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Dermot McElholm (Berlin)



Christoph Bürgel (2004): Verallgemeinerungen in Sprache und Texten. Generalisierung, Globalisierung, Konzeptualisierung im Französischen. Bern u.a.: Lang. (= Interdisziplinäre Studien zu den romanischen Sprachen und Literaturen, 1)



Das Thema "Verallgemeinerung" bzw. die damit verbundenen – und in der Forschungsliteratur am häufigsten untersuchten – Formen der Verallgemeinerung wie Generizität bzw. generische Referenz (Referenz auf Arten) hat nicht nur die Sprachwissenschaft, sondern auch die Psychologie, die Forschung zur künstlichen Intelligenz und vor allem die Philosophie schon seit längerer Zeit in verschiedenen Zusammenhängen beschäftigt. Auch in der modernen sprachwissenschaftlichen Forschung ist das Phänomen der Verallgemeinerung und insbesondere der generischen Referenz untersucht worden (Lawler 1973, Dahl 1975, Carlson 1980), in der Zwischenzeit hat es sogar eine Fülle von Publikationen mit zum Teil recht unterschiedlichen Erklärungsansätzen gegeben (siehe z.B. Greenberg 2003).

Die Arbeit orientiert sich im wesentlichen an der von Ekkehard Eggs vertretenen Forschungsrichtung, dessen Arbeiten zu den verschiedenen Formen der Verallgemeinerungen (Eggs 1998), aber auch zu Anapher (Eggs 1994), zu Konnektoren (Eggs 1998, 2001), und insbesondere zu Ethos und Pathos (z.B. Eggs 2000, 2007) die Grundlage dieser Arbeit bilden. Doch der Verfasser setzt hier neue Akzente, er vertieft nicht nur die vorhandenen Erkenntnisse, sondern geht innovativ vor. Die Arbeit behandelt Formen und Verfahren der Verallgemeinerung in Sprache und Texten des Französischen an drei textlinguistischen bzw. argumentationstheoretischen Problemfeldern (13):

  1. Verallgemeinerungen bei anaphorischen Textverknüpfungen
  2. Verallgemeinerungen bei Konnektoren, insbesondere in Argumentations- und Folgerungszusammenhängen
  3. Verallgemeinerungen bei der Konstruktion und Rekonstruktion von Emotionen und Sozialtypen (Dispositionen) in narrativen Texten




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Eingeleitet wird die Arbeit mit einer systematischen Analyse der sprachlich-kognitiven Formen von Verallgemeinerungen, wobei in Anlehnung an Vigner (1991) drei grundsätzlich verschiedene Verfahren unterschieden werden, nämlich Generalisierung, Globalisierung und Konzeptualisierung, auf die ich hier detailliert eingehen will, da dieses Kapitel die Grundlage für die weiteren Untersuchungen bildet. Bei Generalisierungen wird an das Begriffspaar Hyponym/Hyperonym angeknüpft, wobei der Verfasser die Termini 'Art/Gattung' aus der rhetorisch-logischen Tradition übernimmt, da sie weitergefasst sind: Man kann nämlich damit auf nicht in der Sprache verankerten, auf enzyklopädischem Wissen beruhenden Begriffsbeziehungen ('baccalauréat, licence, maîtrise → diplôme') sowie auf zusammengesetzte Arten wie "Alle-die-in-Deutschland-wohnen" referieren. Globalisierungen wurden früher unter u.a. als Teil-Ganzes-Beziehungen (Lyons 1977: 311–317, z.B. 'Arm: Körper') behandelt, aber auch in der künstlichen Intelligenz (Minsky 1977 und Schank & Abelson 1977) wurden Termini wie schema, frame und script für Modelle über Gegenstände (Küche, Badezimmer ... → Haus) und Handlungsabläufe (Tisch suchen, bestellen, essen → Restaurantbesuch) eingeführt. Der Verfasser trifft weitergehende Unterscheidungen von Globalisierungen in Aggregate (Konstrukte aus 'zusammenwirkenenden kopräsenten Teilen', z.B. Auto), Konfigurationen (Anordnungen im Raum: Dorf) und Ensembles (Gruppe von Komponenten: Fußballmannschaft), die allesamt eine "Sachreferenz" auf konkrete Gegenstände haben. Eine neue Form der Verallgemeinerung wird auch vom Verfasser eingeführt, nämlich die Sachverhaltsverallgemeinerung.

Die Forschung hat sich bisher hauptsächlich mit Verallgemeinerungen von Begriffen beschäftigt und dabei das Problem nicht explizit behandelt, dass Sachverhalte wie z.B. 'Restaurantbesuch' oder 'Reise' auch nach dem Teil-Ganzes-Schema erfasst werden können, da sie auch Globalisierungen sind, die aus einer Sequenz von Teilhandlungen bestehen (36):

(1) Restaurantbesuch → Tisch suchen, bestellen, essen, bezahlen

Eine andere, noch nicht von der Forschung systematisch behandelte Art der Verallgemeinerung ist die Konzeptualisierung, die von der Globalisierung zu trennen ist (37):

(2) x ist glücklich (Konzeptualisierung) → x lacht, x hat glänzende Augen (singuläre Sachverhalte)

Der Verfasser definiert die Konzeptualisierung wie folgt: "singuläre Sachverhalte [werden] zu einem Gegenstand, der mit einem generischen Begriff bezeichnet wird, zusammengefasst" (38). Der Unterschied zu den Sachverhaltsglobalisierungen besteht laut Verfasser darin, dass Konzeptualisierungen "neben ihrer Sachverhaltsreferenz eine Zeichen- bzw. Indizfunktion" (39) haben.




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Der Verfasser unterscheidet verschiedene Arten der Konzeptualisierung, besonders wichtig sind die Verhaltenskonzeptualisierungen, die in einem späteren Kapitel eine Schlüsselrolle bei der Erklärung von Emotionen und Dispositionen in Erzählungen spielen. Bei diesen Verhaltenskonzeptualisierungen wird eine Reihe von gestischen, mimischen und sprachlichen Verhaltensweisen – schreien, zittern usw. – auf den Begriff gebracht, z.B. Angst.

Zum Schluss dieses Kapitels – nach Behandlung von Verallgemeinerungen auf Wortebene (Begriffe und Sachverhalte) – werden Verallgemeinerungen auf Satzebene behandelt. Diese Formen sind schon von der Forschung untersucht worden, wobei sie laut Verfasser häufig auf Sätze mit generischer Nominalphrase (in der etwas über Arten oder Gattungen ausgesagt wird) reduziert werden:

(3) Die Katze hat ein weiches Fell.

Der Verfasser unterscheidet (mit Eggs 1994) einige verschiedene Formen, einschließlich Typisierungen (3), Meinungen (4), Bewertungen (5) und Wahrscheinlichkeiten (6):

(4) Wenn man krank ist, kann man nicht arbeiten.

(5) Liebe macht glücklich.

(6) Seinen Vater schlagen ist weniger wahrscheinlich als seinen Nachbar schlagen.

Bei Typisierungen wird etwas über eine Art (oder ein Individuum) ausgesagt, wobei der Verfasser sich auf Typisierungen von Arten beschränkt. Bei Meinungen dagegen stehen zwei Sachverhalte in einem Zusammenhang, ebenso bei Wahrscheinlichkeiten, wo es um die relative Häufigkeit von Sachverhalten geht. Manche von diesen Formen der Verallgemeinerung, wie z.B. Bewertungen, wurden schon in der logisch-rhetorischen Tradition (teilweise implizit) behandelt, wie der Verfasser an verschiedenen Stellen betont. Dadurch, dass der Verfasser nicht einem engen formalen semantischen Ansatz verpflichtet ist, sondern den breiten, in der logisch-rhetorischen Tradition tief verwurzelten Ansatz von Eggs (1994) weiterentwickelt, kann er ein Instrumentarium zur Analyse der Formen und Verfahren der Verallgemeinerung entwickeln, die er in späteren Kapiteln exemplarisch an zentralen Fragen der Textlinguistik und der Argumentationstheorie einsetzt.

Diese Analyse der Formen der Verallgemeinerung dient als Grundlage für die Untersuchungen der Formen der Anaphern im zweiten Kapitel. Das Thema Anapher steht schon seit längerer Zeit im Mittelpunkt des Interesses in der Forschung (siehe z.B. Kleiber 1994, Apothéloz 1995).




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Auffallend ist hier die Vorgehensweise des Verfassers; er betrachtet Anapher nicht nur als reines Textphänomen, sondern als "geistig-kognitive Prozesse" (53). Der Verfasser unterscheidet drei Formen der verallgemeinernden Anapher: generalisierende, globalisierende und konzeptualisierende Anapher. Doch auch weitere Unterscheidungen werden hier getroffen: Zum einen wird auf der Grundlage des ersten Kapitels ein Unterschied zwischen Gegenstandsanaphern (der "traditionelle Anaphernbegriff", 86) und Sachverhaltsanaphern eingeführt:

(7) La voiture noire piaffe devant l'auberge. Renaud tripote le moteur, les chiens aboient ... (79)

(8) Notre famille vit une séparation. Comment cette situation touchera-t-elle nos enfants? (88)

In (7) haben wir eine Globalisierungsanapher mit einem konkreten Gegenstand (Auto), dessen Teile (hier der Motor) thematisiert werden können. Der Verfasser zeigt an vielen Beispielen, dass mit Gegenständen sowohl Generalisierungs- als auch Globalisierungsanaphern gebildet werden können. Bei (8) dagegen wird ein Sachverhalt konzeptualisiert. Mit Sachverhalten können sowohl globalisierende als auch konzeptualisierende Anaphern gebildet werden. Mit der Einführung der Sachverhaltsanapher im Gegensatz zur Gegenstandsanapher hat der Verfasser ein sehr nützliches Instrument zur Beschreibung einer ganzen Reihe von durchaus gängigen Textphänomenen, die zwar bisher zum Teil in der Forschung gesehen worden sind, aber unzureichend erklärt wurden. Zum anderen wird zwischen wörtlichen und tropischen Anaphern unterschieden:

(9) Karin hat mich enttäuscht. Ich will diese Kuh nie wieder sehen. (70)

Der Verfasser zeigt, dass die Interpretation des anaphorischen Ausdrucks diese Kuh als tropische Anapher (metaphorisch in diesem Fall) von der Bestimmung des Textthemas sowie von der Artikelwahl (bestimmter Artikel vs. Demonstrativartikel) abhängt. Das heißt konkret, dass wir bei (9) erst entscheiden können, ob diese Anapher tropisch zu verstehen ist oder nicht, wenn wir wissen, ob das Thema eine Person oder eine Kuh ist. Dies hängt auch eng zusammen mit der Wahl des Demonstrativartikels bzw. bestimmten Artikels:

(10) Marie n'a pas pleuré quand son chien mourut. Un jour *le/ce bloc de glace fondra. (72)

Hier muss bei tropischen Anaphern der Demonstrativartikel gebraucht werden.




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Weiterhin untersucht der Verfasser verschiedene Formen der tropischen Anapher auf der Grundlage der vier wichtigsten Tropen: Metapher, Metonymie, Antonomasie und Synekdoche. Um zu bestimmen, ob z.B. ein Ausdruck wörtlich oder tropisch verwendet wird, sind bestimmte inferentielle Prozesse erforderlich. Der Verfasser zeigt, dass sogar zwei verschiedene Arten von kognitiv-inferentiellen Prozessen zur Sinnkonstruktion von Anaphern notwendig sind. Einerseits laufen grammatisch-linguistische Inferenzen ab, die den anaphorischen Ausdruck und den Bezugsausdruck bestimmen und zwischen wörtlichen und tropischen Anaphern entscheiden (59f.). Andererseits – und parallel dazu – laufen semantisch-logische Inferenzen ab, die "die Bezüge zwischen Bezugsausdrücken und anaphorischen Ausdrücken und somit die Textkohärenz" (103) herstellen. In bezug auf die Inferenzen zur grammatisch-linguistischen Bestimmung eines Ausdrucks als anaphorisch (bei wörtlichen Anaphern) stellt der Verfasser vier Regeln (69) auf, die die "referentielle Desambiguierung einer Anapher des Typs Le/Ce N" erlauben und konsekutiv anzuwenden sind. Mit seiner systematischen Unterscheidung von verschiedenen Formen der Anapher sowie die dabei zu unterstellenden Inferenzen hat der Verfasser einen wesentlichen Beitrag zu unserem Verständnis dieser Phänomene geleistet.

Konnektoren bilden ein zentrales Problem der Satzsyntax und der Textlinguistik, da sie eine Scharnierfunktion zwischen Satz und Text haben. Trotz der vielen Untersuchungen auf diesem Gebiet gibt es immer noch keine überzeugende systematische Klassifikation, weder für das Französische noch für andere Sprachen. Außerdem gibt es eine Reihe von offenen Fragen, was die Verwendungsweisen bestimmter Konnektoren wie z.B. donc oder enfin im Französischen angeht, wobei oft übersehen wird, dass sie neben ihrer konnektiven oft auch eine verallgemeinernde Funktion haben. Genau diese Funktion der Verallgemeinerung bildet das Thema des dritten Kapitels. Folgende Konnektoren werden behandelt: enfin, bref, en somme, décidément, finalement, en fin de compte, donc, de toute façon. Auch hier werden die im ersten Kapitel beschriebenen Verfahren der Generalisierung, Globalisierung und Konzeptualisierung zur Erklärung der unterschiedlichen verallgemeinernden Funktionen dieser Konnektoren eingesetzt. Der Verfasser zeigt außerdem, welche Arten von Inferenzen mit diesen Konnektoren realisiert werden und an welcher Stelle sie innerhalb einer Argumentation stehen können: So leiten die meisten der von ihm behandelten Konnektoren (Ausnahme: de toute façon) die Konklusion ein.

Die wesentlichen Ergebnisse aller Analysen der verschiedenen Konnektoren – ihre Verwendungsweisen sowie ihre Bindung an Formen der Verallgemeinerung – werden in zwei sehr hilfreichen Schaubildern am Ende des Kapitels (158 und 159) zusammengefasst.




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Hier sieht man auch, dass die untersuchten Konnektoren spezifische argumentative bzw. inferentielle Funktionen haben, manche sind sogar an spezifische Formen der Verallgemeinerung gebunden. Auch hier kann der Verfasser überzeugend nachweisen, wie die verschiedenen Verfahren der Verallgemeinerung – im Verbund mit Konnektoren – für argumentative Zwecke eingesetzt werden.

Das letzte Kapitel geht auf das schwierige Feld der Emotionen und Dispositionen (auch Habitus oder Ethos) in narrativen Texten ein. Dort wird zum einen gezeigt, dass das Begreifen und Benennen der Emotionen und Dispositionen spezifische Formen der Verallgemeinerung darstellen, zum anderen aber wird auch hier wiederum klar, dass und welche Inferenzen vom Leser vollzogen werden müssen, um bestimmten Formen des Verhaltens Emotionen und Dispositionen zuschreiben zu können. Dieses Kapitel stellt sicher einen wesentlichen Beitrag für die linguistische Emotionsforschung dar, da der Verfasser nicht nur nachweisen kann, dass Emotionen und Dispositionen eine kognitive Dimension haben, sondern auch, dass ihrem Entstehen und 'Dekodieren' komplexe inferentielle Prozesse zu Grunde liegen. Die Relevanz und Fruchtbarkeit dieses Ansatzes wird in verschiedenen detaillierten Textanalysen von literarischen Texten aus dem 19. Jahrhundert sichtbar. Im Anschluss an Eggs (2000) entwirft er unter Rückgriff auf die aristotelische Rhetorik und Ethik eine Topik der Emotionen und eine Semiologie der Emotionen. Beide Wissenssysteme – also ein kognitiv-topisches Wissen über die intersubjektiven und sozialen Bedingungen des Entstehens bestimmter Emotionen und ein empirisch-semiotisches Wissen über die mit der Manifestation einer Emotion verknüpften Indizien und Signa – bilden ein "komplexes Wissenssystem" (172), das uns erlaubt, das Verstehen von Emotionen gleichsam komplementär abzusichern: So können ja bestimmte Indizien (Weglaufen, Erröten, Schreien, Exklamationen usw.) in der Regel mit verschiedenen Emotionen korreliert werden, so dass erst eine Kenntnis der emotionsauslösenden Situation eine plausible Folgerung auf den tatsächlich vorliegenden Gemütszustand ermöglicht.

Der Verfasser zeigt anschließend anhand von mehreren Textsequenzen, wie die Rekonstruktion von Emotionen in narrativen Texten durch eine Reihe von deduktiven (Situationstyp → Emotion) und abduktiven Inferenzen (Verhalten – körperliche und sprachliche Indizien → Emotion) ermöglicht wird. Gleichzeitig wird auch demonstriert, wie sich die narrative Konstruktion von Emotionen gestaltet, nämlich nach einem "topisch-semiologischen Prinzip" (182) als "Sequentialisierung von (i) Emotionsschürzung und (ii) Emotionsabwicklung" und (iii) (gegebenenfalls) Konzeptualisierung der Emotion (194). In der ersten Phase der Emotionsschürzung wird die Situation aufgebaut und die Emotion vorbereitet. Dies folgt der Topik der Emotionen, d.h. ein Situationstyp, der normalerweise eine bestimmte Emotion auslöst, wird narrativ "ausgefüllt" (194).




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In der zweiten Phase der Emotionsabwicklung, die der Semiologie der Emotionen folgt, wird "das beobachtbare Verhalten der Protagonisten" (183) – die körperlichen Ausdrücke, die als Indizien fungieren – beschrieben. In manchen Fällen wird die Emotionsabwicklung als Emotionsbegriff konzeptualisiert, z.B. "une angoisse" (182f.). Der Verfasser zeigt schließlich am Beispiel verschiedener Textauszüge, dass diese Sequenz für den französischen realistischen Roman des 19. Jahrhunderts typisch ist und sogar zu einem "literarisch-ästhetischen Leitmotiv" (195) dieses Romantyps geworden ist.

Im letzten Kapitel geht es um Dispositionen, d.h. um das Ethos bzw. den Habitus von Protagonisten in narrativen Texten. Dispositionen sind z.B. mutig, aber auch gerecht oder großzügig; wie Emotionen sind sie – textlinguistisch gesehen – Konzeptualisierungen (von Handlungen und Verhaltensweisen einer Person). Laut Verfasser werden die Unterschiede zwischen Emotionen und Dispositionen in der Forschung häufig verdeckt (199). Er zeigt, dass Sätze wie

(11) Peter ist wütend.

(12) Peter ist feige.

trotz der äußerlichen Ähnlichkeit völlig verschieden sind. Beispiel (11) bezeichnet eine Emotion, (12) dagegen eine Disposition. Emotionen sind beobachtbar, sie sind real existent, während Dispositionen "generischer Natur" (199) sind, sie stellen Modelle über das Verhalten einer Person dar und sind deshalb negierbar (im Gegensatz zu (11)):

(13) Peter ist feige, aber dieses Mal hat er sich nicht feige verhalten. (199)

Ähnlich wie bei Emotionen gibt es Topoi über Dispositionen der Form <Wenn man sich so und so verhält, dann gilt man als Typ Tx> (209); die Gesamtheit dieser Topoi bildet die Sozialtopik einer bestimmten Kultur. Die Analyse von Textsequenzen zeigt einerseits, wie dieser Sozialtopik gefolgt wird sowie andererseits, dass der Leser sequentielle Inferenzen – abduktive (da auf Indizien basierende) Inferenzen bestehend aus mehreren Sequenzen von Inferenzen – zur Rekonstruktion des Ethos bestimmter Protagonisten vollzieht.

Die Stärke dieses Werkes besteht zum einen in der Breite des Ansatzes: Anstatt sich in den Einzelheiten eines formalen semantischen Ansatzes zu verlieren, entwickelt der Verfasser einen mehrdimensionalen Ansatz, der semantische, syntaktische, textlinguistische und vor allem argumentationstheoretische Aspekte zu integrieren weiß, wobei er wichtige Erkenntnisse der traditionellen Rhetorik, Logik und Dialektik aufgreift. Zum anderen hat er ein sprachlich-logisches Instrumentarium für die Beschreibung von Verallgemeinerungen entwickelt, das sich problemlos auf anderen Feldern einsetzen lässt. In diesem Sinne stellt die Arbeit sicher eine wichtige Pionierarbeit auf diesem Gebiet dar.




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Bibliographie

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