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Beatrice Nickel (Stuttgart)



Der Bürger und seine Welt in der frühneuzeitlichen Novellistik



The bourgeois and his world in the short novel in early modern times
In many aspects the French short novel of the Renaissance is modelled after its Italien predecessors, namely Il novellino and Il decameron. This applies also for the strong focus on an urban environment and bourgeois topics. Like the Italian short novel the French one is meant to be read by working townspeople who are too busy to receive time-consuming literature. Due to its comparatively brevity the short novel perfectly complies with the need for distraction achieved in a short period of time. As it is primarily addressed to bourgeois readers the French novel also depicts the bourgeois cosmos, oftentimes by giving detailed descriptions of bourgeois life in the early modern period including bargaining, dining, clothing etc. So one might argue that French short novels present particular aspects of urban life, of course in a poetic and therefore fictional way.



1 Einleitende Betrachtungen

Die folgende Darstellung konzentriert sich auf vier frühe französische Novellensammlungen, nämlich die anonym erschienenen Cent nouvelles nouvelles (ca. 1462), Le parangon des nouvelles (1531), Nicolas de Troyes' Le grand parangon des nouvelles nouvelles (1535/36) sowie die Nouvelles récréations et joyeux devis (posthum 1558) von Bonaventure Des Périers. Ganz allgemein gilt, dass die sich in der Frühen Neuzeit in Frankreich etablierende und aus Italien importierte literarische Gattung der Novelle und der frühneuzeitliche Bürger in mehrerlei Hinsicht eng miteinander verbunden sind: Erstens ist das Bürgertum das primäre Zielpublikum der Novelle, denn sie setzt notwendigerweise die Lesefähigkeit voraus und kommt aufgrund ihrer relativen Kürze dem nur über ein sehr begrenztes Zeitkontingent verfügenden, einen Beruf ausübenden Bürger entgegen, wie Werner Krauss zu Recht bemerkt hat:

Wie die Versnovelle in Frankreich, so ist die im 14. Jahrhundert von Boccaccio standardisierte Prosanovelle für das Bürgertum geschrieben. Während das feudalistische Epos von seinen Hörern unbedingte Verfügung über ihre Zeit verlangte, muß sich umgekehrt die Novelle in einem stark begrenzten Zeitraum realisieren. Sie muß mit einem geschäftigen Bürgertum rechnen, das mit seiner Zeit haushälterisch umgehen muß und einen offenen Sinn für witzige Pointen und für rasch umrissene Anekdoten besitzt. (Krauss 1968: 29)

Im poetologischen Vorwort der anonym erschienenen Novellensammlung Le parangon de nouvelles (1531) liest man über die Textfunktion der Novelle dementsprechend Folgendes:

Car l'arc trop longuement sans remission tendu devient lache ou se romp: ainsi faict l'entendement occupé de affaires urgens et cures severes sans intermission d'aulcung esbatement. Pour lequel facillement avoir, les presentes nouvelles de plusieurs bons aucteurs recitees ont esté assemblees en petite et jolye forme, pour plus facillement en tous lieux en avoir la fruytion totalle. (Le Paragon de Nouvelles 1979: 1f.)




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Die Novellen der Sammlung sind also explizit an Menschen gerichtet, die – wie ein angespannter Bogen– der Entspannung bedürfen, und zwar wegen ihrer permanenten beruflichen Anspannung (heute würde man eher sagen: wegen ihres permanenten beruflichen Stresses). Diese Entspannung soll dabei durch eine kurze und kurzweilige Lektüre erzielt werden können.1 Es ist offensichtlich, dass wir es hier mit einer vollkommenen Umdeutung des horazischen delectare aut prodesse zu tun haben, denn beide überlagern sich und verschmelzen miteinander: Der Nutzen ist die Unterhaltung (während der Lektüre) bzw. die Entspannung, die noch über die Lektüre hinaus ihre positive Wirkung entfalten soll.2 Als Adressat ist hier zweifelsohne primär das städtische und vor allem kaufmännische Bürgertum gemeint.3

Dieser Rezeptientenkreis entspricht vielfach den Protagonisten der Novellen. Dies trifft schon bei Boccaccio zu: Vittore Branca hat Il decameron (1348–53) zu Recht als "epopea dei mercantanti" (Branca 1996: 134ff.)4 beschrieben, denn Boccaccio hat in den Novellen seiner Sammlung das kaufmännische Leben im Florenz des 13. Jahrhunderts widergespiegelt. Zumal Boccaccio und seine (italienischen) Nachfolger und Nachahmer die wichtigsten Vorbilder für die französische Novelle im 15. und 16. Jahrhundert darstellen, ist es wenig erstaunlich, dass diese dem decameron u.a. auch in dieser Hinsicht ähnlich sind.5 Auch schon die älteste italienische Novellensammlung,6 die vermutlich aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammt und anonym erschienen ist, Il Novellino (auch Le ciento novelle antiche), ist zu großen Teilen dem städtischen Leben gewidmet, wobei vor allem die ökonomischen und juristischen Beziehungen der Menschen untereinander in den Blick genommen werden.7 Vor allem in den Cent nouvelles nouvelles werden in dieser Tradition auch in mehreren Novellen die juristischen Beziehungen von Menschen thematisert.8

Eine weitere Verbindung zwischen Novelle und Bürgertum besteht zweitens hinsichtlich der Thematik und drittens hinsichtlich des Handlungsortes: Die in der französischen Renaissancenovelle vorgeführte kurze Erzählung spielt nämlich zumeist in der Stadt und handelt charakteristischerweise von sozialen Begegnungen unterschiedlichster Art, wobei die Akteure prinzipiell allen Ständen entstammen können, wir es sehr oft aber – dem vorgestellten städtischen Handlungsraum entsprechend – mit Figuren zu tun haben, denen Attribute des Bürgertums zugeordnet sind oder die sogar explizit als Bürger benannt werden. Wenn die Stadt in der französischen Renaissancenovelle auch einen bevorzugten Ort des Geschehens darstellt, so soll dies nicht heißen, dass es nicht auch Novellen gibt, die am Hof oder in einer ländlichen Umgebung spielen. In den großen Novellensammlungen dieser Zeit finden sich neben Bürgern beispielsweise auch Adlige, Handwerker und auch Bauern. Pérouse hat in Bezug auf die früheste französische Novellensammlung, Les cent nouvelles nouvelles (1456–1461), sogar festgestellt: "Le tableau de la ville est aussi fouillé que celui de la campagne." (Pérouse 1977: 48) Auch in den Novellensammlungen aus dem 16. Jahrhundert wird das ländliche Leben thematisiert, nicht zuletzt mag dies auch in der großen Vorbildfunktion begründet liegen, die von den Cent nouvelles nouvelles ausging:




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In welch bemerkenswertem Maße dabei den Cent Nouvelles Nouvelles die Funktion eines Leitbildes zukam, mag daraus ersichtlich werden, daß sich ein ganzer Strang novellistischer Werke bis zum Ende des 16. Jahrhunderts auf ihren Einfluß zurückführen läßt. (Wehle 1981: 36).9

Jean-Pierre Siméon (1981) hat die Nouvelles récréations et joyeux devis (1558) von Bonaventure des Périers hinsichtlich der in ihnen benannten oder thematisierten sozialen Klassen untersucht und ist zum Ergebnis gekommen, dass der Großteil der Personen in diesen Novellen dem städtischen Bürgertum entstammt. Dabei handelt es sich um Justiz- und Verwaltungsbeamte, Händler, Schriftsteller, Apotheker, Ärzte, Universitätsangehörige (Professoren, Doktoren, Studenten), Geistliche und um solche Personen, denen bürgerliche Attribute (Haus, teure Wohngegend, materieller Wohlstand, große Dienerschaft, gute Bildung etc.) zugeordnet sind, deren Beruf aber nicht genannt wird. Daneben tauchen aber auch die "classes populaires"(ebd.: 327) auf: die Landbevölkerung (Bauern, Hirten, Dorfbewohner etc.), Handwerker, Diener, Kammermädchen, soziale Randgruppen (wie zum Beispiel Diebe, Kurtisanen, Geisteskranke), Gaukler, Haudegen etc. Signifikanterweise sind die Vertreter des städtischen Bürgertums quantitativ den Repräsentanten aller anderen sozialen Klassen – neben den "classes populaires" (Siméon (1981: 327) sind hier noch der Adel und der Klerus zu nennen – überlegen.10 Des Périers Novellensammlung vermittelt damit insofern kein realistisches Bild von der damaligen Gesellschaftsstruktur, als bei ihm die Landbevölkerung einen verschwindend kleinen Anteil am Gesamtpersonal ausmacht, obgleich diese im 16. Jahrhundert noch die quantitativ stärkste Bevölkerungsgruppe darstellte11: "Que la grande majorité de la population demeure rurale au XVIe siècle on ne le devinerait pas à la lecture de Devis. En effet le monde des campagnes n'apparaît, directement ou indirectement, que dans quatorze contes au plus […]." (Siméon 1981: 343) Der Vorzug, den Des Périers in seiner Novellensammlung dem städtischen Bürgertum gegenüber der Landbevölkerung gibt, spiegelt zwar nicht die tatsächliche damalige Bevölkerungsschichtung, dafür aber eine Haltung der bürgerlichen Mittel- und Oberschicht wider: Typisch war im 16. Jahrhundert "le dédain des gens de la ville pour les hommes des champs" (Mandrou 1998: 346).

Etwas anders als in den Nouvelles récréations et joyeux devis stellt sich die Lage im Grand parangon des nouvelles nouvelles (1535/36) dar: Hier reicht das Figurenspektrum nämlich vom "archiduc et l'archevêque jusqu'au boulanger et au charpentier" (Kasprzyk 1970: XXI) und damit auf der Gesellschaftsskala von ganz oben (Adel, Klerus) bis ganz unten zu den einfachsten Schichten, wie zum Beispiel den Handwerkern. Dies mag damit zusammenhängen, dass der Verfasser dieser Sammlung, Nicolas de Troyes, selbst einfacher Sattler war und möglicherweise deshalb darum bemüht war, seinen novellistischen sozialen Mikrokosmos auch bzw. vor allem mit Vertretern aus den unteren Gesellschaftsschichten zu bevölkern.12




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Die Stadt eignet sich deshalb in besonderem Maße als Handlungsort – in den Nouvelles récréations et joyeux devis spielen beispielsweise fast zwanzig Novellen in Paris, im Parangon de nouvelles eine Vielzahl von Novellen "en la cité de Florence"13 und in Les cent nouvelles nouvelles finden sich über 50 verschiedene Handlungsorte bzw. -städte in unterschiedlichen Ländern (die beliebteste Stadt ist dabei Paris, gefolgt von Lille und Rom) – , weil die Novelle per se auf einen Ort angewiesen ist, an dem Neuigkeiten entstehen: "Il suffit […] de se rappeler que, pour les hommes du XVe [et également du XVIe] siècle, le mot « nouvelle » est indissociable de son étymologie : il ne peut se rapporter qu'à ce qui est « nouveau »." (Dubuis 2005: 35f.) Neuigkeiten im Sinne von unerhörten Begebenheiten (Goethe)14, die – außer in bestimmten Grenzfällen der Gattung (z.B. Märchennovelle; vgl. Blüher 1985: 12)15 – der Forderung nach vraisemblance nachkommen müssen, sind ja von Anfang an ein gattungskonstituierendes Merkmal der Novelle: "Dieser Authentizitätsanspruch, der zum Teil auch mit dem fiktionalen Anspruch auf 'Neuigkeit' der Geschichte […] verknüpft ist, stellt ein […] wesentliches Charakteristikum der Novellengattung dar […]." (Blüher (1985: 12)16 Auf Neuigkeiten trifft man wohl an keinem Ort häufiger als in der Stadt. Die frühneuzeitlichen Städte stellen daher konsequenterweise den primären Schauplatz der Novellen dar:

Die Novelle ist eine Form der beständig wechselnden Perspektiven, wie sie sich nur in der Stadt zeigen. Sie zeigt die sich beständig ändernden Konstellationen der miteinander interagierenden Menschen, wie es nur in urbaner Umgebung möglich ist. Das reduzierte Personal des Typus chevalier, dame, prêtre des Fablel weicht jetzt dem Spektrum sozialer Typen, wie sie sich in der Stadt finden. (Krüger 2002: 100)>

Gab das Epos vor, die Totalität des Lebens zu erfassen, weil in ihm ein Modell von der gesellschaftlichen Wirklichkeit vermittelt wurde, dessen Zentrum der höfische Held darstellte, von dem gleichsam alles andere abhing, so bietet eine Novelle nie mehr als eine Partikularansicht. Eine frühneuzeitliche Novellensammlung ließe sich deshalb als eine Art Collage einzelner Bilder des zeitgenössischen sozialen Lebens beschreiben. Da die frühneuzeitliche Novelle, wie bereits erläutert, eben nicht in einer überschaubaren höfischen Umgebung spielt, die bis ins Kleinste ganz auf den höfischen Helden bezogen ist, sondern in der Stadt, kann sie keine Totalität abbilden. Die städtische Totalität ist dafür – auch schon im 16. Jahrhundert – zu komplex. Hier fehlt ja gerade der eine höfische Held, der alles um sich herum zusammenhält. Eine einzelne Novelle liefert darum immer nur einen Ausschnitt aus der Komplexität des bürgerlichen Lebens in der Frühen Neuzeit, zusammen addieren sich die zahlreichen französischen Novellensammlungen aus dieser Zeit jedoch zu einer Art 'Enzyklopädie' der Formen sozialer Interaktion im urbanen Raum.17 Das soll und darf natürlich nicht den Blick darauf verstellen, dass die in den Novellen dargestellte 'Wirklichkeit' eine fiktive literarische ist, die sich vom tatsächlichen Leben im 16. Jahrhundert mehr oder weniger stark unterscheidet. Es handelt sich immer um eine als zeitgenössische Wirklichkeit inszenierte literarische Fiktion. Der Prozess "whereby experience of daily life is transformed into its literary representation involves a degree of distortion […]" (Ferguson / LaGuardia 2005: 5).




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Pérouse, der in seiner umfangreichen Studie über neun Novellensammlungen aus der französischen Renaissance, darunter auch Le grand parangon des nouvelles nouvelles (1535/36) von Nicolas de Troyes, den "images de la vie du temps"18 nachgegangen ist, hat zahlreiche Bereiche und Aspekte der Inszenierung des sozialen und alltäglichen Lebens im 16. Jahrhundert in der literarischen Gattung der Novelle ausmachen können:

alimentation, […] bourgeois (et villes, vie urbaine) : la ville, le cadre urbain, les affaires et la vie de la ville, diverses sortes de bourgeois, la famille bourgoise, la morale bourgeoise, bourgeoisie et vie économique, vie sociale et mondaine de la bourgeoisie, vie intellectuelle de la bourgeoisie, […] commerce : le « trafic » en général ; courants commerciaux, marchés et foires ; gros et petits commerçants […], commerçants et opinion publique, prix, […] femmes et filles, fêtes, […] habitation : la maison : sa disposition, […] mobilier et ustensiles […], vie intellectuelle (l'école, l'université, le livre etc.) […], justice et gens de justice : […] les gens de justice ; leur image dans l'opinion, les revenus des gens de justice, […] médecine et médecins : […] le personnage du médecin et son image dans l'opinion; les revenus de la médecine; […] apothicaires, chirurgiens, médecine familiale ou populaire, […] vêtements, […] voyages […]. (Pérouse 1977: 449)


2 Der Bürger in der frühneuzeitlichen französischen Novelle

Signifikanterweise werden die Cent nouvelles nouvelles – und somit die älteste überlieferte französische Novellensammlung – mit einer Geschichte, deren Protagonist ein Bürger ist, eröffnet. Die Novelle trägt den Titel La serrure rouillée und handelt von dem Steuereinnehmer vom Hennegau. Dieser wird nicht nur explizit als bourgeois bezeichnet, sondern ihm sind auch typisch bürgerliche Merkmale zugeordnet, beispielsweise besitzt er ein prachtvolles Haus ("Objet d'envie et d'admiration, sa maison avait l'avantage sur les autres de donner sur plusieurs rues"; Cent nouvelles: 49). Das Haus ist ja der ureigenste und privateste Bereich des wohlhabenden Bürgers: "le cadre de vie par excellence, la ville, le bourg, le village, ou mieux même le témoin le plus fidèle et le plus intime de la vie des gens : la maison." (Dubuis 1981: 104)

Gegenüber diesem bürgerlichen Haus wohnt ein Geselle mit seiner Frau, auf die der Bürger schon längere Zeit ein Auge geworfen hat. Um seinem Ziel näher zu kommen, versucht er zunächst, sich das Vertrauen und die Freundschaft des Gesellen zu erschleichen, und zwar standesgemäß für einen reichen Bürger mit gutem Essen ("il manœuvra avec assez d'habilité pour que le brave homme, mari de la donzelle, devînt son ami le plus intime, au point qu'on ne se réunissait guère pour dîner, souper, banqueter […]"; Cent nouvelles: 49). Nachdem er den Gesellen für sich gewonnen hat, muss dem Bürger dies nun auch noch mit der schönen Frau des Gesellen gelingen. Auch hier lässt er wieder seinen Reichtum für sich sprechen: Als der Geselle seiner Frau eines Tages ankündigt, über Nacht außer Hauses sein zu müssen, bereitet der Bürger alles für die geplante Verführung vor: "Il fit aussitôt tirer les bains, chauffer les étuves, préparer les pâtés, les tartes, le vin aux épices et tous les autres biens que Dieu nous a légués, avec tant de munificence que les préparatifs firent un beau désordre dans la maison." (ebd.: 50)




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Als die Frau zum Bürger kommt, passiert all das, was dieser geplant hat, bis es plötzlich an der Tür klopft, weil der Geselle überraschend früher nach Hause gekommen ist. Gerissen wie der Bürger ist, hat er einen Plan: Die Frau soll sich ganz dicht neben ihn legen, und er lässt dem Gesellen die Tür öffnen. Dieser möchte daraufhin die Frau, mit der sein – wie er glaubt – 'Freund' die Nacht verbringt, ansehen, der Bürger erlaubt ihm aber nur einen Blick auf ihre Rückseite. Dem Gesellen kommt diese natürlich bekannt vor, er wägt seine Frau ja aber zu Hause im gemeinsamen Ehebett. Ganz lässt ihn der Gedanke dennoch nicht los, also möchte er schnellstmöglich nach Hause und kontrollieren, ob seine Frau dort ist. Durch eine erneut erdachte List des Bürgers – er gibt vor, dass das Schloß der Tür, die direkt zum Haus des Gesellen führt (vgl. den Titel), eingerostet ist – muss er aber einen großen Umweg gehen. In der Zwischenzeit ist seine Frau schon längst bei ihnen zu Hause angekommen. Als er eintrifft, macht sie ihm heftige Vorwürfe, weil er früher zurückgekommen ist als angekündigt. Sie unterstellt ihm, ihr kein keusches Verhalten zugetraut zu haben. Daraufhin fällt der brave Geselle auf die Knie und entschuldigt sich ironischerweise unter Tränen bei seiner untreuen Frau: "Ma très chère compagne, ma très loyale épouse, je vous en prie de toutes mes forces, ôtez de votre cœur tout le courroux que vous avez conçu à mon égard et accordez-moi votre pardon pour tout le mal que j'ai pu vous faire." (ebd.: 55) Anstatt ein schlechtes Gewissen zu haben, nutzt die Frau in der Folgezeit ihre unverdiente Narrenfreiheit, die sie dank des angeblich falschen Verdachtes ihres Gatten besitzt, um immer öfter den Bürger zu besuchen und mit ihm vielfach Ehebruch zu begehen.

Die vielen lebensweltlichen Details in dieser Novelle gestatten es ohne Weiteres, sie als einen literarischen Spiegel der damaligen Zeit zu interpretieren. Wenn Saulnier (1981: XI) geurteilt hat: "Le miroir est presque toujours reproche", so lässt sich diese Einschätzung auch mit der vorliegenden Novelle belegen. Zwar wird hier nicht das das heilige Sakrament der Ehe verletzende Verhalten des Bürgers und der Ehefrau verurteilt oder bestraft, es kommt ja noch nicht einmal ans Tageslicht, dafür wird aber die Naivität des Gesellen, die den Ehebruch auch in der Zukunft immer wieder ermöglicht, negativ hervorgehoben.

Anders als in dieser werden in vielen französischen Novellen aus der Frühen Neuzeit die beteiligten Bürgersleute nicht explizit als solche benannt, sondern – wie bereits erläutert – durch typische Merkmale und Verhaltensweisen als Bürger gekennzeichnet. Zum Beispiel in den Nouvelles récréations et joyeux devis finden sich vielfach Hinweise auf die Herkunft ("de bonne maison") und den materiellen Wohlstand ("riche") der betreffenden novelleninternen Personen. Beispielsweise handelt die 57. Novelle dieser Sammlung von einer Dame aus Toulouse, die primär dadurch, dass sie das Geld und den Platz hat, abendliche Soupers für ihre Nachbarin auszurichten, als Bürgerin in Szene gesetzt wird. Auch die Nachbarin muss der gehobenen Bürgersschicht entstammen, ansonsten könnte sie ihren hohen Lebensstandard, der sich vornehmlich in ihrem exquisiten Geschmack äußert – sie bevorzugt Wachteln, Ringeltauben u.ä. und teuren Wein aus Paris – , schlechterdings finanzieren. Diese exquisiten Speisen und Getränke macht sie ihrer Nachbarin als eine spezielle Diät schmackhaft, die diese auch ausprobieren solle. Schon im 16. Jahrhundert scheint es zu den Gewohnheiten weiblicher Mitglieder höherer Gesellschaftsschichten gehört zu haben, sich verstärkt Gedanken über die richtige Ernährung zu machen. Diese entlarvt der Autor der Novelle als lächerlich, wie so vieles andere in den Nouvelles récréations et joyeux devis: "Bonaventure des Périers [möchte] dem Leser vor allem die vielfachen Narreteien der Menschen aller sozialer Schichten vor Augen führen." (Leeker 2003: 167f.) Außerdem führt diese Novelle durch die detaillierte Beschreibung eines Modells der bürgerlichen Esskultur vor, wie ausdifferenziert die Novelle als städtische Gattung in der Frühen Neuzeit gestaltet ist.




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Die 49. Novelle der Cent nouvelles nouvelles (La robe rapiécée) rückt ebenfalls ein weibliches Fehlverhalten in den Mittelpunkt. Sie handelt von einem Kaufmann aus der Stadt Arras, dessen Frau ihm nicht treu ist: "Elle avait le déclic aussi facile qu'une vieille arbalète, incapable comme elle de choisir sa cible ou d'assurer son coup." (Cent nouvelles: 317f.) Er weiß dies oder glaubt, dies zumindest zu wissen. Um eine letzte Gewissheit zu erlangen, möchte der Kaufmann seine Gattin einer Probe unterziehen, und zwar, indem er sich in einem Zimmer versteckt und abwartet, wie seine Frau sich verhält, wenn sie sich alleine wähnt. Der Kaufmann wird so Zeuge des Ehebruchs, den seine Frau mit ihrem Liebhaber begeht. Auch wird er in diesem Kontext Zeuge eines Gespräches zwischen den beiden, in dem der Liebhaber die Frau fragt, wem ihr Mund, ihre Augen, ihre Brüste, ihr Bauch und ihr Hinterteil gehörten. Bei allem bis auf das zuletzt Genannte antwortet die Frau, dass es ihm gehöre. Auf jenes jedoch habe ihr Mann den alleinigen Anspruch: "Il alla ensuite poser sa main sur son gros derrière et lui demanda en souriant : « Et à qui appartient ceci ? – A mon mari, répondit-elle. C'est sa part à lui, mais tout le reste vous appartient." (ebd.: 319) Daraufhin richtet der Kaufmann ein großes Essen für alle seine Verwandten und Freunde aus, bei dem seine Frau ihm beim Servieren der Speisen hilft. Plötzlich fordert er sie auf, ein heimlich angefertigtes hässliches graues Flanellkleid anzuziehen, dessen Hinterteil mit einem quadratischen Flicken aus teurem Scharlach versehen ist. In dieser Aufmachung muss die Frau vor die Gesellschaft treten, die natürlich ebenso erstaunt ist wie sie selbst. Allen ungeduldigen Nachfragen zum Trotz liefert der Kaufmann die Erklärung des Gewandes seiner Frau erst nach dem Essen, das seine Frau selbstverständlich wenig genießen konnte. Zuerst berichtet er den Gästen davon, dass er beobachtet habe, wie seine Frau ihn betrogen habe und dann erklärt er, was es mit dem Scharlachflicken auf sich habe: "Elle a déclaré que, chez elle, il n'y a rien qui m'appartienne que le derrière : aussi, l'ai-je habillé comme il convient à un homme dans ma situation. Le reste, je l'ai vêtu avec le tissu auquel ont droit les femmes déloyales et déshonnêtes. Et, puisqu'elle en fait partie, je vous le rends." (ebd.: 320) Da sie den bürgerlichen Ehrenkodex der Treue und das Ideal der honnêteté verraten habe, verstößt der Kaufmann seine Gattin. Mit der Umschreibung "dans ma situation" hat er dabei explizit auf seinen guten Stand in der bürgerlichen Gesellschaft hingewiesen.

In der vierten Novelle des Parangon de nouvelles wird die Gutgläubigkeit bzw. Naivität eines bürgerlichen Ehemannes vorgeführt. Eingeführt wird dieser folgendermaßen: "A la cité de Florence fut ung citoyen qui avoyt espousé une moult belle jeune femme, laquelle habandonna pour aller à ung voyage, là où il fut l'espace de ung an ou plus." (Le parangon: 15) Dieser Einleitungssatz enthält alle Fakten, die für die Entfaltung des Handlungsstranges relevant sind. Zunächst handelt es sich um eine konkret erfasste Kommunikationssituation: Ort der Handlung ist Florenz – hierbei handelt es sich selbstredend um eine Reminiszenz an Il decameron –, und die Protagonisten sind ein Bürger und seine sehr schöne junge Frau, die er aufgrund einer Reise für mindestens ein Jahr alleine zurücklassen muss. Warum diese Zeitangabe von Bedeutung ist, ist schnell erklärt: Unmittelbar nach seiner Rückkehr wird der brave Bürger Zeuge der Niederkunft seiner Gattin. Rein rechnerisch ist damit (auch ihm) klar, dass er nicht der Vater des neugeborenen Kindes sein kann. Eine findige Nachbarin erklärt ihm jedoch, dass eine Frau durchaus zwölf Monate schwanger sein könne, und zwar immer dann, wenn sie kurz vor der Befruchtung ihrer Eizelle einen Esel gesehen habe. In diesem Fall würde die Frau ihr Kind genauso lange austragen wie eine Eselin. Das glaubt der Bürger ohne jeden Zweifel und hält das Kind für das seinige: "Lors fut le povre sotouart tout reconforté, il mercia la matrosne plus de mille fois pour tant qu'elle l'avoit bouté hors d'une grande suspection." (ebd.: 16)




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Natürlich wird in dieser Novelle nicht willkürlich ein Esel erwähnt. Vielmehr muss hier die lange literarische und vor allem auch emblematische Tradition, die das 'Grautier' vorzuweisen hat, vorausgesetzt werden.19 Zugleich handelt es sich beim Esel um ein Tier, das aus der Empirie auch des Städters in der Frühen Neuzeit zählt. In der Literatur fungiert der Esel zunächst und vor allem als Symbol für Unwissenheit bzw. – konkreter – für die Unwissenheit des Menschen, denn das Tier dient hier von Anfang an als Versinnbildlichung des Menschen oder konkreter menschlicher Eigenschaften: Zu Beginn ist das literarische Eselsmotiv darum explizit mit dem Thema einer Metamorphose des Menschen in einen Esel verbunden. So nimmt es kaum wunder, dass in der Figur des Esels immer wieder scharfe Zeit-, Sozial- oder Kulturkritik betrieben wurde, und zwar – antiken Vorbildern folgend – auch in der Literatur der Romania20: "Der Esel als proverbielle Verkörperung der Dummheit kann [...] zum Emblem der menschlichen Torheit [...] werden." (Brossmann 2006: 17) Das Motiv des Esels, das eine seiner frühesten Belegstellen in der pseudo-lukianischen Satire Lukios oder Der Esel hat,21 ist unter dem Begriff der ânerie in die Literatur eingegangen. Die Satire beschreibt die Metamorphose eines Menschen in einen Esel. Auch in der französischen Novelle ist natürlich klar, dass eine solche Metamorphose des unwissenden Ehemannes impliziert ist: Seine Naivität macht ihn zum Esel.

Der Esel steht in der europäischen Emblematik jedoch nicht nur für die Unwissenheit, sondern auch für die Duldsamkeit (vgl. den Begriff der Eselsgeduld). Über eine solche wird wohl auch der Ehemann verfügt haben, schließlich wartet er die Erklärung der Nachbarin ab und macht seiner untreuen Frau nicht zuerst Vorhaltungen. Im Kontext des Eselsmotivs in der vorliegenden Novelle ist noch eine weitere Assoziation dieses Tieres in der Literatur von Bedeutung, nämlich seine Verbindung mit einer triebhaften Sexualität: "Allein dem erotischen Trieb folge der Esel recht bereitwillig und ausgiebig [...]." (Brossmann 2006: 12) In dieser Hinsicht ähnelt der Esel dann der untreuen Ehefrau und nicht ihrem naiven Ehemann.

In den französischen Novellen aus der Frühen Neuzeit werden Bürger nicht nur in ihrer privaten Sphäre, also dem Haus, gezeigt, sondern auch bei der Ausführung ihres jeweiligen Berufes. Wir treffen hier u.a. auf Händler, Kaufleute, Richter und Ärzte. Zum Beispiel tritt in der 90. Novelle der Nouvelles récréations et joyeux devis (Du singe qui beut la medecine) ein Arzt auf, der einem schwerkranken Patienten eine Medizin verschreibt, die allerdings nicht er, sondern sein Affe zu sich nimmt. Gesund wird er aber trotzdem, denn die Medizin lässt den Affen komische Grimassen schneiden, woraufhin der Kranke in starkes Gelächter ausbricht und dadurch rasch gesundet.




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Die 67. Novelle der Cent nouvelles nouvelles (Le chaperon fourré et la cordonnière) handelt von einem Gerichtsbeamten des Parlaments von Paris, der in eine Frau verliebt ist, die mit einem Schuhmacher verheiratet ist. Diese erhört ihn unter der Bedingung, dass er sie heiratet, sobald ihr Mann tot sei. Das passiert dann auch recht schnell, jedoch weigert sich der Gerichtsbeamte, sein Versprechen einzuhalten, nämlich die Frau zu ehelichen. Als Grund gibt er an, ausschließlich Gott dienen zu wollen. Um sich der Frau endgültig zu entledigen, bezahlt er einen Barbier dafür, dass dieser sie heiratet. Der Gerichtsbeamte selbst verliebt sich nach kurzer Zeit in die schöne Tochter eines angesehenen und reichen Bürgers aus Paris ("la fille d'un bourgeois de Paris, un homme riche […]"; Cent nouvelles: 403) und heiratet diese wenig später. Als das die ehemalige Frau des Schuhmachers erfährt, lässt sie den Gerichtsbeamten vor den Bischof laden. Dieser erklärt schließlich die Ehe mit dem Barbier für ungültig und spricht die Frau dem Gerichtsbeamten zu: "Ajoutons à cela que, s'il [scil. le conseiller au Parlement de Paris; B.N.] était extrêmement fâché de récupérer sa cordonnière, le barbier, de son côté, était extrêmement joyeux d'en être débarrassé." (ebd.: 404) Ohne Einblicke in dieses erzwungene Eheleben gegeben zu haben, endet diese Novelle nach dem Urteilsspruch des Geistlichen.


3 Schlussbetrachtung

Die frühneuzeitliche französische Novelle erweist sich in vielerlei Hinsicht als ein Erbe der italienischen Novellentradition, an deren Beginn Il novellino und Il decameron stehen. Dies gilt vor allem auch hinsichtlich der bevorzugten sozialen Klasse der Protagonisten, des Bürgertums und hinsichtlich des bevorzugten Handlungsortes, nämlich der Stadt. Die Novellensammlungen der französischen Renaissance vermitteln Partikularansichten einer Welt, die vor allem eine Welt des geschäftigen Bürgers ist. Die Novellen inszenieren primär soziale Begegnungen im urbanen Raum. "Daher ist die Novelle auch eine Form der Vielstimmigkeit – oder ihrer textuellen Inszenierung – , wie sie städtischem Leben in seinen vielfältigen Artikulationen, Sprechern und kommunikativ Handelnden eigen ist." (Krüger 2002: 100)

Die Novelle erweist sich damit in der Frühen Neuzeit als eine primär städtische Gattung, deren Grad an Ausdifferenziertheit hinsichtlich der poetischen Inszenierung zeitgenössischer lebensweltlicher Details sehr hoch sein kann. Dies kann ebenso die damalige Esskultur wie bestimmte Berufsbilder etc. betreffen.


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Saulnier, Verdun-Louis (1981): "Préface. Visages divers de la nouvelle", in: Sozzi, Lionello / Saulnier, Verdun-Louis (Hg.): La nouvelle française à la Renaissance. Genf / Paris: Editions Slatkine, V–XII.>

Siméon, Jean-Pierre (1981): "Classes sociales et antagonismes sociaux dans Les nouvelles récréations et joyeux devis de Bonaventure des Périers", in: Lionello Sozzi, Lionello / Saulnier, Verdun-Louis (Hg.): La nouvelle française à la Renaissance. Genf / Paris: Editions Slatkine, 319–352.>

Sozzi, Lionello (1965): Les contes de Bonaventure des Périers. Contribution à l'étude de la nouvelle française de la Renaissance. Torino: G. Giappichelli Editore.

Troyes, Nicolas de (1970): Le grand parangon des nouvelles nouvelles, hg. von Krystyna Kasprzyk. Paris: Librairie Nizet.>

Wehle, Winfried (1981): Novellenerzählen. Französische Renaissancenovellistik als Diskurs. München: Wilhelm Fink Verlag.

Wetzel, Hermann H. (1977): Die romanische Novelle bis Cervantes. Stuttgart: Metzler.

Wetzel, Hermann H. (1981): "Éléments socio-historiques d'un genre littéraire : l'histoire de la nouvelle jusqu'à Cervantes", in: Sozzi, Lionello / Saulnier, Verdun-Louis (Hg.): La nouvelle française à la Renaissance. Genf / Paris: Editions Slatkine, 41–78.




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Anmerkungen

1 Zum wirkungspoetologischen Aspekt der 'recreatio' vgl. Wehle (1981: 193ff).

2 Vgl Des Périers (1980: 14). In der ersten (poetologischen) Novelle ("en forme de preambule"), die eine Préface zu ersetzen scheint, erklärt der Autor "que je ne fais pas peu de chose pour vous [scil. les lecteurs; B.N.], en vous donnant dequoy vous resjouir : qui est la meilleure chióse que puysse faire l'homme. Le plus gentil enseignement pour la vie, c'est Bene vivere et laeteri." Hervorhebung vom Autor; vgl. Hassell (1981: 298ff.) und Leeker (2003: 149). Schon Boccaccio verspricht den Lesern des decameron in seinem Proemio ein "alleggiamento" Boccaccio (1985: 8).

3 Vgl. Krüger (2002: 97): "Demnach können wir den politisch, administrativ oder in Handelsgeschäften eingespannten Menschen als den Adressaten der Novelle identifizieren."

4 Vgl. hierzu auch Wetzel (1977: 23ff.)

5 Die Rezeption Boccaccios setzt in Frankreich vergleichsweise früh ein: Zum ersten Mal ins Französische übertragen wurde Il decameron im Jahre 1414, allerdings nicht das italienische Original, sondern eine lateinische Übersetzung. Das Original ist im Jahre 1545 ins Französische übertragen worden, und zwar auf Veranlassung von Marguerite de Navarre (vgl. Blüher 1985: 30).

6 Wehle (1981: 61) hat Il Novellino als die "als erste angesehene und noch sehr archaische Novellensammlung" bezeichnet.

7 Vgl. beispielsweise die Novellen XCVIII (Qui conta d'uno mercatante che comperò berrette) und IX (Qui si ditermina una nova quistione e sentenzia che fu data in Alessandria). Vgl. Il Novellino (1988: 210 und 42f).

8 Dies ist beispielsweise in der fünften Novelle der Sammlung der Fall. Cent nouvelles nouvelles (2005: 76ff.).

9 Vgl. auch Krömer (1973: 122ff.)

10 Etwa vierzig Novellen der Sammlung handeln von Bürgern (vgl. Sozzi 1965: 286ff.).

11 Vgl. hierzu Delumeau (1993: 251ff.).

12 Vgl. Kasprzyk (1970: XXV): Die Protagonisten "appartiennent aux cercles proches de l'auteur: marchands, gens de métier, paysans, prêtres et moines, soldats et huissiers pillards, larrons et escrocs, sans oublier les femmes des mêmes milieux".

13 Zum Beispiel die Novellen 1, 2, 4, 5, 11, 18, 20, 23 und 30. Daneben tragen sich Novellenhandlungen u.a. auch in Neapel und Salerno zu.

14 Das Attribut 'unerhört' weist insofern eine Mehrdeutigkeit auf, als es sowohl neu als auch außerordentlich, normbrechend, wunderbar meinen kann (vgl. Aust 2006: 10). Zur notwendigerweise in der Novelle in Szene gesetzten "unerhörten Begebenheit" (Gespräch mit Eckermann vom 29. Januar 1827). Abdruck in Goethe (1960: 726). Die Definition der Novelle als sich ereignete unerhörte Begebenheit findet sich vor allem in der deutschen Novellentheorie des 19. Jahrhunderts wieder.

15 Zur nouvelle merveilleuse vgl. auch Wetzel (1981: 71ff.).




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16 Authentizität, Neuheit und Kürze sind die drei wesentlichen Merkmale der Novelle.

17 Vgl. Saulnier (1981: VII): "tout ensemble miroir des realia, reflet incomplet mais irremplaçable, des choses qui se passent en son temps, et des choses qui se pensent."

18 So der Untertitel der Studie; Pérouse hat es sich in seiner umfangreichen Untersuchung zur Aufgabe gemacht "de relever tous les realia, d'analyser toutes les peintures de la société et du monde quotidien – quel soit le milieu – dans tous les « contes » du XVIe siècle". (Pérouse 1977: 2; Hervorh. im Orig).

19 Vgl. hierzu Brossmann (2006).

20 Vgl. beispielsweise Giordano Brunos Cabala del Cavallo Pegaso con l'aggiunta dell'Asino Cillenico (1558) oder La Mothe Le Vayers Dialogue sur les rares et éminentes qualités des ânes de ce temps (1630).

21 Vor allem auf diese Satire geht Apuleius' Der Goldene Esel (ca. 170 n. Chr.) zurück.