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Wiltrud Mihatsch (Tübingen)



Wieso ist ein Kollektivum ein Kollektivum?
Zentrum und Peripherie einer Kategorie am Beispiel des Spanischen 1



What is a collective noun?
The aim of this study is to explore the distinctions between collectives, mass nouns, individual nouns, and the plural by analysing Spanish and other data. Most properties of collectives show striking parallels to perceptual phenomena like gestalts. The comparison with the inflectional plural as well as evidence from typologically different languages will reveal a strong correlation of the semantics and the morphology of collectives, e.g. their storage as lexical units in the mental lexicon.



1 Einführung

1.1 Was ist ein Kollektivum?

Für Kollektiva taucht bisweilen auch der deutsche Terminus "Sammelbezeichnung" auf. Was aber "sammeln" Kollektiva? Semantisch betrachtet beinhalten sie eine Art Doppelstruktur: Lexeme wie z.B. sp. rebaño 'Herde' referieren auf einzelne Individuen, die also "versammelt", d.h. als diskreter Gegenstand konzeptualisiert werden (vgl. Flaux 1999: 472, Holenstein 1982: 17). Individuativa wie z.B. sp. vaca 'Kuh' bezeichnen hingegen Individuen, die ihrerseits nicht teilbar sind. Kontinuativa oder Massennomina, z.B. sp. leche 'Milch', bezeichnen schließlich kontinuierliche Elemente ohne Abgrenzung nach außen. Kollektiva hingegen sind sowohl nach innen teilbar als auch nach außen abgegrenzt.

Fig. 1

In den romanischen wie auch den meisten anderen indoeuropäischen Sprachen dominieren Individuativa das Nominalsystem,2 der Plural wird durch Flexionsmorpheme markiert. Die kognitiv günstige Gestaltkonstanz der Referenten der Individuativa erklärt deren frühen Erwerb, diese werden noch vor anderen Nomina, wie z.B. Massennomina, aber auch vor typischen Verben und Adjektiven gelernt (Gentner 1982: 305). Sie bilden die Grundlage der Kategorie der Substantive in diesen Sprachen.3 Kollektiva gehören also zu einer weniger zentralen lexikalischen Kategorie, in der auch zahlreiche Wortbildungsprodukte zu finden sind.


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1.2 Typen von Kollektiva

Kollektiva sind durch die obligatorische Referenz auf mehrere Elemente und ein sie verbindendes Moment definiert, der ihnen Gegenstandscharakter verleiht. Andere Eigenschaften sind variabel. Innerhalb der Kategorie der Kollektiva sollen zunächst zwei Typen vorgestellt werden, die Leisi (41971: 31ff.) Gruppenkollektiva und Genuskollektiva nennt.4

Ein Gruppenkollektivum wie rebaño 'Herde' bezeichnet eine eher abgeschlossene Vereinigung einer bestimmten Anzahl von Individuen, die typischerweise spatiotemporal zusammengehören, also kontig sind, und so Gestalteigenschaften besitzen. Hier sind besonders Indizien für den Gegenstandscharakter zu finden. Die Zugehörigkeit der Referenten und damit auch der Elementkategorien zu einem Kollektivum ist meist kontingent und oft temporär. Nicht jede Kuh gehört zu einer Herde. Gruppenkollektiva zeigen sowohl durch ihren Gegenstandscharakter als auch die häufige Heterogenität der Teile eine gewisse Nähe zu Individualnomina.

Genuskollektiva wie z.B. sp. ropa 'Kleidung' bezeichnen typischerweise eine Klasse von Individuen (also eine offene Anzahl), die keine Gestalteigenschaften besitzt und deren Elemente höchstens schwach kontig sind. Die Kohäsion entsteht durch Similarität der Mitglieder, also durch die Elementqualität. Die Zugehörigkeit der Elemente zum Genuskollektivum ist konstant. Jedes Hemd zählt zur Kleidung. Durch die intrinsische Ähnlichkeit der Elemente werden diese als homogene Gattung kategorisiert. Genuskollektiva zeigen im Fehlen einer starken Gegenstandsqualität und ihrer internen Homogenität eine große Nähe zu Kontinuativa.

Genuskollektiva und Gruppenkollektiva stellen keine diskreten Kategorien dar, sondern befinden sich bezüglich der Kollektivität an den Extremen eines Kontinuums.


1.3 Die Position der Kollektiva in anderen Sprachtypen

Einige der wenigen indoeuropäischen Sprachen, die die singularische Referenz (die semantisch gesehen Individuativa entspricht) morphologisch markieren, sind keltische Sprachen wie z.B. das Bretonische oder Walisische. Die unmarkierten Substantive sind Transnumeralia, d.h. sie sind bezüglich des Numerus nicht spezifiziert (Greenberg 1972: 20 und Kuhn 1982b: 62) und der Singulativ wird durch ein Flexionsmorphem ausgedrückt (Kuhn 1982b: 65f.). Hierzu ein Beispiel aus dem Bretonischen:

(1) ed 'Getreide'
(2) edenn 'Getreidekorn'
(3) edennou 'Getreidekörner' (Biermann 1982: 234)

Das Individuativum in (2) ist morphologisch komplexer als das transnumerale Substantiv in (1), von (2) wird wiederum ein Plural (3) abgeleitet.


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Auch die Substantive von Klassifikatorsprachen wie das Chinesische oder Japanische sind transnumeral und benötigen Numeralklassifikatoren, um das Nomen zu quantifizieren, also für die Fälle, die (2) und (3) in Singulativsprachen entsprechen (Greenberg 1972: 20 und Krifka 1989: 8). Die Klassifikatorkonstruktion entspricht der folgenden Konstruktion im Spanischen:5

(4) una cabeza de ganado 'ein Stück Vieh'

Klassifikatoren (die der Funktion von cabeza, wörtl. 'Kopf', in (4) entsprechen) und der Singulativ lösen Einheiten aus den transnumeralen Substantiven (Greenberg 1972: 3) und werden daher nur beim Zählen von Einheiten gebraucht, also oft nicht mit höheren Numeralia, wo die Gesamtmenge konzeptualisiert wird, nicht die Anzahl einzelner Elemente (Greenberg 1972: 6).

Diese typologisch unterschiedlichen Nominalsysteme sind selten in Reinform vorzufinden, meist handelt es sich um Mischsysteme mit bestimmten Präferenzen. Auch die hier untersuchten romanischen Sprachen besitzen ein gemischtes System, denn neben der wichtigsten Gruppe der Individuativa besitzen sie ja auch Kontinuativa (oder Massennomina) und Kollektiva.


1.4 Problematische Fälle

Lexeme wie sp. rebaño 'Herde' werden in Lexika, Referenzgrammatiken und Arbeiten über Kollektiva eindeutig als solche identifiziert. Allerdings gibt es neben diesen allgemein anerkannten Fällen eine große Zahl von Lexemen, deren Status umstritten ist. Bosque (1999: 53f.) beispielsweise betrachtet sp. ganado 'Vieh' als Kontinuativum, Leisi (41971: 27–39) und viele andere ordnen das deutsche Pendant Vieh hingegen klar als Kollektivum (genauer gesagt als Genuskollektivum) ein. Auch Lexeme wie Gruppe betrachtet Leisi als Kollektiva (genauer gesagt als Gruppenkollektiva). Bosque (1999: 23) beurteilt auch hier die spanische Entsprechung grupo eher als quantifizierendes Substantiv denn als Kollektivum.

Ziel dieser Untersuchung ist es, die zentralen Merkmale von Kollektiva anhand vorwiegend spanischer Beispiele zu beleuchten und zu zeigen, wo die Grenzen zu benachbarten Kategorien verlaufen. Es wird sich zeigen, dass diese lexikalische Klasse auffallend stark durch Prinzipien der visuellen Wahrnehmung, insbesondere durch Gestaltphänomene, bestimmt ist. Die hier diskutierten Probleme sind übereinzelsprachlich relevant, daher werden auch Beispiele aus anderen Sprachen mit dem selben Typ Nominalsystem angeführt.


2 Beschreibungsparameter typischer Kollektiva

Die beiden wichtigsten Beschreibungsparameter von Kollektiva sind, wie unter 1.1 beschrieben, die Referenz auf eine Pluralität von Individuen sowie deren Konzeptualisierung als Gestalt (deutlich bei Gruppenkollektiva). Im Folgenden sollen diese Charakteristika und die ebenfalls relevanten Eigenschaften der Elemente sowie die sprachlichen Auswirkungen dieser Eigenschaften vorgestellt werden.


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2.1 Pluralität von Individuen

Das wichtigste Merkmal der als Kollektiva bezeichneten Nomen ist die semantische Pluralität. Kollektiva referieren immer auf mehrere Individuen und sind so semantisch der flexivischen Kategorie des Plurals sehr ähnlich. So können bei Übersetzungen beispielsweise Kollektiva der einen Sprache oft durch pluralische Individuativa in der Zielsprache wiedergegeben werden, häufig ohne Bedeutungsverlust6. Dabei handelt es sich um eine der Kategorie des Plurals inhärente Ambiguität:7

(5) Die Soldaten bekamen hundert Mark. (Link 1991: 427)
(6) Die Soldaten bekamen je hundert Mark.
(7) Die Soldaten bekamen zusammen hundert Mark.

Beispiel (5) hat zwei Lesarten, das Beispiel kann in der distributiven, aufzählenden Lesart (6) paraphrasiert werden oder in der kollektiven, zusammenfassenden Lesart (7). Beim distributiven Plural wird jeder einzelne Referent gesondert konzeptualisiert, und so bezieht sich das Prädikat hier auf jeden einzelnen Soldaten, während beim kollektiven Plural die Gruppe, nicht der Einzelne, betrachtet wird. Im kanadischen Französisch können pluralische Substantiva in dieser Lesart syntaktisch sogar singularisch werden (Curat 1988: 35):

(8) mon vingt dollars 'mein zwanzig Dollar'

Kollektiva übernehmen also eine der Funktionen des Plurals (wobei auch Kollektiva bezüglich der Lesart bis zu einem gewissen Grad flexibel sein können). Ein Beweis für die semantische Nähe von Plural und Kollektiva ist die Tatsache, dass Kollektiva oft lexikalisierte Plurale sind. Im Falle der romanischen Sprachen sind hier besonders ursprüngliche lateinische Neutra zu nennen (lat. n.pl. vascella 'kleine Gefäße'> sp. fem.sg. vajilla 'Geschirr' (DCECH). Im Italienischen entstand daraus sogar ein relativ regelmäßiges (aber heute unproduktives) Muster zur Bildung des kollektiven Plurals (vgl. Ojeda 1995), die sog. "nomi sovrabbundanti" (vgl. i diti 'die Finger' und le dita 'alle Finger einer Person'). Curat (1988: 47) zeigt die Tendenz unregelmäßiger Plurale im Französischen, als interne Plurale (denen in meiner Terminologie die kollektive Lesart entspricht) gebraucht zu werden: animaux 'Tiere' entspräche règne animal 'Tierreich'. Allerdings handelt es sich natürlich um eine generell mögliche Lesart des flexivischen Plurals.

Es gibt eine Reihe von Phänomenen, die Indiz sind für die semantische Pluralität von Kollektiva – darin unterscheiden sie sich von Individuativa und Massennomina. Im Folgenden soll eine kleine Auswahl vorgestellt werden.Pluralität bedeutet zunächst, dass Kollektiva im Gegensatz zu Kontinuativa auf Individuen referieren müssen. Evidenz hierfür sind z.B. Adjektive wie grande, die sich auf die diskreten Elemente wie in (9), nicht das ganze Kollektivum wie in (10) beziehen:

(9) gente grande 'große Leute'
(10) gentío grande 'große Menschenmenge' (Bosque 1999: 54)

Ein weiterer Hinweis auf Individuen als Teil der Bedeutung von Kollektiva ist die Möglichkeit von Klassifikatorkonstruktionen (vgl. Krifka 1989: 12), wobei das zweite Nomen der Konstruktion weder ein Plural von Individuativa noch ein Kontinuativum sein kann:


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(11) una cabeza de ganado 'ein Stück Vieh'

Da ganado auf Individuen referiert, können diese durch Klassifikatoren vollständig isoliert werden.Kollektiva referieren nun aber nicht auf ein Individuum, sondern auf eine Pluralität von Individuen. Die Pluralität kann sich zum Beispiel darin äußern, dass Kollektiva mit Adjektiven wie numeroso 'zahlreich' verwendet werden können, die Pluralität verlangen (Bosque 1999: 43):

(12) el numeroso público 'das zahlreiche Publikum' (Bosque 1999: 45)
(13) familias numerosas 'kinderreiche Familien' (Bosque 1999: 45)

Die Verwendung mit Kontinuativa (14) und singularischen Individuativa (15) ist ungrammatisch:

(14) *leche numerosa 'zahlreiche Milch'
(15) *la manzana numerosa 'der zahlreiche Apfel'

Auf der Ebene der Syntax kann sich ebenfalls die semantische Pluralität der Kollektiva manifestieren. Die grammatische Kongruenz bei Kollektiva ist eigentlich der Singular:

(16) Une troupe d'oies sauvages traversa le ciel de la prairie.
'Ein Schwarm von Wildgänsen flog [3p.sg.] quer über den Präriehimmel.'(R. Bazin, Il était quatre petits enfants, XI ) (Grevisse 1993/13: 653)

In manchen Kontexten ist allerdings die pluralische Kongruenz ("ad sensum") nicht ungewöhnlich:(17) Un troupeau de cerfs nous croisent. (Camus, Eté, S. 177) 'eine Herde von Hirschen begegnen uns' (Grevisse 1993/13: 653)

Je spezifischer und stärker individualisiert die Mitglieder sind, desto wahrscheinlicher ist die Pluralkongruenz (Hirsche sind schon aufgrund ihrer Größe salienter als Gänse8). Besonders häufig ist sie bei Kollektiva mit menschlichen Mitgliedern zu beobachten.

Dabei muss es sich in manchen Varietäten nicht einmal um Kollektivkonstruktionen handeln, wie Michaux für das Standardfranzösische feststellt (Michaux 1992: 113). Im Standardenglischen, aber auch im "canadien populaire", findet man die Pluralkongruenz bei einfachen Kollektiva:9

(18) Le monde sont fous 'Die Leute sind verrückt'10 (Curat 1988: 35)


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Ein wichtiger Faktor ist dabei auch die syntagmatische Entfernung zwischen Kollektivum und Verb. Je größer die Distanz, desto wahrscheinlicher ist die Pluralkongruenz, da der Sprecher nur die pluralische Bedeutung behält und die singularische Form vergisst. Die Erkenntnis, dass die sprachliche Form eines Satzes nur kurz für das Verständnis gespeichert wird und anschließend im Gedächtnis nur die semantische Information des Satzes als Ganzes übrig bleibt, gilt besonders für konkrete Inhalte (Paivio 1971: 458). Vor allem trifft das auf das Medium der gesprochenen Sprache zu, denn dort ist die sprachliche Form noch flüchtiger als im graphischen Medium.

Auffallend häufig ist die Kongruenz "ad sensum" außerdem bei 'N1 de N2'-Konstruktionen zu beobachten, denn hier werden die Individuen auf syntagmatischer Ebene explizit genannt.

Aufgrund ihrer inhärenten Pluralität können viele Kollektiva wie Kontinuativa und Plurale und im Gegensatz zu singularischen Individuativa fusionieren oder geteilt werden:

(19) La mitad del público 'die Hälfte der Zuschauer' (siehe auch Borillo 1997: 112)

Kollektiva wie público können Elemente verlieren oder dazugewinnen, ohne ihre Identität zu verlieren (Dubois/ Dubois-Charlier 1996: 131 und Flaux 1999: 477), allerdings gilt dies nicht für alle Kollektiva: Ein Quartett hat eben per Definition vier Mitglieder, und die Mehrheit eines Komitees muß nicht wiederum ein Komitee bilden. Manche, nicht alle, Kollektiva referieren also wie Massennomina und distributive Plurale kumulativ und divisiv. Ein fast schon banaler Hinweis auf Pluralität ist die festgelegte Zahl der Mitglieder bei Kollektiva des Typs Quartett, die nach der Klassifikation der Real Academia als "colectivos determinados" bezeichnet werden (Esbozo 1973: 187). Bei der Referenz kann es dabei zu scheinbaren Anomalien kommen (vom Typ "Das Quartett hat derzeit nur ein Mitglied"), was nicht bedeutet, dass sich die Intension ändert. Vielmehr handelt es sich um "defekte" Referenten.Kollektiva zeichnen sich somit durch eine obligatorische Referenz auf eine Pluralität von Individuen aus.


2.2 Der Gegenstandscharakter von Kollektiva

Trotz der zahlreichen Parallelen unterscheiden sich Kollektiva semantisch und syntaktisch vom flexivischen Plural und sind semantisch deutlich komplexer, wodurch die Pluralität je nach Lexem mehr oder weniger verdeckt werden kann: Die Elemente zusammen ergeben typischerweise ein neues Ganzes. Semantisch sind Kollektiva daher mehr als die Summe ihrer Teile. Der Ausdruck un rebaño de cincuenta vacas 'eine Herde von fünfzig Kühen' enthält mehr Informationen als cincuenta vacas 'fünfzig Kühe'. Dies nähert Kollektiva wiederum den Individuativa an, und darin unterscheiden sie sich von den Kontinuativa und den nichtkollektivischen Lesarten des Plurals. Kuhn nennt dies den "Gegenstandscharakter" der Kollektion (Kuhn 1982b: 56), d.h. es können Außengrenzen vorhanden sein, und es gibt eine begrenzte Mitgliedschaft, was Langacker "bounding" nennt (vgl. Langacker 1990: 63–67). Hier ist jedoch Vorsicht vor allzu schnellen Generalisierungen geboten, denn der Gegenstandscharakter kann sehr unterschiedliche Formen und Ausprägungen annehmen. Man kann sicher sagen, dass die Übersummativität meist durch spatiotemporale Kontiguität entsteht, so bilden in sehr lockeren Abständen wachsende Bäume eben noch keinen Wald.


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Oft ist außerdem die Konfiguration der Elemente vorgegeben (vgl. un ramo de rosas 'ein Strauß Rosen' und veinte rosas 'zwanzig Rosen'). Dass bei der Übersetzung durch Plurale trotzdem meist die kollektive Bedeutung erhalten bleibt, liegt an der möglichen kollektivischen Lesart des Plurals.

Damit korreliert häufig eine gemeinsame Funktion der Mitglieder, die so auch eine permanentere Gegenstandsqualität erzeugt, z.B. sp. dentadura 'Gebiß', bzw. bei menschlichen Elementen soziale Beziehungen (Flaux 1999: 479), wobei die spatiotemporale Kontiguität nicht immer obligatorisch ist.

Wie auch für die Pluralität gibt es für den Gegenstandscharakter von Kollektiva eine Reihe sprachlicher Evidenzen, die allerdings meist nicht zusammen mit denen für Pluralität auftreten können (hierzu siehe 2.3.).Viele Kollektiva können im Spanischen und Französischen mit dem unbestimmten Artikel auf eine Ganzheit referieren, ja brauchen im Spanischen im Gegensatz zu Kontinuativa sogar den Artikel, um referieren zu können oder prädikativ zu sein (Kuhn 1982a: 88).

(20) Los aristócratas de más rancio abolengo que han regalado una cubertería [Hervorh. von mir] de plata a los novios (...).
'Die Angehörigen der ältesten Adelsgeschlechter, die den Verlobten ein Silberbesteckset geschenkt haben (...)' (El Mundo, nº 1.950, 15/03/1995: Previa. Boda Infanta Elena y Jaime Marichalar, aus CREA)

Kollektiva mit Gegenstandscharakter können außerdem wie Individuativa einen distributiven Plural bilden, z.B. tres cuberterías 'drei Bestecksets'.

Der Gegenstandscharakter vieler Kollektiva unterscheidet diese von Kontinuativa und Pluralen. Er erklärt, wieso manche Kollektiva nicht kumulativ oder divisiv referieren. (21) und (22) drücken aufgrund des Gegenstandscharakters von fr. assemblée 'Versammlung' unterschiedliche Sachverhalte aus:

(21) une assemblée de femmes et une assemblée d'hommes 'eine Versammlung von Frauen und eine Versammlung von Männern'
(22) une assemblée de femmes et d'hommes 'eine Versammlung von Frauen und Männern' (Michaux 1992: 114)

Eine Unterteilung ist bei den meisten Kollektiva möglich, vor allem aber dann, wenn sie vom Ganzen ausgeht, also mit quantifizierenden Ausdrücken wie fr. tout 'ganz', l'ensemble 'die Gesamtheit', la plus grande partie 'der größte Teil', oder auch im Spanischen z.B. la mitad 'die Hälfte'. Die Unterteilung ist nicht möglich mit Mengenangaben, die von Individuen ausgehen wie z.B. fr. la plupart 'die Mehrzahl', un grand nombre 'eine große Anzahl' (Borillo 1997: 112), oder auch sp. un gran número 'eine große Anzahl':


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(23) la plus grande partie du comité 'der größte Teil des Komittees'
(24) *la plupart du comité 'die Mehrzahl des Komittees'

La plupart rechnet von den einzelnen Individuen aus. La plus grande partie unternimmt die Teilung vom Ganzen ausgehend. La plupart ist jedoch möglich bei schwachem Gegenstandscharakter:

(25) la plupart des gens

Der Gegenstandscharakter ist für die Pluralkongruenz hinderlich – besonders dann, wenn die Elemente nicht im Syntagma auftauchen, und je determinierter die Gestalt ist, desto eher ist die Kongruenz singularisch (Ortega/Morera 1981–82: 653f.). Eine starke Gestalt besitzen nach Ortega/Morera z.B. ejército 'Heer' oder rebaño 'Herde':

(26) Hasta el rebaño se había quedado quieto. 'Selbst die Herde hatte sich beruhigt' (Schwartz, F. (1982): La conspiración del Golfo aus CREA)

So wie sich Adjektive auf die einzelnen Elemente beziehen können, können sie sich auch auf das Ganze beziehen, man vergleiche:

(27) un hombre grande 'ein großer Mann'
(28) un gentío grande 'ein große Menschenmenge' (vs. gente grande 'große Leute') (Bosque 1999: 54)
(29) numerosas familias 'zahlreiche Familien' (vs. familias numerosas 'kinderreiche Familien') (Bosque 1999: 45)

Flaux betont bei den entsprechenden französischen Beispielen hier den semantischen Unterschied zwischen den beiden Okkurrenzen der französischen Entsprechung grand, einmal modifiziere es die Größe, das andere mal die Anzahl der Elemente. Auf der Ebene der Referenz ist das richtig, meines Erachtens modifiziert grande aber in beiden Fällen ((27) und (28)) die Größe des Gegenstandes, die im zweiten Fall auf der Ebene der Referenz eben durch die Anzahl der Elemente erzeugt wird.

Die Elemente werden also vor allem bei Gruppenkollektiva zu einer neuen Einheit zusammengefasst und bekommen so Gegenstandscharakter.


2.3 Kollektiva und Gestalteffekte auf Diskursebene

Kollektiva können mehr oder weniger starken Gegenstandscharakter besitzen (vgl. rebaño 'Herde' und ganado ‚Vieh'), die Elemente können mehr oder weniger salient sein, beides zusammen und die Spannung zwischen den Elementen und dem Ganzen machen die Besonderheit der Kollektiva aus. Meines Erachtens ist es plausibel, bei Kollektiva von einem lexikalisierten Frame zu sprechen, denn Frames werden sinnvollerweise durch die Kontiguitätsbeziehungen zwischen ihren Konstituenten definiert (Koch 1999: 146ff.), nicht durch Similarität (entgegen Barsalou 1992: 21). Charakteristisch für Frames sind außerdem ihr Gestaltcharakter (Koch 1999: 151) und die daraus resultierenden Figur/Grund-Effekte. Wie andere Gestalten bestehen Frames aus kontigen Elementen, die ein Ganzes ergeben, das mehr ist als seine Summe. Ganzes und Elemente stehen in einem Spannungsverhältnis, das sich beispielsweise in Kippeffekten zwischen der Salienz des Ganzen und der Salienz der Elemente manifestiert. Die Parallelen von Kollektiva und Prinzipien der Gestalttheorie sind nicht zu übersehen:


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(...) wesentliche Sätze der Gestalttheorie betreffen das Verhältnis zwischen den anschaulichen Ganzen und ihren natürlichen Teilen sowie das Verhältnis zwischen – in ein Ganzes eingebettetem – Teil und – isoliertem – Einzelinhalt. Diese Erörterungen wären gegenstandslos, wenn nicht die Teile einer gegliederten Gestalt im Regelfall ebenso ursprünglich und unmittelbar gegeben wären wie das Ganze. (Metzger 1986: 125)

Das Besondere an vielen Kollektiva im Unterschied zu Individuativa oder Kontinuativa ist nun, dass das interne Figur/Grund-Verhältnis relativ unbestimmt ist und es bei dieser nicht klar bestimmten Reizverteilung zu einem Ausbalancieren der Kräfte kommt (vgl. Metzger 1986: 160). Diese Gestalteffekte sind auf Diskursebene ständig zu beobachten. Bei allen Kollektiva (zu einem gewissen Grad auch bei Pluralen) können entweder die Einzelelemente oder das Ganze fokussiert werden (wenngleich der lexikalisch fixierte unterschiedlich starke Gegenstandscharakter von Kollektiva bestimmte Fokussierungspräferenzen vorgibt). Daher können die Indizien für Pluralität und die Indizien für Gegenstandscharakter meist nicht gleichzeitig auftreten.

Eine Reihe von Faktoren begünstigen die Fokussierung der Elemente und das Verblassen des Gegenstandscharakters im Diskurs (Fig. 2 b): So sind menschliche Elemente, danach tierische stärker individualisiert als unbelebte (Dahl 2000: 106). Tauchen die Elemente explizit im Syntagma auf, so treten sie ebenfalls leichter in den Vordergrund (s.a. Langacker 1990: 62). Für die Pluralkongruenz bei Kollektiva im Französischen (und im Spanischen) gilt demnach:

[...] as far as verbal agreement is concerned, our tests only apply to the collectives that can be combined with a defining complement since the ambiguity only comes from the possibility those collectives have of either focussing on the whole they symbolize or on their constitutive parts. (Michaux 1992: 113)

Indefinite pluralisierte Kollektiva verlieren selbst bei starker Gegenstandsqualität leicht den Gestaltcharakter, da die Außengrenzen in der Masse leichter verschwimmen. Oft bleibt von der Bedeutung dann nur ein Abundanzplural (‚große Menge') übrig und besonders bei unspezifischeren Kollektiva geht die Bedeutung dann in Richtung Quantor (siehe auch Katz 1982: 126f.).


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(30) Cuando se hizo de noche comencé a ver ojos que fosforecían en medio de la carretera. Eran manadas de lobos [Hervorh. von mir]. (Leguineche, Manuel (1995): El camino más corto. Una trepidante vuelta al mundo en automóvil, aus CREA)
'Als es Nacht wurde, begann ich, Augen zu sehen, die mitten auf der Straße leuchteten. Es waren Rudel von Wölfen'

Überhaupt sind Außengrenzen von Kollektiva relativ durchlässig. Kollektiva können fusionieren und wiederum neue Gestalten bilden, eine Folge ihrer doppelten Struktur aus Elementen und Gegenstandsqualität:

(31) les deux armées ont fusionné 'die beiden Armeen haben fusioniert' (Flaux 1999: 475)

Die beiden Gestalten der Armeen verschmelzen ("fusionieren") zu einer neuen, größeren Gestalt.Der Grund für die Verwischbarkeit der Grenzen ist der, dass die Elemente selbst oft eine wesentlich salientere und stärkere Außengrenze besitzen als das Ganze (siehe Flaux 1999: 476). Auch die Teilung trägt dazu bei, dass die Pluralität eher in den Vordergrund tritt, in diesem Fall sichtbar durch die Pluralkongruenz, und die Außengrenze verblasst:

(32) la mayor parte salieron enfadados 'die Mehrheit gingen verärgert hinaus' (Ortega/Morera 1981–82: 653)

Durch die Teilung des Ganzen werden die Elemente fast automatisch zur Figur. Infolgedessen ist die Pluralkongruenz hier nicht überraschend – das ist selbst bei Kollektiva mit starker Gestalt zu beobachten (Flaux 1999: 482):

(33) J'ai de la famille en Normandie 'Ich habe Familie in der Normandie'

Die Partitivkonstruktion zerstört die Außengrenzen, die Einheit des Ganzen.Die Gestalt von Kollektiva kann auch durch metaphorischen Gebrauch verblassen, sie können dabei die Bedeutung von Quantoren (hier ‚große Menge') annehmen (siehe auch Lüdi 1973: 162f.):

(34) Une armée de fourmis 'eine Armee von Ameisen' (Flaux 1999: 473f.)

Bei diesen metaphorischen Verwendungen werden "falsche" Elemente eingesetzt. Durch die semantische Abweichung können die Elemente meines Erachtens nicht verblassen und in den Hintergrund treten.11


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Umgekehrt können Kollektiva mit schwacher Außengrenze leicht durch den Kontext einen stärkeren Frame zugewiesen bekommen. Dies ist auch bei Pluralen mit kollektiver Lesart möglich (siehe Fig. 2 a).

Besonders leicht kippen Kollektiva, die Flächen bezeichnen. Die Ganzheit kommt dabei durch spatiale Kontiguität zustande. Die Außengrenzen scheinen hier nicht essentiell zu sein, können aber fokussiert werden:

(35) Der größte Teil des Landes besteht aus unbewohnbarem Gebirge/aus einem unbewohnbaren Gebirge (Kuhn 1982b: 91)

Aber auch bei anderen Kollektiva kann erst im Diskurs der Gegenstandscharakter entstehen, wobei nicht immer klar ist, ob Außengrenzen im Diskurs nun verblassen oder erst entstehen, wie Flaux (1999: 484) z.B. für fr. mobilier 'Mobiliar' oder 'Möblierung' annimmt:

(36) J'ai acheté un mobilier tout neuf. 'Ich habe ein ganz neues Mobiliar gekauft'
(37) J'ai acheté du mobilier. 'Ich habe Mobiliar gekauft'

Folgende Beispiele aus dem Spanischen zeigen ebenfalls den Kippeffekt von einem Kollektivum mit Gegenstandscharakter – (38) und (39) – zum Kontinuativum (40) oder umgekehrt, denn Kippeffekte sind in diesem Fall nicht gerichtet, ein typischer Effekt bei Metonymie:

(38) una vajilla de duralex 'ein Geschirr aus Duralex'. (Vázquez Montalbán, Manuel (1977): La soledad del mánager, aus CREA)
(39) entre vajillas y cubiertos de plata 'Zwischen Geschirrservicen und Silberbestecken' (Seseña, Natacha (1997): Cacharrería popular. La alfarería de basto en España, aus CREA)
(40) No utilice nunca piezas de vajilla que estén rotas (...) 'Benutzen Sie nie zerbrochene Geschirrteile' (Bobillo, Mercedes (1991): Guía práctica de la alimentación, aus CREA)

Obwohl also bei vielen Kollektiva das Figur/Grund-Verhältnis zwischen Elementen und Ganzem intensional in die eine oder andere Richtung tendiert (vgl. rebaño 'Herde' und ganado 'Vieh'), bleibt noch viel Spielraum für Kippeffekte im Diskurs.


2.4 Die Elemente eines Kollektivums

Ein dritter Faktor neben der Pluralität und dem Gegenstandscharakter bestimmt die Bedeutung der Kollektiva, nämlich die Arten von Elementen auf der Ebene der Intension. Diese können durch bestimmte Lexeme (vgl. árbol 'Baum' als Element von bosque 'Wald') versprachlicht sein.


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2.4.1 Homogenität der Elemente

Die semantischen Parallelen der Kollektiva mit dem flexivischen Plural (siehe 2.1.) setzen eine gewisse Homogenität der Elemente voraus: "classes of objects that do not fall under a concept cannot be numbered" (Hurford 1987: 164). Viele Beschreibungen von Kollektiva erwähnen in der Tat die Homogenität der Elemente, so auch die von Borillo (1997: 106) oder die von Michaux (1992: 102): "union of entities of the same type, in other respects isolable". Darin ähneln Kollektiva Kontinuativa. Logisch gesehen ist die Homogenität von den Referenten relativ unabhängig und wird allein von der Konzeptualisierungsebene der Lexeme bestimmt. Als homogen konzeptualisiert werden können sowohl perzeptuell völlig homogene Massen wie agua 'Wasser', kleine identische Partikeln wie bei harina 'Mehl', aber eben auch größere heterogene Elemente bei ropa 'Kleidung', wenn sie nur als schematisch genug konzeptualisiert werden (Langacker 1990: 70f.). Sie verhalten sich dann wie Massennomina, und es ist fraglich, ob hier eine Pluralität von Individuen noch Teil der lexikalischen Bedeutung ist und ob es sich noch um Kollektiva handelt.

Hier wird deutlich, dass die perzeptuell naheliegendere Konzeptualisierung und die tatsächliche Ebene der Schematisierung bei Lexembedeutungen z.B. bei ropa recht weit auseinanderklaffen, bei harina hingegen eher übereinstimmen. Bei einigen Kollektiva sind die Mitglieder perzeptuell homogen, so bei Menschenmengen, z.B. sp. gentío oder muchedumbre.

Oder sie werden als solche kategorisiert, da die Einzelgegenstände kulturell insignifikant sind – oft hängt dies mit dem pejorativen Charakter einiger Kollektiva zusammen, z.B. trastos 'Krempel'.

Pluraliatantum sind hier häufig, denn der Plural setzt Homogenität voraus (Pluraliatantum sind Substantive, die ein Pluralmorphem besitzen und sich syntaktisch wie andere Pluralformen verhalten (z.B. Pluralkongruenz), von denen jedoch keine Singularform existiert.)

Oft ist auch schon die Entstehung mancher Kollektiva durch die Derivation von Lexemen, die die Elemente bezeichnen, ein Indiz für Homogenität, vgl. sp. encina 'Steineiche' und encinar 'Steineichenwald'. Bei Kollektiva wie mobiliario 'Mobiliar' oder auch ropa entsteht die Homogenität auf einer höheren Generalisierungsebene als auf der der Elemente, die Kategorien der Basisebene bezeichnen (Tisch, Stuhl, etc...) und die daher perzeptuell heterogen sind (vgl. Kleiber 1994: 56f.). Häufig gibt es daher auch kein spezielles Lexem, das die Elemente bezeichnet, sondern sehr allgemeine Bezeichnungen wie fr. pièce 'Stück', die semantisch Numeralklassifikatoren entsprechen:

(41) un service de 50 pièces 'ein 50-teiliges Service' (Borillo 1997: 107)

Dabei müssen zwei Fälle unterschieden werden. Zum einen handelt es sich bei manchen Kollektiva um heterogene Individuen, die in ihrer Vielfalt zum gemeinsamen Funktionieren notwendig sind, wie mobiliario oder moblaje 'Mobiliar eines Hauses', 'Möblierung'. Zehn Stühle machen noch keine Möblierung aus (vgl. Flaux 1999: 484), d.h. diese Kollektiva müssen auf eine Kollektion heterogener Mitglieder referieren:


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Zum anderen können andere Kollektiva auf der Ebene der Referenz zwar heterogene Elemente zusammenfassen, müssen dies aber nicht. So kann sp. ropa 'Kleidung' auf Hose, Pullover und Hemd referieren, kann aber auch mehrere Hosen bezeichnen. Die Elemente sind also auf einer höheren Abstraktionsebene festgelegt, nämlich als 'Kleidungsstücke'.

In der Tendenz verlangen Kollektiva mit starkem Gegenstandscharakter heterogenere Referenten als solche mit einem schwächer ausgeprägtem Gegenstandscharakter oder die entsprechenden Plurale von Individuativa. So erscheint moblaje 'Möblierung' auf der Ebene der Referenz wesentlich heterogener zu sein als muebles 'Möbel'. Die Erklärung hierfür ist die Tatsache, dass der Gegenstandscharakter oft durch eine gemeinsame Funktion entsteht, die gerade eine gewisse Heterogenität verlangt. Bei starkem Frame auf Diskursebene können manche Kollektiva, die eigentlich auf relativ homogene Elemente referieren, ihre Referenz auf heterogenere Elemente ausweiten. Cruse beschreibt das folgende Phänomen:

We can, with a clear conscience, tell a customs official that we are carrying 'nothing but clothes' if our suitcase contains trousers, jackets, shirts, underwear, socks and several pairs of shoes. But surely it would not be normal – in fact, it would be downright misleading – to say of a shoe-box with only a pair of shoes in it that it contained clothes, or to say that a shoe-shop sold clothes. (Cruse 1986: 148)

Manche Kollektiva können so bei starkem Frame auf Diskursebene die Homogenitätsanforderungen an ihre Elemente verringern. Schuhe können nur im Kontext eines starken Frames wie der relativ kompletten Bekleidung eines Menschen über ihre Funktion zur Bekleidung gerechnet werden. Ansonsten, also bei fehlendem Frame, müssen die Elemente perzeptuell wesentlich homogener sein, sind z.B. aus Kleidungsstoffen genäht und von einer bestimmten Größe im Verhältnis zum menschlichen Körper.


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Meistens ist bei Kollektiva mit fehlender Außengrenze der interne Zusammenhang, der durch Similarität (hier perzeptuelle Homogenität) der Elemente entsteht, demnach sehr wichtig. Die Parallelen zu wichtigen Gestaltgesetzen können da kein purer Zufall sein. Durch Similarität kann der Eindruck der Kontiguität verstärkt werden:


Fig. 6 (nach Metzger 1986: 166)Fig. 7 (nach Goldstein 1993: 103)

In Fig. 6 werden trotz durchbrochener Kontiguität ähnliche Elemente als Gruppen zusammengefasst wahrgenommen. In Fig. 7 werden je nach Ausprägung der Ähnlichkeit (vertikal) und der Nähe (horizontal) eher vertikale oder horizontale Gruppierungen wahrgenommen.

Ähnliche Elemente werden in der Wahrnehmung also zu Gruppen zusammengefasst, oft im Wettstreit mit dem Kriterium der Nähe (Metzger 1986: 166f./ Fitzek/Salber 1996: 41).

Bei Abstrakta oder Pluralen wie lat. vascella 'kleine Gefäße' ist der diachrone Weg zum Kollektivum (sp. vajilla 'Geschirr') über Frames sehr wichtig. Sie können zunächst auf eine Klasse einigermaßen ähnlicher Individuen referieren, wobei im Diskurs oft ein Frame involviert ist, der dann zusammen mit einer Bedeutungsverengung der Elemente Teil der Bedeutung des Kollektivums wird. Hier handelt es sich um den Frame des gedeckten Tisches und die Beschränkung auf Gegenstände, die in diesem Frame vorkommen. Vajilla referiert also nicht mehr auf jedes beliebige Gefäß.

Bei starkem Frame und gleichzeitig obligatorischer Heterogenität rücken manche Kollektiva in die Nähe von Individuativa, die ja in der Regel aus heterogenen Teilen bestehen. Im Französischen ist die Konstruktion "N à x éléments" ein Indiz für heterogene Teile, wie sie für die Teile von Individuen typisch sind (Flaux 1999: 473):

(42) une table à trois pieds 'ein Tisch mit drei Füßen'

Bei Kollektiva mit homogenen Teilen und diesen als einzigen Konstituenten (Flaux 1999: 473) ist diese Konstruktion eher nicht möglich:

(43) *un bouquet à vingt roses 'ein Strauß mit zwanzig Rosen' (Flaux 1999: 476)

In manchen Sprachen wie im Vietnamesischen können Bezeichnungen für heterogene Elemente durch Komposition Kollektiva bilden, z.B. bàn ghê (wörtl.: "Tisch Sitzgelegenheit") = 'Mobiliar' (Kuhn 1986: 60).

Kollektiva besetzen so eine Zwischenstellung zwischen intern homogenen Massennomina und intern heterogenen Individuativa, interessanterweise in Korrelation mit dem Gegenstandscharakter: Je heterogener die Konzeptualisierung der Elemente ist, desto stärker ist der Gegenstandscharakter eines Kollektivums.


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2.4.2 Abstraktionsgrad der Mitglieder

Ob homogen oder heterogen, die Elemente eines Kollektivums können intensional auf unterschiedlichen Generalisierungsebenen spezifiziert sein.

So können Kollektiva bezüglich ihrer Mitglieder sehr schwach spezifiziert sein. Bei einer Reihe von Lexemen handelt es sich um gänzlich unspezifizierte Einheiten, z.B. sp. docena 'Dutzend', multitud 'Vielzahl', conjunto 'Gruppe', número 'Anzahl'. Nach der Klassifikation der spanischen Akademie werden sie auch als "colectivos no específicos" bezeichnet (Ortega/Morera 1981–82: 647), falls sie überhaupt noch zu den Kollektiva gezählt werden und nicht zu den quantifizierenden Substantiven.

Sie benötigen Ergänzungen, sind also stark relational und kommen reinen Numeralia und Indefinitpronomina sehr nahe. Meist erscheinen sie in Nominalgruppen (Katz 1982: 117). Erscheinen sie isoliert, so handelt es sich um Ellipsen oder Anaphern, bei absolutem Gebrauch liefert der Kontext die Elemente (Flaux 1999: 475). Ansonsten können sie nicht isoliert auftreten:

(44) ?J'ai rencontré un groupe. 'Ich habe eine Gruppe getroffen'

Neben diesen Kollektiva, die sich zwischen Lexikon und Grammatik befinden, gibt es eine ganze Reihe, deren Mitglieder durch Kategorien wie [menschlich], [tierisch], [pflanzlich] oder [unbelebt] bestimmt sind, also durch Kategorien, die auch bei grammatischen Kategorien Relevanz besitzen, z.B. bei Nominalklassen (Croft 1994: 161). Dazu gehören z.B. gentío 'Menschenmenge' oder auch rebaño 'Herde'.

Noch spezifischere Mitglieder haben Kollektiva wie sp. cabildo 'Domkapitel', arboleda 'Baumallee oder Baumpflanzung'. Sie werden auch als "colectivos específicos" bezeichnet (Ortega/Morera 1981–82: 647).Evidenz für den Generalisierungsgrad liefert der Grad der Ergänzungsbedürftigkeit, d.h. der Relationalität. Ist eine Kollektivkonstruktion pleonastisch, so können außerdem die Elemente des Kollektivums am zweiten Substantiv abgelesen werden. Das spezifischste Substantiv, mit dem die Konstruktion noch pleonastisch ist, liefert die Generalisierungsebene der Elemente:

(45) ?un regimiento de soldados 'ein Heer Soldaten' (Ortega/Morera 1981/82: 648)
(46) ?une forêt d'arbres 'ein Wald von Bäumen' (Borillo 1997: 107)

Nicht pleonastisch ist die Konstruktion mit einem Element, das spezifischer ist als die Kollektivelemente:

(47) une forêt de chênes 'ein Eichenwald'


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Spezifizität scheint wie die Homogenität mit der Stärke der Gestalt korreliert zu sein, je weniger spezifisch ein Kollektivum ist, desto stärker ist der Gegenstandscharakter (vgl. auch rebaño und ganado mit den jeweiligen Elementen 'Säugetier' und 'landwirtschaftliche Nutzsäugetiere, besonders Rinder').

Je spezifizierter, desto autonomer und weniger relational ist ein Kollektivum, desto eher sind Ganzheit und Elemente in einem Lexem vereint und desto weniger Syntagmen findet man. Hier befinden wir uns also auf einer Skala mit zunehmender Spezifizität und abnehmender Syntagmatizität. Eindeutig relational sind jedenfalls alle Kollektiva der ersten sehr unspezifischen Gruppe. Die semantische Relation zwischen dem Ganzen und seinen Mitgliedern kippt von syntagmatisch zu paradigmatisch, je spezifischer diese sind. Oft werden unspezifische Kollektiva durch Bedeutungswandel spezifischer, vgl. den sp. Latinismus multitud und das Erbwort muchedumbre, die beide sowohl 'Vielheit' als auch 'Menschenmenge' bezeichnen können. Oder auch rebaño, das 'Herde' oder 'Schafherde' bedeutet (MOL).


2.4.3 Der Zusammenhang zwischen Gegenstandscharakter und der Art der Elemente

Intensional verankerte Heterogenität der Elemente (z.B. Mobiliar) und hoher Generalisierungsgrad (z.B. Gruppe) scheinen nur bei ausreichend ausgeprägtem Gegenstandscharakter möglich zu sein. Dies ist bei Gruppenkollektiva der Fall, die ja Individuativa sehr ähnlich sind. Auch die Teile der typischen Individuativa sind oft heterogen. Handelt es sich um Genuskollektiva, die ja gerade keinen Gegenstandscharakter besitzen, so können die Mitglieder nicht völlig unspezifisch sein, da sonst die Vereinigungsqualität (die hier ja der Elementqualität entspricht) entfällt. Um die Beziehung zwischen Ganzem und den Elementen der Kollektiva geht es im folgenden Abschnitt:


2.5 Semantische Relationen zwischen Kollektiva und ihren Elementen

Die Bedeutungen zahlreicher Lexeme sind keine autonomen Konzepte, sondern sind von anderen Konzepten abhängig. Sind die so verbundenen Konzepte durch Lexeme versprachlicht, spricht man von lexikalischen Relationen. Im Unterschied zu vielen Individuativa sind Kollektiva konzeptuell nun nicht autonom. Besonders deutlich wird dies bei den unspezifischen relationalen Kollektiva, die entweder Syntagmen bilden oder anderweitig ergänzt werden müssen, um referieren zu können. Aber auch die autonomeren spezifischeren Kollektiva stehen auf paradigmatischer Ebene in Beziehung zu Konzepten, die den Elementen entsprechen (vgl. Flaux 1999: 475), wobei es sich meines Erachtens dabei entgegen Flaux nicht unbedingt um Lexeme handeln muss.

Dabei hängen Kollektiva von ihren Elementen ab und implizieren diese (Borillo 1997: 107): bouquet verweist auf fleur und daher sind Ausdrücke wie ton bouquet de fleurs 'dein Strauß Blumen' oder la forêt d'arbres 'der Wald von Bäumen' redundant. Möglich und nicht redundant sind sie hingegen mit Ergänzungen, also ton bouquet de fleurs séchées 'dein Strauß Trockenblumen' oder la forêt de chênes 'Eichenwald' (siehe Flaux 1999: 473).

Die Beziehung von Mitgliedkategorie zu Kollektion ist dagegen zumindest bei Gruppenkollektiva meist fakultativ (Cruse 1986: 177 und Borillo 1997: 107), nicht jede Kuh gehört einer Herde an. Daher sind Ausdrücke wie les arbres de la forêt oder les pages du livre (Beispiele aus Flaux 1999: 473) nicht redundant.


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Die Relation zwischen Kollektion und Mitglied ist in vielen Punkten der Teil/Ganzes-Beziehung sehr ähnlich. Beide Relationen werden von Winston/Chaffin/Hermann (1987) als zwei Arten von insgesamt sechs meronymischen Beziehungen betrachtet (420). So befinden sich sowohl rebaño und vaca als auch cuerpo und brazo ('Körper' und 'Arm') auf einer Abstraktionsebene, die Teile sind durch (mehr oder weniger starke) Kontiguität verbunden. Bei beiden Relationen sind die Teile außerdem nicht homeomer, d.h. die Teile sind nicht von der gleichen Art wie das Ganze, wie es bei der Beziehung zwischen Masse und Portion der Fall ist. Allerdings unterscheiden sie sich zum einen in der Autonomie der Teile – die Teile des Kollektivums rebaño sind autonome Individuen, was bei Körperteilen nicht der Fall ist. Zum anderen sind die Elemente einer Herde relativ homogen, während sich Körperteile grundlegend voneinander unterscheiden müssen, um zu funktionieren.

Bei der Teil/Ganzes-Beziehung zwischen einem Individuum und seinen Komponenten impliziert das Teil das Ganze, nicht unbedingt umgekehrt. Das Ganze wird also unabhängig von den Teilen definiert (Tamba 1991: 45). Gruppenkollektiva hängen dagegen konzeptuell von den Elementkategorien ab. Vermutlich ist dies durch perzeptuelle Prinzipien bestimmt: Individuen sind im Gegensatz zu Teilen oder Gruppen von Objekten perzeptuell primär, was die Richtung der semantischen Relationen sowohl bei der Teil/Ganzes Beziehung als auch beim Kollektivum erklärt.

Die Homogenität der Kollektivmitglieder besonders von Genuskollektiva erinnert an die Objekt/Material-Relation, von der sie sich allerdings durch die Autonomie der Elemente unterscheiden. Viel näher liegt der Vergleich mit Klassen, also der Hyponymie, die sich grundlegend von der Meronymie unterscheidet. Wie auch bei der Teil/Ganzes-Beziehung impliziert das Hyponym mit der kleineren Extension (im Unterschied zum Kollektivum) intensional das Hyperonym. Allerdings scheint das nur von der Basisebene abwärts zu gelten, ab Basisebene wäre die Richtung eher umgekehrt.12 Equine animal 'pferdhaftes Tier' ist intuitiv keine gute Definition von horse 'Pferd' (Cruse 1986: 140).

Im Gegensatz zur Meronymie befinden sich Hyperonym und Hyponym auf zwei Abstraktionsebenen, und die Zugehörigkeit der Hyponyme zu einem Hyperonym wird durch deren Similarität, nicht Kontiguität bestimmt (Winston/Chaffin/Hermann 1987: 423).

Ein besonders wichtiger Unterschied ist dabei der, dass es sich bei der Hyponymie um Beziehungen zwischen Klassen handelt, d.h. um die "Gesamtheit aller Gegenstände, die durch die gleiche(n) Eigenschaft(en) ausgezeichnet sind" (Holenstein 1982: 17).

Viele Kollektiva (genauer gesagt, Genuskollektiva) scheinen in ihrer Beziehung zu den Elementen der Hyponymie ähnlicher zu sein als der Meronymie. Betrachtet man Kollektiva wie ganado, so stellt man fest, dass diese Klassen sehr ähnlich sind: Die Elemente sind sehr homogen und verlangen auch keine Heterogenität auf der Ebene der Referenz. Alle Referenten der Elementkategorien gehören zum Kollektivum, jede Kuh wird zum Vieh gezählt. Die Relation ist also genau umgekehrt wie bei rebaño, wobei im Unterschied zur Hyponymie immer noch eine Pluralität von Elementen zu einem Kollektivum zusammengefasst wird. Winston/ Chaffin/ Hermann (1987: 428) sprechen ganz treffend von der

[...] fuzzy boundary between classes and collections involving both similarity and spatial proximity [...] a chair is both a kind of furniture (class inclusion) and an item of furniture (member-collection).

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die semantische Relation zwischen einem Gruppenkollektivum und seinen Mitgliedern eher der Teil/Ganzes-Beziehung entspricht, also meronymisch ist (wobei im Falle der Kollektiva allerdings das Ganze konzeptuell von den Teilen abhängt). Die semantische Relation zwischen einem Genuskollektivum und seinen Elementen entspricht hingegen eher einer hyponymischen Beziehung.


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2.6 Eine kurze Zusammenfassung der Beschreibungskriterien von Kollektiva

Zur Beschreibung der Kollektiva ist die Pluralität der Elemente am wichtigsten, sie ist Bedingung für Kollektivität. Die in der Literatur und in Grammatiken als typisch eingeschätzten Gruppenkollektiva zeichnen sich außerdem durch ihre Gegenstandsqualität aus. Auch die Art der Elemente ist für die Beschreibung der Kollektiva unerlässlich. Bei den Elementen variieren Homogenität und Generalisierungsgrad. Die Elemente von Kollektiva können als mehr oder weniger homogen konzeptualisiert werden. Müssen die Elemente auf der Ebene der Referenz heterogen sein, handelt es sich eher um Gruppenkollektiva. Auch sehr unspezifische Elemente findet man vor allem bei Gruppenkollektiva, denn hier spielt die Gestalt eine wichtigere Rolle als die einzelnen Elemente.


3 Grenzbereiche der Kollektiva

Kippeffekte im Diskurs (siehe 2.3.) sowie die lexikalisierten Präferenzen für einen eher stärkeren Gegenstandscharakter oder aber für die Unterstreichung der Pluralität der Elemente weisen auf mögliche Arten des Bedeutungswandels von Kollektiva hin. Die Figur/Grund-Konstellation kann dabei noch stärker lexikalisiert werden; oftmals verschwindet dabei der Grund völlig und der komplexe Kollektivcharakter geht verloren. Hier sollen nun wichtige Grenzfälle besprochen werden, die durch Bedeutungswandel aus Kollektiva entstehen können oder einfach Lexeme, deren Status diesbezüglich unklar ist. Dabei wird die Kategorie der Kollektiva deutlicher definiert und nach außen abgegrenzt.


3.1 Die Gestalt befindet sich im Vordergrund

Die Ganzheit kann Vorrang vor den Elementen bekommen (siehe Fig. 2a), dabei werden die Elemente bei Bedeutungswandel in der Regel immer unspezifischer, die Kollektiva immer relationaler:

(48) enjambre:
Conjunto de abejas con su reina (...) 'Bienenschwarm mit seiner Königin'
Muchedumbre de otras cosas (...) 'Schwarm, Menge anderer Dinge' (MOL)

Hier wird nun lexikalisiert, was auf Diskursebene häufig bei der Metaphorisierung geschieht. Oft bleibt dann auch von der Gegenstandsqualität nur eine sehr abstrakte, nicht mehr bildlich vorstellbare Größe übrig, nämlich dann, wenn Messnomina (z.B. bocado 'Bissen') oder Quantoren, meist große Mengen bezeichnend, entstehen (z.B. sp. porción oder montón). Diese Quantoren können nicht zusätzlich quantifiziert werden (vgl. Michaux 1992: 112):

(49) *una porción de mil problemas 'ein Haufen tausend Probleme'
(50) *un montón de setenta personas 'eine Menge siebzig Leute'

Die Lexeme sind dann nicht mehr Kopf der Nominalgruppe, was sich auch bei der grammatikalischen Pluralkongruenz bei fr. tas 'Haufen' zeigt:

(51) Un tas de gens semblaient avoir oublié (...). 'Ein Haufen Leute schienen vergessen zu haben (...)' (Grevisse 1993: 649)


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Weitere Kollektiva, die so funktionieren, sind multitude, foule und (bon) nombre de (Borillo 1997: 109).

Wo verläuft nun genau die Grenze zwischen Kollektiva und quantifizierenden Substantiven?Sind sp. docena 'Dutzend' oder número 'Anzahl' Kollektiva? Solche sehr unspezifischen Kollektiva (z.B. grupo, serie oder manada 'Hand voll' (Bosque 1990: 23)) werden oft nicht mehr zu den Kollektiva gerechnet, sondern werden als Subklasse von quantifizierenden Substantiven betrachtet, da sie wie andere Quantoren (z.B. todos 'alle' oder varios 'verschiedene') gebraucht werden. Auch Flaux (1999: 475) betrachtet diese "noms collectifs génériques" als Quantoren.

Demnach würde der Spezifizitätsgrad der Elemente über die Kollektivität entscheiden. Dies ist intuitiv nachvollziehbar, da diese Substantive stark relational sind und so nicht mehr zu den typischen autonomen Substantiven gehören. Allerdings erscheint mir die Grenze wenig überzeugend, da das Hauptkriterium für Kollektivität, nämlich Pluralität, erfüllt ist. Ich würde die Grenze also dort ziehen, wo das Lexem kein vollwertiges Substantiv mehr ist. So können fr. (bon) nombre de, quantité de oder la plupart nicht pluralisiert werden und können nicht frei ihre Artikel wählen (vgl. auch Grevisse 1993: 660). Sp. cantidad 'eine Menge' oder auch docena ("media docena de libros") können artikellos erscheinen. Die Lexeme werden also eher wie Indefinitpronomina eingesetzt:

(52) He recibido cantidad de cartas 'Ich habe eine Menge Briefe bekommen' (MOL)

Eine wesentlich klarere semantische Grenze zeichnet sich dort ab, wo die Lexeme Kontinuativa quantifizieren können. So meint Michaux (1992: 116), fr. gorgée 'Schluck' oder tas 'Haufen' seien "collectives of measure", die meistens mit Kontinuativa (z.B. une gorgée de vin 'ein Schluck Wein') aufträten. Beide können auch in kollektiven Nominalgruppen erscheinen (z.B. un tas de jouets 'ein Haufen Spielzeug'). Solche Lexeme sind meiner Ansicht nach keine Kollektiva mehr, denn sie verlangen nicht die Referenz auf eine Pluralität von Individuen, so auch cantidad 'Menge' im Gegensatz zu número 'Anzahl':

(53) cantidad de vino
(54) *gran número de vino
(55) un número incalculable de turistas (MOL)

Die Unterscheidung zwischen Nominalgruppen, die auf Diskursebene kollektiv sind und Lexemen, die inhärent kollektiv sind, dient auch der Abgrenzung von Institutionsbezeichnungen wie parlamento 'Parlament' und Kollektiva wie comité 'Komitee'. Institutionsbezeichnungen können zwar auf ihre Angehörigen referieren und funktionieren so auf Diskursebene als Kollektiva, nicht aber auf Ebene der Intension (vgl. auch Borillo 1997: 116).


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3.2 Verlust der Gestalt

Genauso häufig wie die starke Fokussierung der Gegenstandsqualität, die oft zum Verlust der Kollektivbedeutung führt, ist der entgegengesetzte Fall. Die Außengrenzen verschwinden, die einzelnen Elemente rücken in den Vordergrund, wie schon bei Diskursphänomenen gezeigt wurde. Bei schwacher Gegenstandsqualität spielt dabei die Homogenität der Elemente eine entscheidende Rolle, da Similarität die räumliche Kohäsion der Individuen unterstützt (s.o.). Hier kann nun die Gegenstandsqualität völlig verschwinden. Was dann geschieht, wird durch die Art der Elemente bestimmt.


3.2.1 Kollektiva und Stoffnomina

Sind die Elemente perzeptuell homogen und schwach individualisiert, so nimmt die semantische Nähe zu Stoffnomina zu (siehe auch Langacker 1990: 70). "Schwach individualisiert" bedeutet, dass die Elemente eher unbelebt und klein oder unwichtig sind. So verschwimmen die Außengrenzen der Individuen leicht, sie "agglutinieren" (vgl. Curat 1999: 126), und das Lexem bekommt starke Ähnlichkeit mit einem Stoffnomen, auch bezüglich des syntaktischen Verhaltens. Als Stoffnomina bezeichne ich konkrete Kontinuativa, die als homogene Masse wahrgenommen und konzeptualisiert werden, z.B. agua 'Wasser'. Das Besondere bei dieser Gruppe von Kollektiva ist die Tatsache, dass die Kollektivität allein durch die spatiotemporale Kontiguität der Elemente entsteht und die Eigenschaften der Elemente wie bei Stoffnomina mit den Eigenschaften des Kollektivums gleichzusetzen sind. Es kommt keine neue Vereinigungsqualität hinzu. Häufig entstehen diese Kollektiva aus Pluralformen, die dann als Kollektiva lexikalisiert werden (Baldinger 1950: 126, 173). Zahlreiche Kollektiva stammen von lateinischen Pluralformen des Neutrums ab, so auch fr. entrailles 'Eingeweide' aus lat. interanea 'Eingeweide' (DHLF). Die Bedeutung und die jeweilige morphologische Struktur verändern sich nicht, wohl aber die Form. Da der lateinische Plural Neutrum in den romanischen Sprachen bis auf fossile Formen nicht überlebt, kann das Lexem im Französischen ohne Redundanz erneut pluralisiert werden. Das Pluralmorphem verändert die Referenz nicht – es handelt sich um Pluraliatantum.


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Die Grenze zu Stoffnomina befindet sich dort, wo keine isolierten Individuen mehr konzeptualisiert werden. Da die Wahrnehmung hier unbestimmt ist, kann die Konzeptualisierung schwanken, und so lässt sich auch die häufige Pluralisierung erklären, durch die diese oft Pluraliatantum werden.13 Da die Individuen aber nicht als genügend autonome Einheiten konzeptualisiert werden, entsteht hier meist kein analoger Singular, der Plural ist immer nur ein kollektiver Plural (siehe Meisterfeld 1998: 108) und nimmt nie die generellere Bedeutung des flexivischen Plurals an. Escombro(s) 'Bauschutt' zeigt deutlich, dass die Pluralisierung die Bedeutung des Lexems nicht ändert. Auch Bezeichnungen für wertlose, undefinierbare Gegenstände, also 'Krempel', gehören zu dieser Gruppe, z.B. sp. bártulos oder trebejos, die auch eine Singularform besitzen, denn diese können durchaus auch auf saliente Objekte referieren. Sie werden jedoch meist im Plural gebraucht und können daher noch zu den Pluraliatantum gerechnet werden. Fast immer bleibt dieser Typus diachron im Grenzgebiet zwischen Kontinuativa und Kollektiva mit Pluralmarkierung und schwankt so zwischen der ungegliederten Masse und der "nach innen gerichteten analytischen Gliederung" (Meisterfeld 1998: 116):

Wird die interne Struktur konzeptualisiert, erscheint meist ein Pluralmorphem, wird die homogene Masse fokussiert, ist das Lexem nicht für den Plural markiert. Allerdings kommen auch morphologische Faktoren ins Spiel, also Lexikalisierung und Fossilisierung des Pluralmorphems und anschließende Remotivation des Plurals.


3.2.2 Individuativa

Sind die Individuen zwar perzeptuell homogen, aber stärker individualisiert, etwa [menschlich], so werden die Grenzen der Kollektiva im Gegensatz zu den obigen Beispielen oft verlassen, denn semantisch ist der Weg zum flexivischen Plural nicht weit. Der Prozess der Isolierung der Elemente lässt sich gut daran beobachten, dass es sich wie oben oft um Pluraliatantum handelt, z.B. fr. gens 'Leute',14 die Vielheit also morphologisch markiert ist. Aufschlussreich ist dabei aber, wie sich diese Lexeme im Unterschied zu den oben besprochenen Fällen weiterentwickeln können.

Einige Lexeme erlauben zunächst die Quantifikation mit unbestimmten Indefinitpronomina, z.B. very few cattle 'sehr wenige Rinder' (Allan 1976: 103) (im Unterschied zum Deutschen ist der Gebrauch von few eigentlich auf zählbare Nomina beschränkt). Möglich sind im Französischen bei manchen Kollektiva z.B. auch divers 'verschiedene', plusieurs 'mehrere' oder quelques 'ein paar':

(56) quelques gens l'ont raconté 'ein paar Leute haben es erzählt' (Curat 1999: 134),
(57) quelques bestiaux 'einige Stück Vieh' (Grevisse 1993: 781)


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Im Spanischen können Pluraliatantum oft mit Indefinitpronomina wie muchos 'viele', demasiados 'zuviele', oder auch algunos 'einige' quantifiziert werden. Vor allem im lateinamerikanischen Spanisch findet man eine pluralische Form gentes zu gente 'Leute', die mit algunas vorkommen kann:

(58) Algunas gentes – pocas – prefieren el inglés 'Einige Leute – wenige – bevorzugen das Englische' (M. Alvar, Español e inglés..., 23, zit. in Bruyne 1993: 89)

Einige Pluraliatantum, die die oben genannten Quantoren zulassen, können jedoch nicht mit múltiples 'zahlreiche', varios 'verschiedene' und Numeralia erscheinen. Auch die Frage nach der Quantität ist nicht erlaubt (*¿Cuántas ropas? (Bosque 1999: 29)), denn die Pronomina dieser zweiten Gruppe isolieren die einzelnen Elemente bei der Quantifikation viel stärker.

Aus diesem Grund sind große Zahlen manchmal möglich, nach Allan (1976: 103) ist ?about 700.000 cattle 'etwa 700 000 Stück Vieh' ein Grenzfall. Bei großen Zahlen ist das einzelne Element in der Regel nicht salient. Bei zunehmender Salienz der Elemente werden aber auch niedrigere Numeralia möglich und somit der flexivische Plural mit seinen verschiedenen auch nicht kollektiven Lesarten, (noch) nicht bei cattle:

(59) ?*There are six cattle in that field. 'Auf diesem Feld sind sechs Stück Vieh'. (Allan 1976: 103)

Numeralia und stärker individualisierende Quantoren sind auch bei fr. gens nicht möglich:

(60) *trois, tou/te/s gens l'ont raconté 'drei, alle Leute haben es erzählt' (Curat 1999: 134)

Allerdings sind bei gens Numeralia erlaubt, sobald es durch bestimmte Adjektive modifiziert wird, wodurch vermutlich die Einzelindividuen fokussiert werden:

(61) Il y vint trois pauvres gens 'Es kamen drei arme Leute' (Grevisse 1993: 781)

Interessanterweise waren Numeralia hier bis zum 18. Jh. auch ohne Adjektive möglich (Grevisse 1993: 782).Lateinamerikanisches gentes 'Leute' individualisiert die Elemente stärker als fr. gens:

(62) cien gentes 'hundert Leute' (Esbozo 1973: 187)

Gebräuchlich, aber noch nicht offiziell akzeptiert, sind Numeralia bei fr. personnel 'Personal' (Grevisse 1993: 704f.), z.B.:


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(63) vingt-sept personnels d'encadrement d'origine européenne
'siebenundzwanzig Personen Begleitpersonal europäischer Herkunft' (Perec, Vie mode d'emploi, 110, zit. in Grevisse 1993: 705)

Der letzte Schritt in Richtung Plural eines Individuativums ist die Bildung eines analogen Singulars. Bei personnel ist dies noch nicht möglich (Grevisse 1993: 705), wohl aber schon bei cadre 'leitender Angestellter', das bis dahin dieselbe Entwicklung durchlaufen hatte wie personnel. Auch lateinam. gentes wird schon als Individuativum benutzt:

(64) Soy la única gente que tiene para hacerle sus necesidades'Ich bin der einzige, den er hat, um ihm bei seiner Notdurft zu helfen.' (J. Rulfo, Pedro Páramo, 67, zit. in De Bruyne 1993: 89)

Greenberg (1972: 23f.) nennt diese Entwicklung vom Kollektivum zum Plural die "typical life history of collectives".15

Ich würde die Grenze zu den Individuativa beim Gebrauch von niedrigeren Numeralia und der analogen Singularbildung ansetzen, denn dort wird auch die distributive Lesart möglich, die ja den flexivischen Plural auszeichnet.


3.2.3 Sortenplurale

Zahlreiche Lexeme, wie z.B. ropa 'Kleidung' oder mobiliario 'Mobiliar', werden zwar als intern homogen konzeptualisiert, aber als heterogene Individuen wahrgenommen. Meist handelt es sich um verschiedene Basisebenenkategorien, die deutlich voneinander unterschieden sind – der Abstraktionsgrad zwischen Basisebene und übergeordneter Ebene ist deutlich größer als der zwischen Basisebene und untergeordneter Ebene (Kleiber 1994: 51).Es stellt sich nun die Frage, was mit denjenigen Lexemen geschieht, die einen schwachen Gegenstandscharakter besitzen, der durch Bedeutungswandel völlig verschwinden kann.

Oben wird gezeigt, dass bei schwacher Kontiguität die Similarität der Elemente eine große Rolle für die Kohäsion des Kollektivums spielt. Je schwächer der Frame, desto homogener und spezifischer müssen die Elemente sein. Da die Similarität auf einer höheren Abstraktionsebene entsteht, die Elemente perzeptuell aber sehr heterogen sind, entstehen hier Spannungen. So sind die Elemente auf höherer Generalisierungsebene homogenisiert und haben auf dieser Ebene auch die Eigenschaften von Kontinuativa, nicht aber von Stoffnomina (einem Spezialfall der Kontinuativa, s.o.). Bei Stoffnomina sind die Qualität der Partikeln und die Qualität des Stoffes dieselbe und befinden sich auf einer Ebene. Stoffnomina können direkt referieren (Flaux 1996: 80). Im Unterschied zu Stoffnomina referieren diese Kollektiva aber auf heterogene Individuen, die perzeptuell nicht kontinuativ sind. Die hier besprochenen Kollektiva sind demnach Abstrakta sehr ähnlich, wenngleich sie auf Individuen referieren müssen. Flaux (1999: 487) bezeichnet Kollektiva wie gibier 'Wild' als "noms de masse à référence hétéroclite ou plutôt discontinue". Auf diese Gruppe trifft die Bezeichnung "Genuskollektivum" wörtlich zu, denn sie bezeichnen Gattungen oder Klassen, weniger Kollektionen.


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Hierbei sind grob zwei konzeptuelle Fälle zu unterscheiden: erstens Kollektiva mit heterogenen, schwach individualisierten Elementen, zweitens solche mit heterogenen, aber stärker individualisierten Elementen.


3.2.3.1 Heterogene schwache Individuen

Sind die Elemente kaum individualisiert, ist die Isolierung der einzelnen Elemente zwar schwach, durch die Heterogenität aber im Vergleich zu den oben beschriebenen Pluraliatantum doch stärker. Die Heterogenität steht so der Entstehung eines Kontinuativums entgegen. Das Resultat dieser Spannung sind Kontinuativa mit einem starken Drang zum Sortenplural (wie z.B. cinco vinos 'fünf Sorten Wein', auch 'fünf Weine'), da die Elemente ja sehr heterogen sind, aber nicht stark individualisiert sind. Ist also die Vielfältigkeit im Ganzen salient, so heißt Vielfältigkeit bei diesem Typus vor allem "Mengen von Qualitäten", z.B. bei Gemüse oder Getreide (Kuhn 1982a: 94). Diese Kollektiva kommen so der Klasse sehr nahe. Lexeme wie fruta werden manchmal schon nicht mehr als Kollektivum betrachtet (Bosque 1999: 53f.):

(65) *una docena de fruta 'ein Dutzend Obst'

Fruta wird nicht als Menge von Individuen konzeptualisiert und kann daher auch nicht mit Numeralia quantifiziert werden.

Im Übrigen stammen viele dieser Kollektiva ohne Außengrenzen von Stoffbezeichnungen ab, z.B. la loza 'Steingut' oder 'Geschirr aus Steingut' (MOL), ebenso la porcelana 'Porzellan', 'Dinge aus Porzellan' (MOL) und werden im Esbozo (1973: 87) auch "colectivos improprios" genannt.

Da heterogene schwache Individuen automatisch salienter sind als homogene schwache Individuen, kann meines Erachtens der Sortenplural hier auch als distributiver Plural reanalysiert werden, wobei der Sortenplural immer kognitiv angemessener bleibt; aufschlussreich ist hierzu der Lexikoneintrag zu fruta in MOL:

(66) Fruta (de "fruto") (colectivo) f. Se aplica a los *frutos húmedos, comestibles y dulces; como manzanas, melocotones o fresas. Cada especie de ellos: 'La piña es una fruta tropical. Mercado de frutas y verduras'. Se emplea a veces, aunque no es frecuente, como numerable: 'Cómete una fruta'.

Fruta wird also besonders häufig als Bezeichnung für 'Obstsorte' verwendet, seltener auch als Individuativum.


3.2.3.2 Heterogene starke Individuen

Sind die Elemente eines Kollektivums perzeptuell heterogen und stark individualisiert, so ist auch hier der Sortenplural von Bedeutung. Die Wahrnehmung scheint selbst bei wissenschaftlichen Termini eine Rolle zu spielen:

(67) Les dictionnaires introduisent souvent sous la forme du pluriel les termes des sciences naturelles: crucifères, (...)
'Lexika führen naturwissenschaftliche Termini oft in der Pluralform ein: Kreuzblütler, (...)' (Grevisse 1993: 780).


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Die Konzeptualisierung als Kontinuativum ist jedoch umso problematischer, desto salienter die Individuen sind (Flaux 1999: 485):

(68) ?Combien de gibier, de volaille, de bétail faut-il acheter? 'Wieviel Wild, Geflügel, Vieh soll gekauft werden?
(69) Combien de riz faut-il acheter? 'Wieviel Reis soll gekauft werden?'

Auch Chur (1993: 93f.) erklärt folgende Probleme bei der Generizität durch einen inneren Widerspruch der betroffenen Kollektiva:

(70) Das Rotwild wird in den Tierparks vom Damwild verdrängt.
(71) ??Rotwild wird in den Tierparks von Damwild verdrängt.
(72) ?Die Gattung des Rotwildes wird von der Gattung des Damwildes verdrängt.
(73) Die Rotwildarten werden durch die Damwildarten verdrängt.

Nach Chur liegt das daran,

(...) dass es sich bei den Kollektiva um Nomen handelt, die auf eine Menge von gegliederten Einheiten referieren. So dass hier die semantische Interpretation die syntaktischen Verhältnisse überlagert und außer Kraft setzt. (Chur 1993: 94)

Auch hier scheint die Sortenvielfalt (73) natürlicher zu sein als die Konzeptualisierung als eine homogene Gattung (72), die Wahrnehmung als Kontinuativum ist besonders schwierig (71).

Die Konzeptualisierung als distributiver Plural der Elemente ist hingegen aufgrund der Heterogenität der Elemente schwierig. Wie oben erläutert kann der Sortenplural aber reanalysiert werden als distributiver Plural, besonders auch angesichts der großen Salienz der Individuen. Entsteht nun wie bei fruta ein Individuativum, so enthält dieses immer noch ein gewisses Spannungsmoment, da es heterogene Individuen zu einer Klasse zusammenfasst, und so ist der Sortenplural auch hier sehr häufig. Die Schwierigkeit, in singularischen generischen Konstruktionen aufzutauchen, weist ebenfalls auf die fehlende Homogenität hin:

(...) les noms trop génériques regroupent des référents jugés trop hétérogènes pour admettre, sans conditions justificatrices spéciales, l'homogénéisation qu'entraîne l'emploi du SN massif en Le." (Kleiber 1989: 105)

Häufig treten bei diesen Kollektiva Bedeutungsverengungen auf, vgl. fr. robe ‚Kleid' und sp. ropa 'Kleidung', die beide einmal die Bedeutung 'Kleidung' besaßen.


3.2.3.3 Ein Vergleich der beiden Typen

Typ a) mit schwach individualisierten Individuen und Typ b) mit stark individualisierten Individuen sind selbstverständlich Idealtypen, zwischen denen es feine Zwischenstufen gibt, noch einmal zum Vergleich Fig. 9 und 10:


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In Fig. 9 werden eher Gruppen unterschiedlicher Qualität wahrgenommen als Individuen; auch in Fig. 10 werden heterogene Gruppen wahrgenommen, allerdings sind hier die Individuen salienter als in Fig. 9. Das bedeutet, es können sowohl Unterkategorien als auch Individuen wahrgenommen werden, wobei sowohl die Untergruppen als auch die Individuen heterogen sind. Heterogene Unterklassen entsprechen der Semantik des Sortenplurals, heterogene Individuen allerdings nicht der des distributiven Plurals, der ja Homogenität verlangt – werden sie nicht auf einer höheren Abstraktionebene betrachtet (was perzeptuell schwierig ist).

Nun werden selbst Kollektiva dieses Typs mit salienten Individuen von Bosque beispielsweise als Kontinuativa betrachtet, so auch sp. ganado 'Vieh' (Bosque 1999: 54).

Wie sind diese Lexeme zu beurteilen, handelt es sich noch um Kollektiva oder um Kontinuativa? Logisch handelt es sich um keine Kollektiva mehr, sobald sie auf ein einzelnes Individuum referieren können. Hierzu folgender Implikationstest:

(74) Ha comido una manzana Ha comido fruta
'Er/sie hat einen Apfel gegessen. Er/sie hat Obst gegessen.'
(75) Ha comprado una camisa Ha comprado ropa.
'Er/sie hat ein Hemd gekauft' 'Er/sie hat Kleidung gekauft.'

Ist dieses Stadium erreicht, so handelt es sich semantisch um Transnumeralia, also bezüglich des Numerus unspezifizierte Lexeme. Allerdings zeigen sie wie Transnumeralia eine Tendenz zu pluralischen Referenten16 und werden daher meist als Kollektiva bezeichnet – eine nicht unproblematische Zuordnung.

Werden die Elemente also fokussiert, zeichnen sich vier Entwicklungstendenzen von Kollektiva mit semantisch unterschiedlichen, oft noch schwankenden Pluralisierungen ab, wobei die Unterschiede graduell sind und Mischformen überwiegen:

Schwache Individuen Starke Individuen
Homogene Individuen Stoffnomina/ Pluraliatantum


escombro(s) 'Schutt'

Pluralische Individuativa


gentes 'Leute'

Heterogene Individuen Kontinuativa mit Sortenplural, evtl. distributiver Plural (problematisch)


fruta(s) 'Früchte'

Kontinuativa mit Sortenplural und distributivem Plural (problematisch)


ropa(s) 'Kleidung', ganado 'Vieh'

Fig. 11


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3.3 Zusammenfassung: Grenzen der Kollektiva

Die Grenzen des Kontinuums der Kollektiva zwischen Gruppenkollektiva mit starker Gestalt und Genuskollektiva mit schwacher Gestalt sind zwar oft vage, aber dennoch vorhanden. Wird die Gestalt zur Figur und verblassen dabei die Elemente, so entwickeln sich viele Kollektiva zu Individuativa, die außerdem oft zu Quantoren werden. Wird dagegen die Pluralität der Elemente zur Figur, hängt der mögliche weitere Bedeutungswandel von der Art der Elemente ab. Sind die Elemente als homogen konzeptualisiert, so tendieren Kollektiva mit schwachen Individuen dazu, Kontinuativa zu werden. Sind die Elemente hingegen eher salient, kann sich das Kollektivum zu einer Pluralform eines Individuativums entwickeln. Problematisch sind Kollektiva mit als heterogen wahrgenommenen Elementen. Diese werden oft zu Kontinuativa mit einem starken Drang zum Sortenplural, woraus sich je nach Salienz der Individuen trotz ihrer Heterogenität auch ein Plural von Individuativa entwickeln kann. Der Status der Kontinuativa mit heterogenen Elementen ist nach wie vor unklar. Handelt es sich um Kollektiva oder Kontinuativa?

Dieser Punkt soll im nächsten Abschnitt im Zusammenhang mit der Frage nach der Unterscheidung der Kollektiva vom flexivischen Plural beleuchtet werden.


4 Wieso sind Kollektiva lexikalische Einheiten?

Die Untersuchung der Grenzen der Kollektiva hat gezeigt, dass das wichtigste Kriterium für Kollektivität die obligatorische Referenz auf pluralische Elemente ist. Zwei Bereiche erweisen sich bei der Abgrenzung noch als problematisch:

  • Inwieweit unterscheiden sich Kollektiva semantisch vom flexivischen Plural?
  • Sind Genuskollektiva (z.B. ganado 'Vieh') bzw. die semantisch vergleichbaren Transnumeralia in Singulativsprachen und Klassifikatorsprachen noch Kollektiva?

Beim ersten Punkt spielt die Unterscheidung zwischen Lexikon und Grammatik, Flexion und Derivation die entscheidende Rolle. Kollektiva sind in den meisten Sprachen Simplizia oder auch Derivationsprodukte (in manchen Sprachen sind Kollektiva Flexionskategorien, aber oft in Affinität zur Derivation (siehe Kuhn 1982b: 64)). Der Plural ist flexivisch markiert und damit formal wesentlich markierter als die semantische Kategorie der Kollektiva. Auch wenn die Grenzen zwischen Flexion und Derivation fließend sind, so kann doch festgestellt werden, dass Derivationsaffixe die Referenz des Stammes in der Tendenz stärker verändern als Flexionsmorpheme. Erstere sind für den Stamm "relevanter" (Bybee 1985: 82f.), letztere weniger, besitzen dafür aber eine höhere "lexical generality" (Bybee 1985: 86), sind also semantisch allgemeiner und meist obligatorisch. Die Flexion ist semantisch und morphologisch regelmäßiger und kompositionaler als die Derivation.


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Für den Plural bedeutet dies, dass seine Bedeutung abstrakter ist als die des Kollektivums. Er kann im Unterschied zu Kollektiva sowohl kollektive als auch distributive Vielheiten bezeichnen. Die distributive, also logisch aufzählende und nicht holistische Lesart ist dem flexivischen Plural vorbehalten und gegenüber der kollektiven Lesart auch semantisch wesentlich markierter (vgl. Link 1998: 35f. und Dressler 1987: 13). Kollektionen sind hingegen der Wahrnehmung immer direkt zugänglich, während bei mehr als drei Gegenständen die distributive Interpretation, also die Anzahl, durch Rechenoperationen erfasst werden muss und auch die Sprache eine zunehmende Rolle bei der Analyse der Quantitäten spielt (siehe Hurford 1987). Weniger als vier Gegenstände werden dagegen noch direkt als Anzahl wahrgenommen, das Phänomen wird als "subitizing" bezeichnet (Hurford 1987: 93 und 116). In Klassifikatorsprachen wird meist nur der distributive Plural durch Klassifikatoren markiert, sie treten also bei sehr hohen Zahlen in kollektiver Lesart selten auf (Greenberg 1972: 6). Nur die distributive Lesart verlangt in der Regel auch die morphologische Pluralableitung vom Singulativ in keltischen Sprachen. In manchen Sprachen sind Klassifikatoren außerdem bei sehr niedrigen Zahlen nicht obligatorisch (Greenberg 1972: 6). Hier befinden wir uns bemerkenswerterweise noch im Bereich des "subitizing".

Kollektiva hingegen sind nie Ergebnisse von Aufzählungen, sie sind als lexikalische Einheiten im mentalen Lexikon gespeichert und daher weniger markiert, während der flexivische Plural ja semantisch und formal eher analytisch/kompositional ist. Kognitiv besonders günstig ist die (bildhafte) mentale Speicherung eines Konzeptes als konkretes Objekt (Paivio 1971: 207). Konkrete Individuativa sind im Nominalsystem unmarkiert, und je eher sie der direkten Wahrnehmung zugänglich sind, desto unmarkierter sind sie (Mayerthaler 1987: 41,47). Genau dies ist bei Kollektiva der Fall: Sie stellen einen Spezialfall von lexikalisierten Frames dar, die eine Pluralität von mehr oder weniger homogenen Elementen zusammenfassen – ein lexikalischer Plural sozusagen. Sie sind der Wahrnehmung zugänglich, der distributive Plural bei mehr als drei Individuen nicht. Die universelle Tendenz, Kollektivität näher am Stamm oder sogar durch Stammveränderung zu markieren im Unterschied zum distributiven Plural (Biermann 1982: 238–9, Bybee 1985: 86) weist ebenfalls darauf hin, dass Pluralität allein Kollektiva nicht definieren kann, sondern dass die Bedeutung der Kollektiva logisch gesehen komplexer, aber perzeptuell einfacher, da direkt zugänglich, ist und Kollektiva daher leicht konzeptuelle Einheiten bilden. Nach Curat (1988: 47) legt umgekehrt die morphologische Verschmelzung von Pluralmorphemen mit dem Stamm die kollektive Lesart nahe.

Daher können bei Kollektiva die Elemente je nach Individualisiertheitsgrad nicht völlig aus dem Ganzen isoliert werden.

In diesem Zusammenhang kann auch versucht werden, die zweite Frage nach dem Status der Transnumeralia zu beantworten: Sind Transnumeralia in Klassifikatorsprachen und Singulativsprachen oder die oft als Kontinuativa beurteilten Lexeme fruta oder ganado noch Kollektiva?


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Logisch gesehen nicht, denn sie können theoretisch auf ein Element referieren, erfordern aber in der Regel doch pluralische Referenten, was der Logik eigentlich widerspricht. Transnumeralia scheinen also vielleicht zusätzlich zur numerusunspezifizierten nichtkollektivischen Bedeutung als Kontinuativum bildhaft als Vielheit von Individuen, also kollektiv, gespeichert zu sein; die Similarität der Elemente mag dann noch nach dem Gestaltgesetz der Gleichheit den Eindruck der Kontiguität erhöhen (vgl. Fig. 9 und 10). Sie können daher semantisch nicht klar von anderen Kollektiva unterschieden werden und sind in den entsprechenden Sprachen die morphologisch unmarkierten Formen – sie sind im Lexikon gespeichert.

Der Interaktion von Similarität und Kontiguität entsprechen im Übrigen auch die in Lakoff (1999: 51) beschriebenen Primärmetaphern "categories are containers" und "similarity is closeness", nach denen Dinge einer Art als räumlich benachbart konzeptualisiert werden, Ähnlichkeit Nähe impliziert. Der subjektive Eindruck der Ähnlichkeit wird nach Lakoff von früher Kindheit an mit der sensomotorischen Domäne der räumlichen Nähe verbunden und ergibt durch "conflation" eine primäre Metapher (Lakoff 1999: 49f.). Gestützt wird diese Annahme durch das Gestaltgesetz der Gleichheit.

Winston/Chaffin/Hermann (1987: 439) stellen bei der Untersuchung von Transitivitätsbeziehungen semantischer Relationen fest, dass die Eigenschaften einer hierarchisch niedrigeren semantischen Relation immer auch Teil der höheren sind. Sowohl die spatiale Beziehung als auch die meronymische und hyponymische Relation enthalten ein Element der räumlichen Nähe, nur die letzteren beiden außerdem Verbindungen der Elemente. Bei hyponymischen Beziehungen kommt außerdem noch der Faktor der Ähnlichkeit hinzu. Dies mag auch der Erkenntnis entsprechen, dass ontogenetisch später auftauchende komplexere formale Denkoperationen auf einfachere anschauliche folgen und aufbauen (Piaget 1992: 139ff.). Der distributive Plural scheint kognitiv also auf der intellektuell primitiveren Kollektivität aufzubauen.


5 Resümee

Die untersuchten Eigenschaften der Kollektiva sind stark von Wahrnehmungsprinzipien bestimmt, vieles spricht daher für eine bildhafte Speicherung dieser Lexeme im mentalen Lexikon. Diese bildlich vorstellbaren Lexembedeutungen sind der Autonomie der Konzepte, die die zentralen Substantive der untersuchten Sprachen charakterisieren, besonders förderlich.

Die Tatsache, dass Kollektiva wie auch Transnumeralia lexikalische Einheiten sind und nicht etwa flexivische Kategorien, passt dabei gut ins Bild. Lexemstatus und direkt zugängliche Perzeption als konkrete Gegenstände sind korreliert.


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Anmerkungen

1 Herzlich bedanken möchte ich mich bei Ulrich Detges, Antonia Neu und Richard Waltereit für ihre fundierte Kritik und Anregungen zum Manuskript des Artikels, bei Reinhard Meisterfeld für die zahlreichen nützlichen Hinweise zum Thema Kollektiva sowie bei Alberto Zuluaga für seine freundliche Hilfe bei der Beurteilung einer Reihe von spanischen Daten. Ein besonderer Dank gilt Paul Gévaudan für die ausführlichen Diskussionen zum Thema und die ausgezeichnete Unterstützung bei der Veröffentlichung.

2 In dieser Untersuchung werden nur Konkreta betrachtet. Die Unterscheidungen gelten jedoch auch für Abstrakta – vermutlich analog zu den Konkreta.

3 Einige Sprachen besitzen sogar ausschließlich Individuativa (Greenberg 1972: 16).

4 Einige Kollektiva bilden eine Extraklasse. Sie bezeichnen immer die gesamte Klasse (siehe Leisi 41971: 33, Kuhn 1982a: 93) und verhalten sich daher wie Unika, die auf eine Gesamtheit von Individuen referieren. Dazu gehören fauna, flora, oder auch cristiandad/ el mundo cristiano 'Christenheit'. Sie bilden keinen Plural und werden nicht mit dem unbestimmten Artikel verbunden. Dazu zählen meines Erachtens auch die superlativischen Teilmengen der Gesellschaft wie l'élite oder la crème (Michaux 1992: 108).

5 Wie auch beim bretonischen Beispiel gibt es im Deutschen und in den romanischen Sprachen interessanterweise entsprechende Konstruktionen.

6 So kann beispielsweise das deutsche Kollektivum Pflanzenwerk durch französisch plantes übersetzt werden (Schmitt 1993: 537).

7 vgl. aber Schmitt 1993: 545.

8 Der Grad der Individualisiertheit entspricht der Position auf der Belebtheitsskala: Menschen, danach Tiere, werden als stärker individualisiert empfunden als Unbelebtes (vgl. Dahl 2000: 106).

9 Ähnlich verhält es sich bei Anaphern. Die Wiederaufnahme durch pluralische Anaphern ist oft sogar die einzig grammatische Möglichkeit.

10 Im Deutschen und im Englischen ist bei den entsprechenden Lexemen an dieser Stelle nur die Pluralkongruenz grammatikalisch.

11 Auf Diskursebene können selbst Individuativa wie fr. éventail 'Fächer' in Kollektivkonstruktionen metaphorisch kollektiv werden, z.B. fr. l'éventail vertical et prismatique de ses gouttelettes multicolores 'der vertikale prismatische Fächer seiner vielfarbigen Tröpfchen' (Lüdi 1973: 162).

12 Und entspricht eher der konzeptuellen Abhängigkeit der Kollektiva von ihren Elementen. Viele Lexeme der übergeordneten Ebenen stammen auch von Kollektiva ab, so z.B. herramienta (< lt. ferramenta [n.pl.] 'Werkzeug' < ferramentum 'id.'), heute 'ein Werkzeug'.

13 So werden in manchen Sprachen auch bestimmte Stoffe als Pluraliatantum versprachlicht, z.B. lat. aquae, oder arenae (Meisterfeld 1998: 51).

14 vgl. Meisterfeld (1998:116): ahd. liut, liuti überlebt in der nhd. Pluralform Leute.

15 Umgekehrt können auch Individuen "kollektiviert" werden, im Englischen im Frame der Jagd. Allan (1976) nennt das Verfahren "collectivizing", es existiert auch im Französischen und Spanischen:- Il y a du sanglier dans cette forêt 'Es gibt Wildschein in diesem Wald.' (Curat 1999: 127) - ¿Hay mucha trucha en este río? 'Gibt es viel Forelle in diesem Fluß?' (J. Fernández Santos, Los Bravos, 44, zit. in De Bruyne 1993: 88).

16 "Die meisten arabischen Gattungskollektiva erfordern in der Regel pluralische Referenten, wie die Befragung arabischer Muttersprachler zeigt (...)" ( Kuhn 1982b: 62).
"(...) auch im Walisischen erfordert die unmarkierte Kollektivform eine pluralische Kongruenz, ist also nicht eigentlich transnumeral" (Kuhn 1982b: 66).

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