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Thomas Kotschi (Berlin)



Ein Adverb als Konnektor: apparemment



An Adverb as a Connective: apparemment
The french expression apparemment is traditionally viewed as a sentence adverb. In this article, its properties as a pragmatic marker are taken into special consideration. It turns out to be a discourse connective of considerable interest the syntactic, semantic and pragmatic characteristics of which have to be studied in some detail. Particular attention is given to the ambiguity of the structure X apparemment Y, to the nature of the implicature the speaker evokes when using this structure and to the type of evidentiality that is marked thereby. It is considered that the central function of apparemment can be adequately accounted for by means of having recourse to the notion of polyphony.



0 Prolog

Bei einem Vergleich des Nouveau Petit Robert von 1993 mit der 2. Auflage des ("alten") Petit Robert aus dem Jahre 1977 ist zu entdecken, daß der Eintrag unter dem Lemma apparemment mehrere auffällige Änderungen erfahren hat. Die Einträge lauten:

Le Petit Robert (1977):

APPAREMMENT [apaRamã]. adv. (XIIIe de apparent.) tVx. En apparence. V. Extérieurement. «Des raisins mûrs apparemment» (LA FONT.). t 2° Selon toute apparence. V. Doute (sans), vraisemblablement. - APPAREMMENT QUE. «Apparemment qu'il trouve moyen d'être en même temps à Paris et à la campagne» (MUSS.). à ANT. Effectivement.

Le Nouveau Petit Robert (1993):

APPAREMMENT [apaRamã] adv. - 1564; «réellement» v. 1175; de apparent 1. VX De façon apparente. Þ visiblement. «Des raisins mûrs apparemment» (LA FONT.). 2. Selon toute apparence. Þ vraisemblablement (cf. Sans doute*). Apparemment, il a renoncé. Apparemment, il est sain d'esprit, en apparence seulement. - VIEILLI APPAREMMENT QUE. «Apparemment qu'il trouve moyen d'être en même temps à Paris et à la campagne» (MUSS.). à CONTR. Effectivement.




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Gemeinsam haben die beiden Einträge die Unterscheidung zwischen zwei Bedeutungsvarianten, einer ersten, die (durch "Vx." bzw. "VX") als archaisch, d.h. im heutigen Sprachgebrauch nicht mehr anzutreffend markiert wird, und einer zweiten, die (was am Fehlen jeglicher Markierung ablesbar ist) dem modernen Französisch zugerechnet wird, wobei in dem der modernen Variante gewidmeten Teil des jeweiligen Eintrags auch der Ausdruck apparemment que behandelt wird. Sieht man von den typographischen und gewisse Arrangements der Mikrostruktur betreffenden Veränderungen ab (und läßt auch die Korrekturen außer acht, die die Datierung betreffen)1, so stellt man fest, daß die neue Ausgabe in dreierlei Hinsicht von der alten abweicht:

Erstens wird die für die archaische Variante gemachte Bedeutungsangabe, en apparence, durch die Angabe de façon apparente ersetzt; zugleich erscheint als synonymer Ausdruck nicht mehr extérieurement, sondern visiblement.

Zweitens werden zur modernen Variante dort, wo in der alten Ausgabe kein Beispiel zu finden ist, in der neuen nun zwei Beispiele genannt, wovon eines, nämlich das an zweiter Stelle genannte (Apparemment, il est sain d'esprit), nicht - wie das an erster Stelle stehende (Apparemment, il a renoncé) - die Bedeutung 'selon toute apparence' illustriert, sondern die in gewisser Weise gegensätzliche Bedeutung 'en apparence seulement'. (Etwas irritierend ist dabei die wenig eindeutige wechselseitige Zuordnung zwischen Beispielen und Bedeutungsangaben.)

Drittens erhält apparemment que die Registermarkierung vieilli: was 1977 noch nicht als veraltet klingend empfunden wurde, wird 1993 nun derart markiert.

Vor allem die zweite der genannten Veränderungen verdient Beachtung. Dafür, daß die Ambiguität (der modern-französischen Variante) von apparemment erst in der Ausgabe von 1993 berücksichtigt ist, sind verschiedene Erklärungen möglich. Eine erste würde im wesentlichen auf den Nachweis hinauslaufen, daß die Bearbeiter der Neuausgabe einem in jüngster Zeit erkennbar gewordenen Funktions- und Bedeutungswandel dieses Adverbs Rechnung getragen haben. Eine zweite Erklärung könnte davon ausgehen, daß die Ambiguität von apparemment Sprechern (und Lexikologen) Schwierigkeiten bereitet, und daß diese Schwierigkeiten zunächst zu einer nicht hinreichend adäquaten Beschreibung und erst neuerdings zur Korrektur derselben geführt haben.2 Es sei hier unterstellt, daß diese zweite Erklärung zutreffend ist und daß die veränderte Fassung des Eintrages von apparemment im Nouveau Petit Robert eine Situation widerspiegelt, die dadurch charakterisiert ist, daß das Interesse an den semantischen und pragmatischen Eigenschaften von "Funktionswörtern" (pragmatischen Indikatoren, Markern, mots du discours etc.) - zu denen apparemment (zumindest in einer seiner Varianten) ja gerechnet werden kann - neueren Datums ist und daß detailliertere Analysen und Beschreibungen erst in der jüngeren, besonders der diskursanalytisch orientierten Forschung zu finden sind.




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Es geht im folgenden Beitrag jedoch nicht darum, im einzelnen nach den Ursachen dafür zu fragen, warum der Eintrag für apparemment im Petit Robert 1977 noch nicht so aussah wie in der Neuauflage von 1994. Die Gegenüberstellung der beiden Wörterbucheinträge ist hier lediglich Anlaß zu der Feststellung, daß eine Detailuntersuchung zu apparemment noch aussteht und kann insofern als Ausgangs- und konkreter Bezugspunkt für den im folgenden zu unternehmenden Versuch dienen, eine etwas eingehendere Beschreibung der syntaktischen, semantischen und pragmatischen Eigenschaften dieses Adverbs zu liefern.

 

1 Einleitung

Das Adverb apparemment3 kennt zwei verschiedene Verwendungsweisen, die in den Wörterbüchern oft nur unzureichend (und im (Nouveau) Petit Robert gar nicht) voneinander geschieden werden.

Die erste dieser beiden Verwendungsweisen ist gegeben, wenn apparemment a) als Konstituente einer attributiv oder prädikativ gebrauchten Adjektivphrase oder b) zusammen mit einer als Attribut oder Zirkumstant fungierenden Präpositionalphrase vorkommt. So bezieht sich apparemment in (1) syntaktisch und semantisch auf das nachfolgende Adjektiv ininterrompue; entsprechendes gilt für die prädikativ verwendete Adjektivphrase apparemment heureuse in (2); (3) zeigt, daß apparemment dem Bezugs-Adjektiv (hier lourde) auch nachgestellt werden kann. In (4) bezieht sich apparemment auf die als Attribut fungierende Präpositionalphrase d'innocente liberté. Die Präpositionalphrasen in (5) und (6), apparemment par timidité und avec apparemment beaucoup d'intérêt, haben die Funktion von Zirkumstanten; sie unterscheiden sich dadurch, daß apparemment im ersten Fall die Präpositionalphrase einleitet, im zweiten in sie integriert ist (was im Französischen aufgrund der spezifischen Eigenschaften der Präposition avec möglich ist).

(1) [...] on survole des kilomètres de verdure apparemment ininterrompue.
[Ikor, zit. nach Robert Electronique]
(2) La stratégie qu'on lui opposait n'avait pas changée; inefficace hier et, aujourd'hui, apparemment heureuse.
[Camus, zit. nach Robert Electronique]
(3) [...] à l'exception du plus petit qui fermait la marche, vêtu d'un long imperméable jaune et porteur d'une petite valise en fibroïde à coins niquelés, très lourde apparemment.
[Perret, zit. nach Robert Electronique]
(4) C'était que ces heures apparemment d'innocente liberté se déroulaient dans l'artificialité ouatée d'un appartement de Passy et selon un protocole de semi-clandestinité [...].
[Leiris, zit. nach Robert Electronique]
(5) Reytiers, apparemment par timidité, fit pipi pendant la messe, que je servais, sur un prie-Dieu de sapin.
[Stendhal, zit. nach Robert Electronique]
(6) Ils examinèrent, avec apparemment beaucoup d'intérêt, les sinuosités, les ambiguïtés qu'on avait pu déceler dans la diplomatie nordafricaine [...].
[Hansén 1982: 103]




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Bezogen auf die Verwendungsweise, die durch Beispiele wie (1) bis (6) illustriert wird, soll hier davon gesprochen werden, daß apparemment in Operator-Funktion vorkommt. Wie die eingangs zitierten Einträge zeigen, wird diese Verwendungsweise weder vom Petit Robert noch vom Nouveau Petit Robert berücksichtigt, zumindest dann nicht, wenn man sich auf die Angaben zur modern-französischen Variante bezieht. (Das Beispiel zur archaischen Variante ist in dieser Hinsicht nicht eindeutig.)

Die zweite Verwendungsweise liegt vor, wenn apparemment eine Strukturposition erhält, die bewirkt, daß ein Satz in seiner Gesamtheit die Bezugskonstituente diese Adverbs bildet. Auf diese Verwendungsweise beziehen sich Bezeichnungen wie "Satzadverb", "adverbe exophrastique", "adverbe en position de complément de phrase" etc. In dieser Verwendungsweise hat apparemment die syntaktische Funktion eines Modalen Satzadverbials (vgl. Kotschi 1991). Die Standardposition von apparemment in dieser Verwendungsweise ist - wie es auch an den beiden Beispielen des Nouveau Petit Robert abzulesen ist - diejenige am Satzanfang (vgl. ferner z.B. (7)), es sind jedoch auch Positionen innerhalb des Satzes sowie am Satzende möglich, wie Beispiele des Typs (8) und (9) zeigen:

(7) Apparemment, il est venu sans rien dire à personne.
[Guimier 1996: 103]
(8) Il n'ont apparemment aucune raison de ne pas faire comme les autres.
[Hansén 1982: 97]
(9) L'objet du livre d'Alan Freer est mince, apparemment.
[Hansén 1982: 99]

Apparemment in dieser zweiten Verwendungsweise besitzt, wie zu zeigen sein wird, Konnektor-Funktion: es verknüpft eine Diskurskonstituente Y mit einer Diskurskonstituente X, wobei Y durch den durch apparemment eingeleiteten, ihm vorangehenden oder es enthaltenden Bezugssatz repräsentiert wird und X eine Konstituente bildet, die entweder explizit in dem der Konstituente Y vorangehenden (oder auch ihr folgenden) Diskurs enthalten ist oder aus Diskurszusammenhang bzw. Kontext erschlossen werden kann.

In diesem Beitrag soll so gut wie ausschließlich die zweite, die "exophrastische" Verwendungsweise von apparemment und dessen Konnektor-Funktion behandelt werden. Auf die Verwendungsweise von apparemment in Operator-Funktion wird hingegen lediglich zum Zweck der verdeutlichenden Gegenüberstellung Bezug genommen werden.




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2 Syntaktische Eigenschaften

2.1 Adverbes assertifs identificatifs und adverbes assertifs restrictifs

In den einschlägigen Untersuchungen wird apparemment (in der Verwendungsweise, die hier als diejenige mit Konnektor-Funktion bezeichnet wurde) zu den adverbes assertifs gerechnet (vgl. Roulet 1979; Nøjgaard 1993; Guimier 1996). Dasselbe gilt für ein Adverb wie probablement. Innerhalb der Gruppe der adverbes assertifs sind diese beiden Adverbien jedoch zu verschiedenen Untergruppen zu rechnen. So werden unterschieden:

I. apparemment, assurément, décidément, évidemment, fatalement, forcément, immanquablement, incontestablement, indéniablement, indiscutablement, indubitablement, inéluctablement, manifestement, visiblement
II. bien sûr, certainement, éventuellement, peut-être, possiblement, probablement, sans doute, sûrement, vraisemblablement

Bei Nøjgaard (1993: 203ff.) und bei Guimier (1996: 114) werden die Ausdrücke der Gruppe I (zu denen auch apparemment gehört) als adverbes assertifs identificatifs und die Ausdrücke der Gruppe II (zu denen auch probablement gezählt wird) als adverbes assertifs restrictifs bezeichnet.

Die Unterscheidung zwischen den beiden Gruppen I und II läßt sich auf der Basis verschiedener syntaktischer Eigenschaften treffen. So erscheinen die Adverbien der Gruppe I im Standardfall in segmentierter Satzanfangsposition, diejenigen der Gruppe II hingegen - sofern unmarkierte Verwendung vorliegt - in postverbaler, intonatorisch "angebundener" Position, vgl. z.B. (10) und (11):

(10) Apparemment, il est venu sans rien dire à personne.
[vgl. Beisp. (7)]
(11) J'aurai probablement besoin de vous.

Dieser Unterschied ist auch an der Reihenfolge ablesbar, in der beide Adverbien miteinander vorkommen können:

(12) Apparemment, elle était probablement malade.4
[Roulet 1979: 65]

Ein zweites Merkmal betrifft die Möglichkeit, die Elemente dieser beiden Gruppen zusammen mit vorangehendem non zu verwenden. Adverbien wie apparemment können in diesem Kontext verwendet werden, Adverbien wie probablement dagegen nicht:

(13) - Pierre viendra-t-il?
- *Non, probablement./*Non, certainement./*Non, sûrement.
- Non, manifestement./Non, visiblement./Non, apparemment.

Zudem läßt sich feststellen, daß nur die Adverbien der Gruppe II, nicht hingegen diejenigen der Gruppe I die "inversion composée" zulassen (vgl. Nøjgaard 1993: 221):

(14) (Peut-être + *Manifestement) cet étudiant passera-t-il son examen.




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Ferner findet sich der Hinweis, lediglich die adverbes assertifs restrictifs, nicht hingegen die adverbes assertifs identificatifs könnten im Antezedens einer konzessiven Satzsequenz stehen (vgl. Nøjgaard 1993: 229):

(15) Il l'a (certes + sans doute + sûrement + peut-être) écrit, (pourtant + mais) ensuite il a publié un démenti.
(16) *Il l'a (manifestement + évidemment) écrit, (pourtant + mais) ensuite il a publié un démenti.

Schließlich kann man (wiederum mit Nøjgaard 1993: 222) auf den Unterschied verweisen, der hinsichtlich der Möglichkeit besteht, ein Adverb der einen oder der anderen Gruppe mit einem von ihm abhängenden Komplementsatz zu verwenden. Man vergleiche dazu das unterschiedliche Verhalten beispielsweise von peut-être einerseits und manifestement andererseits:

(17) (Peut-être + *Manifestement) que cet étudiant ne pourra pas passer son examen.

Die Situation hinsichtlich dieses letzten Merkmals ist aber so eindeutig nicht, und interessanterweise paßt gerade das Adverb apparemment nur insofern in dieses Schema, als der Ausdruck apparemment que entweder als leicht veraltet oder als volkstümlich konnotiert ist und offensichtlich im modernen Standardfranzösisch allmählich durch einfaches apparemment verdrängt wird (vgl. Kotschi erscheint).

2.2 Apparemment und seine Positionen im Bezugssatz

Betrachtet werden sollen nun die Positionen, die der Konnektor apparemment im Satz einnehmen kann. Grundsätzlich lassen sich die folgenden Positionen unterscheiden (vgl. Guimier 1993: 31f. und Kotschi 1998: 4f.):

(i) die Satzanfangsposition,
(ii) die präverbale Position (zwischen Subjektaktant und finitem Verb),
(iii) die Position zwischen Kopulaverb und Partizip/Adjektiv bzw. zwischen Modalverb und Infinitiv,
(iv) die Position zwischen Verb bzw. Partizip und Objektaktanten,
(v) die postverbale Satzendposition,
(vi) die Satzendposition nach Objektaktanten und
(vii) die Position innerhalb eines Objektaktanten.

Im hier zugrundegelegten Korpus5 finden sich Belege für die Positionen (i) bis (vi). Position (i) ist die Standardposition für das unmarkierte Vorkommen von apparemment:

(18) Apparemment, il est venu sans rien dire à personne.
[vgl. Beisp. (7)]




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Dabei wird das Adverb - wie es in diesem Beispiel der Fall ist - vom folgenden Satz dann intonatorisch abgesetzt, wenn dieser den Status eines unabhängigen Satzes hat. Steht apparemment hingegen im Skopus von Konnektoren wie mais, car oder bien que, so kann es ohne weiteres intonatorisch angebunden werden:

(19) L'activité sexuelle de reproduction est commune aux animaux sexués et aux hommes, mais apparemment les hommes seuls ont fait de leur activité sexuelle une activité érotique [...].
[Bataille, zit. nach Robert Electronique]
(20) [...] or au fond le langage bien que apparemment il soit à la mode depuis une vingtaine d'années c'est tout de même un plan de réflexion auquel [...].
[Radiointerview mit R. Barthes, zit. nach Hoßbach, BIIb4]

Ansonsten kann apparemment auch vor satzeinleitenden Konnektoren erscheinen, wenn diese (wie es z.B. bei parce que der Fall ist) die durch sie ausgedrückte semantische Relation auch prädizieren:

(21) Vous n'avez sur eux d'autre avantage que d'avoir inventé le terme d'agitateur apparemment parce que l'autre (factieux) est usé.
[Brunot, zit. nach Robert Electronique]

In der Position (ii) erscheint apparemment in der Regel als Parenthese ("en incise"); in Relativsätzen, die durch qui in Subjektfunktion eingeleitet werden, kann es an dieses allerdings auch intonatorisch angebunden sein:

(22) C'était là leur manière de refuser l'asservissement qui les menaçait, et bien que ce refus-là, apparemment, ne fût pas aussi efficace que l'autre, l'avis du narrateur est [...].
[Hansén 1982: 98]
(23) Déjà les modérateurs qui chérissent le sang des coupables et qui apparemment ne veulent pas épargner celui des vrais patriotes, crient à la barbarie.
[Walter, zit. nach Robert Electronique]

Da apparemment, wenn es sich auf einen Relativsatz bezieht, nur innerhalb desselben stehen kann, sind Relativsätze nicht nur unter den die Position (ii), sondern auch unter den die übrigen Positionen illustrierenden Beispielen relativ häufig (vgl. die Beispiele (24) und (26) unter (iii) bzw. (iv)).

Die Position (iii) ist in folgendem Beispiel belegt:

(24) [...] destinés à maintenir au pouvoir des hommes qui ont apparemment choisi le métier de politicien pour n'avoir pas de politique.
[Camus, zit. nach Robert Electronique]




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Zur Position (iv) vgl.:

(25) [...] il se grattait comme un lion [...] et rêvait apparemment de sang et de forêts.
[Chateaubriand, zit. nach Robert Electronique]
(26) [...] mais la vérité m'oblige à dire que je lui enviais bassement la magnifique créature dont il faisait apparemment son esclave.
[Green, zit. nach Hansén 1982: 96]

In postverbaler Satzendposition (Position (v)) erscheint apparemment in Beispiel (27):

(27) - En allé où? - D'où ils venaient, apparemment.
[Sand, zit. nach Robert Electronique]

Ein Beispiel für die Satzendposition nach Objektaktanten (Position (vi)) zu finden, erwies sich zunächst als schwierig. Der Versuch einer Umformung authentischer Beispiele führt jedoch - wie im Falle von (28) - zu akzeptablen Ergebnissen:

(28) (a) Apparemment, le commissaire divisionnaire Cercaire ne fait pas le même diagnostic que moi.
[D. Pennac, La fée carabine, Paris (Gallimard, Coll. Folio 2043) 1987, 120] 6
(b) Le commissaire divisionnaire Cercaire ne fait pas le même diagnostic, apparemment.

Für die Position (vii) wurde bisher kein Beispiel gefunden.

 

3 Lexikalisch-semantische Eigenschaften

Der Konnektor apparemment gehört, so wurde oben gesagt, aufgrund seiner syntaktischen Eigenschaften zu der in 2.1 unter I. genannten Gruppe, d.h. zu den adverbes assertifs identificatifs. Zu diesen Adverbien heißt es bei Guimier (1996: 114):

Ce sont tous les adverbes qui dénotent le fait que la vérité de l'énoncé transparaît au travers des données de la réalité (ce que l'on peut observer, savoir, concevoir, etc.). L'adverbe indique explicitement qu'il y a correspondance entre ce qui est confirmé et ces données extra-linguistiques. A ce titre, ces adverbes impliquent, pour le locuteur, la vérité de l'énoncé auquel ils sont incidents: visiblement, Pierre viendra demain implique Pierre viendra demain. Ces adverbes ont une valeur modale, et plus précisément épistémique, car ils indiquent que la vérité de l'énoncé ne va pas de soi. Elle a besoin d'être affirmée, ou plutôt confirmée; cette confirmation se fait par un appel aux données de la réalité. Visiblement, Pierre viendra demain signifie: je peux confirmer la venue de Pierre car j'observe un certain nombre de choses qui me permettent de le faire.

Die Aussagen dieses Abschnitts gehen über bisherige Charakterisierungen von Adverbien dieser Gruppe hinaus und sollen deshalb hier als Ausgangspunkt für den Versuch einer detaillierteren Beschreibung der lexikalisch-semantischen (Abschnitt 3) und der semantisch-pragmatischen Eigenschaften von apparemment (Abschnitte 4 und 5) gewählt werden.




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3.1 Die adverbes assertifs identificatifs und ihre Subklassen

Guimier illustriert seine Funktionsbeschreibung in dem zitierten Abschnitt am Beispiel des Adverbs visiblement und unterstellt zugleich, daß sie auch für die übrigen Elemente der Menge der adverbes assertifs identificatifs zutreffend ist. Es erscheint allerdings fraglich, ob eine derartige Annahme gerechtfertigt ist, da leicht erkennbar ist, daß die Adverbien dieser Gruppe ein eher heterogenes Ensemble bilden. Sie lassen sich - betrachtet man einige ihrer morphologischen und semantischen Eigenschaften - vier verschiedenen Untergruppen zuordnen:

(i) apparemment, évidemment, manifestement, visiblement
(ii) décidément, fatalement, forcément, inéluctablement, immanquablement
(iii) indiscutablement, indéniablement, incontestablement, indubitablement
(iv) assurément

Die Adverbien der ersten Untergruppe sind von Adjektiven abgeleitet, die sich auf den Umstand beziehen, daß etwas der (primär visuellen) Wahrnehmung bzw. der Erkenntnis zugänglich ist. Auch ist diesen Adverbien die Eigenschaft gemein, daß sie nicht nur in der hier interessierenden Funktion eines exophrastischen Konnektors verwendet werden können, sondern darüber hinaus auch noch in derjenigen eines intraprädikativen, verbspezifizierenden Zirkumstanten. Diese zweite Variante findet sich im Gegenwartsfranzösischen ohne Einschränkungen zwar nur im Falle von visiblement. Man vergleiche dazu die exophrastische Verwendung in (29) mit der intraprädikativen in (30), für die beispielsweise der (Nouveau) Petit Robert die Bedeutung 'de manière à être vu; en se manifestant à la vue' angibt:

(29) Les deux hommes sont aussi, visiblement, sur la même longueur d'onde pour écarter une négociation globale sur l'ensemble des problèmes.
[Le Monde, zit. nach Guimier]
(30) Ses lèvres bougent visiblement. On perçoit un murmure ...
[Romains, zit. nach Petit Robert]

Veraltete oder archaische Vorkommen der intraprädikativen Variante lassen sich jedoch auch für apparemment, évidemment und manifestement nachweisen. 7

Die zweite Untergruppe bilden diejenigen Adverbien, die die Modalität der Notwendigkeit zum Ausdruck bringen: Aufgrund der Bedeutung der Partizipien und Adjektive décidé, forcé, fatal, inéluctable, immanquable wird der betreffende Sachverhalt als notwendig gegeben dargestellt.

Mit den Adverbien der dritten Untergruppe wird darauf verwiesen, daß der der ausgedrückten Proposition entsprechende Sachverhalt insofern zutrifft, als er nicht bezweifelt, in Abrede gestellt, bestritten werden kann.




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Das Adverb assurément läßt sich vorläufig keiner dieser drei Gruppen zuordnen. Eine Affinität zu den Adverbien der ersten Gruppe besteht allerdings insofern, als früher auch für assurément die intraprädikative Variante üblich war. 8 Gegenstand der Betrachtung sind im folgenden apparemment und die drei anderen Adverbien der Untergruppe (i).

3.2 Die Ambiguität der Struktur X apparemment Y

Im Gegensatz zu évidemment, manifestement und visiblement9 hat apparemment zwei Bedeutungsvarianten, die zunächst mit den beiden im Nouveau Petit Robert verwendeten Teilsynonymen gekennzeichnet werden können: 'selon toute apparence' und 'en apparence seulement'. Dabei handelt es sich um eine Eigenschaft, die apparemment von seiner adjektivischen Ableitungsbasis apparent sowie auch vom Nomen apparence geerbt hat. 10 Betrachten wir dazu einige Beispiele. Die Bedeutung 'selon toute apparence' hat apparemment offensichtlich in (31) bis (33):

(31) Si elle me pose une question, je lui raconterai tout. Mais elle ne demande plus rien. Apparemment, elle juge qu'elle en sait assez sur moi.
[Sartre, La Nausée, zit. nach Hansén 1982: 95]
(32) J'avais rencontré chez nous M. Stein, frère de la célèbre Gertrude. Il venait assez souvent voir mon père avec qui il passait une heure au salon dans un grand silence, rompu de loin en loin par une brève remarque sur les nouvelles du jour. Apparemment, ils n'avaient rien à se dire. Mon père fumait sa pipe et M. Stein, assis et les genoux écartés, tapotait du pied sur le parquet en regardant autour de lui d'un œil vague.
[Green, Jeunesse, zit. nach Hansén 1982: 98]
(33) [Über eine junge Frau, die Opfer eines Verbrechens geworden ist, und deren Identität unbekannt ist] Elle n'était pas fichée à la prostitution ni portée disparue. Apparemment, personne ne réclamait ce corps somptueux, nul ne se souciait de cette existence vacillante. Pastor avait épuisé toutes les ressources de l'informatique et des fichiers de carton.
[D. Pennac, La fée carabine, Paris (Gallimard, Coll. Folio 2043) 1987, 37]

In den beiden folgenden Beispielen liegt hingegen eher die Bedeutung 'en apparence seulement' vor:

(34) Et puis cela a été dit une fois pour toutes:
- Je serais metteur en scène.
Il a raison. Il a un œil et une pensée pour cela. Mais voilà, les places de stagiaire, même non payés, s'arrachent. Il fait des stages de montagne. Pendant dix jours il est heureux comme un roi. Et puis plus rien. Il faut chercher, courir. Il n'a encore jamais travaillé sur un tournage. Il écrit des scénarios. Il aime être en famille. Il m'aime. Il ne s'en fait pas
apparemment mais je sais qu'il se ronge. Heureusement il a la musique, la guitarre, le banjo, les tablas. Avec des copains ils ont fait un petit orchestre.
[M. Cardinal, La clé sur la porte, Paris (Grasset) 1979, 3]




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(35) [Über François Mitterrand; Auszug aus dem Buch Le Vieil Homme et la mort von Franz-Olivier Giesbert, dem Leibarzt Mitterrands] Il aimait les femmes. [...] Elles ne lui résistaient que rarement. Il les amenait doucement à lui, avec tact, à coup de battement de paupières, de sourires amènes et de mots doux. N'économisant ni son temps ni sa patience, il déployait un charme d'abbé de cour, un charme enveloppant, jusqu'à ce qu'elles fondent enfin.
Apparemment, c'était une bête de proie. Deux ou trois fois, alors qu'il m'avait donné rendez-vous à 8 heures du matin à son domicile de la rue de Bièvre, je l'ai vu arriver après moi avec un air de conspirateur, pas rasé et le visage creusé. On aurait dit un loup qui avait couru toute la nuit. Un clin d'œil ou un sourire avait suffi en guise d'explication.
Il était pourtant très fleur bleue. A ses conquêtes il promettait souvent de recommencer de zéro.
[...] Ses femmes furent les seuls êtres pour lesquels il abandonnait son cynisme. Il adorait qu'elles l'aiment.
[Le Nouvel Observateur, 1642 du 25 avril au 1er mai 1996, 28]

Auf diese Ambiguität von apparemment ist bereits an anderer Stelle hingewiesen worden (vgl. z.B. Hansén 1982: 98f. und Nøjgaard 1993: 234), ohne daß jedoch der Frage nachgegangen worden wäre, welche Faktoren eine Interpretation im Sinne der einen oder der anderen Variante determinieren. Für unsere Erörterungen ist jedoch gerade diese Frage von besonderem Interesse.

Um ihr nachzugehen, wollen wir noch einmal auf die oben zitierte Passage aus der Arbeit von Guimier zurückkommen. Wenn wir aus dieser Passage lediglich die Annahme Guimiers, daß der Sprecher bei der Verwendung eines der in Frage stehenden Adverbien deutlich macht, daß er sich auf Gegebenheiten der Realität stützt, durch die Annahme ersetzen, daß er sich dabei auf im vorangehenden Diskurs dargestellte Sachverhalte (oder durch diesen Diskurs implizierte Sachverhaltsdarstellungen) bezieht, so können wir die Aussagen Guimiers zur Grundlage der Interpretation unserer Beispiele machen und dabei beispielsweise zu (32) das folgende festhalten: Zum Sinn dieser Sequenz gehört wesentlich, daß der Sprecher aus dem von ihm berichteten Umstand (nämlich, daß ein großes, nur durch gelegentliche kurze Bemerkungen unterbrochenes Schweigen herrschte) den Schluß zieht, daß sein Vater und Monsieur Stein sich nichts zu sagen hatten. (Dieselbe Passage ohne apparemment würde ganz anders interpretiert werden müssen, nämlich dahingehend, daß ils n'avaient rien à se dire die Ursache für das Schweigen benennt.) Die Funktion von apparemment besteht hier also u.a. darin, daß es als ein Konnektor verwendet wird, der eine Diskurskonstituente X (hier: Il venait assez souvent ... sur les nouvelles du jour) mit einer Diskurskonstituente Y (hier: ils n'avaient rien à se dire) verknüpft. Entsprechendes läßt sich über die Beispiele (31) und (33) sagen.

Betrachten wir demgegenüber nun die Beispiele (34) und (35); für sie läßt sich zeigen, daß dem Adverb apparemment durch Faktoren des Kotextes die Bedeutung von 'en apparence seulement' zugewiesen wird. In Beispiel (34) - in dem die Erzählerin über ihren Sohn berichtet - läßt sich zunächst die Sequenz der drei Sätze Il écrit des scénarios. Il aime être en famille. Il m'aime als die apparemment vorausgehende Konstituente X ausmachen, aus der geschlossen werden könnte, daß der Sohn sich nichts aus dem zuvor erwähnten Umstand macht (Il ne s'en fait pas), aus dem Umstand nämlich, daß er noch nie an Dreharbeiten teilgenommen hat (Il n'a encore jamais travaillé sur un tournage); durch das folgende mais je sais qu'il se ronge bringt die Erzählerin jedoch zum Ausdruck, daß sie dies anders beurteilt. Aus ihrer Sicht darf der besagte Schluß nicht gezogen werden. Dadurch "erhält" apparemment die Bedeutung 'en apparence seulement'.




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Analog kann das Beispiel (35) interpretiert werden, in dem von François Mitterrand die Rede ist. Die Konstituente, deren Inhalt den Schluß auf c'était une bête de proie gestatten würde, lautet: Deux ou trois fois ... en guise d'explication. Sie geht hier also der durch apparemment eingeleiteten Konstituente nicht voraus, sondern folgt ihr nach. Die Fortsetzung (Il était pourtant très fleur bleue) macht dann wiederum deutlich, daß der Autor diesen Schluß nicht zieht. Aber nicht erst auf der Basis dieser Fortsetzung läßt sich apparemment als 'en apparence seulement' interpretieren. Denn den Schluß auf c'était une bête de proie erlaubt die dem Konnektor apparemment vorausgehende Konstituente Elles ne lui résistaient que rarement ... jusqu'à ce qu'elles fondent enfin hier gerade nicht (zumindest dann nicht, wenn man die Gültigkeit von Meinungen wie 'ein Raubtier ist nicht sanft (doux)', 'ein Raubtier hat keine Geduld (patience)' etc. voraussetzt), so daß eine Abfolge zweier Diskurskonstituenten vorliegt, die dann inkohärent wäre, wenn über die zweite von ihnen ein im Sinne von 'selon toute apparence' zu interpretierendes apparemment prädiziert würde. Um Kohärenz herzustellen, wird der Leser des vorliegenden Beispiels das apparemment also schon im Sinne von 'en apparence seulement' interpretiert haben, bevor er die Fortsetzung Il était pourtant très fleur bleue erreicht.

Wie diese und andere Beispiele erkennen lassen, wird apparemment in der einen wie der anderen Bedeutung als Konnektor verwendet und konstituiert somit die Struktur X apparemment Y. In den besprochenen Beispielen wird die Konstituente X jeweils explizit ausgedrückt. Sie kann jedoch - wie noch zu zeigen sein wird - auch implizit bleiben und muß in diesem Fall dann - gegebenenfalls über mehrere Zwischenstufen - aus Kotext oder Diskursuniversum inferiert werden.

Die Analyse der Beispiele hat ebenfalls gezeigt, daß die Auflösung der Ambiguität zwischen 'selon toute apparence' und 'en apparence seulement' nicht allein durch die jeweiligen Eigenschaften der Struktur X apparemment Y, sondern darüber hinaus durch bestimmte Eigenschaften des Kotextes dieser Struktur gesteuert wird. Einen speziellen Fall dieser Art bildet das Vorkommen von apparemment in von anderen Konnektoren eingeleiteten Sätzen. Nach mais beispielsweise, das die dominierende Konstituente einer intervention (im Sinne von Roulet et al. 1985) einleitet, ist die Bedeutung 'en apparence seulement' - wie (36) zu illustrieren vermag - offenbar grundsätzlich ausgeschlossen:

(36) L'activité sexuelle de reproduction est commune aux animaux sexués et aux hommes, mais apparemment les hommes seuls ont fait de leur activité sexuelle une activité érotique, ce qui différencie l'érotisme et l'activité sexuelle simple [...].
[vgl. Beisp. (19)]

Der Konnektor bien que scheint eine Interpretation im Sinne von 'en apparence seulement' zwar nicht auszuschließen, die Bedeutung 'selon toute apparence' wird jedoch eindeutig präferiert; so finden sich einerseits Beispiele, in denen er - wie in (37) - die Wahl dieser Bedeutung induziert, andererseits aber auch solche, in denen die Ambiguität bestehen bleibt, so etwa in (38) 11:

(37) C'était là leur manière de refuser l'asservissement qui les menaçait, et bien que ce refus-là, apparemment, ne fût pas aussi efficace que l'autre, l'avis du narrateur est qu'il avait bien son sens et qu'il témoignait aussi, dans sa vanité et ses contradictions mêmes pour ce qu'il y avait alors de fier en chacun de nous.
[Camus, La Peste, zit. nach Hansén 1982: 98]




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(38) [...] c'est ça qui m'impressionne beaucoup au fond dans la pratique littéraire [...] je crois que c'est un objet finalement très difficile à définir, parce que c'est un objet de langage, c'est un pur objet de langage. Or au fond le langage bien que apparemment il soit à la mode depuis une vingtaine d'années, c'est tout de même un plan de réflexion auquel nous résistons beaucoup [...].
[vgl. Bsp. (20)]

Auf den ersten Blick scheinen diese Beispiele eine widersprüchliche Situation zu evozieren. Sie legen nämlich die Annahme nahe, daß die positive Bedeutung von apparemment einerseits durch übergeordnete Konnektoren ausgelöst wird, die - wie mais - der Assertion der nachfolgenden Proposition zusätzliches kommunikatives Gewicht verleihen, andererseits hingegen durch Strukturen, die die Wahrheit der betreffenden Proposition lediglich präsupponieren (wie dies im durch bien que eingeleiteten subordinierten Satz geschieht). Dieser zunächst merkwürdig erscheinende Befund vermag eine befriedigende Erklärung jedoch dann zu finden, wenn neben den den Konnektoren mais und bien que folgenden auch die ihnen jeweils vorausgehenden Diskurskonstituenten in die Betrachtung einbezogen werden. Sowohl im Falle von S, mais T als auch im Falle von bien que U, V handelt es sich um eine Sequenz zweier Diskurskonstituenten, die zueinander in einer durch die Konnektoren mais und bien que indizierten argumentativen Relation konzessiven Typs stehen: auf ein mögliches Gegenargument ¬q folgt die im Prinzip aus q ableitbare Konklusion r (vgl. Moeschler 1989). In beiden Fällen erhält diese, durch den argumentativen Konnektor explizit markierte konzessive Relation eine besondere kommunikative Relevanz: Die beiden Konstituenten S und T bzw. U und V verlieren als Teil der durch den Konnektor gestifteten hierarchisch höher stehenden Diskurseinheit ein gewisses Maß an kommunikativer Eigenständigkeit. Die auf diese Weise entstehende Diskursstruktur scheint die Möglichkeiten dafür einzuschränken, daß für ein in diesem Strukturzusammenhang vorkommendes apparemment die markierte, kontextabhängige Interpretation 'en apparence seulement' erreicht werden kann. Für diese Annahme spricht zudem der Umstand, daß apparemment auch in anderen informationell "herabgestuften" Konstituenten wie z.B. in Relativsätzen auf die Bedeutung 'selon toute apparence' festgelegt zu sein scheint. Einen Beleg dafür liefert das Beispiel (39):

(39) [...] destinés à maintenir au pouvoir des hommes qui ont apparemment choisi le métier de politicien pour n'avoir pas de politique.
[vgl. Beisp. (24)]

 

4 Semantisch-pragmatische Aspekte

Die Strukturformel X apparemment Y besagt, daß der Konnektor apparemment zwei Diskurskonstituenten miteinander verknüpft. Die Art dieser Verknüpfung läßt sich als eine Relation verstehen, die durch die Bedeutung des Konnektors spezifiziert wird. Bei der Beschreibung dieser Relation gehe ich mit Rossari/Jayez (1996) davon aus, daß ein Konnektor der Diskursstruktur, in der er erscheint, drei Arten von Beschränkungen auferlegen kann: Die erste richtet sich auf die semantischen Eigenschaften der durch den Konnektor verknüpften Konstituenten X und Y, die zweite auf die Natur der von ihm spezifizierten Relation selbst, und die dritte auf den modalen Charakter der Relation. Im folgenden Abschnitt 4.1 geht es in erster Linie um die Natur der genannten Relation, wobei notwendigerweise auch auf einige der semantischen Eigenschaften der durch den Konnektor verknüpften Konstituenten einzugehen ist. Ein Aspekt des modalen Charakters der in Frage stehenden Relation, nämlich die Frage nach der Art und Weise, in der ein Sprecher die "Herkunft" einer von ihm übermittelten Information markiert, wird in Abschnitt 4.2 behandelt.




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4.1 Die Natur der durch apparemment zum Ausdruck gebrachten Relation zwischen X und Y

Aus der Betrachtung ausgewählter Beispiele läßt sich die Intuition ableiten, daß durch die Verwendung von apparemment eine (zunächst in einem sehr weiten Sinne verstandene) Relation der Konsekutivität zum Ausdruck gebracht werden kann. So ist etwa die Art der Verknüpfung von X und Y in (40) in der Weise zu interpretieren, daß ausgehend vom Zutreffen des in X (elle ne demande plus rien) dargestellten Sachverhalts geschlossen werden kann, daß auch der durch Y (elle juge qu'elle en sait assez sur moi) dargestellte Sachverhalt zutrifft.

(40) Si elle me pose une question, je lui raconterai tout. Mais elle ne demande plus rien. Apparemment, elle juge qu'elle en sait assez sur moi.
[vgl. Beisp. (31)]

Um die Spezifik dieser Relation zu verdeutlichen, können wir apparemment mit donc, dem konsekutiven Konnektor par excellence vergleichen. In den z.T. recht detaillierten Untersuchungen zu Vorkommen und Funktionen dieses Konnektors (vgl. unter den neueren Arbeiten z.B. Zenone 1981 und 1982/83, Moeschler 1989, Ferrari/Rossari 1994, Rossari 1996, Rossari/Jayez 1996) wird darauf hingewiesen, daß donc eine Relation zwischen X und Y sowohl für den Fall ausdrücken kann, daß X als eine Ursache und Y als deren Folge, als auch für den Fall, daß X als eine Folge und Y als deren Ursache zu interpretieren ist. Zur Illustration dieses Faktums dienen Beispiele wie (41a) und (41b):

(41) (a) Pierre a oublié son passeport. Donc il a été refoulé à la frontière.
(b) Pierre a été refoulé à la frontière. Donc il a oublié son passeport.
[Beispiele nach Rossari/Jayez 1996: 121]

Der Oberflächensymmetrie zwischen diesen beiden Sätzen zuwiderlaufend, ergeben sich aufgrund der Polyfunktionalität von donc für diese beiden Sätze jeweils recht unterschiedliche Interpretationen. In (41a) wird die Folge (Pierre a été refoulé à la frontière) als direkt mit der Ursache (Pierre a oublié son passeport) verbunden präsentiert, d.h. es wird die zwischen den beiden betreffenden Sachverhalten bestehende kausale Relation indiziert. Mit Rossari (1996: 274) ist darauf hinzuweisen, daß dieses Indizieren auf der Basis eines Topos vom Typ 'Sans passeport on ne peut pas franchir la frontière' o.ä. erfolgt, eines Topos, der der Oberprämisse eines Syllogismus entspricht. Dieser Topos ist jedoch nicht im Kontext (oder Diskursuniversum) zu suchen, sondern kann den beiden Diskurskonstituenten direkt entnommen werden. Demgegenüber wird der Zusammenhang zwischen den beiden Sachverhalten in (41b) auf andere Weise dargestellt, was sich etwa an der möglichen (bei Rossari/Jayez 1996: 140 genannten) Paraphrase (41b') ablesen läßt:

(41b') On m'a dit que Pierre a été refoulé à la frontière, j'en déduit qu'il a oublié son passeport.

Wie diese Paraphrase zeigt, wird in (41b) nicht etwa die Ursache als direkt mit der Folge verbunden präsentiert, sondern der Sprecher gibt zu verstehen, daß die Ursache für ihn durch eine Schlußprozedur aus der Folge inferierbar ist. Diese Schlußprozedur hat die Form einer Induktion, d.h. sie erfordert den Rückgriff auf eine implizite Prämisse, die mithilfe des Kontextes ermittelt werden kann. Im vorliegenden Fall könnte eine derartige Prämisse (die in anderen Zusammenhängen auch als kontextuelle Implikatur bezeichnet wird) beispielsweise lauten: 'Quand X est refoulé à la frontière, c'est en général parce qu'il a oublié son passeport'. Die Schlußprozedur folgt dann dem Schema




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1. 'Quand X est refoulé à la frontière, c'est en général parce qu'il a oublié son passeport'.
2. X a été refoulé à la frontière.

3. X a oublié son passeport.

Im Unterschied zu (41a) signalisiert der Sprecher also durch die Verwendung von donc in (41b), daß er bei der Verknüpfung von X und Y ein raisonnement inférentiel vollzieht, in dessen Verlauf er auf eine kontextuell zu ermittelnde Prämisse zurückgreifen muß. Dieser Unterschied zwischen den beiden Verwendungsweisen von donc gestattet es auch, ambige Sätze des Typs (42) zu bilden:

(42) Pierre boit, donc il est malheureux.

In einer Interpretation bringt dieser Satz den kausalen Zusammenhang zwischen dem Trinken und dem Unglücklichsein zum Ausdruck: Pierre ist unglücklich, weil er trinkt, d.h. das Trinken macht Pierre unglücklich. Der entsprechende Topos könnte lauten: 'Toute boisson alcoolisée rend malheureux'. Im Falle der anderen Interpretation wird bei der Äußerung dieses Satzes zu verstehen gegeben, daß der Sachverhalt, daß Pierre trinkt, einen Hinweis auf den Sachverhalt liefert, daß Pierre unglücklich ist. Um diese Interpretation zu erreichen, ist es notwendig, sich auf eine in (42) nicht explizit gemachte, aber mit Hilfe des Kontextes oder des Diskursuniversums aufzusuchende Prämisse des Typs 'Quand Pierre boit, c'est en général parce qu'il est malheureux' zu stützen. Die Schlußprozedur folgt dann wiederum dem Schema, das im Zusammenhang mit Satz (41b) erwähnt wurde.

Ein Vergleich zwischen donc und apparemment zeigt nun, daß apparemment anstelle von donc in (43a) ausgeschlossen, in (43b) jedoch durchaus möglich ist:

(43) (a) *Il a oublié son passeport. Apparemment, il a été refoulé à la frontière.
(b) Il a été refoulé à la frontière. Apparemment, il a oublié son passeport.

Entsprechendes gilt für (44): tritt apparemment an die Stelle von donc, so ist nur die zweite der beiden erwähnten Interpretationen erreichbar:

(44) Pierre boit, apparemment il est malheureux.

Demnach würde der Sprecher mit der Verwendung von apparemment - ähnlich wie mit derjenigen von donc - zu verstehen geben, daß der in X ausgedrückte Sachverhalt für ihn einen Hinweis darauf enthält, daß der in Y ausgedrückte Sachverhalt zutrifft. Allerdings klingen auch die Sätze (43b) und (44) nicht vollkommen natürlich. Wesentlich besser hingegen erscheinen Varianten wie




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(45) Je notais qu'il était le seul à être retenu assez longtemps. Finalement il a été refoulé. Apparemment, il avait oublié son passeport.
(46) Pierre se comporte de manière étrange et on me dit qu'il a recommencé à boire. Apparemment, il est malheureux.

Dies läßt vermuten, daß mit apparemment auf eine Diskurskonstituente X Bezug genommen wird, die nicht nur eine einzige Sachverhaltsdarstellung enthält, sondern eine Folge von wenigstens zwei Sachverhaltsdarstellungen, d.h. daß das vom Sprecher vollzogene raisonnement inférentiel eine Prozedur zum Aufsuchen einer impliziten Prämisse darstellt, die nur unter Berücksichtigung von zwei (oder mehr) Sachverhalten etabliert werden kann. Eine Bestätigung für diese Vermutung liefern auch die oben zitierten authentischen Beispiele (31) bis (33). In (31) verweist elle ne demande plus rien auf eine Folge von Situationen, in denen die betreffende Person nicht fragt; Entsprechendes gilt - man beachte vor allem den Ausdruck assez souvent - für il venait assez souvent voir mon père avec qui ... sur les nouvelles du jour in (32); und in (33) werden zwei Sachverhalte genannt ('die junge Frau war nicht als Prostituierte registriert' und 'sie war nicht als vermißt gemeldet'), die in Kombination die Basis für die inferentielle Prozedur bilden.

Der Vergleich zwischen apparemment und donc zeigt, daß die Inferenzprozedur, die durch apparemment indiziert wird, im Prinzip komplexer ist als diejenige, die durch die Äußerung von Sätzen mit donc ins Spiel kommt. Allerdings müssen die Sachverhalte aus der Konstituente X, auf die mit apparemment Bezug genommen wird, nicht in allen Fällen explizit benannt sein. So wird etwa im folgenden Ausschnitt unterstellt - zumindest läßt sich dafür leicht ein Diskurszusammenhang denken, in dem dies unterstellt werden kann -, daß der Rezipient in der Lage ist, dem Kontext- oder Weltwissen die mentale Repräsentation von zwei oder mehr Sachverhalten zu entnehmen, die die Basis für die Ableitung von les hommes seuls ont fait de leur activité sexuelle une activité érotique bilden können:

(47) L'activité sexuelle de reproduction est commune aux animaux sexués et aux hommes, mais apparemment les hommes seuls ont fait de leur activité sexuelle une activité érotique, ce qui différencie l'érotisme et l'activité sexuelle simple [...].
[vgl. Beisp. (19) und (36)]

Vor dem Hintergrund der Annahme, daß es Vorkommen von apparemment gibt, für die die Erreichbarkeit einer nicht explizit ausgedrückten Konstituente X unterstellt werden kann, lassen sich nun für manche Diskurszusammenhänge auch Feinheiten der Struktur erkennen, deren angemessene Analyse anderenfalls u.U. dem Zufall überlassen bliebe. Der Ausschnitt (48) steht für einen solchen Fall:

(48) Jean Tarrou, qu'on a déjà rencontré au début de ce récit, s'était fixé à Oran quelques semaines plus tôt et habitait, depuis ce temps, un grand hôtel du centre. Apparemment, il semblait assez aisé pour vivre de ses revenus. Mais bien que la ville se fût peu à peu habituée à lui, personne ne pouvait dire d'où il venait, ni pourquoi il était là.
[Camus, La Peste, zit. nach Hansén 1982: 96]




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Dem durch apparemment eingeleiteten Satz geht in diesem Beispiel eine Konstituente voraus, für die es auf den ersten Blick möglich erscheint anzunehmen, daß sie einen Sachverhalt benennt, der einen Hinweis für das Vorliegen des in il semblait assez aisé pour vivre de ses revenus genannten Sachverhaltes liefert. Die durch apparemment indizierte Inferenzprozedur geht jedoch nicht (oder zumindest nicht direkt) von dem erstgenannten (und gegebenenfalls einem weiteren, implizit bleibenden) Sachverhalt aus. Vielmehr muß bei der Interpretation dieser Passage berücksichtigt werden, daß apparemment den Ausdruck il semblait in seinem Skopus hat und daß - mit Hinblick auf la ville und personne im folgenden Satz - die Y-Konstituente in dieser Passage als il leur [d.h. aux habitants de la ville] semblait assez aisé pour vivre de ses revenus gelesen werden muß; d.h. es ist nach einer Ableitungsbasis zu suchen, die einen Hinweis auf diesen letztgenannten Sachverhalt liefert. Dabei handelt es sich um eine Ableitungsbasis, die implizit und unspezifiziert bleibt, aber durch bestimmte aus dem Kotext ableitbare Propositionen determiniert ist, so etwa durch eine Proposition wie 'die Bewohner der Stadt sprachen über Eindrücke, die sie von Tarrou hatten', eine Proposition, die im Kontext von rekonstruierbaren Propositionen wie 'dem, was die Bewohner der Stadt sagten, konnte man entnehmen, daß sie sich an Tarrou gewöhnten', '... daß sie nicht wußten, woher er kam' und '... daß sie nicht wußten, warum er da war' ihrerseits leicht rekonstruierbar ist. Ableitungsbasis sind im vorliegenden Fall also Sachverhalte, die der Autor als die Eindrücke der Bewohner der Stadt (und nicht - oder nicht primär - als seine eigenen) präsentiert.

4.2 Apparemment als Indikator für inferentielle Evidentialität

Der Vergleich zwischen apparemment und donc hat gezeigt, daß die Funktion des Konnektors apparemment wesentlich darin besteht, eine Inferenzprozedur zu indizieren, mit deren Hilfe der Sprecher vom Inhalt einer (gegebenenfalls ganz oder teilweise implizit bleibenden) Konstituente X auf den Inhalt einer Konstituente Y schließen kann. Y enthält somit eine Information, die vom Sprecher als eine von ihm selbst "geschaffene" präsentiert wird. Der Sprecher markiert durch die Verwendung von apparemment also die Art und Weise, in der er zu der in Y übermittelten Information gelangt ist.

Hinsichtlich der mit dieser Markierung zusammenhängenden Aspekte werden - oft unter dem Stichwort der "Evidentialität" - im allgemeinen die folgenden Unterscheidungen getroffen (so etwa bei Chafe 1986).

Ein Sprecher kann entweder genauere Angaben über die Herkunft der von ihm übermittelten Information machen oder aber es unterlassen, solche Hinweise zu liefern. Der zweite Fall ist beispielsweise gegeben, wenn jemand den Satz (49) äußert:

(49) Pierre a travaillé beaucoup aujourd'hui.

Der Sprecher dieses Satzes gibt lediglich zu verstehen, daß er glaubt, daß der dargestellte Sachverhalt zutrifft. 12 Mutatis mutandis gilt dies auch für Sätze wie (49a) und (49b), obwohl sie semantisch nicht mit (49) äquivalent sind (vgl. Lang 1983):

(49) (a) Je crois que Pierre a travaillé beaucoup aujourd'hui.
(b) Je pense que Pierre a travaillé beaucoup aujourd'hui.




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Anders als in (49) wird mit diesen Sätzen zwar eine Modalisierung zum Ausdruck gebracht, über die Art und Weise jedoch, wie der Sprecher zu der Information gelangt ist, daß Pierre viel gearbeitet hat, wird auch hier keine Angabe gemacht - es sei denn diejenige, daß der Sprecher sie direkt aus dem ihm zugänglichen Vorrat an Glaubens- oder Wissensinhalten geschöpft hat.

Was den Fall betrifft, in dem der Sprecher über die Darstellung eines Sachverhaltes hinaus noch einen Hinweis auf die "Quelle" der betreffenden Information gibt, so lassen sich zunächst drei Arten von Hinweisen unterscheiden. 13 Der Sprecher signalisiert in diesem Fall entweder,

a) daß er die mitzuteilende Information der Äußerung eines Dritten entnommen, oder
b) daß er sie aufgrund einer Inferenzprozedur abgeleitet, oder
c) daß er sie durch Deduktion gewonnen hat.

Von den folgenden drei Beispielsätzen illustriert (50) die Variante a), (51) die Variante b) und (52) die Variante c):

(50) Pierre aurait travaillé beaucoup aujourd'hui.
(51) Pierre doit avoir travaillé beaucoup aujourd'hui.
(52) Forcément, Pierre travaillera beaucoup aujourd'hui.

Als sprachliche Indikatoren fungieren in diesen Beispielen die Tempusform des conditionnel (Variante a)), das Modalverb devoir (Variante b)) und das Adverb forcément (Variante c)).

Im vorliegenden Zusammenhang ist vor allem die Variante b) von Interesse. Für sie wird hier die Bezeichnung "inferentielle Evidentialität" verwendet. Zwei Subvarianten können unterschieden werden, je nachdem ob als Basis der Inferenzprozedur perzeptuelle oder nicht perzeptuelle Indizien herangezogen werden. Geht der Sprecher von perzeptuellen Indizien aus, so kann er das beispielsweise durch eine Form von entendre (oder voir, sentir etc.) markieren, vgl.

(53) J'entends le vent siffler.

Nicht-perzeptuelle Indizien sind nun bei Ableitungsprozeduren wie denjenigen im Spiel, die im vorangehenden Abschnitt - anhand der Analyse von Beispielen wie etwa (40) - erörtert wurden. Wir betrachten diesen Typ der Inferenz hier noch einmal unter dem Aspekt der ihn markierenden Indikatoren.

Dendale (1994) hat gezeigt, daß epistemisches devoir als Indikator für "inferentielle Evidentialität" fungieren kann, d.h. als Indikator, der anzeigt, daß der Sprecher den Inhalt eines Satzes, der eine Form dieses Modalverbs enthält, als Konklusion einer von bestimmten Indizien ausgehenden Inferenzprozedur präsentiert. (Die modale Funktion von devoir, die traditionellerweise hervorgehoben wird, kann nach Dendale als aus dieser "evidentiellen" Funktion abgeleitet betrachtet werden.) Bezogen auf ein Beispiel wie

(54) Pierre est fatigué. Il doit avoir travaillé beaucoup aujourd'hui.

gilt also, daß der Sprecher sich auf den in Pierre est fatigué genannten Sachverhalt stützt und daraus den im Folgesatz mitgeteilten Sachverhalt inferiert. Nach Dendale besteht diese Inferenzprozedur aus drei Schritten:




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1. Unter Berücksichtigung des jeweiligen Kontextes bildet oder aktiviert der Sprecher eine (oder mehrere) zusätzliche Prämisse(n); im vorliegenden Fall z.B. Si quelqu'un est fatigué c'est parce qu'il a beaucoup travaillé oder Si quelqu'un est fatigué c'est parce qu'il n'a pas pu dormir etc.

2. Ausgehend von der bereits gegebenen Prämisse Pierre est fatigué und der bzw. den zusätzlich gebildeten oder aktivierten Prämisse(n) leitet er eine (oder mehrere) Konklusion(en) ab (wobei diese Ableitung die Form einer Abduktion hat).

3. Hat der Sprecher mehr als eine Konklusion abgeleitet, so bewertet er - gegebenenfalls im Lichte weiterer heranzuziehender Informationen - diese Konklusionen mit dem Ziel, alle außer einer zu verwerfen, und präsentiert die ausgewählte Konklusion im Moment der Äußerung als die im gegebenen Kontext gültige. 14 Es entsteht daher der Eindruck, als bilde die Äußerung das Ende einer gewissen Reflexion.

Die Schritte 1. und 2. dieser Prozedur enthalten die Elemente des in 4.1 besprochenen Schlußschemas. Wir können somit nun wieder an das dort Gesagte anknüpfen und fragen, inwiefern sich nicht auch apparemment - aufgrund seiner bisher erörterten Eigenschaften - als Indikator für "inferentielle Evidentialität" einstufen läßt. Es seien daher Verwendungsweisen von apparemment solchen des Modalverbs devoir (in seiner evidentiell-epistemischen Variante) gegenübergestellt, damit anschließend einige spezifischere Aussagen zu den Funktionen von apparemment formuliert werden können.

Die Funktionsverwandtschaft zwischen apparemment und devoir zeigt sich zunächst einmal am Ergebnis eines Austauschs zwischen beiden Indikatoren in der gleichen sprachlichen Umgebung. So sind die beiden folgenden Satzpaare weitgehend (wenngleich nicht vollständig) äquivalent:

(55) (a) Pierre est fatigué. Il doit avoir travaillé beaucoup aujourd'hui.
(b) Pierre est fatigué. Apparemment, il a beaucoup travaillé aujourd'hui.
(56) (a) Ça doit être la femme du nouveau ministre.
(b) Apparemment, c'est la femme du nouveau ministre.

Daß in den Beispielen (55) und (56) die (b)-Sätze den (a)-Sätzen nicht vollständig äquivalent sind, hängt zum einen damit zusammen, daß - wie bereits erwähnt - die Konstituente, auf die apparemment in seinem Vorbereich verweist, eine komplexe Struktur hat. Die Interpretation von (55b) hat daher, im Unterschied zu derjenigen von (55a), zu erfassen, daß der Sprecher außer Pierres Müdigkeit noch wenigstens ein weiteres Indiz als Basis der inferentiellen Ableitung herangezogen hat. Dieser Unterschied wird in einer dialogischen Situation noch deutlicher erkennbar:

(57) (a) A: Pierre est fatigué.
B: Il doit avoir travaillé beaucoup aujourd'hui.
(b) A: Pierre est fatigué.
B: Apparemment, il a beaucoup travaillé aujourd'hui.




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In seiner Version (57a) ist dieses Beispiel so zu verstehen, daß Sprecher B die Inferenz auf der Basis der von Sprecher A gelieferten Information (Pierre est fatigué) vollzieht. Dagegen läßt die Version (57b) eindeutig eine Interpretation zu (es handelt sich sogar um die präferierte), wonach B sich auf eine (implizit bleibende) Menge von Indizien stützt, zu denen die von A genannte Müdigkeit Pierres nicht gehört. Daher verstehen wir diese Version so, daß Sprecher B versucht, Sprecher A dadurch in der von diesem gewünschten Weise zu antworten, daß er zusätzliche ihm zugängliche Informationen zur Ableitung eines Sachverhaltes heranzieht, den er dann benutzt, um A's Aussage zuzustimmen. 15 Wir haben es also mit einer semantischen Eigenschaft von apparemment zu tun - nämlich: X aus X apparemment Y verweist auf mehr als einen Sachverhalt -, die unter gegebenen Bedingungen auch der Dialogstruktur andere Beschränkungen auferlegt als das Modalverb devoir.

Ein weiterer Unterschied zwischen apparemment und devoir ist auszumachen. Wir können ihn anhand der Beispiele (58a) und (58b) erörtern:

(58) (a) A: Tu sais qui c'est, la dame à côté de Pierre?
B: Non. Ça doit être la femme du nouveau ministre.
(b) A: Tu sais qui c'est, la dame à côté de Pierre?
B: Non. ?Apparemment, c'est la femme du nouveau ministre.

B's Antwort in der Version mit apparemment klingt wenig natürlich. Die Diskrepanz zwischen den beiden Versionen vergrößert sich noch, wenn wir ein mais hinzufügen: während Non. Mais ça doit être la femme du nouveau ministre als Antwort vollkommen akzeptabel erscheint, klingt Non. Mais apparemment, c'est la femme du nouveau ministre recht merkwürdig.

Diese Beobachtung deutet auf den folgenden Unterschied hin: durch die Verwendung einer Form des Modalverbs devoir wird der in dem betreffenden Satz dargestellte Sachverhalt als eine Information präsentiert, die der Sprecher im Moment der Äußerung aus den Prämissen ableitet. Deshalb kann B die von A gestellte Entscheidungsfrage zunächst mit non beantworten und unmittelbar anschließend dazu übergehen, mit Hilfe einer Inferenzprozedur einen Vorschlag für eine positive Antwort auf die durch die Entscheidungsfrage implizierte Ergänzungsfrage zu machen. Wenn dies in der Version (58b) nicht möglich erscheint, so dürfte dies damit zusammenhängen, daß der Sprecher B hier mithilfe von apparemment signalisiert, daß er die Information c'est la femme du nouveau ministre nicht aktuell im Verlauf der Äußerung ableitet, sondern vielmehr als das Ergebnis eines zeitlich schon zurückliegenden Vollzugs einer solchen Inferenzprozedur präsentiert.

Für die Plausibilität dieser Annahme sprechen auch die Resultate von Umformungen, bei denen - umgekehrt - apparemment durch eine Form von devoir ersetzt wird. Eine Illustration derjenigen Fälle, in denen eine solche Ersetzung zu einem akzeptablen Ergebnis führt, bietet das Beispiel (59):

(59) (a) Si elle me pose une question, je lui raconterai tout. Mais elle ne demande plus rien. Apparemment, elle juge qu'elle en sait assez sur moi.
[vgl. Beisp. (31) und (40)]
(b) Si elle me pose une question, je lui raconterai tout. Mais elle ne demande plus rien. Elle doit juger qu'elle en sait assez sur moi.




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Für die Interpretation dieser beiden Ausschnitte ergeben sich nur geringfügige, aber doch erkennbare und mit dem bezüglich der Beispiele (58a) und (58b) Gesagten übereinstimmende Unterschiede: Die Variante (59a) kann als ein einziges mouvement discursif (im Sinne von Roulet 1987) betrachtet werden, denn durch apparemment wird der Inhalt des nachfolgenden Satzes als eine Information präsentiert, deren Äußerung schon im vorhinein ins Auge gefaßt wurde. Hingegen setzt der Sprecher der Variante (59b) mit Elle doit juger qu'elle en sait assez sur moi insofern wieder neu ein, als devoir keinerlei Hinweis auf eine zeitlich zurückliegende Inferenzprozedur transportiert; die Inhaltsstruktur dieser Variante gestattet es, an ihr gewissermaßen eine allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden abzulesen.

Der Vergleich zwischen apparemment und devoir zeigt, daß apparemment semantische Eigenschaften hat, die es zulassen, diesen Konnektor als Indikator für "inferentielle Evidentialität" einzustufen. Seine spezifische Funktion wird vor allem durch zwei Eigenschaften determiniert. Zum einen setzt apparemment in seinem Vorbereich eine Bezugskonstituente voraus, die insofern als komplex zu bezeichnen ist, als sie auf mehr als einen Sachverhalt verweist. Zum anderen läßt sich der Inhalt der im Nachbereich von apparemment stehenden Diskurskonstituente nicht als die Konklusion einer Inferenzprozedur interpretieren, die der Sprecher im Moment der Äußerung vollzieht, sondern vielmehr als das dem Sprecher zugängliche Ergebnis einer zu einem früheren Zeitintervall bereits vollzogenen Inferenzprozedur. Von den im Zusammenhang mit der Beschreibung der Bedeutung von devoir bei Dendale genannten drei Schritten können somit nur die beiden ersten (und auch sie wohl nur in modifizierter Form) für die Beschreibung der Bedeutung von apparemment herangezogen werden. Die Plausibilität dieser Annahme wird sich auch aus den Überlegungen des folgenden Abschnittes ergeben.

 

5 'selon toute apparence' oder 'en apparence seulement'?

Bei der Gegenüberstellung der Verwendungsweisen von apparemment und den Formen des Modalverbs devoir haben wir die in Kapitel 3 für apparemment aufgezeigte Polysemie vorübergehend außer Betracht gelassen. An dieser Stelle wollen wir uns ihr nun erneut zuwenden.

5.1 X apparemment Y als polyphonische Struktur

Eine Eigenschaft, die apparemment (und andere adverbes assertifs identificatifs) von den adverbes assertifs restrictifs (z.B. also von probablement) unterscheidet, manifestiert sich darin, daß apparemment nur schwerlich oder gar nicht im Skopus von pour moi, selon moi, à mon avis u.ä. erscheinen kann. Man vergleiche:

(60) (a) {Pour moi + selon moi + à mon avis}, il a probablement besoin de vous.
(b) ??{Pour moi + selon moi +à mon avis}, il a apparemment besoin de vous.

Ähnliches gilt für die Kombination mit je pense que etc.:

(61) (a) Je pense que, {probablement + *apparemment}, il a besoin de vous.
(b) Je pense qu'il a {probablement + *apparemment} besoin de vous.




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Der hier erkennbar werdende unpersönliche Charakter von apparemment ist für andere Adverbien bereits thematisiert worden. So weist Nøjgaard (1993: 204ff.) darauf hin, daß Adverbien wie manifestement, visiblement, de toute évidence u.a. ihre jeweilige Funktion nur dadurch realisieren, daß mit ihnen auf eine implizite "instance impersonnelle" Bezug genommen wird: "[...] l'identificatif se réfère à un interlocuteur [...] implicite et <neutre>. Il fait intervenir une sorte de tierce personne, instance impersonnelle, réunissant le locuteur et l'interlocuteur." (Nøjgaard 1993: 216) So sei beispielsweise visiblement p als n'importe qui pouvait constater que p zu interpretieren. Und eine korrekte Interpretation des Beispiels (62) erfordere es, den Marker de toute évidence als Ausdruck der offensichtlichen Zustimmung jedes denkbaren Rezipienten oder Gesprächspartners zu verstehen:

(62) J'aurais pu immédiatement toucher Lou, son épaule ou sa joue, l'embrasser. Elle était de toute évidence en position de résistance minimale [...].
[Braudean, zit. nach Nøjgaard 1993: 217]

Die Annahme Nøjgaards, mit den genannten adverbes assertifs identificatifs werde auf eine instance impersonnelle Bezug genommen, scheint auch für apparemment Gültigkeit zu besitzen. Vor dem Hintergrund der bisher angestellten Überlegungen könnten wir also sagen: Nicht nur dem Sprecher erscheint X als Indizienbasis, von der aus auf Y geschlossen werden kann, sondern die jeweilige inferentielle Prozedur wird als eine Prozedur präsentiert, die auch von anderen nachvollzogen wurde oder nachvollzogen werden kann.

Für eine angemessene Beschreibung von apparemment ist es im Unterschied zur Annahme Nøjgaards nun aber notwendig, die instance impersonnelle so zu präzisieren, daß beiden Bedeutungen von apparemment in einheitlicher Weise Rechnung getragen werden kann. Dazu ist es notwendig, die Vorstellung zu revidieren, die instance impersonnelle sei eine Kategorie, die Sprecher und Gesprächspartner umfaßt ("réunissant le locuteur et l'interlocuteur").

Eine Grundlage für diese Revision bietet das von Ducrot entwickelte Konzept der Polyphonie, das auf einer Unterscheidung zwischen dem für die Äußerung verantwortlichen Sprecher (dem locuteur) einerseits und einem oder mehreren Vertretern bestimmter in der Äußerung ausgedrückter Standpunkte (den énonciateurs) gründet (vgl. Ducrot 1984; Kotschi 1990). Das Zusammenwirken dieser beiden Instanzen ist dabei derart, daß der locuteur durch die Äußerung eines bestimmten Satzes einen, zwei oder mehr énonciateurs "zu Wort kommen lassen" kann, ohne sich notwendigerweise mit allen zu identifizieren. Zu den sprachlichen Erscheinungen, auf deren Beschreibung das Polyphonie-Konzept angewandt werden kann, gehören neben der Negation vor allem Präsuppositionen, konzessive Strukturen, indirekte Sprechakte und bestimmte Konnektoren wie beispielsweise pour autant oder c'est-à-dire.




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Es erscheint nun möglich, dieses Polyphonie-Konzept auch für eine Erklärung der Ambiguität von apparemment heranzuziehen. Die Interpretation einer Struktur X apparemment Y könnte vor diesem Hintergrund dann wie folgt expliziert werden: Der Sprecher läßt einen énonciateur E zu Wort kommen, der den in Y genannten Standpunkt vertritt (d.h. für den die in Y ausgedrückte Proposition q wahr ist16); dabei wird außerdem E als diejenige Instanz präsentiert, für die der in Y dargestellte Sachverhalt ausgehend von den in X genannten Indizien inferierbar ist. Daß E hier nicht mit einem singulären Diskursteilnehmer zu identifizieren ist, sondern mit der "öffentlichen Meinung" (d.h. mit der Meinung all derjenigen, denen die in X dargestellten Sachverhalte zugänglich sind und denen deshalb unterstellt werden kann, daß sie auch die Inferenz auf Y vollziehen würden), ist Inhalt einer der in der Bedeutung von apparemment enthaltenen Instruktionen. Was nun den Sprecher betrifft, so kann dieser sich entweder als Teil der "öffentlichen Meinung" begreifen oder - im Gegensatz dazu - sich von ihr absetzen wollen. M.a.W.: Der Sprecher kann sich mit dem von E vertretenen Standpunkt identifizieren oder sich von ihm distanzieren. Im ersten Fall hätten wir es mit einem Vorkommen von apparemment in der Bedeutung 'selon toute apparence', im zweiten mit einem in der Bedeutung 'en apparence seulement' zu tun.

Welche dieser beiden Möglichkeiten zutrifft, kann man einer isoliert betrachteten Struktur X apparemment Y allein nicht ansehen. Nur unter Berücksichtigung von Kontext und Diskurswelt kann eine entsprechende interpretatorische Entscheidung getroffen werden. Andererseits ist aber auch damit zu rechnen, daß sich in einem gegebenen Diskurszusammenhang die für diese Entscheidung notwendigen Hinweise nicht finden lassen und daß die Ambiguität von apparemment in einem solchen Fall unaufgelöst bleibt.

5.2 Beispiele

Betrachten wir zur Illustration des Gesagten einige der bereits angeführten Beispiele. In dem unter (32) gegebenen Ausschnitt haben wir oben die Sequenz Il venait assez souvent ... sur les nouvelles du jour als X-Konstituente und die Sequenz ils n'avaient rien à se dire als Y-Konstituente einer Struktur X apparemment Y bestimmt. Wenn wir als Bestandteil der Interpretation dieser Passage nun auch die Annahme erachten, daß der Erzähler in ihr einen énonciateur E zu Wort kommen läßt, der ausgehend von X auf Y schließt, so bedeutet dies, daß E als ein "Diskursteilnehmer" präsentiert wird, der all diejenigen Individuen umfaßt, die erstens die in X genannten (und gegebenenfalls weitere nicht genannte) Sachverhalte beobachten konnten und die zweitens ausgehend von diesen Beobachtungen die Inferenz auf das Vorliegen des in Y genannten Sachverhaltes vollzogen haben. Daß der Erzähler sich zu ihnen rechnet (d.h. sich als jemand präsentiert, der nicht nur die betreffenden Beobachtungen gemacht hat - das erscheint zwingend -, sondern auch die darauf aufbauende Inferenz vollzogen hat), ist eine Information, die wir dem Kontext entnehmen können; jedenfalls enthält dieser bis zum Ende der wiedergegebenen Passage kein dem zuwiderlaufendes Indiz.




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Kontrastieren wir damit nun die unter (34) zitierte Passage. Der hier präsentierte énonciateur E ist mit der Gruppe derjenigen zu identifizieren, die den Sohn der Erzählerin kennen (und von daher u.a. wissen, daß er Drehbücher schreibt, sich gerne zuhause aufhält und seine Mutter liebt) und infolgedessen die Inferenz auf den Inhalt von Y (il ne s'en fait pas) vollzogen haben. Die Erzählerin gehört nun zwar ebenfalls zu denen, die ihren Sohn kennen - sonst könnte sie nicht geäußert haben: Il écrit des scénarios. Il aime être en famille. Il m'aime -, dem Diskursteilnehmer E rechnet sie sich dennoch nicht zu, denn sie selbst vollzieht die Inferenz auf den Inhalt von Y gerade nicht, was sie durch mais je sais qu'il se ronge zum Ausdruck bringt. Hier erzwingt also bereits die unmittelbar folgende Diskursfortsetzung die Interpretation, wonach die Erzählerin sich von dem durch E vertretenen Standpunkt distanziert (was uns - unter herkömmlicher Perspektive - für apparemment die Bedeutungsvariante 'en apparence seulement' annehmen läßt).

Die Gegenüberstellung dieser beiden Beispiele führt uns nun dazu, noch einmal nach den Bedingungen zu fragen, unter denen erkennbar wird, daß der Sprecher sich mit E identifiziert.

Zum einen - ein erster Hinweis darauf war bereits in Abschnitt 3.2 mit Bezug auf das Beispiel (36) gegeben worden - löst offenbar ein dem apparemment unmittelbar vorausgehendes Vorkommen des Konnektors mais die Interpretation 'Sprecher identifiziert sich mit E' aus. Eine Distanzierung von E erscheint ausgeschlossen. Dies ist insofern plausibel, als mais eine Diskurskonstituente einleitet, deren argumentative Relevanz vom Sprecher hervorgehoben wird (vgl. Moeschler 1989; Kotschi 1993). Es wäre somit widersprüchlich, wenn der Sprecher sich gleichzeitig von ihrem Inhalt distanzieren wollte.

In allen anderen Fällen, d.h. wenn apparemment nicht im Skopus eines Ausdruckes steht, der die Interpretation 'Sprecher identifiziert sich mit E' unmittelbar auslöst, kann diese nur so lange unterstellt werden, wie dem Kontext (oder der Diskurswelt) nichts Gegenteiliges zu entnehmen ist. So ist diese Interpretation für den oben besprochenen Ausschnitt (32) nur "bis auf weiteres" gegeben. Ein Hinweis darauf, daß der Sprecher sich von E distanziert, kann weder für die denkbaren Fortsetzungen einer Sequenz wie (32), noch generell ausgeschlossen werden; im vorliegenden Fall könnte der Erzähler im weiteren Verlauf der Erzählung immer noch zu verstehen geben, daß er es anders wußte! Andererseits könnte in Ausschnitt (34) eine auf il ne s'en fait pas folgende andere Fortsetzung durchaus die Interpretation 'Sprecherin identifiziert sich mit E' zulassen.

Die Interpretation von X apparemment Y im Sinne von 'Sprecher identifiziert sich mit E' scheint somit in solchen Fällen immer nur eine vorläufige sein zu können; sie entspricht offensichtlich einer unmarkierten, zunächst angebotenen (default-)Version, die erst aufgegeben werden muß, wenn Kontext oder Diskursuniversum Informationen bereitstellen, die die Interpretation 'Sprecher distanziert sich von E' erreichbar machen; insofern repräsentiert letztere dann die markierte Version. So betrachtet wird verständlich, daß gelegentlich auch in zunächst unproblematisch erscheinenden Fällen (wie solchen vom Typ des Beispiels (32)) schließlich doch eine Unsicherheit darüber bestehen bleiben kann, ob apparemment eindeutig die Interpretation 'selon toute apparence' gestattet.

Dies führt uns nun zu denjenigen Fällen, in denen - wie wir es oben in Abschnitt 3.2 formuliert hatten - die zur Bedeutung von apparemment gehörende Ambiguität bestehen zu bleiben scheint. Als Beispiel war dort u.a. der (hier in erweitertem Umfang unter (63) noch einmal wiederholte) Ausschnitt (20) angeführt worden:

(63) [...] c'est ça qui m'impressionne beaucoup au fond dans la pratique littéraire, c'est que ce n'est pas une pratique véritablement d'expression, d'expressivité, de reflet, mais c'est une pratique de copie, une pratique d'imitation, de copies infinies. Et c'est pour cela je crois que c'est un objet finalement très difficile à définir, parce que c'est un objet de langage, c'est un pur objet de langage. Or au fond le langage bien que apparemment il soit à la mode depuis une vingtaine d'années, c'est tout de même un plan de réflexion auquel nous résistons beaucoup, nous résistons beaucoup à réfléchir sur le langage parce que cela nous met immédiatement en cause nous-mêmes [...].
[vgl. Beisp. (20)]




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Der Konnektor apparemment erscheint hier als Teil eines von bien que eingeleiteten, subordinierten Konzessivsatzes, der so in den Matrixsatz eingebettet ist, daß die hierarchisch übergeordnete Diskursebene, der letzterer angehört, unmittelbar an den Konzessivsatz anschließend ihre Fortsetzung findet. Für die Interpretation von apparemment bedeutet das: die Konstituente Y im Nachbereich von apparemment enthält keinen Hinweis darauf, ob der Sprecher sich mit E identifiziert oder von E distanziert. Die Grundlage für eine Entscheidung hierüber könnte - wie wir gesehen haben - in erster Linie der Folgediskurs liefern. Da dieser jedoch auf der entsprechenden hierarchischen Ebene nicht fortgesetzt wird - denn der Sprecher geht mit der Fortsetzung des Matrixsatzes (c'est tout de même un plan de réflexion ...) auf die nächst höhere Ebene zurück -, kann es (zumindest an dieser Stelle) zu einer Klärung nicht kommen und es bleibt offen, welche der beiden Interpetationen gewählt werden soll.

 

6 Zusammenfassung

Das Adverb apparemment hat - sowohl in der Bedeutung 'selon toute apparence' als auch in der Bedeutung 'en apparence seulement' - zwei Verwendungsweisen: eine, in der es die Funktion eines Operators hat, und eine, in der es als Konnektor fungiert. In diesem Beitrag wurde ausschließlich die zweite dieser beiden Verwendungsweisen betrachtet.

Ausgehend von einer kurzen Untersuchung der syntaktischen Eigenschaften dieses Konnektors wurde die Ambiguität der Struktur X apparemment Y besprochen und gezeigt, daß die Bedeutung 'selon toute apparence' eine Variante darstellt, die insofern als unmarkiert gelten kann, als sie die Grundlage für eine "zunächst" und "bis auf weiteres" anzunehmende Interpretation liefert, während die Bedeutung 'en apparence seulement' als markierte Variante eine ihr entsprechende Interpretation immer nur in Abhängigkeit vom Kontext abzuleiten gestattet.

Mit Blick auf die unmarkierte Bedeutungsvariante von apparemment wurde sodann danach gefragt, wie die in Strukturen des Typs X apparemment Y ausgedrückte Verknüpfungsrelation durch die semantischen Eigenschaften von apparemment spezifiziert wird. Dabei spielten drei Aspekte eine Rolle. Erstens kann diese Relation insofern als eine (in einem weiten Sinne zu verstehende) Relation der Konsekutivität beschrieben werden, als X apparemment Y im Standardfall so zu interpretieren ist, daß ausgehend vom Zutreffen des in X dargestellten Sachverhalts geschlossen werden kann, daß auch der durch Y dargestellte Sachverhalt zutrifft; die dabei ins Spiel kommende Inferenzprozedur hat die Form einer Induktion. Zweitens repräsentiert X aus X apparemment Y eine "Diskurskonstituente", die - auch wenn sie ganz oder teilweise implizit bleibt und aus Kontext oder Diskursuniversum zu erschließen ist - insofern als komplex zu bezeichnen ist, als mit ihr die Darstellung von mehr als einem Sachverhalt geleistet wird. Drittens hat die durch apparemment zum Ausdruck gebrachte Relation einen modalen Charakter, da bei der Verwendung dieses Konnektors auch eine Angabe über die "Herkunft" der vom Sprecher übermittelten Information gemacht wird. Der Sprecher präsentiert die in Y enthaltene Sachverhaltsdarstellung nämlich nicht nur als das Ergebnis einer Inferenzprozedur schlechthin, sondern als dasjenige einer Inferenzprozedur, die bereits zu einem vor der Sprechzeit liegenden Zeitintervall vollzogen wurde. Es kann sich also auch um das Ergebnis einer Inferenzprozedur handeln, die vom Sprecher und von anderen oder auch nur von anderen vollzogen wurde.




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Dieser zuletzt genannte Aspekt liefert einen Ansatzpunkt dafür, die Beziehung zwischen den beiden Bedeutungsvarianten von apparemment einer Betrachtungsweise zu unterziehen, die es erlaubt, bei deren Beschreibung einen höheren Grad an Generalisierung zu erreichen. So wurde abschließend vorgeschlagen, ein für die Interpretation der Struktur X apparemment Y zentrales Charakteristikum durch Rückgriff auf das Konzept der Polyphonie zu erfassen: durch den Konnektor apparemment wird eine Diskursinstanz eingeführt, die mit allen Individuen gleichzusetzen ist, die ausgehend von X die Inferenz auf Y vollzogen haben können, derart, daß der Sprecher sich entweder mit dem von dieser Diskursinstanz vertretenen Standpunkt identifizieren oder aber sich von ihm distanzieren kann. Entsprechend geht entweder die eine oder die andere Bedeutungsvariante von apparemment in die Interpretation des Diskurszusammenhanges ein. Es bleibt zu prüfen, inwiefern die hier erkennbar werdenden Funktionseigenschaften dieses Adverbs bei einer Neufassung des eingangs wiedergegebenen Eintrags im Nouveau Petit Robert Berücksichtigung finden können.



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Anmerkungen

1 Einen guten und kritischen Überblick über diese und alle anderen Veränderungen, die die neue Ausgabe im Vergleich mit der alten aufweist, liefert Heinz (1994).

2 Lediglich angemerkt werden soll, daß durch diese Korrektur der Status des (unverändert angegebenen) Antonyms effectivement insofern unklar geworden ist, als offen bleibt, ob es sich (wie in der Ausgabe von 1977) auf apparemment in der Bedeutung von 'selon toute apparence', auf apparemment im Sinne von 'en apparence seulement' (was plausibler wäre) oder auf apparemment in beiden Bedeutungen bezieht.

3 Apparemment wird (in z.T. ausführlicherer Weise) berücksichtigt in Ernst (1977), Roulet (1979), Hansén (1982), Nøjgaard (1993) und Guimier (1996).

4 Auf den ersten Blick etwas irritierend ist in dieser Hinsicht das folgende Beispiel, in dem apparemment im Skopus von sans doute steht (das dem gleichen Typ wie probablement angehört):
(i) [...] il était lui aussi décemment habillé de vêtements décents, et même confortables (pensant: "un confortable costume recouvrant une prothèse ..."), et son visage sans doute apparemment décent lui aussi puisque personne ne se détournait (ou ne se retournait) à sa vue [...]
[Simon, zit. nach Robert Electronique]
Aufgrund seiner Position nach sans doute (auf das sich auch der anschließende puisque-Satz bezieht) ist apparemment hier jedoch als Adverb mit Operator-Funktion zu interpretieren. (Eine mögliche Paraphrase lautet: '... und zweifellos war auch sein Gesicht offensichtlich schicklich ...' bzw. '... und zweifellos hatte auch sein Gesicht ein offensichtlich schickliches Aussehen ...'). Ohne sans doute wäre nur schwer entscheidbar, ob apparemment in Operator- oder in Konnektor-Funktion steht, denn für die Variante ... et son visage apparemment décent lui aussi ... erscheint eine Interpretation der Art '... und offensichtlich war auch sein Gesicht schicklich ...' keineswegs ausgeschlossen.

5 Für den vorliegenden Beitrag wurde Le Robert Electronique, ein Teil der im Discotext-Korpus enthaltenen Texte sowie das von Hoßbach zusammengestellte Korpus (vgl. Hoßbach 1997) ausgewertet. Außerdem wurden die in Nøjgaard 1993, Hansén 1982 und Guimier 1996 enthaltenen sowie eine Reihe auf andere Weise zusammengetragener Beispiele berücksichtigt.




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6 Für den Hinweis auf die Beispiele (28), (33) und (35) danke ich Stefanie Hoßbach.

7 Als lediglich veraltet oder literarisch wird offensichtlich die intraprädikative Variante von évidemment empfunden, vgl. den entsprechenden Eintrag des Petit Robert, der das folgende Beispiel nennt:
(i) Ne recevoir jamais aucune chose pour vraie, que je ne la connusse évidemment être telle.
[Descartes]
Evidemment hat hier etwa die Bedeutung 'd'une manière évidente, à l'évidence'; vgl. ferner:
(ii) Les uns veulent toujours croire aveuglément, les autres veulent toujours voir évidemment.
[Malebranche, zit. nach Littré 1878]
Beispiele für das Vorkommen der intraprädikativen Variante von manifestement finden sich in Texten des 17. Jahrhunderts, vgl.
(iii) La vertu de Dieu s'étant fait connaître manifestement.
[Lemaistre de Saci, zit. nach Littré 1878]
(iv) Cette présence immuable de l'éternité, toujours fixe, toujours permanente enfermant en l'infinité de son étendue toutes les différences des temps, il s'ensuit manifestement que le temps peut être en quelque sorte dans l'éternité.
[Bossuet, zit. nach Littré 1878]

Das Beispiel (iv) weist im übrigen eine Struktur auf, die als Zwischenglied beim Übergang von der intraprädikativen zur exophrastischen Verwendung dieses Adverbs fungiert haben könnte: ein häufiger verwendetes il s'ensuit manifestement que p konnte vermutlich leicht zu manifestement, p reduziert werden. Das Dictionnaire Historique vermerkt dazu lediglich: "L'adverbe manifestement «de façon notoire» (1190) a glissé, dans l'usage moderne, vers la valeur d'«évidemment» en fonction d'adverbe de phrase" (s.v. manifeste).

Was apparemment betrifft, so sind von der intraprädikativen Variante nur noch Spuren aus altfranzösischer Zeit zu finden. Zur Form apparaument - die offensichtlich in gleicher Funktion wie apparemment und apparément verwendet wurde - läßt sich das folgende Beispiel anführen:
(v) Où les Archiers fauldront, l'en doit asseoir les autres qui n'ont nulz arcs ... mais ilz doivent estre assis plus au descouvert et plus apparaument que les Archiers.
[Modus et Racio, Ms f° 78, zit. nach La Curne de Sainte-Palaye (1875), s.v. apparaument]

8 Vgl. etwa:
(i) Je ne connais pas assurément son écriture.
[Voiture, zit. nach Littré 1878]
(ii) Le bien que j'estime le plus est celui que je crois posséder le plus assurément.
[Voiture, zit. nach Littré 1878]

9 Zu den Unterschieden zwischen manifestement, visiblement und évidemment einerseits und apparemment andererseits gehört offensichtlich auch das uneinheitliche Verhalten in Fragesätzen des Typs (i):
(i) Est-ce que Mouzon est {manifestement + visiblement + *apparemment} le meilleur boxeur?

10 Man vergleiche dazu die für apparent üblicherweise gemachte (und hier nach Petit Robert wiedergegebene) Unterscheidung zwischen 'ce qui apparaît, se montre clairement aux yeux' (z.B. in sans cause apparente) einerseits und 'qui n'est pas tel qu'il paraît être, qui n'est qu'une apparence' (z.B. in le mouvement apparent du Soleil autour de la Terre) andererseits. Entsprechend lauten die Bedeutungsangaben zu apparence: 'aspect qui nous apparaît de qqch., ce qu'on voit d'une personne ou d'une chose, la manière dont elle se présente à nos yeux' (vgl. les diverses apparences de la Lune) und 'l'aspect, l'extérieur d'une chose considérés comme différents de cette chose (réalité)' (vgl. un caractère indomptable sous une apparence de douceur). Für die Beurteilung dieser Variation sehr aufschlußreich sind auch die Bedingungen, unter denen sie sich historisch herausgebildet hat; sie werden im Dictionnaire historique in der folgenden, sehr instruktiven Form zusammengefaßt (s.v. apparaître):




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APPARENT, ENTE [...] adjectif signifiant à la fois en ancien français «qui appert, apparaît» et «très visible», d'où «notable, important» (1385). [...] En français apparent s'emploie au concret et à l'abstrait (1413) pour «évident». Sa connotation littéraire, «qui n'est pas tel qu'il paraît être» (1649), est liée à apparence (ci-dessous); alors que l'originalité de l'adjectif réside dans sa spécialisation scientifique, attestée au XVIIe s. (1690, Furetière), notamment en astronomie (diamètre, horizon, lieu, mouvement ... apparent). Cet emploi est lié à l'évolution de l'observation scientifique et à la dialectique observateur-objet: les aspects apparents sont mesurables autant que les aspects «vrais», et ils sont significatifs du rapport de connaissance.

APPARENCE n.f. est un emprunt au latin de basse époque apparentia, autre dérivé du latin classique apparere, qui signifie «présence», comme apparitio, dans la langue de l'Église, et (VIes.) «aspect extérieur, visible». t C'est dans ce dernier sens qu'il passe en français au XIIIe siècle [...]. à D'une valeur neutre, «ce qu'on voit, perçoit», il passe à plusieurs implications successives, liées aux sens de apparaître, notamment «caractère vraisemblable» (1468), valeur très vivante aux XVIIe-XVIIIe s. qui [...] a laissé des locutions comme selon, contre toute apparence; elle correspond à celle de l'adverbe apparemment. à Une autre valeur, qui a envahi le sémantisme du mot, apparaît au milieu du XVIIe siècle; elle concerne l'aspect extérieur, souvent distinct du réel et même opposé à la réalité, l'apparence, les apparences étant considérées comme un leurre, lié à la faiblesse des sens et de la raison humaine. Des locutions antérieures (comme sous apparence [1669], en apparence [1636]) ont été absorbées par ce sens, développé par la philosophie religieuse, notamment janséniste, puis par tous les courants critiques, avant et après Kant.

11 Für die Interpretation der beiden bien que-Beispiele spielt wahrscheinlich auch die Position eine Rolle: Es ist gut denkbar, daß die Stellung des Konnektors an der Spitze des subordinierten Satzes die Ambiguität favorisiert, die Position (ii) hingegen eher die positive Bedeutung auslöst, in Übereinstimmung mit der auch für andere Konnektoren in dieser Position zu beobachtenden "valeur modale forte" (vgl. Rossari/Jayez 1996: 129).

12 Ein Sprecher kann etwas glauben, beispielsweise weil er aufgrund rationaler Begründbarkeit davon überzeugt ist, daß es zutrifft (so wird Glauben etwa bei Motsch 1987: 47 interpretiert), er kann etwas glauben, weil andere es glauben oder einfach weil er es glauben möchte.

13 Vgl. auch Tasmowski/Dendale 1994, wo allerdings etwas andere Untergliederungen vorgenommen werden.

14 Darin unterscheidet devoir sich von pouvoir: Würde im vorliegenden Zusammenhang der Satz Il peut avoir travaillé beaucoup aujourd'hui verwendet, so käme zum Ausdruck, daß es auch andere Möglichkeiten gibt.

15 Bezogen auf das in Roulet et al. (1985) entwickelte diskursanalytische Modell handelt es sich bei der Version (57a) um eine dialogal-monologische Situation - zwei reale Sprecher realisieren gemeinsam eine aus einem dominierenden und einem subordinierten Sprechakt bestehende intervention; die Version (57b) repräsentiert den Standardfall einer dialogal-dialogischen Situation (in der die beiden realen Sprecher zwei énonciateurs entsprechen, die die beiden interventions realisieren, die ihrerseits dann einen échange konstituieren).

16 Die Plausibilität dieser Annahme wird vor allem von Berrendonner in seinen ausführlichen Erörterungen zur sogenannten ON-vérité aufgezeigt, vgl. Berrendonner (1981: 35).


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