch im Mittelpunkt der epistemologischen Überlegungen, die den Kern von Kapitel 1 bilden.




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Dieser stark auf der subjektiven Erfahrung des Forschers basierende Zugang wirft eine Reihe von kritischen Fragen auf, die in dieser Besprechung nicht verschwiegen werden sollen. Doch richten wir den Blick zunächst auf den Aufbau des zu rezensierenden Bandes, dem ein kurzes Vorwort von Carole de Féral voran gestellt ist und der insgesamt fünf Kapitel umfasst. Hinzu kommen eine Einleitung des Verfassers sowie ein ca. 20 Seiten umfassendes Fazit. Wie gerade erwähnt setzt sich das erste Kapitel unter dem Titel "Onto-/Alter-Linguistique? Une approche constructiviste" ausführlich mit methodischen und epistemologischen Fragen auseinander, denen im Rahmen dieser Arbeit ein zentraler Stellenwert zukommt. Feussi geht es darum, die Erfahrungen des Forschers erkenntnistheoretisch zu reflektieren und sie zugleich im Rahmen eines konstruktivistischen und "alteroreflexiven" Ansatzes (12) für die wissenschaftliche Beschreibung fruchtbar zu machen. Entgegen der von einem positivistischen Wissenschaftsverständnis geforderten Distanz des Forschers zu seinen Subjekten und dem Bemühen um Objektivität, plädiert Feussi wiederholt nachdrücklich für eine "implication active et créative du chercheur, comme posture de travail" (23 Fussnote 12). Die Schriften des Ethnologen und Psychiaters Devereux (1967/1998), der bereits in den 1960er Jahren sehr überzeugend für eine solche Haltung geworben hat, sind dem Autor jedoch offenbar nicht bekannt.

Feussis Analysen stützen sich auf umfangreiche Datensammlungen in verschiedenen professionellen Kontexten. Im einzelnen sind dies ein metallverarbeitender Betrieb (CMC), eine Brauerei (Guiness-Cameroon) sowie Händler auf dem Marché Central von Douala (v. a. Schuhverkäufer, so genannte sauveteurs). Die Daten wurden sowohl durch narrative Interviews, als auch durch teilnehmende Beobachtung gewonnen. Der Umfang des Korpus', das aus 55 Gesprächen von durchschnittlich zwei Stunden Dauer besteht, also insgesamt ca. 110 Stunden umfasst, ist beeindruckend. Leider wird es im vorliegenden Band nur in wenigen, vergleichsweise kurzen und überwiegend orthographisch transkribierten Ausschnitten präsentiert. Der Verzicht auf eine zugegebenermaßen sehr aufwändige phonetische Transkription ist gerade bei den mit Verkäufern auf dem Markt von Douala geführten Gesprächen zu bedauern, da die vermutlich deutlichen phonetischen Abweichungen so kaum angemessen wiedergegeben werden können (vgl. 122f.). Allerdings muss man Feussi hier zugute halten, dass sein Interesse weniger den sprachlichen Spezifika, sondern eher den metasprachlichen Reflektionen der Informanten bezüglich der verschiedenen Praktiken gilt. Hinzu kommen Daten aus den Medien (Presse, Radio und Fernsehen), die verschiedene mündliche und schriftliche Gattungen umfassen (Werbung, Sendungen mit Hörerbeteiligung, Liedtexte etc.). Insgesamt sind die für die Analysen herangezogenen Daten also sehr vielfältig. Es wäre sehr wünschenswert, diese Materialien, insbesondere aber das mündliche Korpus, einer breiteren wissenschaftlichen Öffentlichkeit in größerem Umfang zugänglich zu machen als dies in der vorliegenden Arbeit geschieht. Zu denken wäre etwa an eine elektronische Version oder an die separate Veröffentlichung eines Korpusbandes.




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Bei Feussi wird das umfangreiche Material in seinem heuristischen Wert jedoch letztlich relativiert durch ein Prinzip der "épistémologie constructiviste" (56ff.), derzufolge die Erfahrungen des Forschers als einem legitimierten Mitglied der untersuchten Gemeinschaft gleichberechtigt neben den Erkenntnissen aus dem Korpus stehen: "En définitive, dans les approches constructivistes, le terrain serait partout, puisque le corpus renvoie à toute production interactive susceptible de servir à l'étude du chercheur" (59). Dies bedeutet auch: "Loin de 'prélever' des faits, mon travail sur le terrain consistera surtout à produire des phénomènes dans mes rapports avec mes témoins" (22). Und später heißt es: "La dimension constructive et réflexive de la recherche permet sur le plan sociolinguistique de banaliser le matériau que j'exploite, tout comme les conditions d'enquête. [...] la récherche épouse les méandres de la vie du chercheur" (78). In methodologischer Hinsicht ergibt sich daraus folgendes Fazit: "Ma démarche peut finalement être comparée à du tricotage. Elle est surtout éclectique et hétéroclite [...]. Je n'ai pas adopté de méthode particulière dans cette recherche. Je ne peux parler que d'une démarche" (79). Man kann sich daher fragen, wie der Aufwand und die Mühen der Erstellung eines derart umfangreichen Korpus' zu rechtfertigen sind, wenn am Ende ein Plädoyer für das Heteroklite, Zufällige und damit auch Beliebige steht und die Daten unwichtig werden angesichts der gleichwertigen Erfahrungen eines "enquêteur natif". Letztlich kommt dies einem Plädoyer für die Introspektion des Forschers gleich, das auf den Nachweis der wenn nicht objektiven, so doch zumindest intersubjektiv geteilten Erfahrungen weitgehend verzichtet – ein Plädoyer, das im Rahmen einer im Prinzip empirisch angelegten Arbeit zumindest erstaunt.

Nach den sehr ausführlichen methodischen Überlegungen wendet sich Kapitel 2 unter der Überschrift "Les pôles de français à Douala" der sprachlichen Situation in der kamerunischen Metropole zu. Feussi zeigt – ausgehend von den Kategorisierungen der Teilnehmer – die Heterogenität der sprachlichen Praktiken auf, die zur Annahme mehrerer "Französische" führen. In Einklang mit seinem Interesse an den Repräsentationen treten die strukturellen Eigenschaften der verschiedenen Formen des Französischen zurück gegenüber der Perspektive der Mitglieder der Sprachgemeinschaft, die primär in ihren Bewertungen und Bezeichnungen dieser sprachlichen Praktiken manifest wird. Feussi kritisiert die gängige linguistische Dreiteilung in Akro-, Meso- und Basilekt, da sie nicht mit den Repräsentationen der Teilnehmer übereinstimme, die deutlich mehr Kategorien vorsähen. Zudem stehe für diese die plurilinguale und plurikulturelle Kommunikationskompetenz eines Sprechers im Vordergrund. Die Frage, ob eine Äußerung bzw. ihr Produzent als frankophon zu bezeichnen sei, lasse sich nicht unabhängig von der Kommunikationssituation beantworten, da sie letztlich das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses sei. Feussi schlägt daher vor, das Dreiebenen-Modell durch die Annahme verschiedener "Pole" des Französischen zu ersetzen (97ff.). Diese umfassen das "bon français", das "francanglais" sowie die "français moyens", die sich wiederum untergliedern in das "français des parents", das "français des apprenants" und das "français du quartier".




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Hinzu kommen das "mauvais français" und schließlich das "français personnalisé", eine etwas irreführende Bezeichnung, mit der der Verfasser auf die v. a. in den Medien präsenten hexagonalen Ausprägungen des Französischen verweist. Damit gelingt es einerseits, das francanglais einzubinden, das seiner Auffassung nach eine entscheidende Rolle bei der Vernakularisierung des Französischen spielt, und andererseits die mit Blick auf die Herausbildung endogener Normen interessanteste mittlere Ebene genauer aufzufächern. Die klassische Differenzierung in Akro-, Meso- und Basilekt scheint jedoch auch in Feussis mehrpoligem Modell noch in nuce durch.

Das mit "Une nomination plurielle des français" überschriebene Kapitel 3 ist vergleichsweise kurz. Es steht in enger Beziehung zur vorausgehenden Differenzierung der verschiedenen Praktiken des Französischen und führt die Annahme von seiner Heterogenität durch eine Analyse der gängigen Bezeichnungen fort. Der Fokus liegt hier auf der "catégorisation par la nomination" (141). Ziel ist es, die sozialen Funktionen der jeweiligen Praktiken und damit auch ihren Beitrag zur Konstitution sprachlicher Identitäten stärker herauszuarbeiten. Ausgewertet werden die Daten von 33 Informanten hinsichtlich der von ihnen verwendeten Bezeichnungen. Diese weist der Verfasser post festum und – wie er selbst eingesteht (146) – ohne eindeutige Kriterien den zuvor ermittelten Polen des Französischen zu. Die Ergebnisse werden in einer Tabelle am Ende des Kapitels zusammengefasst (154f.).

Ziel des vierten Kapitels mit dem Titel "Locuteurs et images des français" ist es, bestimmte sprachliche Praktiken mit bestimmten sozialen Situationen zu korrelieren und daraus "des schémas d'hiérarchisation possibles des français à Douala" (159) abzuleiten. Feussi stellt verschiedene Konstellationen genauer vor, kommt jedoch zu dem Schluss, dass sich eine Hierarchisierung der verschiedenen Praktiken letztlich nur unter Einbeziehung der Situation und der mit der Interaktion verfolgten Ziele vornehmen lässt. Das "bon français" definiert als prestigereichste Varietät den sozial positiv bewerteten Pol. Am Gegenpol befindet sich das "mauvais français", aber auch das der exogenen Norm nahestehende "français personnalisé". Eine Sonderstellung nimmt das francanglais ein, das v. a. auf der Beziehungsebene zum Tragen kommt und der Markierung von Zugehörigkeiten und Gruppenidentitäten dient. Die komplexe, ganz wesentlich vom jeweiligen Kontext und den Interaktionszielen abhängige Organisation des Französischen in Douala nimmt der Autor zum Anlass für eine Kritik am klassischen Diglossie-Konzept, das von einer stabilen Verteilung der Funktionen zweier (oder mehrerer) koexistierender Sprachen ausgeht. Angesichts der Verhältnisse in Douala kommt Feussi jedoch zu dem Schluss, dass "aucune configuration statique ne pourrait être objectivement arrêtée pour aucune pratique. Chacune des langues des témoins peut se retrouver dans une position valorisée ou dévalorisée, de telle sorte qu'il faudrait désormais définir le rapport diglossique comme contextuel" (195f.). Dieses Plädoyer für eine kontextbezogene Auffassung der Diglossie wird gestützt durch den hohen Grad an sprachlicher Heterogenität und die dadurch bedingte schwierige Abgrenzung der verschiedenen, als "Französisch" bezeichneten Praktiken.




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Zugleich deuten sich hier Berührungspunkte mit der von Labov eingebrachten Unterscheidung zwischen overt und covert prestige an. Feussi greift solche Kategorien jedoch nicht auf. Dies hat seinen Grund vermutlich darin, dass angesichts der kontextualisierten Sicht auf den symbolischen Gehalt sprachlicher Praktiken und der zentralen Rolle, die dabei den spezifischen Interaktionssituationen zukommt, situationsunabhängige Generalisierungen bezüglich des jeweiligen Prestiges nicht möglich sind.

Kapitel 5 spielt bereits mit seiner Überschrift "Ce que parler (français) veut dire à Douala" auf die zentrale Bedeutung an, die dem Ansatz von Bourdieu für die makrostrukturelle Beschreibung der sprachlichen Situation in Douala zukommt. Inhaltlich bringt dieses Kapitel, das viele der in den vorausgehenden Abschnitten – insbesondere in Kapitel 4 – diskutierten Punkte wieder aufgreift und sie in einen weiteren Kontext stellt, wenig Neues. Die Ausweitung der Perspektive führt einerseits zu einer Berücksichtigung der vielen neben dem Französischen in Douala gesprochenen Sprachen und andererseits zu einer Parallelisierung der Entwicklung des hexagonalen Französischen mit der des Französischen in Douala. Hier kommt also ein historischer Aspekt ins Spiel. Was die globale Mehrsprachigkeit angeht, so sind neben dem Pidgin-English verschiedene lokale Sprachen präsent, die ursprünglich eine bestimmte räumliche Verteilung kannten, da die afrikanische Stadt traditionell aus einer Ansammlung von ethnisch begründeten Dörfern bzw. Stadtvierteln bestand. Diese Tendenz zur ethnischen Gruppierung wird jedoch zunehmend – so der Autor – durch soziale Differenzierungen abgelöst, die ihren Niederschlag im urbanen Gefüge finden. Auch lassen bestimmte Situationen die Verwendung anderer Sprachen als dem Französischen erwarten. So wird das Pidgin-English in Douala überwiegend auf dem Markt gebraucht, während die lokalen Sprachen etwa bei der Konsultation eines traditionellen Heilers oder Marabouts Verwendung finden. Letztlich kommt der Autor zu dem Schluss, dass Französisch nach wie vor Macht und Einfluss konnotiert: "parler français à Douala, c'est (chercher à) prendre le pouvoir dans une interaction, puisque le français constitue un capital symbolique" (246). Was die Parallelen zwischen der Koinisierung der historischen Dialekte des Französischen und seiner diachronen Entwicklung zu einer einheitlichen Sprache mit der derzeitigen Situation im Kamerun angeht, so konstatiert Feussi mit Blick auf die mehrsprachige Metropole Douala: "le français serait encore en construction" (246). Direkt anschlussfähig wären hier Überlegungen zu den verschiedenen Phasen der Emergenz von Sprachvarietäten und Kontaktsprachen in postkolonialen Kontexten wie sie insbesondere Mufwene (2001) angestellt hat.

Feussi markiert – ohne dass er es ausdrücklich betont – eine wichtige Schnittstelle zwischen dem Interesse an Sprachrepräsentationen wie es insbesondere in der französischen Tradition der Ethnographie der Kommunikation verfolgt wird und stärker grammatisch ausgerichteten varietätenlinguistischen Ansätzen.




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In seinem Fazit verzichtet er auf entsprechende Querverweise wie er überhaupt die stärker sprachstrukturelle Forschung zu Varietäten nur sehr eingeschränkt zur Kenntnis nimmt. Vielmehr kehrt er noch einmal zu den epistemologischen Überlegungen des ersten Kapitels zurück, indem er die Relevanz eines subjektiven, die Erfahrungen und das Wissen des Forschers integrierenden Zugangs unterstreicht. Für die theoretische Diskussion zu postkolonialen Varietäten des Französischen und darüber hinaus könnte es jedoch fruchtbar sein, gerade die Bezüge zwischen den beiden Bereichen genauer auszuloten. Feussis von den sprachlichen Repräsentationen ausgehende Beschreibung der im Fluss befindlichen Sprachenlandschaft Doualas, in der sich unterschiedliche, nicht immer klar konturierte Formen des Französischen herauskristallisieren, liefert hierzu einen ersten wichtigen Baustein. Komplementär dazu könnte ein varietätenlinguistischer Zugang zu einer Schärfung der einzelnen Pole des Kontinuums beitragen. Zwar stellt der Verfasser diesen Bezug nicht explizit her, dennoch kann man seine Untersuchung als einen Beitrag zur gegenwärtigen Debatte um Tendenzen der Konvergenz und Divergenz in den Varietäten des Französischen lesen. Standen bislang eher grammatische bzw. lexikalische Phänomene im Fokus, so sind gerade von der Hinwendung zu Spracheinstellungen sowie allgemein pragmatisch-diskursiven Phänomenen neue Erkenntnisse zu erwarten (Farenkia 2008; Drescher im Druck). Der zu besprechende Band überzeugt mit seiner zentralen Hypothese eines stark mit dem Kontext verwobenen Sprachgebrauchs und der sich daraus ergebenden Annahme plurieller Praktiken des Französischen, wenngleich deren Analyse eine Reihe von methodischen Problemen aufwirft. Zum einen mag man bedauern, dass sich die theoretische Diskussion, die im Rahmen dieser Arbeit einen hohen Stellenwert beansprucht, neben ethnographischen Klassikern wie Hymes und Gumperz ganz überwiegend auf französische Autoren der "sociolinguistique urbaine" beschränkt. Hier wäre eine breitere Rezeption der hermeneutischen Diskussion, wie sie etwa im Umfeld der ethnomethodologischen Konversationsanalyse erfolgte, lohnenswert gewesen. Zum anderen führt das mit einer gewissen Redundanz an verschiedenen Stellen der Arbeit vorgetragene Argument von der Relevanz der "dimension expérientielle" des Forschers zu einer gewissen Ermüdung beim Leser. Nicht zuletzt zeigen sich auch die Grenzen eines Ansatzes, der den Forscher als "acteur-enquêteur" ins Zentrum rückt, insofern insbesondere bei der Beschreibung der funktionalen und situativen Aspekte der verschiedenen sprachlichen Praktiken offen bleibt, welchen Grad an Allgemeinheit diese beanspruchen können. Bereits angeklungen ist der Wunsch der Rezensentin nach breiteren Einblicken in das umfassende und – den zitierten "Kostproben" nach zu urteilen – faszinierende Gesprächskorpus. Angesichts der in den bisherigen Arbeiten zum kamerunischen Französisch weit verbreiteten Praxis, mit literarischen Texten, Belegen unklarer Herkunft oder konstruierten Beispielsätzen zu arbeiten, kann man Feussis Verdienst auf diesem Gebiet nicht genug würdigen. Schließlich hätte man sich an manchen Stellen ein sorgfältigeres Lektorat gewünscht.




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Doch diese Mängel sind marginal gemessen an den vielfältigen Einblicken in eine ungeheuer komplexe und für die linguistische Forschung außerordentlich interessante Sprachlandschaft, die Feussis Untersuchung bietet. Darüber hinaus gehen von dieser dezidierten Stellungnahme für einen den "enquêteur natif" ins Zentrum stellenden alteroreflexiven Ansatz viele anregende, im Einzelnen durchaus kritisch zu beurteilende, theoretisch-methodologische Impulse aus. Daher ist Feussis Untersuchung zu wünschen, dass sie eine breite Leserschaft findet.



Bibliographie

Biloa, Edmond (2003): La langue française au Cameroun. Bern.

Devereux, Georges (1998): Angst und Methode in den Verhaltenswissenschaften. Frankfurt/Main. (engl. Original 1967)

Drescher, Martina (im Druck): "Crosscultural Perspectives on Advice. The Case of French and Cameroonian Radio Phone ins", in: Hauser, Stefan / Martin Luginbühl (Hg.): Contrastive media analysis – approaches to linguistic and cultural aspects of mass media communication. Amsterdam / Philadelphia.

Farenkia, Bernard Mulo (Hg.) (2008): De la politesse linguistique au Cameroun. Frankfurt/Main.

Féral, Carole de (1993): "Le français au Cameroun: approximations, vernacularisation et 'camfranglais'", in: Robillard, Didier de / Michel Beniamino (Hg.): Le français dans l'espace francophone. Description linguistique et sociolinguistique de la francophonie. Paris. Bd. 1, 205–218.

Féral, Carole de (2010): "Pourquoi on doit seulement speak comme les white? – Appropriation vernaculaire du français chez les jeunes au Cameroun", in: Drescher, Martina / Ingrid Neumann-Holzschuh (Hg.): La syntaxe de l'oral dans les variétés non-hexagonales du français. Tübingen, 53–64.

Mendo Zé, Gervais (1990): Une crise dans les crises. Le français en Afrique noire francophone. Le cas du Cameroun. Paris.

Mendo Zé, Gervais (2009): Insécurité linguistique et appropriation du français en contexte plurilingue. Paris.




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Mufwene, Salikoko S. (2001): The Ecology of Language Evolution. Cambridge.

Naguschewski, Dirk (2003): Muttersprache als Bekenntnis. Status und Ideologien des Französischen im frankophonen Afrika. Leipzig.

Ntsobé, André M. et al. (2008): Le camfranglais: quelle parlure? Frankfurt/Main.