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Barbara Storck (Bochum)



Raumverlust. Zur narrativen Vermittlung von gelebtem und gesellschaftlichem Raum in Mme de Staëls Briefroman Delphine (1802)



Loss of Space. On the Narrative of 'espace vécu' and 'espace social' in Mme de Staël's Epistolary Novel Delphine (1802)
Like in many French novels published about 1800, the representation of space in Mme de Staël's epistolary novel Delphine is used to focus on the relation between subject and space rather than to emphasize the subject's objective, measurable position in a room. As space is considered as an individual or as a social construction where subjective experiences are made possible, less importance is accorded to the description of physical aspects of space. The novel's protagonist Delphine, a young aristocratic but liberal widow, falls in love with Léonce who is faithful to the reactionary opinions of the Ancien Régime. In her letters, she points out that the conflict between the opposing political beliefs has consequences not only for the relationship of the two lovers, but especially for her own being-in-space. Referring to sociological as well as to philosophical theories of space this article analyzes the protagonist's position in the society of pre-revolutionary France in order to explain the causes of her 'loss of space.'



Im Vorwort zu ihrem 1802 erschienenen Briefroman Delphine erklärt Mme de Staël, die Briefe enthielten keinerlei Bezüge zu den politischen Ereignissen der Revolutionsjahre 1790 bis 1792, in denen sich die Handlung des Romans abspielt.1 Diese Äußerung, die die Autorin an anderer Stelle verändert wiederholt hat,2 ist nicht dahingehend misszuverstehen, dass der Roman frei von Anspielungen auf und Stellungnahmen zu Politik und Gesellschaftsordnung des ausgehenden Ancien Régime sei. Vielmehr sind Kommentare dieser Art zum einen als absichtlich getroffene Vorsichtsmaßnahme zur Vermeidung der Zensur durch Napoleon zu lesen (vgl. Waggaman 2000), zum anderen hat Mme de Staël so betonen wollen, dass es ihr in erster Linie nicht um ein Gesellschaftsporträt, sondern um die Zeichnung individueller Schicksale zu tun gewesen ist. Tatsächlich steht die Liebesgeschichte zwischen den Adligen Delphine und Léonce im Vordergrund des Romans. Doch da sich mit den beiden Liebenden nicht nur zwei höchst unterschiedliche Charaktere, sondern auch die Vertreter zweier Strömungen innerhalb der Aristokratie begegnen, wird die Problematik einer Gesellschaftsordnung im Umbruch – statt nur den Hintergrund zu bilden, vor dem sich die Handlung abspielt – zu einem handlungskonstituierenden Element.3 Gesellschaftliche und politische Themen werden dabei allerdings weniger mittels der Erwähnung konkreter Ereignisse thematisiert als vielmehr mittels der von M. de Lebensei, einer der männlichen Nebenfiguren, vorgebrachten politischen und philosophischen Ansichten, die in den Briefen der anderen Korrespondenten aufgegriffen und diskutiert werden. Der von den 'Lumières' geprägte liberale Denker verhandelt in seinen Briefen so unterschiedliche Fragestellungen wie die Emigration von Adligen, die Ehescheidung oder den Widerruf von klösterlichen Gelübden.




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Vor allem aber manifestiert sich das Konfliktpotential, das durch das Aufeinandertreffen zweier gegensätzlicher Haltungen gegenüber der aristokratischen Salongesellschaft entsteht, auf der Figurenebene in der Begegnung von Delphine und Léonce, dem zentralen Protagonistenpaar. Die früh verwaiste Delphine wurde von ihrem verstorbenen Ehemann, einem philosophisch-aufgeklärten Denker, dazu erzogen, ihr Handeln nicht an gesellschaftlichen Konventionen, sondern am eigenständig gefällten Urteil auszurichten. Dank dieser Erziehung vertritt sie liberale Anschauungen, ohne jedoch eine Sympathisantin der Revolution zu sein.4 Nach dem Tod ihres Mannes ist sie zwar in der Lage, sich konsequent an den Leitlinien ihrer 'raison' zu orientieren, doch auf die von Intrigen und Heucheleien bestimmte Pariser Salongesellschaft, in der eine selbständig denkende Frau mit Argwohn betrachtet wird, ist sie nicht vorbereitet. Léonce hingegen hat einen Habitus adligen Selbstverständnisses vollständig inkorporiert. Für den jungen Mann spanischer Herkunft sind (Familien-)Ehre und Stolz die höchsten zu bewahrenden Werte und das Duell ein probates Mittel, um Ehrverletzungen zu rächen. Er richtet sein Handeln an der öffentlichen Meinung des reaktionären Adels aus, die er unreflektiert übernimmt. Dass Delphine sich einerseits nicht bedingungslos der Gesellschaftsordnung anpassen, andererseits aber Léonces Vorstellungen entsprechen will, bringt sie in einen nicht zu bewältigenden Konflikt, an dem sie letztlich scheitert. Dem sozialen Raum, dem die Protagonisten angehören und durch den beide in unterschiedlicher Form konditioniert sind, kommt demnach eine wichtige Bedeutung zu, wobei – wie im Folgenden gezeigt werden soll – der Raum nicht bloß im metaphorischen Sinn Eingang in den Roman findet. Um die Relevanz räumlicher Strukturen zu verdeutlichen, sei kurz an einige Etappen des erzählten Geschehens erinnert.

Zu Beginn der Handlung des multiperspektivischen Briefromans, der 220 Briefe unterschiedlicher Korrespondenten umfasst,5 steht die Hochzeit von Delphines Cousine Matilde mit Léonce bevor, an der vor allem Matildes Mutter Mme de Vernon interessiert ist, da eine Eheschließung Matilde zu erheblichen finanziellen und gesellschaftlichen Vorteilen verhelfen würde. Noch vor der Hochzeit lernen sich Delphine und Léonce kennen und verlieben sich ineinander. Delphine, die als Witwe und Waise allein lebt und keiner männlichen Autorität untersteht, genießt zu diesem Zeitpunkt eine relativ große Eigenständigkeit. Sie kann selbst entscheiden, an welchen gesellschaftlichen Ereignissen sie teilnimmt und an welche Orte sie sich begibt. Aufgrund ihres wachsenden Bedürfnisses, Léonce zu gefallen und gemäß seinen Maximen zu handeln, gibt sie ihre privilegierte Selbständigkeit jedoch allmählich auf, um ihr Leben mehr und mehr an den Maßstäben des Geliebten auszurichten. Mme de Vernon, die verhindern will, dass Delphine und Léonce sich näher kommen, nutzt Delphines Zwiespalt geschickt und bringt sie durch eine Reihe von kunstvoll gesponnenen Intrigen, die Delphine aufgrund ihrer Gutherzigkeit und Aufrichtigkeit nicht bemerkt, gesellschaftlich in Verruf. Da Léonce wiederum leicht beeinflussbar und derart auf gesellschaftliche Konventionen fixiert ist, dass er es nicht wagt, sich öffentlich zu Delphine zu bekennen, willigt er in eine Heirat mit Matilde, der ohnehin familiär gewünschten Gattin, ein. Als nun Mme de Vernon ein Jahr nach der Hochzeit und kurz vor ihrem Tod gesteht, damals aus Eigennutz intrigiert zu haben, lehnt Léonce trotz seiner andauernden Liebe zu Delphine eine Scheidung von seiner Frau mit dem Argument ab, eine solche Trennung lasse sich nicht mit seiner gesellschaftlichen Stellung vereinbaren. Mit dem somit initiierten Beginn ihres außerehelichen Liebesverhältnisses intensiviert sich allerdings Delphines auch räumlich wirksame Abhängigkeit von Léonce. Um Delphine ungestört sehen zu können, verlangt Léonce nämlich von ihr, sich auf ihren Landsitz zurückzuziehen, ohne dabei zu beachten, dass Delphines gesellschaftlicher Ruf durch kursierende Gerüchte immer stärker ruiniert wird. Auch das Ablegen der klösterlichen Gelübde durch Delphines Freundin Thérèse, die sich aufgrund von Schuldgefühlen für ein Leben im Kloster entschieden hat – ihre Liebesbeziehung zu einem anderen Mann hatte ihren Ehemann das Leben gekostet – erkennen Delphine und Léonce nicht als Vorgriff auf Delphines unausweichliches Schicksal. Erst nachdem Delphine durch immer neue Verleumdungen gesellschaftlich nahezu ruiniert ist und sie Léonces Frau Matilde ihr Liebesverhältnis gestanden hat, sieht sie keine Alternative mehr zu einem Rückzug in ein Kloster in der Schweiz. Kurz nachdem Delphine die Gelübde abgelegt hat, stirbt Matilde. Obwohl Delphine bereit ist, einen nun, im Jahr 1792, legalen Widerruf ihrer Gelübde vorzunehmen, scheut Léonce davor zurück, eine frühere Nonne zur Frau zu nehmen. Er trennt sich von Delphine und will sich zur Emigrantenarmee melden. Noch bevor er diese erreicht, wird er gefangen genommen und als Verräter erschossen. Delphine nimmt sich daraufhin durch Gift das Leben.6




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Sozialer und subjektiv erlebter Raum

Wie sich bereits an diesem kurzen Überblick über die Romanhandlung gezeigt hat, ist Delphines Weg von einem selbst bestimmten Leben, das von einer großen Bewegungsfreiheit im Raum geprägt ist, bis zur völligen Isolation im Kloster nach dem Ablegen der ewigen Gelübde in zweifacher Hinsicht an Léonce und die Liebe zu ihm gebunden. Zum einen wird ihr Raumverhalten indirekt von Léonce bestimmt, weil sie ihr gesellschaftskritisches Handeln – das sich auch in einem Unterlaufen räumlicher Ordnungen artikuliert – nach und nach ablegt, um seinen Vorstellungen zu entsprechen. Zum anderen nimmt Léonce direkten Einfluss auf den sie umgebenden Raum, indem er ihr vorschreibt, welche Örtlichkeiten sie aufzusuchen bzw. zu meiden hat, und damit ihr Raumerleben bestimmen will. Räumliche Konstellationen sind für die Protagonistin also einerseits im gesellschaftlichen Leben relevant, andererseits im individuellen Erleben.

Am Delphine-Roman bestätigt sich damit – so die leitende Hypothese der vorliegenden Ausführungen – eine Beobachtung, die sich in ähnlicher Form auch an anderen in der Zeit um 1800 entstandenen fiktionalen Texten machen lässt.7 Vergröbernd lässt sich bezüglich des Subjekt-Raum-Verhältnisses in Erzähltexten dieser Zeit sagen, dass nicht primär die objektiv messbare Positionierung des Subjekts im Raum relevant ist, sondern eine räumliche Verortung stets mit dem Ziel vorgenommen wird, der Definition und Stabilisierung des Subjekts zu dienen. Dieses Bestreben schlägt sich unmittelbar in der sprachlichen Artikulation von Raumkonstellationen nieder, da räumliche Koordinaten im Text meist nicht benannt werden, um einen geometrisch erfassbaren Raum aufzubauen, in den das Subjekt quasi losgelöst von seinem individuellen Erleben hineingestellt ist, sondern sie erhalten ihre Bedeutung erst vor dem Hintergrund, zur Konstitution von Subjektivität beizutragen.

Diese spezifische Modellierung des Raums in fiktionalen Texten der Zeit um 1800 ist, auch wenn sie grundsätzlich nach eigenen, literarischen Gesetzmäßigkeiten funktioniert, im Zusammenhang mit der konzeptionellen Bestimmung des Raumbegriffs im physikalischen und philosophischen Diskurs zu betrachten.8 In physikalischen Arbeiten zum Raum dominierte seit dem 17. Jahrhundert nahezu bis zur Entwicklung der Relativitätstheorie die von Newton geprägte Vorstellung vom Raum als Behälter, der unabhängig von den in ihm befindlichen Objekten existiere. Der Raum wird als den Objekten übergeordnete Realität definiert und ist daher auch als leerer Raum denkbar. Endgültig wurde die bereits von Leibniz angedachte Ablösung vom 'Behälter-Raum-Konzept' erst mit der Entwicklung der Relativitätstheorie durch Albert Einstein vollzogen. Der Raum wird nun nicht mehr als ein absoluter, sondern als relationaler gedacht, der erst durch die Anordnung von Objekten konstituiert wird. Da der Raum in dieser Auffassung nicht mehr losgelöst von den Objekten zu beschreiben ist, kann es keinen leeren, den Objekten vorgängigen Raum geben.




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Die stärkere Subjektgebundenheit, die mit der Abkehr von der Vorstellung eines euklidischen, objektiv vermess- und beschreibbaren Raums einhergeht, wird im Anschluss an die mathematisch-physikalische Neudefinition unter anderem von der Soziologie und der Philosophie aufgenommen und in je unterschiedlicher Form weitergeführt. Gemeinsam ist den zeitgenössischen Ansätzen bei divergierenden Zielsetzungen, dass nicht mehr primär danach gefragt wird, in welcher Form der Raum objektiv gegeben ist, sondern danach, welche Wechselwirkungen sich zwischen dem Raum und den in ihm befindlichen Menschen und Objekten ergeben. Die Soziologie begreift den Raum als eine soziale Konstruktion: Raum, d.h. sozialer Raum, ist dort, wo Menschen und soziale Güter zueinander in Relation gebracht werden. Phänomenologische Arbeiten zum Raum betonen hingegen das subjektive Raumerleben. Aus phänomenologischer Perspektive wird der Raum als ein durch die Wahrnehmung eines Leibsubjekts konstituierter begriffen, der kein allgemeingültiger, objektiver Raum sein kann, sondern ein vom individuellen Erleben bestimmter.

Obwohl die beiden genannten Konzepte Mme de Staël selbstverständlich noch nicht zur Verfügung standen, sollen sie für die Untersuchung der bereits erwähnten Dimensionen des Raums, die in Delphine von Belang sind, herangezogen werden, da sie es erlauben, Delphines narrative Vermittlung räumlicher Konstellationen im Hinblick auf ihre Positionierung in der Gesellschaft sowie bezüglich ihres Raumerlebens zu beschreiben. Zur Erklärung der gesellschaftlichen Dimension des Raums soll folglich auf soziologische Raumkonzepte zurückgegriffen werden,9 während die Dimension des subjektgebundenen Raumerlebens von phänomenologischen Überlegungen zum Raum aus beleuchtet werden soll.10 Vier Briefe des Romans, die sämtlich von Delphine an ihre Schwägerin und Vertraute, Louise d'Albémar, adressiert sind, sollen hier exemplarisch betrachtet werden, um aufzuzeigen, dass Delphines Berichte über räumliche Gegebenheiten von einem starken Bewusstsein für die beiden genannten Aspekte des Raums zeugen. Das in diesen Briefen erzählte Geschehen bildet die Scharnierstellen nicht nur für den weiteren Handlungsverlauf, sondern im Besonderen auch für Delphines Verhältnis zum Raum. In den Briefen I/30 und IV/29, in denen Delphine zwei Situationen beschreibt, die sich an strukturell ähnlichen Orten zutragen, nämlich in den Gemächern der Königin in den Tuilerien und im Salon von Mme de Sainte-Albe, stellt sie den Raum als einen sozialen Raum dar. Wenn sie in den Briefen I/37 und III/48 hingegen von einer Hochzeit und einer klösterlichen Profess erzählt, die sich am gleichen Ort abspielen, betont sie den Aspekt ihres Raumerlebens.


Reproduktion und Subversion des sozialen Raums

Da räumliche Strukturen eine Form von gesellschaftlichen Strukturen sind (vgl. Löw 2001: 173–179), kann das Handeln eines sozialen Akteurs, durch das gesellschaftliche Strukturen reproduziert oder negiert werden können, der räumlichen Struktur konform sein oder sie unterlaufen. Delphines Haltung gegenüber der sozialen Ordnung schlägt sich daher auch in ihrem Raumverhalten nieder: gemäß ihrer gesellschaftskritischen Einstellung nutzt sie sozial kodierte Räume wiederholt entgegen der ihnen eingeschriebenen Regeln. Anhand einer kurzen Begebenheit des Romanbeginns mag deutlich werden, auf welche Weise die Protagonistin die Ordnung ihres sozialen Raums unterläuft (Brief I/11). Im Haus von Matildes Mutter Mme de Vernon trifft Delphine zum ersten Mal auf Léonces Freund und Lehrer M. Barton, der allein in dem Salon steht, in dem Mme de Vernon eine kleine Gesellschaft gibt, weil sich niemand des bürgerlichen Mannes annehmen will. Delphine ist die Einzige, die ohne Zögern auf den Fremden zugeht, um ihn aus der für ihn unangenehmen Situation zu erlösen. Sie erklärt ihr Verhalten folgendermaßen:




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J'éprouvai de l'intérêt pour la situation de monsieur Barton, et j'allai vers lui sans hésiter; il me semble qu'on fait un bien réel à celui qu'on soulage des peines de ce genre, de quelque peu d'importance qu'elles soient en elles-mêmes. (D I: 101; I/11)

Nachdem sie die Bekanntschaft von Léonce gemacht hat, bergen Situationen dieser Art jedoch ein ungeheures Konfliktpotential. In einem an Louise adressierten Brief (I/30) schildert Delphine eine in diesem Zusammenhang bedeutende Begebenheit, die sich auf einem Empfang der Königin in den Tuilerien ereignet. Während sie in einem Vorraum gemeinsam mit Mme de Vernon, Léonce und einigen anderen Frauen und Männern darauf wartet, zur Königin vorgelassen zu werden, betritt die gesellschaftlich geächtete Mme de R. den Raum. Sofort bewegen sich alle Anwesenden in die Hälfte des Raums, in der sich Mme de R. nicht befindet. Jeder Versuch von Mme de R., sich der Gruppe zu nähern, wird von der Gruppe mit einer schrittweisen Entfernung beantwortet. Als die derart Gemiedene dann in Tränen ausbricht, geht Delphine quer durch den Saal auf Mme de R. zu und setzt sich neben sie. Da ihr die mitleidende "volonté de l'âme" mehr gilt als die Anerkennung der übrigen Anwesenden, entscheidet sie sich dafür, sich über die öffentliche Meinung hinwegzusetzen und Mme de R. aus der misslichen Lage zu befreien:

[...] je ne pouvais pas résister à ce malheur, la crainte de déplaire à Léonce, cette crainte toujours présente me retenait encore; mais un dernier regard jeté sur madame de R. m'attendrit tellement que par un mouvement complètement involontaire, je traversai la salle, et j'allai m'asseoir à côté d'elle: oui, me disais-je alors, puisqu'encore une fois les convenances de la société sont en opposition avec la véritable volonté de l'âme, qu'encore une fois elles soient sacrifiées. (D I: 177; I/30)

Zunächst zurückgehalten wird sie nicht von der Befürchtung, die Anwesenden könnten ihr Verhalten ablehnen und sie derart ausschließen wie Mme de R., sondern von der "crainte de déplaire à Léonce, cette crainte toujours présente", da ihr bewusst ist, dass Léonce nur eine Frau mit einer untadeligen gesellschaftlichen Reputation heiraten wird.11 In der Tat ist Léonce in höchstem Maße von der öffentlichen Meinung abhängig, ohne diese zwangsläufig zu teilen. Wichtiger als das Äußern seiner eigenen Einschätzung von Delphines Handlung ist es ihm, festzustellen, welchen Eindruck sie bei den anderen Anwesenden hinterlassen hat: "Il me sembla que ses yeux parcouraient l'assemblée avec inquiétude, pour juger de l'impression que je produisais, mais que la sienne était douce." (D I: 178) Die leichte Beeinflussbarkeit Léonces wird dann auch von zwei Anwesenden zu weiteren Intrigen genutzt, indem diese gegenüber Léonce behaupten, dass Delphine eine enge Freundschaft zu Mme de R. pflege – eine Behauptung, der Léonce unhinterfragt Glauben schenkt.




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Dass Delphine – im Gegensatz zu Léonce – in der Lage ist, die Problematik des Handelns im sozialen Raum ausführlich zu reflektieren, zeigt sich auch in der Auseinandersetzung, die die beiden im Anschluss an den Zwischenfall in den Tuilerien führen. Als Léonce ihr vorwirft, sich durch eine Freundschaft zu Mme de R. in Verruf zu bringen, macht sie ihm deutlich, dass nicht sie, sondern er anzuklagen sei, weil er den Gerüchten über ihre angeblich enge Freundschaft mit Mme de R. Glauben geschenkt habe, statt zu einem eigenen Urteil zu gelangen.12 Sie betont, dass niemand sich anmaßen dürfe, Mme de R. zu verurteilen, sondern dass es vielmehr darauf ankomme, sich ein differenzierteres Bild ihrer Lebensumstände zu machen. Das Handeln derjenigen, die Mme de R. gemieden und ausgeschlossen haben, entlarvt Delphine als in hohem Maße "ortsbestimmtes Verhalten" (vgl. Goffmann 2003):

Ces mêmes femmes qui l'ont outragée, pensez-vous que, si elles l'eussent rencontrée seule à la campagne, elles se fussent éloignées d'elle? Non, elles lui auraient parlé, leur indignation vertueuse, se trouvant sans témoins, ne se serait point réveillée. (D I: 180)

Anders als Léonce hat sie erfasst, dass das Handeln in institutionalisierten Räumlichkeiten an den gesellschaftlichen Regeln ausgerichtet ist, die an diese Räume gebunden sind, und dass die Regeln ihre Gültigkeit verlieren, sobald der besagte Raum verlassen wird.

Auch in der narrativen Vermittlung ihres brieflichen Berichts konzentriert sich Delphine ganz auf die soziale Dimension des Raums. Obwohl ihre Adressatin Louise d'Albémar keine Vorstellung von den räumlichen Gegebenheiten hat, über die im Brief berichtet wird,13 fällt auf, dass Delphine auf eine Beschreibung der konkreten Materialität des Raums verzichtet und stattdessen den Raum als einen Rahmen sozialer Beziehungen ausweist. Nicht auf eine umfassende Schilderung von Architektur und Einrichtung des Raums kommt es ihr also an, sondern auf das Benennen der Positionen, die die einzelnen Anwesenden im Raum einnehmen bzw. einnehmen möchten. Es geht ihr demnach um das, was in heutiger soziologischer Perspektive als "relationale (An)Ordnung von Lebewesen [...] an Orten" (Löw 2001: 271) bezeichnet wird. Die Szenerie ist situiert im "salon qui précède [la] chambre [de la reine]" (D I: 176), also in einem Raum, der nur von denen betreten werden kann, die über das dafür erforderliche soziale Kapital verfügen. Aus nicht näher präzisierten Gründen14 hat Mme de R. ihre gesellschaftliche Reputation und damit auch einen Teil des Kapitals verloren, das zum Betreten der Räumlichkeiten der Königin erforderlich ist. Durch die Anwesenheit der unerwünschten Mme de R. wird die Wertigkeit der Stelle im Raum, an der sie sich aufhält, gemindert, weshalb alle Anwesenden diese Region verlassen, um eine höherwertigere aufzusuchen, die sich "à l'autre extrémité de la chambre" (I, 177) befindet. Als Delphine auf Mme de R. zugeht, begibt sie sich folglich an eine Stelle von niedriger Wertigkeit und riskiert damit, ihre Stellung im sozialen Raum aufzugeben.




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Als Parallele zu dieser Szenerie kann eine Episode gelesen werden, die sich unmittelbar vor Delphines endgültiger Abreise aus Paris ereignet, also mehr als ein Jahr nach Léonces Hochzeit mit Matilde (Brief IV/29).15 Die Situation, die sich in einem aufgrund seines institutionalisierten Charakters den Tuilerien vergleichbaren Raum abspielt, nämlich im Salon von Mme de Sainte-Albe, läuft zwar fast identisch, aber quasi unter entgegen gesetzten Vorzeichen ab. Dieses Mal ist es Delphine, die aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen ist, und die einst gesellschaftlich geächtete Mme de R., die auf Delphine zutritt. Obwohl Delphines gesellschaftlicher Ruf aufgrund von immer neuen Verleumdungen und Verstrickungen nahezu ruiniert ist, will sie sich auf einer Feier im Salon von Mme de Sainte-Albe offensiv den Gerüchten stellen, die über sie im Umlauf sind, um ihnen durch ihre Präsenz in der Gesellschaft ein Ende zu bereiten. Nur auf Léonces expliziten Wunsch hin versucht sie, wieder in der Gesellschaft Fuß zu fassen, weil sie sich erhofft, so nach ihrem Abschied als gesellschaftlich vollständig Rehabilitierte in Léonces Erinnerung zu bleiben. Der erwartete herzliche Empfang bleibt beim Betreten des Festsaals jedoch aus: Weder die Gastgeberin noch einer der anderen Anwesenden kommt auf die Eintretende zu, niemand spricht mit ihr, sondern die Anwesenden täuschen vor, im Gespräch vertieft zu sein und ihr Eintreten nicht zu bemerken. Ausgerechnet von der einst selbst gesellschaftlich geächteten Mme de R., die als Einzige auf Delphine zugeht, erfährt sie die Gründe für den kühlen Empfang.16 Die einzig mögliche Reaktion sei nun, so erklärt ihr Mme de R., sich keinerlei Regung anmerken zu lassen: "Au nom du ciel, remettez-vous à votre place, restez-y une heure si vous le pouvez, et partez après naturellement." (D II: 103) Zwei von Mme de R. gewählte Begriffe ziehen hier die Aufmerksamkeit auf sich, weil sie den Raum als sozialen Raum ausweisen. Zunächst das Wort "place", das vom (Sitz-)Platz im physischen Raum auf den Platz im sozialen Raum schließen lässt. Mit Bourdieu ist davon auszugehen, dass sich der soziale Raum im physischen Raum realisiert, und daher der im physischen Raum eingenommene Platz als "Indikator" für die Stellung im sozialen Raum dient.17 Mme de R. fordert – in diesem Sinn – Delphine aus dem Grund auf, sich auf ihren Platz zu setzen und dort eine Stunde zu verweilen, weil sie weiß, dass Delphine nur dann ihre Zutrittserlaubnis zur Gesellschaft beibehalten wird, wenn sie den dort gültigen Regeln folgt. Die gesellschaftliche Stellung kann also hier nur bewahrt werden, wenn der Platz im physischen Raum behauptet wird. An der Wahl des Adverbs "naturellement" wird zudem deutlich, dass Mme de R. sich des äußersten Konstruktionscharakters gesellschaftlicher Konventionen nicht mehr bewusst ist. Die Verhaltensmuster der Salongesellschaft sind so dauerhaft in den physischen Raum eingeschrieben, dass sie ihr – als Ergebnis eines "Naturalisierungsprozesses" (Bourdieu 1991: 27) – natürlich erscheinen.

Dagegen ist Delphine aber weder in der Lage noch willens, sich zu verstellen, um den Schein zu wahren oder anderweitig eine Rolle im Gesellschafts-Spiel zu übernehmen. Da sie weder Ungezwungenheit vortäuschen noch in die Offensive treten kann,18 bleibt ihr als letzter Ausweg nur die Flucht, deren Schilderung hier vollständig zitiert werden soll:




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Je cherchai des regards la place que j'avais occupée en arrivant, elle était prise; je fis le tour de la chambre dans une espèce d'agitation, qui me faisait craindre à chaque instant de tomber sans connaissance: aucune femme ne se leva pour me donner la sienne. Je commençais à voir les objets doubles, tant mon agitation augmentait à chaque pas inutile que je faisais; je me sentais regardée de toute part, quoique je n'osasse lever les yeux sur personne; à mesure que j'avançais on se reculait devant moi; les hommes et les femmes se retiraient pour me laisser passer, et je me trouvai seule au milieu du cercle, non telle qu'une reine respectueusement entourée, mais comme un proscrit dont l'approche serait funeste. J'aperçus dans mon désespoir que la porte du salon était ouverte, et qu'il n'y avait personne près de cette porte; cette issue, qui s'offrait à moi, me parut un secours inespéré, et dans un égarement qui tenait à la folie, je sortis de la chambre, je descendis l'escalier, je traversai la cour, et je me trouvai au milieu de la place Louis XV, sur laquelle demeurait madame de Sainte-Albe; seule, à pied, par le vent et la pluie, dans la parure d'une fête, sans avoir un instant réfléchi au mouvement qui m'entraînait, je fuyais devant la malveillance et la haine, comme devant des pointes de fer qui me repoussaient toujours plus loin. (D II: 103f.)

Die bereits von Mme de R. verwendete 'Platz-Metapher' wird hier von Delphine zunächst weitergeführt: Wenn ihr Stuhl von jemand anderem besetzt wird, ist damit auch gesagt, dass sie ihre Stellung im sozialen Raum verloren hat. Eine ebenso metaphorische Bedeutung hat der Kreis, den die anderen Anwesenden bilden und Delphine so regelrecht umzingeln. Die Personenkonstellation im physischen Raum ist Abbild des sozialen Raums, in dem Delphine keine Dazugehörige, sondern eine Ausgestoßene ist.

Bemerkenswert ist nun, dass im Weiteren die soziale Dimension des Raums zunehmend zugunsten derjenigen des Erlebens weicht. Dieser Wechsel wird auf der narrativen Ebene durch die Angabe von topographischen Details realisiert. Delphine nennt Tür, Treppe, Hof und Platz und verweist damit nicht mehr auf die Positionen Einzelner im Raum, sondern auf ihr eigenes Raumerleben. Die geöffnete Tür wird für sie relevant, weil sie ihr als unerhoffte Möglichkeit zur Rettung aus der Umzingelung erscheint. Ihre in rascher Abfolge durchgeführten Bewegungen, deren Atemlosigkeit durch die parataktische Konstruktion zum Ausdruck gebracht wird ("je sortis de la chambre, je descendis l'escalier, je traversai la cour, et je me trouvai [...]"), kommen einer Flucht aus dem sozialen Raum gleich. Als sie sich allein auf der place Louis-XV wieder findet, fungiert das Festgewand, in das sie gekleidet ist, als Indikator ihrer Zugehörigkeit zur aristokratischen Welt, aus der sie geflohen ist. Doch auch außerhalb des Festsaals, auf der Straße, kommt sich Delphine "deplaziert" vor, weil sie – um eine Formulierung Bourdieus zu verwenden – "einen Raum betritt, ohne alle Bedingungen zu erfüllen, die er stillschweigend von allen, die ihn okkupieren, voraussetzt" (Bourdieu 1991: 32), d.h., weil sie nicht über das notwendige Kapital verfügt, das für das Betreten dieses Außenraumes erforderlich ist. Somit befindet sich Delphine gleichsam zwischen zwei Räumen, ohne in einem von ihnen wirklich zu 'sein'. Die Situation, in der sich die Protagonistin nach ihrem gescheiterten Versuch der Reintegration in die aristokratische Gesellschaft befindet, ist gleichsam der Ausgangspunkt für ihr weiteres Schicksal. Im Weiteren wird es ihr nicht gelingen, sich Raum anzueignen – weder auf der gesellschaftlichen Ebene noch auf der des individuellen Erlebens.




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Qualitative Minderung des Raumerlebens

Das Verlassen des sozialen Raums zieht die Notwendigkeit einer anders gearteten Raumbeschreibung nach sich. Detaillierte topographische Angaben werden von Delphine im genannten und in weiteren Briefen immer dann eingeführt, wenn sie an das subjektive Erleben gebunden sind und dieses bestimmen. Dass aber ein Raum nicht immer die gleiche Wirkung auf ein Subjekt ausübt, sondern vielmehr eine Wechselwirkung zwischen Raum und Gemütsverfassung des Subjekts festzustellen ist, wird besonders deutlich in zwei weiteren von Delphine an Louise adressierten Briefen.

In dem ersten hier vorzustellenden Brief (I/37) berichtet Delphine über die Hochzeit von Léonce und Matilde, bei der sie dazu verurteilt ist, die Rolle der passiven Zuschauerin der kirchlichen Zeremonie zu übernehmen. Der Zustand der Passivität, in dem sich Delphine bereits vor der Hochzeit befindet, setzt sich während der Eheschließung fort. Um das Geschehen mitverfolgen zu können, selbst aber nicht gesehen zu werden, wählt sie einen Sitzplatz hinter einer Säule.19 Als der Priester das Eheversprechen abnehmen will, versucht Delphine noch, die Hand zu ihrem Geliebten auszustrecken, fällt aber in Ohnmacht, bevor das Ja-Wort gesprochen ist.20 Erst einige Stunden später wird sie von einem Kirchenwächter gefunden und nach Hause gebracht.

Delphines Erzählen weist den Kirchenraum, in dem die für ihr weiteres Schicksal entscheidende Hochzeit stattfindet, ausschließlich als "gelebten Raum"21 aus, und zwar als von ihr gelebten Raum. Statt objektive Daten wie die Ausmaße der Kirche, die Aufteilung des Raums oder die Positionierung der Personen im Raum anzugeben, erwähnt sie ausschließlich Details, die einen unmittelbaren Subjektbezug aufweisen. Die kühle Luft des Kirchenraums, die wenigen anwesenden Personen und die erklingende Musik werden aus dem Grund zu konstituierenden Bestandteilen des Raums, weil sie die Ursache für die Stimmungswechsel sind, denen Delphine während der Zeremonie ausgesetzt ist. Da sich beispielsweise die von der Musik ausgehende Wirkung im Verlauf der Hochzeit beständig verändert, wird ersichtlich, dass zwischen den Elementen, die den Raum ausmachen und der Gemütsverfassung des im Raum befindlichen Subjekts eine Wechselwirkung besteht. Obwohl die Musik die ganze Zeit über die gleiche ist, lässt die beim Eintritt des Bräutigams erklingende Musik Delphine zunächst in eine derartige Trauer verfallen, dass sie die Musik mit einem Totengesang assoziiert.22 Im Folgenden haben die Klänge dann eine beruhigende Wirkung, da durch sie das Trost spendende Vergießen von Tränen ermöglicht wird, und beim Verklingen der Musik wird Delphine wieder an ihren Schmerz erinnert. Damit beschreibt die Verfasserin den Raum als "gestimmten Raum",23 also als einen Raum, der sich dem Leib unmittelbar 'mitteilt' und ihn 'anspricht'. Der Leib wird in die Atmosphäre des Raums hineinversetzt, nimmt dessen Stimmung auf und wirkt selbst auf den Raum ein.24 Delphine beschreibt die Atmosphäre des Kirchenraums als derart wirkmächtig, dass sie nicht nur für die durchlebten Stimmungen verantwortlich zeichnet, sondern sich zusätzlich auf ihre Handlungsfähigkeit auswirkt. Denn was Delphine letztlich trotz ihres Versuchs davon abhält, die Hand zum Geliebten auszustrecken und die Eheschließung mit Matilde zu verhindern, ist die von ihr wahrgenommene Aura des Kirchenraums, die sie derart beunruhigt und ängstigt, dass sie jegliche Kraft zum Handeln verliert und in sich zusammensinkt:




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J'entendis la question solennelle qui devait décider de moi, un frissonnement glacé me saisit; je me penchai en avant, j'étendis la main; mais bientôt épouvantée par la sainteté du lieu, du silence universel, de l'éclat que ferait ma présence, je me retirai par un dernier effort, et j'allai tomber sans connaissance derrière la colonne. Je ne sais ce qui s'est passé depuis; je n'ai point entendu le oui fatal; le froid bienfaisant de la mort m'a sauvé cette angoisse. (D I: 204f.)

Der Gesamteindruck des Raums, den Delphine mit "la sainteté du lieu" umschreibt, flößt ihr einen solchen Respekt ein, dass die Realisierung ihrer Handlungsabsicht von der Wirkung des Raums verhindert wird.

Im zweiten hier vorzustellenden Brief (Brief III/48), in dem Delphine einen Raum explizit als 'gelebten Raum' ausstellt, berichtet sie von einer Szenerie, die sich in eben der Kirche abspielt, in der Léonce und Matilde geheiratet hatten.25 Der Brief zerfällt in zwei große Teile: im ersten wird geschildert, wie Delphines Freundin Thérèse, die sich aufgrund einer unglücklichen außerehelichen Liebesbeziehung zu einem Leben im Kloster entschieden hat, die Profess ablegt, im zweiten erzählt Delphine von einem Liebesschwur, den Léonce ihr abzuringen versucht, um sie fest an sich zu binden. Die Intention dieser Forderung ist eine dreifache, wobei alle drei Aspekte einen Besitzanspruch implizieren: erstens könne er sich nur mit einem Schwur ihrer Liebe sicher sein;26 zweitens soll mit Hilfe des Schwurs der Ehebund mit Matilde annulliert und durch einen wirklichen Liebesbund ersetzt werden;27 und drittens glaubt er, dass durch einen Schwur die ersehnte körperliche Liebe mit Delphine legitimiert werden könne. Hatte Léonce schon seit Beginn der Affäre immer wieder zu bestimmen versucht, welchen Ort seine Geliebte aufzusuchen und welchen zu meiden hat,28 erreicht sein Verfügungsanspruch über ihren Raum in der vorliegenden Situation seinen Höhepunkt.

Während der Kirchenraum, in dem sich die vorliegende Episode abspielt, der Protagonistin bei der Hochzeit als "gestimmter Raum" erschien, so wird er bei der Profess vollkommen unterschiedlich erlebt, nämlich, wiederum in phänomenologischer Terminologie ausgedrückt, als "Aktionsraum", freilich als Aktionsraum nicht der eigenen Person, sondern des männlichen 'Antagonisten' Léonce, über dessen Handeln im Brief ja berichtet wird. Anders als der 'gestimmte Raum' zeichnet sich der 'Aktionsraum' durch die in ihm ausgeführten Bewegungen und Handlungen aus und wird demgemäß von Ströker definiert als "das Worin möglicher Handlungen" (Ströker 1965: 55), wobei unter einer Handlung "eine Verwirklichung eines Entwurfs vermittels des Leibes und seiner Glieder" (ebd.)verstanden wird. Die Bewegungen im Aktionsraum sind "gerichtete", also zielgerichtete, intentionale Bewegungen, die durchgeführt werden, um von einer Stelle zu einer anderen und zu einem sich dort befindlichen Objekt zu gelangen (vgl. Ströker 1965: 54). Während der Profess sind nur Thérèse und Léonce in der Lage, in diesem Sinne 'gerichtete' Bewegungen auszuführen und sich gezielt von einem Ort zum anderen zu bewegen, sei es vom Chorraum zu den Sitzreihen oder von dort in den Klosterbereich, sei es zum Altar.




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Auch die von Delphine ausdrücklich vorgenommene Beschreibung des Raums weist ihn als Aktionsraum in diesem Sinn aus, weil sie ihn als einen gegliederten, strukturierten Raum darstellt, der in Plätze und Gegenden eingeteilt ist (vgl. ebd.: 58ff.). Genannt werden im ersten Teil des Briefs das Gitter zum Chorraum, eine Tür, die zum Kloster führt, der Vorhang, der den Chorraum vom Klosterbereich trennt, der Altar sowie die Kirchenbänke für das Volk. Im zweiten Teil wird sehr häufig der Altar erwähnt, außerdem die Grabplatten der in der Kirche befindlichen Gräber. Die genannten Elemente gliedern den Raum in verschiedene Zonen, die entweder bestimmten Personen vorbehalten oder für spezielle Handlungen vorgesehen sind.

Alle drei am Geschehen beteiligten Figuren – Thérèse, Delphine und Léonce – nutzen den Raum indes je anders und bewegen sich auf je spezifische Weise anders in ihm. Thérèse, die nicht aus religiöser Überzeugung in den Ordensstand tritt, sondern weil ihr nach ihrer Liebesaffäre kein anderer Ausweg bleibt, lässt die Zeremonie keineswegs passiv erleidend über sich ergehen.29 Schon mit der Wahl des Ortes, an dem sie die Profess stattfinden lässt, sowie mit ihrem Wunsch, außer Léonce und Delphine niemandem Zutritt zur Zeremonie zu gewähren, trifft sie eigenständige, aktive Entscheidungen, mit denen sie ein klares Ziel verfolgt. Nicht die Professzeremonie allein soll auf die Liebenden einwirken und als abschreckendes Beispiel wahrgenommen werden, sondern die intendierte Wirkung soll durch die Raumwirkung potenziert werden. Thérèse nutzt den Raum derart für ihre Zwecke, dass die Profess zu einer speziell auf das Paar zugeschnittenen Inszenierung wird.30 Im Gegensatz zu Thérèse verhält sich Delphine während der ganzen Episode völlig passiv und unbeweglich. Bereits auf dem Weg zur Kirche muss sie sich von Léonce führen lassen, weil ihr aufgrund einer inneren Unruhe jegliche Entscheidungsfähigkeit genommen ist: "J'étais dans un tel trouble que je cessai de vouloir, et je me laissai conduire sans réflexion ni résistance." (D I: 504) Ihre Passivität steigert sich bis zur völligen Apathie, als der Priester, der das Paar am Kircheneingang empfängt, Léonce für Delphines Ehemann hält und damit Delphines Gewissenskonflikt neu entfacht. Sie wird so kraftlos, dass sie sich von Léonce in die Kirche ziehen lassen muss. Nach der Lektüre des von Thérèse überreichten Briefs, in dem sie Léonce auffordert, einer Trennung von Delphine zuzustimmen, versucht Delphine dann zwar, Léonce von der Notwendigkeit einer Trennung zu überzeugen und sich dazu die Raumwirkung zu Nutze zu machen, kommt aber über ein bloßes Benennen der erhofften Wirkung nicht hinaus. Sie fordert ihn auf: "laissez-moi partir, que ce lieu soit témoin de ce noble effort!" (D I: 507) Doch ihre Aufforderung läuft ins Leere, weil Léonce den Raum sofort für einen anderen Zweck instrumentalisiert. Seine Antwort auf ihren Vorschlag, den Kirchenraum zum Zeugen für ihre Trennung zu machen, lautet: "Il sera témoin, s'écria-t-il, de ma mort; je me sens abattu, je n'ai plus l'espérance qui pourrait m'aider à triompher de votre dessein!" (Ebd.) Die einzige Möglichkeit, ihn vom Selbstmord abzuhalten, bestehe darin, einen Liebesschwur abzulegen, durch den sie sich fest an ihn binde. Mehrfach betont er dabei, dass der Schwur in genau der Kirche abgelegt werden müsse, in der der unselige Ehebund geschlossen worden sei: "Qu'il [le serment] soit donné dans ces lieux mêmes dont tu invoques sans cesse contre moi les cruels souvenirs! que l'horreur de ce séjour consacre ta promesse ou ton refus irrévocable." (D I: 508) Seine Forderungen bringt er zuerst sprachlich durch eine Häufung von Imperativen zum Ausdruck: "jure", "fais serment d'être à ton amant", "fais le serment que j'exige", "prononce" (D I: 509f.). Gleichzeitig versucht er räumlich zu agieren, indem er seine Geliebte auffordert, mit ihm vor den Altar zu treten. Dies geschieht zwar auch zunächst sprachlich ("suis mes pas", "donne-moi ta main", D I: 508f.), dann aber, als sie seine Forderung verweigert, durch Anwendung physischer Gewalt: "[...] il passa son bras autour de moi, et, m'entraînant avec lui, je me trouvai précisément en face de l'autel, où le sacrifice de mon sort avait été accompli." (D I: 508) Während Léonce sich also aktiv im Raum bewegt und Delphine dazu bringt, seiner eingeschlagenen Richtung zu folgen, kann Delphine ihre Vorstellungen nicht realisieren. Sie muss es dabei belassen, über Bewegungen und Ortswechsel zu sprechen, ohne sie auszuführen. "–Léonce, sortons d'ici. –Je ne partirai pas, que veux-tu de moi? –Sortons d'ici. –Non, s'écria-t-il en me retenant avec violence [...]." (D I: 509)




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Nur ein einziges Mal tritt Delphine aus ihrer Passivität heraus: Nachdem Léonce ihr eindringlich geschildert hat, zu welchem Genuss sie durch die körperliche Liebe gelangen könnten, die durch einen Liebesschwur legitimiert würde, und diese Schilderung mit neuen Gewalt- und Selbstmorddrohungen verbunden hat, erliegt Delphine fast der Versuchung. Dabei gelingt es ihr, den von Léonce für seine Ziele funktionalisierten 'Aktionsraum' der Kirche im Sinne ihrer eigenen Intention umzukodieren, denn dem Kirchenraum, d.h. dem Ort der Tugenden, ist die rettende Eingebung zu verdanken, als letzten Ausweg das Gebet zu Gott zu suchen. Eine Profanierung des Ehesakraments ist für Delphine ohnehin schwer denkbar, in einer Kirche aber unmöglich:

J'allais perdre tout sentiment de moi-même, j'allais promettre, dans le sanctuaire des vertus, d'oublier tous mes devoirs; je me jetai à genoux cependant, par une dernière inspiration secourable, et j'adressai à Dieu la prière qui, sans doute, a été entendue. (D I: 511)

Die Ohnmacht, in die Delphine nach dem Gebet fällt, wird von Léonce als "coup du ciel" gedeutet, als Zeichen Gottes also, dass der verlangte Schwur ein krimineller Akt wäre. Nun ist aber die Entscheidung gegen den Schwur keine eigenständige. Vielmehr ist die einzige aktive Bewegung, die Delphine ausführt, einer göttlichen Inspiration zu verdanken, die sich nur im Kirchenraum ereignen konnte. Anders als die anderen am Geschehen Beteiligten kann Delphine den Raum folglich zwar nicht für ihre Zwecke nutzen, aber er gibt ihr Sicherheit, weil er Werte symbolisiert, die sie als Richtschnur für ihr Handeln nehmen kann.31


Sukzessive räumliche Einengungen und die endgültige Isolation im Kloster

Die beim Verlassen des Festes von Mme de Sainte-Albe vollzogene Flucht aus dem sozialen Raum32 sowie die mit der Trennung von Léonce realisierte Flucht vor einer als unrechtmäßig empfundenen Beziehung münden für die Protagonistin in weitere Einengungen, Ausgrenzungen, Verfolgungen und schließlich in die Isolation. Nach ihrer Abreise aus Frankreich will Delphine ihr Leben zurückgezogen in der Schweiz verbringen, doch die Nachstellungen durch M. de Valorbe, einen Freund von Delphines verstorbenem Ehemann, der versucht, einen Anspruch auf eine Eheschließung mit ihr geltend zu machen, nötigen sie, sich als 'pensionnaire' in ein Kloster zurückzuziehen. Als sie Valorbe in einem Brief mitteilt, ihn niemals zu heiraten, fasst er aus Rachsucht den Plan, sie mit Gewalt zu sich zu holen (Brief V/25). Mit Hilfe einer List – er gibt vor, stark verschuldet zu sein – lockt er sie in sein Haus. Dort angekommen, will Delphine Valorbe die unterzeichnete Schuldengarantie aushändigen und den Raum sofort wieder verlassen, wird aber von Valorbe festgehalten. Als Delphine daraufhin versucht, sich zu befreien und fluchtartig das Zimmer zu verlassen, schließt er das Zimmer von innen ab und wirft den Schlüssel aus dem Fenster.33 Er führt ihr vor Augen, dass sie sich durch ihren Besuch bei ihm kompromittiert habe und ihr daher keine Alternative bleibe, als in eine Heirat einzuwilligen. Ihrem Bitten, noch vor Ende des Tages in ihr Kloster zurückkehren zu dürfen, gibt Valorbe fast nach, als Soldaten ins Zimmer eindringen und Delphine wegen Spionageverdachts festnehmen. Nach einer im Gefängnis verbrachten Nacht wird sie ins Kloster zurückgebracht. Die Oberin teilt ihr mit, dass sie das Noviziat beginnen müsse, um weiterhin im Kloster bleiben zu dürfen. So entscheidet sich Delphine gegen ihren eigentlichen Willen, die Profess abzulegen, da die Alternative – das Leben zurückgezogen zu beenden – zur Folge hätte, dass sie zwar frei, in den Augen des Geliebten Léonce aber, der den entstehenden Gerüchten Glauben schenken würde, nicht mehr 'rein' wäre.




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An dieser Episode sollen nun nicht die deutlichen Anleihen beim 'roman gothique' interessieren, sondern die augenfälligen Parallelen zur oben besprochenen Profess-Szene. Wie schon in der Kirche, so versucht auch hier ein Mann, Delphine an sich zu binden, und macht sich dazu die Abgeschlossenheit des Raums zunutze, aus der es kein Entkommen gibt. Die Überlegenheit Valorbes gegenüber seiner Gefangenen schlägt sich bereits zu Anfang in der räumlichen Positionierung der Figuren nieder: Nachdem Delphine sein Haus betreten hat, wartet sie am Fuß der Treppe auf ihn, während er in der oberen Etage steht. Sie ist ihm unterlegen und ausgeliefert, er hingegen kann sie von oben aus beobachten und hat sie so unter seiner Kontrolle. Zudem verschafft ihm die 'Schlüsselgewalt' einen zusätzlichen Vorteil, da so zunächst sichergestellt ist, dass sie das Zimmer nicht verlassen kann. Delphine ist zwar wesentlich aktiver als in der parallelen Situation – sie unternimmt den Versuch, das Zimmer zu verlassen, sie geht auf Valorbe zu und wirft sich ihm zu Füßen – aber ihre Bewegungen bleiben ergebnislos, weil sie durch Angst bestimmt sind.

Ein wesentlicher Unterschied gegenüber der Profess-Szene besteht in der Darstellung des Raums, der hier nahezu gar nicht mehr in seinen physischen Bestimmtheiten beschrieben wird.34 Lediglich erwähnt werden eine Tür, ein Fenster und ein Tisch. Als einziger Gegenstand wird wiederholt eine Wanduhr genannt. Dieses Detail wird nicht ohne Grund erwähnt, denn die Uhr erinnert an das stetige Verstreichen von Zeit, das zu einem bestimmenden Faktor für Delphines weiteres Schicksal wird. Je länger Delphine in der Gewalt Valorbes steht, desto schwieriger wird eine Rückkehr ins Kloster vor Tagesende. Schon zu einem frühen Zeitpunkt hatte Valorbe diese Tatsache als Druckmittel genutzt, um seine Gefangene zur Ehe zu zwingen:

[...] vous êtes ici seule chez un jeune homme; vous y passez tout le jour, on vous attend à votre couvent, et vous n'y retournerez pas; tout le monde saura que nous sommes restés enfermés ensemble, que c'est vous qui êtes venue me chercher; en voilà plus qu'il n'en faut pour vous perdre dans l'opinion, si vous ne m'épousez pas [...]. (D II: 219)




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Ein Ehrverlust aber wäre für Delphine gleichbedeutend mit dem Verlust jeglicher Möglichkeit, einen sicheren Aufenthaltsort aufsuchen zu können; das Bewahren der Ehre und das Verfügen über Raum sind unmittelbar aneinander gekoppelt. Daher wendet sie sich bittend an Valorbe: "[...] je ne suis pas encore déshonorée, je puis encore retrouver un asile, laissez-moi l'aller chercher; si je reste encore, il faudra que je couche cette nuit sur la pierre, et qu'au jour je n'ose plus lever les yeux sur personne [...]." (D II: 222) Letztlich gibt es aber für Delphine keine Möglichkeit der Befreiung mehr. Ihr Verlust von Bewegungsfreiheit und zur Verfügung stehendem Raum ist so weit fortgeschritten, dass eine Befreiung – wie Mme de Staël es durch den nahezu spektakulären Fortgang der Romanhandlung plakativ verdeutlicht – nur in ein neues Stadium der Einengung übergehen kann. So ist die Errettung aus der Gewalt Valorbes durch die Soldaten mit einer erneuten Festnahme und einer Gefängnishaft verbunden, und die Freilassung aus dem Gefängnis mündet am Ende in das Ablegen der Profess, die einer lebenslangen Freiheitsberaubung gleichkommt.

Nimmt man die doppelte Perspektive wieder auf, die für die vorliegenden Ausführungen leitend war – die soziologische sowie die phänomenologische – so lassen sich zwei ineinander greifende Ursachen für Delphines Isolation benennen. Dass es Delphine in immer geringerem Maße möglich ist, sich Raum anzueignen, ist aus soziologischer Perspektive darauf zurückzuführen, dass sie die Regeln nicht beachtet, die an den gesellschaftlichen Raum gebunden sind. Als Einzelperson steht es Delphine zwar frei, die kollektiven Zuschreibungen an den Raum nicht zu teilen, doch Veränderungen von hochgradig institutionalisierten Räumen können nur dann wirksam werden, wenn sie kollektiv vorgenommen werden.35 Statt produktiv auf den sozialen Raum einzuwirken, beraubt sich Delphine aber durch ihr zwar aufrichtiges und mutiges, aber gesellschaftlich 'inkompetentes' Verhalten des 'Kapitals', das zur Aneignung von Raum notwendig wäre. Das mangelnde Kapital ist der Grund dafür, dass der Protagonistin letztlich kein anderer Raum mehr bleibt als das Kloster: "Mit Kapitallosigkeit kulminiert die Erfahrung der Endlichkeit: an einen Ort gekettet zu sein." (Bourdieu 1991: 30)

Untrennbar mit der sozialen Dimension des Raums verbunden ist der des phänomenologisch beschreibbaren Raumerlebens, denn die Unmöglichkeit der Aneignung physischen Raums korreliert mit einer für die Protagonistin schmerzlichen Minderung des Raumerlebens. Die Figur Léonce fungiert dabei als strukturell die beiden Raumkonzepte verbindendes Glied, da er auf der einen Seite die soziale Klasse der konservativen Aristokratie in Reinform repräsentiert, auf der anderen direkt auf Delphines (Raum-)Erleben einwirkt. Wenn Delphine den Raum überhaupt als gelebten wahrnimmt und beschreibt, ist er immer nur "gestimmter Raum", der auf ihre Gemütsverfassung einwirkt und ihren ohnehin schon passiven Zustand weiter verstärkt. Nie aber erscheint ihr der Raum als "Aktionsraum", den sie gezielt einbeziehen könnte, um intentionale Handlungen auszuführen. Ein aktives Nutzen räumlicher Gegebenheiten ist immer nur den anderen Figuren möglich, die ihre Handlungsabsichten realisieren und damit zusätzlich auf Delphine einwirken.




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Anmerkungen

1 "[...] j'ai mis du soin à retrancher de ces lettres, autant que la suite de l'histoire le permettait, tout ce qui pouvait avoir rapport aux événements politiques de ce temps-là. Ce ménagement n'avait point pour but, on le verra, de cacher des opinions dont je me crois permis d'être fière; mais j'aurais souhaité qu'on pût s'occuper uniquement des personnes qui ont écrit ces lettres [...]." (Staël 2000: I, 58). Die Seitenangaben aus dem Roman Delphine werden im Folgenden unter der Sigle 'D' mit Band, Seite bzw. mit Romanteil/Briefnummer angeführt.

2 In einem Brief an Claude Hochet schreibt Mme de Staël über ihren in der Entstehung befindlichen Roman: "Il n'y aura pas un mot de politique, quoiqu'il se passe dans les dernières années de la Révolution." Zit. nach Didier (2000: I, 9).

3 Simone Balayé (1994b) hat die Bedeutung politischer und revolutionärer Ereignisse für den Handlungsverlauf des Romans herausgestellt.

4 Vgl. z.B. den Brief III/33, in dem Delphine gegenüber Léonce ihre liberalen Anschauungen verteidigt und gleichzeitig beklagt, dass einer Frau eine solche Position nicht zugestanden wird: "[...] mais si j'étais un homme, il me serait aussi impossible de ne pas aimer la liberté, de ne pas la servir, que de fermer mon coeur, à la générosité, à l'amitié, à tous les sentiments les plus vrais et les plus purs." (D I: 466f.).

5 Da Delphine mit 114 Briefen den Großteil der insgesamt 220 Briefe verfasst, kommt Béatrice Didier zu Recht zu dem Schluss: "[...] dans Delphine, roman apparemment polyphonique, la subjectivité de Delphine est dominante." (Didier 2000: I, 25).

6 In einer zweiten, 1820 posthum veröffentlichten Fassung des "dénouement" kommt Léonce auf dem Schlachtfeld um und Delphine stirbt an gebrochenem Herzen.




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7 Vgl. zu den folgenden Überlegungen zur räumlichen Subjektkonstitution Behrens (2007a), sowie in Bezug auf die räumliche Ausfaltung der Imagination in Mme de Staëls Roman Corinne Behrens (2007b).

8 Da der vorliegende Abriss von physikalischen Raumkonzepten nur äußerst skizzenhaft vorgenommen werden kann, sei auf die folgenden Arbeiten verwiesen: Schroer (2006), Kap. 2: "Raumkonzepte in Philosophie und Physik", 29–46, sowie Läpple (1991). Siehe außerdem den kürzlich erschienenen Sammelband von Dünne / Günzel (2006).

9 Die folgenden Studien dienen als Grundlage für die Ausführungen zum 'sozialen Raum': Bourdieu (1991) und Bourdieu (1985) sowie Löw (2001). Einen ausführlichen Überblick über die soziologische Betrachtung des Raums von Emile Durkheim bis Niklas Luhmann bietet Schroer (2006), Kap. 3: "Raumkonzepte in der Soziologie", 47–160.

10 Als Bezugspunkt für den 'gelebten Raum' dienen die Studien von Ströker (1965) und Bollnow (2004).

11 Vgl. z.B. D I: 176: "Si j'avais pu consulter Léonce, ne m'aurait-il pas désapprouvée? il ne voudrait pas au moins, j'en suis sûre, que sa femme se permît une conduite aussi faible; ah! pourquoi n'ai-je dès à présent la conduite qu'il exigerait de sa femme!" Immer wieder gerät Delphine in Konfliktsituationen, in denen sie entscheiden muss, ob sie ihren eigenen Handlungsmaximen folgen oder sich an Léonces Vorstellungen orientieren soll. Beispielhaft sei hier auf eine Situation verwiesen, die sich unmittelbar vor dem Empfang bei der Königin abspielt (Brief I/30). M. de Serbellane, der Geliebte von Delphines Freundin Thérèse, bittet sie, ihm und Thérèse ein heimliches Treffen in ihrem Haus zu ermöglichen. Sie sei die einzige Frau, von der er diesen Dienst verlangen könne, da sie weder eine "femme commune" sei, die eine solche Bitte abschlage, noch eine "femme légère", die sie zu leichtfertig erfülle. Delphine zieht hier zwar in Erwägung, welche Konsequenzen sich ergeben könnten, wenn Léonce durch entstehende Gerüchte von ihrem Handeln erfährt ("[...] la calomnie ou la médisance peuvent me perdre auprès de Léonce." D I: 175), entscheidet sich aber dennoch dafür, Serbellane den Freundschaftsdienst zu erweisen – eine Entscheidung, die im Anschluss exakt die gefürchteten Folgen nach sich zieht.

12 "–Que me reprochez-vous, Léonce, lui dis-je? [...] –Votre liaison intime avec madame de R. Madame d'Albémar devait-elle choisir une telle amie? –Je la voyais pour la troisième fois, répondis-je. Depuis que je suis à Paris, je n'ai jamais été chez elle, elle n'est jamais venue chez moi. –Quoi! s'écria Léonce, et madame du Marset a osé me dire ... –Vous l'avez écoutée, c'est vous qui êtes bien plus coupable." (D I: 180).

13 Louise lebt zurückgezogen im Languedoc und kennt weder das Pariser Gesellschaftsleben, noch die Räumlichkeiten, in denen es sich abspielt.

14 Delphine spricht von "torts réels" und einer "inconcevable légèreté" (D I: 177 und 180).

15 Die Parallele zwischen den beiden Situationen ist nur eine der etlichen Symmetrien, die im ganzen Roman zu beobachten sind. Vgl. z.B. Vallois (1987), die Delphines Schicksal in dem der zahlreichen anderen weiblichen Figuren gespiegelt sieht und davon spricht, diese Figuren hätten nahezu die Funktion eines antiken Chors, der der Protagonistin die Gefahren vor Augen führt, in die sie zu geraten droht.




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16 Mme de R. berichtet, dass Delphine erneut in Verdacht geraten ist, in eine Duell-Affäre verstrickt zu sein. M. de Valorbe, ein Freund von Delphines verstorbenem Ehemann, hatte Léonce zum Duell gefordert, als dieser Valorbe nachts vor Delphines Haus angetroffen und ihn aus diesem Grund beleidigt hatte – nicht ahnend, dass Delphine Valorbe zum Schutz vor politischen Verfolgungen Unterschlupf in ihrem Haus gewähren wollte. Die Ausführung des Duells wurde dadurch verhindert, dass Delphine Valorbe implizit versprach, ihn zu heiraten, wenn er sich nicht mit Léonce schlüge. Zum Zeitpunkt des Festes bei Mme de Saint-Albe ist die Affäre neu aufgelebt, weil bekannt geworden ist, dass Valorbe die Beleidigung nicht gerächt hat.

17 Zur Realisierung des sozialen Raums im physischen Raum siehe Bourdieu, der davon ausgeht, "[...] daß der von einem Akteur eingenommene Ort und sein Platz im angeeigneten physischen Raum hervorragende Indikatoren für seine Stellung im sozialen Raum abgeben." (Bourdieu 1991: 26).

18 Ein gewisser M. de Montalte wirft Delphine vor, seinen Cousin, M. de Valorbe, entehrt zu haben, um Léonce zu gefallen. Delphine erwidert ihm nichts, weil sie befürchtet, dass Léonce einen Eklat zum Anlass für ein Duell nehmen könnte. Trotz ihrer Vorsichtsmaße fasst Léonce genau diesen Entschluss: Er will sich mit M. de Montalte duellieren, um Delphine zu rächen.

19 Simone Balayé (1994a) hat herausgestellt, dass die zahlreichen Elemente, die auf eine Verstellung bzw. ein Verstecken oder eine Trennung hindeuten (Säulen, Schleier, Masken, Wände), auf eine Trennung der Liebenden verweisen. In dieser Symbolik zeige sich, dass es Delphine und Léonce nicht möglich ist, eine offene Kommunikation zu führen. Ihre Liebe könne sich – wenn überhaupt – nur im Verborgenen und durch Verrat entfalten.

20 Simone Balayé (1994a) deutet Delphines Ohnmachten als weiteres Hindernis für die Liebe zwischen Delphine und Léonce und spricht von einem "évanouissement séparateur". Die Problematik der weiblichen Ohnmacht kann hier nicht weiter verfolgt werden. Vgl. zum Topos der Ohnmacht in der Literatur des 18. Jahrhunderts Galle (1993) sowie Mülder-Bach (2000).

21 Zu dem von K. von Dürckheim geprägten Begriff des "gelebten Raums" vgl. Ströker (1965) und Bollnow (2004). Während Ströker die Formulierung "gelebter Raum" übernimmt, lehnt Bollnow ihn ab, weil das Verb 'leben' im Deutschen nicht transitiv verwendet werden kann, und spricht stattdessen von "erlebtem Raum". Vgl. Bollnow (2004: 18).

22 "Cette musique produisit sur mes sens un effet surnaturel; dans quelque lieu que j'entendisse l'air que l'on a joué, il serait pour moi comme un chant de mort." (D I: 203) In beiden Fassungen des "dénouements" erklingt diese Musik tatsächlich in Delphines letzten Lebensstunden. D II: 332f. bzw. 360f.

23 E. Ströker unterscheidet drei Aspekte des 'gelebten Raums': den 'gestimmten Raum' (1965: 22–53), den 'Aktionsraum' (ebd.: 54–92) und den 'Anschauungsraum' (ebd. 93–134). Es handelt sich nicht um drei unterschiedliche Räume, sondern der eine Raum 'wirkt', bzw. 'erscheint' anders, je nach der Art, in der sich der Leib im Raum befindet.

24 Die Wechselwirkung zwischen der Raumatmosphäre und der Stimmung des Subjekts im 'gestimmten Raum' betont auch Bollnow (2004: 230): "[...] die seelische Verfassung des Menschen bestimmt den Charakter des umgebenden Raums, und umgekehrt wirkt der Raum dann zurück auf seinen seelischen Zustand."

25 Der Brief befindet sich am Ende des dritten Teils, also genau in der Mitte des Romans.

26 "Qui pourrait compter, me répondit-il avec amertume, qui pourrait compter sur ton âme incertaine, combattue, toujours prête à m'échapper? Il n'est qu'un lien sur la terre, il n'en est qu'un qui puisse répondre de toi!" (D I: 508).




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27 "[...] jure sur cet autel, oui, sur cet autel même, dont il faut à jamais écarter le fantôme effrayant d'un hymen odieux; jure de ne plus connaître d'autre liens, d'autres devoirs que l'amour; [...]." (D I: 509).

28 Nachdem Léonce Delphine seine Liebe erklärt hat, fasst diese den Entschluss, Paris zu verlassen, weil sie eine außereheliche Beziehung als unrechtmäßig empfindet. Léonce aber wirft sich während der Fahrt vor ihre Kutsche, um ihre Abreise zu verhindern (Brief III/8) und schneidet ihr im Wortsinn den Weg ab, um sie daran zu hindern, ihren eigenen Weg zu gehen. Es kommt daraufhin zwar zu einer Vereinigung der Liebenden, doch mit Beginn der Liebesbeziehung setzt auch Léonces Dominieren von Delphines Raum ein. So verlangt er von ihr, sich, obwohl es Winter ist, auf ihren Landsitz zurückzuziehen, damit sie sich dort ungestört treffen können (Brief III/11).

29 Thérèse erweist sich hier als "Akteurin" im Sinn von Anthony Giddens, da sie den Raum nicht als bloßen Hintergrund betrachtet, vor dem sich die Handlung abspielt, sondern den Raum aktiv in den Handlungsverlauf integriert. Giddens stellt heraus, "dass die Akteure die räumliche Gebundenheit als einen Bestandteil ihrer Interaktionen mobilisieren; sie nutzen die räumlichen und physikalischen Aspekte ihres Aktionsfeldes routinemäßig dazu, um ihre Kommunikation aufrechtzuerhalten, was für eine Theorie der Semantik nicht ohne Belang ist". Giddens, zit. nach Schroer (2006: 113). Schroer fügt diesen Ausführungen hinzu: "Das kann man in der Tat so verstehen, dass etwa der Schauplatz des Geschehens als Index für das genommen werden kann, was geschieht und geschehen sollte. Insofern sind Hinweise in mündlichen wie schriftlichen Kommunikationen auf bestimmte Gebäude wie etwa ein Kloster, eine Schule, die Kirche oder eine Kneipe niemals nur gleichsam unschuldige Ortsangaben zur Lokalisierung eines Geschehens, sondern immer auch Begriffe, die bestimmte Konnotationen wie laut, leise, konzentriert, stickig usw. enthalten und außerdem komplette Verhaltensrepertoires transportieren." Ebd.

30 Von einer 'Inszenierung' zu sprechen, ist deshalb gerechtfertigt, weil die gesamte Szenerie nicht einer gewissen Theatralik entbehrt. Als Thérèse zu Beginn der Feier an die beiden Liebenden herantritt und ihnen einen Brief überreicht, in dem sie Léonce auffordert, einer Trennung von Delphine zuzustimmen, wirkt dieses Hinaustreten aus der Gruppe der Nonnen hin zu den 'Zuschauern' wie ein Verlassen einer Bühne hin zum Zuschauerraum. Selbst für die 'Bühnenmusik' ist gesorgt: um sich auf die Lektüre von Thérèses Brief vorzubereiten, sollen die Liebenden den Psalmengesang der Nonnen anhören.

31 Bollnow (2004: 234) betont am Beispiel des Kirchenraums, dass die Gestimmtheit des Raum ungeachtet der in ihm durchgeführten Handlungen auf das Subjekt einwirken kann: "Das Dämmrige eines Kirchenraums stimmt den Menschen feierlich, auch wenn im Augenblick gar kein Gottesdienst darin abgehalten wird. Es ist der Eigencharakter des Raums selbst, der sich darin auswirkt."

32 Vgl. den Abschnitt "Reproduktion und Subversion des sozialen Raums".

33 Damit nimmt sich Valorbe allerdings gleichzeitig selbst die Möglichkeit, den Raum zu verlassen. Wie Claire Garry-Boussel (1998: 493, 498) in ihrer Analyse des Raumverhaltens der männlichen Figuren in Mme de Staëls Romanen herausgestellt hat, verfügen die männlichen Figuren zwar über wesentlich mehr Möglichkeiten, sich selbstbestimmt im Raum zu verhalten, doch mündet ihre häufig kreisförmig angelegte Reiseroute oftmals in eine Sackgasse. Valorbe plant seine Verfolgung Delphines zwar detailliert, ist aber letztlich nicht erfolgreich und begeht schließlich Selbstmord.

34 Der Brief V/25 ist verfasst von Delphines Freundin Mme de Cerlebe, die erklärt, dass Delphine nach den schrecklichen Vorkommnissen nicht in der Lage sei, selbst zu schreiben. Vgl. D II: 215: "Madame d'Albémar, mademoiselle, n'est pas en état de vous écrire; elle me condamne à la douloureuse tâche de vous apprendre sa situation [...]." Dass Delphine, die bis dahin den Großteil der Briefe verfasst hatte, den Bericht über ihre Gefangenschaft einer Freundin überlässt, deutet auf die allmähliche 'Zersetzung' der Briefromanform hin, auf die in der Forschung bereits verschiedentlich hingewiesen worden ist. Delphine trägt mit dem sehr knappen Brief V/27, der eigentlich ein kurzes 'billet' ist, nur noch sehr eingeschränkt zur Briefkorrespondenz bei, die dann nach dem Brief V/32 völlig eingestellt wird und im sechsten Teil in einen Erzählerbericht übergeht. Zur Auflösung der Briefform vgl. den Abschnitt "La forme épistolaire et l'architecture de l'oeuvre" bei Didier (2000: 25–28).

35 Vgl. dazu Löw (2001: 272): "Die Reproduktion von Räumen erfolgt im Alltag repetitiv. Veränderungen einzelner Räume sind durch Einsicht in die Notwendigkeit, körperliches Begehren, Handlungsweisen anderer und Fremdheit möglich. Änderungen institutionalisierter Räume oder räumlicher Strukturen müssen kollektiv, mit Bezug auf die relevanten Regeln und Ressourcen erfolgen."