Zusammenfassung
Meist hat das, was in Forschungsberichten
dargestellt wird, nur einen sehr losen Zusammenhang zu dem Forschungsprozeß,
auf den sich die Veröffentlichungen beziehen. Diese Trennung zwischen
dem "context of justification" und dem "context of discovery" wird von
naturwissenschaftlich orientierten Wissenschaftstheorien und Methodologien
explizit gefordert, obwohl sie schon dort problematisch ist. Sie findet
sich aber auch in qualitativen Forschungsarbeiten, allerdings - so ist
zu vermuten - weniger bewußt intendiert und schwerwiegender entlang
deren Prämissen. Deshalb wird im ersten Teil ausgehend von einigen
"paradigmatischen Gemeinsamkeiten" qualitativer Forschung ein Reflexionsdefizit
herausgearbeitet, das darin besteht, daß qualitative Methodologien
sich häufig - analog einem in der qualitativen Forschungspraxis vorherrschenden
naturalistischen Blick auf Untersuchungsgegenstände - durch ein naturalistisches
Verständnis des Forschungsprozesses auszeichnen. In dem Bemühen,
beide Kurzsichtigkeiten zu vermeiden, wird im zweiten Teil im Anschluß
an Überlegungen, die im Rahmen der psychoanalytischen Sozialforschung
entwickelt worden sind und entlang einer eigenen Forschungsarbeit zu Jugendarbeitslosigkeit
zu rekonstruieren versucht, in welcher Weise die Persönlichkeiten
der Forschenden, die Zusammenarbeit in einem Forschungsteam sowie die Einbindung
in weitere wissenschaftliche Kontexte und Diskurse Einfluß auf die
Erkenntnisgewinnung und -präsentation genommen haben. Abschließend
werden einige Barrieren diskutiert, die u.E. die Forschungsarbeit kontinuierlich
behindert haben und die zudem Hinweise dafür geben, warum sich empirische
Forschung und Methodologie jenseits der monierten Kluft zwischen beiden
mit einem Einbezug der Subjektivität der Forschenden und der Kontextualität
von Forschung schwertun. Hierzu gehören zunächst Ausstattungs-
und Vermittlungsdefizite hinsichtlich qualitiver Forschungsmethodik in
der universitären Lehre und Rezeptionsdefizite auf Seiten qualitativer
Methodologie vor allem in Bezug auf wissenschaftshistorische und -soziologische
Arbeiten, sowie fortdauernde Berührungsängste in Richtung - für
eine Reflexion des Forschungsprozesses wichtiger - (ethno-) psychoanalytischer
Ansätze. Wesentlich scheinen darüber hinaus und teilweise damit
verbunden hinter dem Rücken der Forschenden wirksame Imperative von
Wissenschaft, die sich zum einen mit persönlichen Ängsten und
(Berufs-) Rollen, zum anderen mit einer tiefgreifenden Verunsicherung bzgl.
der Möglichkeit insbesondere human- und sozialwissenschaftlicher Aussagen
treffen.
Stichworte:
qualitative Forschung, qualitative
Methodologie, Psychoanalyse, qualitative Interviews, Wissenschaftsforschung,
Wissenschaftspsychologie
Inhalt
Vorbemerkungen
1. Forschungsmethodologie
und Forschungsalltag zwischen normativer Reflexion und unreflektierter
Normalität?
2. Einige "Fallstricke"
qualitativen Arbeitens am Beispiel der eigenen Projektarbeit
2.1 Themenfindung
und Fragestellung
2.2 Durchführung
der Interviews
2.3 Interviewauswertung
3. Diskussion und Ausblick
Literatur
Vorbemerkungen
Wenn empirische Forscher und Forscherinnen
für ihre Aussagen das Prädikat wissenschaftlich reklamieren,
greifen sie implizit oder explizit auf Wissenschaftstheorien und Methodologien
zurück, in denen Spezifika wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung
und (rationale) Grundsätze formuliert sind, denen Handeln folgen soll,
um als wissenschaftliches Handeln akzeptiert zu werden. Der Wissenschaftstheoretiker
Gerard Radnitzky formuliert im Anschluß an Albert folgende Form einer
"typischen" methodologischen Regel: "Wenn Ihr Ziel Erkenntnisfortschritt
ist (was wir voraussetzen, da Sie forschen wollen) und wenn Sie sich in
einer Forschungssituation vom Typ S befinden ..., dann empfiehlt Ihnen
die Methodologie M, gemäß Regel R zu verfahren." (Radnitzky
1989, S.467) Eine derartige, erstmals von Reichenbach (1938) formulierte
Beratungsaufgabe ("advisory task") erfüllen auch qualitative Methodologien,
obwohl sie in Abgrenzung gegen den einheitswissenschaftlichen Anspruch
naturwissenschaftlich orientierter Wissenschaftstheorien entstanden sind
und auch deren technologischen und logizistischen Verkürzungen nicht
folgen.
Irritationen können sich für
empirisch Forschende u.a. aus dem Umstand ergeben, daß das, was eine
Wissenschaftstheorie oder Methodologie als Voraussetzung zur Sicherung
wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung postuliert, von der nächsten
- teilweise verbunden mit einer gewissen verbalen Blutrünstigkeit
- verworfen wird. Es sei an dieser Stelle exemplarisch auf einige "Todesanzeigen"
verwiesen, die das laufende Jahrhundert flankieren (auch die vorangegangenen
waren reich an Querelen und Händeln von dem Geist der Vernunft verpflichteten
Wissenschaftler(inne)n und "Schulen"): 1929 verkündeten Wissenschaftstheoretiker
des Logischen Empirismus den Tod der "traditionellen Philosophie" und machten
"sich mit Vertrauen an die Arbeit, den metaphysischen und theologischen
Schutt der Jahrtausende aus dem Weg zu räumen" (Carnap, Hahn und Neurath
1929, S.100). Die Worte waren kaum zu Papier gebracht, als in unmittelbarer
Nähe bereits der nächste Mordversuch vorbereitet wurde. Er galt
dem eben noch hoffnungsvollen Logischen Empirismus und konnte Jahrzehnte
später durch eine nachträgliche Selbstbezichtigung geklärt
werden: Er habe es nicht mit Absicht getan - so Karl R. Popper 1974 - aber
"ich fürchte, daß ich mich als Täter bekennen muß"
(Popper 1974, S.121). Als Popper dieses "Geständnis" niederschrieb,
hielten er und der Kritische Rationalismus sich, so ist hinzuzufügen,
bereits nur mehr sehr mühevoll und am Tropf der "raffinierten" Revisionen
des Imre Lakatos (1970) am Leben: Denn von einer Seite - u.a. im Rahmen
zwischenzeitlich erstarkter qualitativer Methodologien - wurde die Gültigkeit
naturwissenschaftlicher Erkenntnisweisen insbesondere für Human- und
Sozialwissenschaften bestritten. Die andere hatte sich - eingeleitet durch
Kuhns "Struktur wissenschaftlicher Revolutionen" (1962) - erdreistet, dem
naturwissenschaftlichen Erkenntnismodell auf dem eigenen Terrain den Boden
zu entziehen, indem sie hinter der "Logik der Forschung" Psycho- und Sozio-Logik
als Modi procedendi wissenschaftlichen Fortschritts entdeckte. Weniger
blutig, aber in der Wirkung den vorangegangenen Todesanzeigen vergleichbar
ist, wenn Kuhn zu Poppers Falsifikationismus lakonisch bemerkt: "Macht
man die Prüfung zum Kennzeichen der Wissenschaft, so geht man an dem
vorbei, was die Wissenschaftler meistens tun, und damit an der charakteristischsten
Eigenschaft der Wissenschaft." (Kuhn 1970, S.368)
Kuhns Differenzierung zwischen wissenschaftstheoretischen
Erwägungen und dem Handeln von Wissenschaftler(inne)n verweist auf
eine Kluft zwischen Methodologie und empirischer Forschung, die Paul F.
Lazarsfeld 1968, bezogen auf das Verhältnis zwischen Sozialwissenschaften
und naturwissenschaftlich inspirierten Methodologien, monierte: Zwar sei
der Bedarf an methodologischer Begleitung und Reflexion auf seiten der
Sozialforscher und -forscherinnen groß, aber - so Lazarsfelds Diagnose
- die "Wissenschaftstheoretiker sind an der alltäglichen Arbeit des
empirischen Forschers weder interessiert, noch wissen sie darüber
Bescheid" (Lazarsfeld 1968, S.46). Ein Happy-End stand in seinen Augen
schon zum damaligen Zeitpunkt kaum in Aussicht, sein Resümee wirkt
resignativ: "Entweder müssen wir unsere eigenen Methodologen werden,
oder wir müssen ohne die segensreichen Explikationen des methodologischen
Klerus weiterwursteln." (a.a.O.)
Zumindest im Bereich qualitativer
Methodologie wäre auf ein intimeres Miteinander von Methodologen bzw.
Methodologinnen und empirisch Forschenden zu hoffen, da in vielen Fällen
eine Personalunion von Forschungsarbeit und methodologischer Reflexion
vorfindbar ist - als prominentes Beispiel sei an dieser Stelle auf die
Arbeiten von Barney G. Glaser und Anselm L. Strauss und ihre "Grounded
Theory" (1967) verwiesen. Gleichwohl scheint auch hier das Verhältnis
zwischen Methodologie und empirischer Forschung problematisch. So stellen
Lüders und Reichertz fast zwanzig Jahre nach Lazarsfeld der qualitativen
Sozialforschung im Anschluß an eine kritische Zustandsbeschreibung
die "Frage nach ihrer möglichen Janusköpfigkeit" und merken -
Lazarsfelds Resümee präskriptiv wendend - an: "Daß etwas
passiert, daß qualitative Sozialforschung offenbar funktioniert,
reicht nicht aus. Sie muß wissen, wo ihr Kopf sitzt. Daher muß
die qualitative Forschungspraxis stärker als bisher von einer methodologisch
reflektierten Kritik der qualitativen Sozialforscher selbst begleitet werden,
um so die eigenen blinden Flecke und Aporien ans Licht zu bringen." (Lüders
& Reichertz 1986, S.98)
Wieder zehn Jahre später scheint
qualitative Forschung, gemessen an dem Output an Veröffentlichungen,
weiter zu "funktionieren": Neben einer - für die Psychologie im Vergleich
zu dem nach wie vor weitgehend quantitativ orientierten Mainstream sicher
bescheidenen - Zahl empirischer Studien zu unterschiedlichsten Fragestellungen
sind eine Vielzahl Überblicksartikel, Monographien und mittlerweile
sogar ein "Handbuch" sowie ein "Lehrbuch" qualitativer Sozialforschung
(Flick, Kardorff, Keupp, Rosenstiel & Wolff 1991, Kleining 1995) zu
verzeichnen, die die Prosperität qualitativer Arbeiten quer durch
verschiedene sozial- und humanwissenschaftliche Disziplinen belegen. Dem
stehen andererseits gravierende Probleme entgegen, die sich auch für
qualitative Forscher und Forscherinnen ergeben, wenn sie sich mit der wissenschaftlichen
Qualität ihrer Aussagen auseinandersetzen: Je nachdem, ob eine Studie
z.B. den Prämissen der "Grounded theory", der "objektiven Hermeneutik"
oder denen "qualitativer Inhaltsanalyse" folgt, werden unterschiedliche
"Wahrheiten" über den Gegenstand "zu Tage befördert", die zudem
zwischen den Forschenden, die unter dem Dach der einen oder anderen Methodologie
bzw. mit der einen oder anderen Auswertungsstrategie antreten, nochmals
variieren.
Nun bestünde für empirisch
Forschende die Möglichkeit, dies leider noch fortdauernden Defiziten
qualitativer Methodologien zuzuschreiben, "weiterzuwursteln" und zu hoffen,
daß die Gegenstände geduldig bleiben und eines Tages doch noch
von (qualitativen) Methodolog(inn)en überlistet werden, die dann endlich
bessere, da "gegenstandsangemessenere" Verfahrensweisen für die empirische
Forschung entwickeln. Ein anderer Weg, den wir vorziehen, besteht darin,
die scheinbare Flüchtigkeit und Veränderbarkeit des jeweiligen
Untersuchungsgegenstands im Lichte unterschiedlicher Annäherungsweisen
anzuerkennen und von der - in Rahmen qualitativer Praxis in der Art ihrer
Forschungsarbeit vollzogenen und auch auf Seiten einiger Methodologen und
Methodologinnen fortdauernden - (naturalistischen) Hoffnung Abschied zu
nehmen, Personen, Gruppen, Gesellschaften oder Kulturen möglichst
so zu beschreiben, wie sie "an sich" sind. Der mit dieser Hoffnung verbundene
Anspruch, den Forschungsprozeß von Störungen freizuhalten, wäre
durch eine Reflexion der "Störungen" zu ersetzen, die mit jeder Definition,
Beobachtung oder Untersuchung eines Gegenstandes einhergehen und die der
französische Ethnopsychoanalytiker Georges Devereux bereits 1967 als
"Eckpfeiler einer wissenschaftlichen Erforschung des Verhaltens" gesehen
hat. Nach Devereux muß der "Verhaltensforscher ... lernen zuzugeben,
daß er niemals ein Verhaltensereignis beobachtet, wie es in seiner
Abwesenheit `stattgefunden haben könnte', und daß ein Bericht,
den er zu hören bekommt, niemals mit dem identisch sein kann, den
derselbe Berichterstatter einer anderen Person gibt." (Devereux 1967, S.29).
Auch die Unterschiede zwischen den Berichten verschiedener Forscher(innen)
wären hiernach nicht Ausdruck einer (mit Fortschritt der Wissenschaften
aufzulösenden) Unzulänglichkeit auf Seiten der Untersuchenden
oder der von ihnen verwandten Methodik, sondern selbst "einer theoretischen
Erklärung bedürftig". Devereux schlägt vor, "die Existenz
und die wissenschaftliche Bedeutung der Divergenzen zwischen den Berichten
zweier Verhaltensforscher nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern sie
darüber hinaus jeweils zu ihrer Persönlichkeitsstruktur, zu der
strukturellen und funktionellen Komplexität ihres eigenen kulturellen
Hintergrunds und der Kultur, die sie untersucht haben, in Beziehung zu
setzen." (a.a.O., S.66)
Leider sind die Überlegungen
Devereux' abgesehen von dem engeren Kreis ethnopsychoanalytischer Arbeiten
in den Sozial- und Humanwissenschaften weitgehend folgenlos geblieben.
Wir wissen jenseits methodologischer Ratschläge sehr wenig darüber,
wie sich der Erkenntnis- und Deutungsprozeß im Rahmen qualitativer
Forschungsarbeiten vollzieht, obwohl ein solches Wissen - das voraussetzen
würde, daß Forschende sichtbar zu machen versuchen, worin jenseits
der üblicherweise präsentierten Fassade der veröffentlichten
Berichte ihre Forschungsarbeit besteht - auch einen wesentlicher Schritt
über das bloße Konstatieren der Kluft zwischen qualitativer
Methodologie und empirischen Forschungsarbeiten hinaus leisten könnte.
Im folgenden soll ein solcher Versuch
in zwei Schritten unternommen werden. Zunächst werden einige "paradigmatische
Gemeinsamkeiten" (Legewie 1991) qualitativer Methodologien, deren Reflexionsstand
sowie mit diesem einhergehende Implikationen für die Forschungspraxis
herausgearbeitet. Wesentlichstes Ergebnis dieser Bestandsaufnahme ist die
These, daß im Rahmen qualitativer Methodologien zwar versucht wurde,
die Beforschten aus dem objektivistischen und monadologischen Dunkel quantitativer
Modelle und Laboratorien zu entlassen, daß aber die Subjektivität
und Sozialität der Forschenden auch auf Seiten qualitativer Methodologie
nur begrenzt zur Kenntnis genommen wird: Auch qualitative Methodolog(inn)en
beschränken sich weitgehend - und dies verweist auf eine mit quantitativen
Methodologien geteilte Prämisse - auf die Reflexion der Beziehung
zwischen Erkenntnissubjekt und Erkenntnisgegenstand als den für wesentlich
erachteten Konstituenten wissenschaftlicher Erkenntnis. Ausgeklammert bleibt
die Ebene der "Mikropraktiken des Wissenschaftsbetriebs ..., [die] sich
auf uns auswirkt, [auf] unsere Themen, Formen, Inhalte und unser Publikum
... Wir schulden diesen Fragen Aufmerksamkeit - und sei es nur, um ihr
relatives Gewicht festzustellen." (Rabinow 1986, S.186f)
Im zweiten Teil wird deshalb entlang
einiger "Eigentümlichkeiten" einer eigenen Forschungsarbeit versucht,
den Forschungsprozeß als Folge von (nicht nur rationalen) Entscheidungen
in der Spannung zwischen dem Untersuchungsfeld, der Persönlichkeit
der Forschenden und der Wissenschaftskultur (Volmerg 1988) zu rekonstruieren.
Das Unterfangen, am eigenen Beispiel einen Blick darauf zu werfen, wie
qualitative Forschungspraxis neben und jenseits methodologischer Prämissen
und Normen "funktioniert", ist mühevoll, noch sehr unsystematisch
und oft (zu) vorsichtig. Die Ängste und Schwierigkeiten, die wir dabei
"am eigenen Leibe" erlebt haben, lassen auch einige Vermutungen darüber
zu, warum empirische und methodologische Arbeiten sich lieber mit
der Subjektivität und Kontextualität der Beforschten befassen
als mit der Subjektivität der Forschenden und der Kontextualität
von Forschung. Obwohl es sich - unserer disziplinären Herkunft nach
- um Überlegungen im Anschluß an ein psychologisches (allerdings
sozialwissenschaftlich konzeptualisiertes) Forschungsprojekt handelt, gehen
wir davon aus, daß Probleme wie die im folgenden thematisierten,
die mit der Entstehung wissenschaftlicher Erkenntnis aus dem Zusammenspiel
zwischen Forscherin bzw. Forscher, Untersuchungsgegenstand und Wissenschaft
zusammenhängen, keineswegs nur für psychologische Arbeiten bedeutungsvoll
sind.
Schließlich noch eine "warnende"
Bemerkung: Bei dem Projekt, von dem im zweiten Teil die Rede sein wird,
handelt es sich ursprünglich um ein Forschungsinitiativ-Projekt, das
konzeptionell und organisatorisch von Studierenden durchgeführt wurde.
Die Ergebnisproduktion ist - im nachhinein betrachtet - zwischen wissenschaftlichen
Standards, Neugier, Pragmatik und den eigenen blinden Flecken verlaufen.
Es wäre schade und kurzsichtig, dies lediglich als Besonderheit eines
studentischen Projektes zurückzuweisen: Daß das wissenschaftliche
Vorgehen nur scheinbar den veröffentlichten Prozeduren folgt, ist
keineswegs auf studentische und ebenso wenig auf qualitativ-psychologische
Arbeiten beschränkt: Karin Knorr-Cetina hat im Rahmen ihrer Studie
zur "Fabrikation der Erkenntnis" in naturwissenschaftlichen Forschungsprojekten
verdeutlicht, daß viele "Probleme ... im Labor aufgrund von lokalen,
persönlichen und wohl auch ad hoc entwickelten Praktiken `aus dem
Weg geräumt' [werden]. Man bedient sich hier eines unpublizierten
Knowhow an Problemdiagnose und -bewältigungsroutinen, denen das Papier
ein elegant bereinigtes Rezept glatter Verfahrensschritte gegenüberstellt"
(Knorr-Cetina 1981, S.236). Wir gehen davon aus, daß qualitative
Forschung sich notwendigerweise - wenn auch unterschiedlich extrem oder
deutlich - Schwierigkeiten wie den nachfolgend beschriebenen gegenübersieht.
1. Forschungsmethodologie
und Forschungsalltag zwischen normativer Reflexion und unreflektierter
Normalität?
Denk- und Forschungsrichtungen, die
in der "Familie" der qualitativen Forschung zusammengefaßt erscheinen,
definieren sich vor allem im Rückgriff auf geisteswissenschaftliche
Traditionen und in Abgrenzung gegen naturwissenschaftlich geprägte
Vorstellungen von "exakter" - meist verstanden als mit quantifizierenden
Verfahren arbeitender - Wissenschaft. In der mittlerweile über ein
Jahrhundert dauernden Debatte um qualitative vs. quantitative Verfahren
stehen auf der einen Seite Vorwürfe vor allem der Unwissenschaftlichkeit,
des unkontrollierbaren Subjektivismus und der bloßen "Reproduktion
des common sense" (so z.B. Buchmann & Gurny 1984, S.780), denen der
anderen Seite - Formalisierung, Artefaktbildung und Trivialität -
gegenüber: "Entweder die Antworten [sind] sowieso längst bekannt
... oder aber die Fragen interessieren [niemanden]" (Dörner 1983,
S.13; vgl. auch die jüngste Debatte um die "beiden Kulturen in der
Psychologie" in Schorr 1994). Während in der traditionellen, quantifizierende
Verfahren präferierenden Position qualitativen Arbeiten ein lediglich
heuristischer Wert zur Hypothesengewinnung bei Eintritt in "wissenschaftliches
Neuland" eingeräumt wird (vgl. z.B. Bortz 1984), ist Kleining (1982)
wahrscheinlich schon deshalb zu einer im Rahmen der Auseinandersetzung
mit qualitativer Methodologie obligatorischen Referenz geworden, da er
- Ausdruck des Aufbegehrens gegen die fortdauernde Hintanstellung des Qualitativen
in den Sozialwissenschaften - quasi am anderen Ende des Argumentationspoles
behauptet: "Qualitative Forschung ... muß in jedem Fall der quantitativen
Forschung vorausgehen, braucht aber nicht von ihr gefolgt zu werden." (Kleining
1982, S.226). Zwischen beiden Polen bewegen sich - aktuell zunehmend -
integrative Bemühungen unterschiedlicher Provenienz. So stellt zum
Beispiel Früh in einem 1992 im Anschluß an einen Zuma-Workshop
herausgebenen Sammelband zur "Handhabung verbaler Daten in der Sozialforschung"
fest, daß "qualifizierende und quantifizierende Aspekte in verschiedenen
Phasen des Forschungsprozesses mit unterschiedlichem Stellenwert einfließen,
fast immer wird ... aber eine Kombination beider Vorgehensweisen" (Früh
1992, S.60) zur Anwendung kommen.
Die letztliche Entscheidung für
qualitative oder quantitative Verfahren wird - wenn überhaupt - von
quantitativer Seite insbesondere mit Kriterien von Wissenschaftlichkeit
bzw. dem Vorhandensein wissenschaftlich "geprüften" Wissens und von
qualitativer mit Merkmalen des Gegenstandes begründet. Gemeinsam ist
beiden damit eine wissenschaftsimmanente Begründungslogik, wohingegen
wir davon ausgehen, daß die Entscheidung des einzelnen Forschers
bzw. der einzelnen Forscherin in der sehr grundsätzlichen Frage qualitativer
oder quantitativer Orientierung vor dem Hintergrund biographisch erworbener
subjektiver Vorlieben und Weltsichten und entlang des Forschungskontextes,
dem sie oder er zugehört, getroffen wird. Es kann mit Freud und entgegen
allen rationalistischen (Selbst-) Beschwörungen von Wissenschaft angenommen
werden, daß bei solch grundsätzlichen Fragen "die Neigungen
... mehr Einfluß nehmen werden als die Argumente" (Freud 1926, S.328).
Gegen die von qualitativer Seite und in der Psychologie insbesondere durch
Jüttemann (z.B. 1983, 1990) vertretene Argumentation, qualitative
Verfahren seien "gegenstandsangemessen", während quantitative Forscher(innen)
auf der Grundlage von Menschenbildannahmen operierten, ist einzuwenden,
daß auch die eigene qualitative Vorgehensweise notwendig menschenbildgeleitet
und nicht unmittelbar durch quasi "objektive" Gegenstandsmerkmale "erzwungen"
ist. Außerdem kommen auch qualitative Forscher nicht umhin, auf Modellannahmen
zurückgreifen, die eingreifende Komplexitätsreduktionen enthalten.
Gleichwohl ist das Argument der Gegenstandsangemessenheit
sicher eine der "paradigmatischen Gemeinsamkeiten" qualitativer Sozialforschung.
Qualitative Sozialforschung wendet sich gegen die auf Seiten quantitativer
Forschung vollzogene "Entsubjektivierung, Dekontextualisierung und Quantifizierung
von Sozialerfahrung" (Bonß 1982, S.59). Im Rahmen von psychologischen
Arbeiten will sie "den Menschen in seiner Alltagssituation" (Jüttemann
1988, S.508) zum Ausgangspunkt der Untersuchung machen, statt mit der Suche
nach dem "wahren Wert" jenseits des "Stör-`Rauschens' ... ein gegenstandstheoretisches
Vakuum" (Bergold & Breuer 1992, S.27) zu schaffen.
Hierzu wird als notwendig erachtet,
sich anstelle des geschlossenen Systems hypothetico-deduktiven Denkens
mittels erkenntnis- und veränderungsoffener Verfahrensweisen und ohne
Hypothesenbildung ex ante der Komplexität, Widersprüchlichkeit
und Alltagssituiertheit des Gegenstandsfeldes zu nähern: Es soll auf
eine theoretische Vorstrukturierung verzichtet werden, "bis sich die Strukturierung
des Forschungsgegenstandes durch die Forschungssubjekte herausgebildet
hat" (Hoffmann-Riem 1980, S.343). Dieses "Prinzip der Offenheit" sowie
das ebenfalls zentrale Verständnis von qualitativer Sozialforschung
als kommunikativem Prozeß ist - in Auseinandersetzung mit den Grundtheoremen
und Implikationen quantitativer Sozialforschung - um weitere Postulate
wie z.B. "Ganzheitlichkeit", "Historizität", "Reflexivität" etc.
ergänzt bzw. präzisiert worden (vgl. z.B. Flick et al. 1991;
Lamnek 1993, Mayring 1993).
Das diesen Prinzipien unterliegende
Menschenbild (wir halten die Vermeidung von Menschenbildannahmen, wie erwähnt,
für unmöglich) unterstellt in der Regel ein "reflexives, soziales
und aktives Subjekt" (so z.B. Raeithel & Bergold 1985) in Abgrenzung
gegen die Konstruktion eines "reaktiven" und außengesteuerten, "solipsistischen"
und "blindlings aktiven", nicht-reflektierenden Subjektmodells. Aufgrund
dieser Menschenbildannahmen wird es möglich und - vor dem Hintergrund
des von König (1984) formulierten "Fremdheitspostulates", das im Anschluß
an ethnologische Diskussionen ein selbstverständliches Ineinssetzen
von wissenschaftlichen und alltäglichen Vorstellungen und Bedeutungen
auch für die eigene Kultur untersagt - auch notwendig, Handlungs-
und Sinnzusammenhänge auf Seiten der Beforschten zu rekonstruieren.
Dabei sieht sich die wissenschaftliche
Erforschung von Menschen durch Menschen besonderen Schwierigkeiten gegenüber,
auf die bereits sehr früh und eindringlich Georges Devereux - bekannt
vor allem durch seine Arbeit über "Angst und Methode in den Verhaltenswissenschaften"
(1967) - verwiesen hat. Devereux unternimmt, anschließend an zwei
scheinbar sehr unterschiedliche Theoreme - die Freud'sche "Gegenübertragung"
und die Heisenberg'sche "Unschärferelation" - den Versuch, die Verstrickung
der Forscher(innen) in den Forschungsprozeß und dessen Resultate
zu rekonstruieren. Er zeigt entlang von Fallbeispielen, daß nicht
nur die "Wahrnehmung einer Situation ... von der Persönlichkeit des
Wahrnehmenden radikal beeinflußt" (Devereux 1967, S.66) wird: Denn
neben der Subjektivität von Wahrnehmung und Interpretation ist nach
Devereux ein "grundlegendes Merkmal der Verhaltensforschung ... die aktuelle
oder potentielle Reziprozität der Beobachtung zwischen Beobachter
und Beobachtetem, die theoretisch eine symmetrische Beziehung konstituiert
... So ist die in einer Richtung geführte Beobachtung in der Verhaltensforschung
weitgehend eine konventionelle Fiktion" (a.a.O., S.42) - Menschen handeln
"in dem Bewußtsein vom Bewußtsein eines anderen - dem Wissen,
daß man weiß" (a.a.O., S.45). Damit sind auch in der Forschungssituation
die Äußerungen der Beforschten nicht Ausdruck monadologischer
Individualitäten, sondern sie finden in einem konkreten Kontext und
vor dem Hintergrund der (Antizipation der) Wahrnehmung und Interpretation
ihrer Forschungsgegenüber statt. Dieser "interaktiv-kommunikative
Charakter der Datengewinnung" wird für die Psychologie u.a. von Bergold
und Breuer (1992) betont. Die Autoren kritisieren, daß in der Mehrzahl
der empirischen Studien der "Forscher (und erst recht: die Forscherin)
... nicht als Bestandteil des Feldes, das zur Untersuchung steht, angesehen
[wird]; seine (ihre) Stellung darin wird nicht als Bestandteil der Theorie
aufgefaßt" (Bergold & Breuer 1992, S.26), wodurch Persönlichkeit
und Subjektivität der Forschenden "weitgehend unreflektiert und unthematisiert"
den Prozeß der Erkenntnisproduktion mitbestimmen.
Impulse zur Reflexion der Beziehung
zwischen Forschenden und Beforschten hat die Diskussion im Bereich qualitativer
Methodologie u.a. aus den Debatten um die "Krise der ethnographischen Repräsentation"
(Berg & Fuchs 1993) erhalten. Als Ausgangspunkt dieser Krise vermutete
Stagl (1980) eine Erschütterung von bis dahin identitätsstiftenden
Bezugnahmen auf einen "typischen Gegenstand", eine "typische Methode" und
eine "typische Forschungsoptik": "Während ... dem Ethnographen sein
Interpretationsmonopol einerseits von den erforschten Menschen bestritten
wird, ist es andererseits auch seitens der Nachbarwissenschaften immer
weniger gefragt: hier `Kolonialist' und dort `Dilettant', gerät der
Ethnograph zwischen Skylla und Charybdis." (Stagl 1980, S.35)
Ethnolog(inn)en begannen "unter dem
Schock dieser Krise" (Schmied-Kowarzik & Stagl 1980b, S.X) das Nachdenken
über eine "grundlegende Neubesinnung". Ethische, erkenntnistheoretische
und wissenschaftshistorische Voraussetzungen und Folgen des eigenen Handelns
als Sozial- und Kulturwissenschaftler(innen) wurden thematisiert. Insbesondere
wurde "die Frage [gestellt], in wessen Namen der Sozialwissenschaftler
denn spricht, wenn er sagt, daß etwas dies bedeutet und nicht jenes"
(Sixel 1980, S.335). Diese Frage nach der Darstellung bzw. "Repräsentation
des Anderen" hat die Reflexion in der Ethnologie bis heute begleitet, wobei
jenseits der unterschiedlichen Antwort- und Lösungsversuche einige
Grundzüge der Diskussion erkennbar sind. Mittlerweile geteilt zu sein
scheint die Annahme, daß der "Text ... nie identisch [ist] mit der
Wirklichkeit, die er abbildet, er drückt sie immer nur aus und ist
damit mehr und weniger zugleich" (Jeggle 1984, S.25). Die Nicht-Identität
zwischen Beschriebenem und Beschreibung ist im Rahmen aktueller Überlegungen
dahingehend präzisiert worden, daß "über andere zu reden
heißt, über sich selbst zu reden. Die Konstruktion des Anderen
ist zugleich die Konstruktion des Selbst." (Fuchs & Berg 1993, S.11)
Mit dieser "reflexiven Wendung" wird die "ethnologische Sichtweise ...
auf den Erkenntnisprozeß ausgedehnt, indem man versucht, die Teilhabe
des Forschers an diesem Prozeß zu beobachten und zu beschreiben (a.a.O.,
S.14). Ebenfalls erkennbar ist eine Tendenz in Richtung kognitiver und
linguistischer Sichtweisen, denn die "Überlegungen kreisen im Kern
um den Prozeß des Schreibens oder der Verschriftlichung" (a.a.O.,
S.13), sei es als "Vertextlichung des mündlichen Diskurses" oder -
wie insbesondere anschließend an Clifford Geertz (1983) - als ein
Verständnis von "Kultur als Text" bzw. von ethnologischem Forschen
als "Lesen kultureller Texte". Diese textuelle Wendung wird zwar teilweise
als "zugleich eine Einengung des Handlungskonzeptes wie auch der eigenen
wissenschaftlichen Praxis" (Fuchs & Berg 1993, S.59) diskutiert, aber
Bemühungen, über die Beziehung zwischen Forscher(inne)n und Beforschten
und deren Niederschlag in Texten hinaus auch den konkreten wissenschaftlichen
Kontext der Forschenden in die Reflexion einzubeziehen, bleiben selten.
Interessanterweise schließt
die aktuelle Rezeption dieser Debatte im Rahmen anderer Sozialwissenschaften
insbesondere an die "textuelle Wendung" in der Ethnologie an und verbleibt
- neben der Frage "wer spricht?" (Fuchs & Berg 1993, S.93) zusätzlich
die Frage "wer liest?" thematisierend - bestenfalls bei einer Ausweitung
der Dyade Forschende-Beforschte in Richtung der Triade Beforschte-Forschende-Rezipient(inn)en.
Einen solchen Versuch hat in jüngerer Zeit z.B. Flick (1994) mit einer
Arbeit zum "Text zwischen Mimesis und Welterzeugung" unternommen, in der
er einige Fragen der methodologischen Diskussion aufgreift, so z.B. inwieweit
es zur "Herstellung neuer Realitäten im Verlauf der Datenerzeugung
und Interpretation [kommt]" (Flick 1994, S.2). In Flicks Konzeption der
Rezipient(inn)en ist das Aufscheinen von wissenschaftlichen Gemeinschaften
und Wissenschaftskulturen auf zweierlei Weise möglich: Zum einen wird
auch eine von Wissenschaftler(inne)n vollzogene Rezeption von Forschungsergebnissen
anderer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen als interpretativer Akt
verstanden, auch sie ist Herstellung einer neuen Realität: Das "Verstehen
von Texten [und auch das Erstellen von Texten!; Anmerk. d.Aut.] wird ...
zu einem aktiven Prozeß der Herstellung von Wirklichkeit, an dem
nicht nur der Verfasser von ... Texten, sondern auch derjenige beteiligt
ist, für den diese geschrieben werden und der sie liest" (a.a.O.,
S.7). Zum anderen betont Flick im Anschluß an das Konzept der "sozialen
Repräsentationen" von Serge Moscovici die Transformation von Wissenschafts-
in Alltagswissen. Beide Gedankengänge bleiben allerdings im Rahmen
der beanspruchten methodologischen Reflexion über die "Welterzeugung"
in Erkenntnis- und Deutungsprozessen von Human- und Sozialwissenschaftler(inne)n
unzureichend. Hier scheinen Kurzschlüssigkeiten zu greifen, die möglicherweise
schon mit dem Verständnis von qualitativer Sozialforschung als "Textwissenschaft"
und mit dem scheinbar nicht weiter zu begründenden Rückgriff
auf Wissenskonzepte einhergehen: So bleibt in der von Flick unternommenen
Bezugnahme auf die Schütz'sche Differenzierung zwischen den (Alltags-)
Konstruktionen 1. und den (Sozialwissenschafts-) Konstruktionen 2. Grades
ausgeblendet, daß Wissenschaft zwar Konstruktionen über Konstruktionen
produziert, aber auch Alltagshandeln von Wissenschaftler(inne)n ist (ebenso
sind die Konstruktionen über Konstruktion über Konstruktionen
der Methodolog(inn)en zusätzlich auch Konstruktionen 1. und
2. Ordnung). Insoweit wäre nicht nur von Bedeutung, was Alltagswissen
und wissenschaftliches Wissen trennt, sondern auch, was wissenschaftliches
Wissen und Handeln mit Alltagswissen und -handeln gemeinsam haben. Wissenschaftliche
Tätigkeit findet nicht nur im Hinblick auf ihren jeweiligen Gegenstand
und nicht nur entlang von Texten statt, sondern sie ist zu jedem Zeitpunkt
auch bezogen auf die wissenschaftliche Gemeinschaft, der die Forscherin
bzw. der Forscher zugehört oder zugehören möchte - sei es
im Hinblick auf Veröffentlichungen, bei Tagungen, in dem Arbeitszusammenhang
eines Forschungsteams bzw. der Abteilung eines Instituts, in der Betreuung
wissenschaftlicher Qualifikationsarbeiten oder auch in Form "innerer" Monologe
oder Dialoge, in die inhaltliche, strukturelle und formale Aspekte einer
Disziplin bzw. deren Antizipation einfließen.
An dieser Stelle scheint ein Blick
auf das Verhältnis zwischen Methodologie und empirischer Forschung
sinnvoll: Wesentlichster Unterschied ist, daß die im Rahmen methodologischer
Reflexionen auf qualitativer Seite zunehmend vollzogene Anerkennung der
gemeinsamen Konstitution der Daten durch Forschende und Beforschte und
die teilweise daraus folgenden Forderungen nach "Selbstreflexion als Mittel/Instrument
der Gegenstandserforschung" (Bergold & Breuer 1992, S.26) und nach
dem systematischen Einbezug der Erkenntnissituation in die Datenauswertung
jenseits alltäglicher qualitativer Forschungspraxis verläuft.
Devereux mag zwar als rhetorische Waffe gegen quantitative Obsessionen
genutzt werden, die Mehrzahl der qualitativen Forscher und Forscherinnen
folgt ihm aber nicht, wenn er vorschlägt, "Gegenübertragungsdaten"
- d.h. ego- und ethnozentrische "Verzerrungen" - als die "signifikantesten
und charakteristischsten ... der Verhaltenswissenschaft [zu] behandeln
und ... sich die aller Beobachtung inhärente Subjektivität als
den Königsweg zu einer eher authentischen als fiktiven Objektivität
dienstbar [zu] machen" (Devereux 1967, S.18). Auf der Grundlage von qualitativ
erhobenem Material vollzogene Auswertungen pflegen in der Regel, dessen
intersubjektive Konstitution beiseite zu lassen bzw. es als "Daten über
den Gegenstand" zu behandeln.
Neben dieser Differenz verbindet
qualitative Methodologie und qualitative Forschungspraxis eine wesentliche
Gemeinsamkeit - der naturalistischen Gegenstandssicht vieler empirischer
Forscher(innen) entspricht eine naturalistische Sicht von Forschung auf
Seiten der Mehrzahl der Methodolog(inn)en: Zwar gehören die zunehmende
Anerkennung der Subjektivität der Forschenden und daran anschließende
Überlegungen zum Umgang mit wechselseitigen Deutungsprozessen und
ihren Konsequenzen für die Gültigkeit der so gewonnenen Interpretationen
mittlerweile zumindest in Teilen zu deren Fundus. Gleichwohl besteht eine
Zentrierung auf die Reflexion der Beziehung zwischen Forscher(inne)n und
Beforschten weiter fort. Dagegen ist einzuwenden, daß es zwar noch
einigermaßen nachvollziehbar ist, wenn methodologische Reflexion
wissenschaftlicher Erkenntnisbildung zu Zeiten Kants entlang der Beziehung
von Subjekt und Objekt - Erkennenden und Erkenntnisgegenstand - verlaufen
ist. Aktuell ist die zurückgezogene Gelehrtenpersönlichkeit,
die einsam versucht, ihren Gegenstand zum Sprechen zu bringen, eine Fiktion,
an der vor allem interessant ist, daß sie sich solange und so beharrlich
halten konnte.
Überlegungen, die über
dieses Reflexionsdefizit hinausweisen, sind im Rahmen der psychoanalytischen
Sozialforschung insbesondere von Thomas Leithäuser und Birgit Volmerg
(1988) ausgearbeitet worden. Dabei liegt die Besonderheit der Konzeption
wissenschaftlichen Handelns im Sinne der psychoanalytischen Sozialforschung
vor allem darin, daß - über Devereux hinausgehend - nicht nur
die "angsterregende Überschneidung von Objekt und Beobachter" (Devereux
1967, S.17), sondern auch die teilweise nicht minder ängstigenden
und mit der Zugehörigkeit zu dem sozialen System Wissenschaft einhergehenden
Imperative und Verstrickungen in die Untersuchung einbezogen werden. Auf
diese Weise ergeben sich sowohl Anstöße für eine Auseinandersetzung
mit dem in der Auswertungspraxis nach wie vor vernachlässigten kommunikativen
Charakter der Datenerhebung, als auch für eine Untersuchung des auf
mehrfache Weise interaktiv-kommunikativen Charakters des gesamten Forschungsprozesses.
Nach Volmerg werden im wissenschaftlichen
Handeln drei "ineinandergreifende sozialisatorische und kulturelle Kreise"
(Volmerg 1988, S.141) wirksam: Forschungsarbeit findet statt im Spannungsfeld
zwischen den Regelsystemen, Konfliktfeldern und Abwehrmechanismen 1. der
zu untersuchenden Person, Gruppe oder Institution, 2. der wissenschaftlichen
Gemeinschaft, der die Forschenden zugehören und der sie genügen
müssen, "sonst verlieren sie dort ihr Reputation" und 3. den durch
die eigene Person und ihre Biographie gesetzten Möglichkeiten und
Grenzen: "wenn mich das, was ich erforschen will, zu sehr ängstigt
oder ich mich in den Methoden zu sehr eingeschränkt bzw. überfordert
fühle, verliere ich die Verbindung zu meinen kommunikativen Fähigkeiten,
zu meiner Beziehungsfähigkeit, die es mir überhaupt erst ermöglicht,
Kontakt aufzunehmen, um mich flexibel auf die Sprachspiele einer mir fremden
Lebenswelt einzulassen" (Volmerg 1988, S.139). Forschende müssen zwischen
diesen verschiedenen Welt- und Wirklichkeitserfordernissen jonglieren,
eine Anpassung "an nur eine Seite in diesem Dreieck führt unweigerlich
zu Konflikten auf der anderen Seite und zur Gefahr, dort seinen Platz,
seine Identität zu verlieren" (a.a.O., S.141).
Im folgenden soll versucht werden,
mit der "Feld-Kultur-Person-Beziehung" verbundene Konflikte und Lösungsversuche
anhand dreier Stationen im Forschungsprozeß - Finden einer Fragestellung,
Interviewdurchführung und Interviewauswertung - und entlang einer
eigenen Forschungsarbeit zu beleuchten. Es ist dabei wichtig anzumerken,
daß die vorliegende Reflexionsarbeit lediglich von zwei der damals
beteiligten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und erst einige Zeit nach
Ende des Forschungsprojektes geleistet wurde. Obwohl während der gesamten
Projektlaufzeit immer wieder Diskussionen stattfanden und Versuche unternommen
wurden, den Forschungsprozeß z.B. durch Tonbandmitschnitte von Teamsitzungen
zu rekonstruieren bzw. zu dokumentieren, hat ein systematischeres Inbeziehungsetzen
des ermittelten Gegenstandswissen mit den Mechanismen seiner Herstellung
nicht stattgefunden. Dem standen sowohl die institutionellen Rahmenbedingungen
entgegen als auch die Dynamik zwischen den beteiligten Akteur(inn)en im
Forschungsteam - wir gehen davon aus, daß eine weitergehende Auseinandersetzung
zu dem damaligen Zeitpunkt und ohne kontinuierliche Supervision zu einem
frühzeitigen Zerfall der Forschungsgruppe geführt hätte
(vgl. Fußnote 25).
2. Einige "Fallstricke"
qualitativen Arbeitens am Beispiel der eigenen Projektarbeit
Die Studie "Jugendarbeitslosigkeit
und lokale Identität" wurde zwischen 1988 und 1991 an der TU Berlin
durchgeführt und befaßte sich mit der Frage, welche Bedeutung
räumlichen, sozialen und kulturellen Umwelten für das Erleben
von und Umgehen mit Jugendarbeitslosigkeit zukommt. Hierzu wurden Jugendliche
und junge Erwachsene zwischen 16 und 25 Jahren aus zwei sozio-strukturell
ähnlichen West-Berliner Bezirken - Kreuzberg/SO 36 und Tiergarten/Moabit
- miteinander verglichen, wobei angenommen wurde, daß in Kreuzberg
aufgrund der größeren Sichtbarkeit von Armut und alternativen
Lebensformen eher offensive und kollektive, in Tiergarten eher individualisierte
Umgehensweisen mit Arbeitslosigkeit zu finden sein würden. Für
die Umsetzung dieser Forschungsfrage kam ein breites methodisches Instrumentarium
zur Anwendung: Neben Interviews mit arbeitslosen und nicht arbeitslosen
Jugendlichen wurden Statistiken und Materialien zu Arbeitslosigkeit und
zur historischen und sozialen Situation in beiden Bezirken ausgewertet
und freie und standardisierte Ortsbeobachtungen, Interviews mit in der
Jugendarbeit und -politik tätigen Professionellen, eine Erhebung und
Dokumentation aller für Jugendliche vor Ort relevanten Einrichtungen
sowie eine abschließende repräsentative Fragebogenerhebung mit
Jugendlichen durchgeführt.
2.1 Themenfindung
und Fragestellung
Veröffentlichungen über
Forschungsarbeiten beginnen üblicherweise mit der Explikation einer
Fragestellung oder einer ersten Annäherung an das zu untersuchende
Gegenstandsfeld, deren wissenschaftliche Bedeutsamkeit entweder vorausgesetzt
oder im Rückgriff auf übergeordnete (z.B. gesellschaftliche oder
soziale) Problemfelder begründet wird. In welcher Weise bereits die
Problemwahl jedoch wissenschaftsimmanenten Produktionsbedingungen und persönlichen
Idiosynkrasien gehorcht, bleibt in der Regel unthematisiert und unreflektiert.
So finden sich auf Seiten der Forschenden unserer Erfahrung nach neben
der manifesten und explizierten Fragestellung eine ganze Reihe verborgener
Fragen und Erwartungen, die die Arbeit durchziehen und nur unwesentlich
auf den Erwerb von "Gegenstandswissen" im engeren Sinne gerichtet sind.
Anders ausgedrückt: Von der Gegenstandswahl über die Konzeption
des Forschungsprozesses bis hin zur schließlichen Gegenstandsbearbeitung
fungiert das, was "offiziell" untersucht wird, gleichzeitig als Fläche,
entlang der - stillschweigend - Themen bearbeitet werden, die im Jenseits
dessen angesiedelt sind, was traditionellerweise als wissenschaftlicher
Erkenntnisprozeß angesehen und vorausgesetzt wird, diesen jedoch
nachhaltig beeinflussen. Es geht dabei - noch vor jeder Berührung
mit dem Themenfeld - z.B. um Fragen der Reputation und der Selbstdarstellung
(zusammen mit/in Abgrenzung zu anderen Teammitgliedern und mit anderen
bzw. gegen andere Forschungsgruppen in einem Forschungsbereich).
In unserem Falle ging der Entscheidung
für eine Fragestellung ein langwieriger Prozeß der Suche nach
einem geeigneten Forschungsthema voraus, bei dem drei Phasen rekonstruierbar
sind. Zunächst hatte sich eine Arbeitsgruppe aus einem Seminar über
"Aggression" konstituiert, an der Studentinnen, Studenten und ein Hochschullehrer
teilnahmen. Als die Gruppe zufällig darauf aufmerksam wurde, daß
die Universität die Möglichkeit vorsah, Forschungsinitiativ-Projekte
zu beantragen und der die Arbeitsgruppe leitende Professor einer solchen
Idee wohlwollend gegenüberstand, konstituierte sich eine Subgruppe
von miteinander befreundeten Studierenden (insgesamt drei Frauen und vier
Männer), die begann, ein solches Projekt gezielter in Angriff zu nehmen.
In dieser zweiten Phase konturierte sich, anknüpfend an die Interessen
des Hochschullehrers und den thematischen Ausgangspunkt "Aggression" das
Themenfeld "Aggression in Liebesbeziehungen" - zum einen sicher dem Versuch
geschuldet, sich den "fremden" Gegenstand Aggression zu eigen zu machen
(im Vordergrund stand zum damaligen Zeitpunkt nicht so sehr das Interesse
an dem Thema, sondern der Wunsch nach einer Zusammenarbeit mit diesem Hochschullehrer,
der sich auch in weiteren, inhaltlich sehr entfernten Projektideen niederschlug),
zum anderen schloß dieses Thema sehr unmittelbar an einige zum damaligen
Zeitpunkt recht konfliktreiche Liebesbeziehungen der Teilnehmenden an.
Im Rahmen wechselseitiger Interviews wurde dann versucht, den Phänomenbereich
zu sondieren und eigene Vorannahmen zu explizieren. Zu diesem Zeitpunkt
verlief die Diskussion, teilweise auch infolge des im Verlauf der Interviews
sichtbar werdenden "Materials" und durch Spannungen in der Arbeitsgruppe,
schleppend; die Idee einer Projektbeantragung wurde immer verschwommener.
Schließlich entschieden sich die drei beteiligten Studentinnen zu
einer - damals nicht bewußten oder thematisierten - "Beziehungsaggression"
und bildeten erneut eine Subgruppe. Initiiert wurde diese dritte Phase
durch zunehmend schärfere Diskussionen mit vor allem pragmatischen
Begründungen von Seiten der weiblichen Studierenden: Ziel war es,
ein - dem damaligen Verständnis nach - nicht triviales Thema auf eine
einigermassen angemessene und umfassende Weise zu behandeln, das zum einen
die Neugier an der Gestaltung des Forschungsprozesses und Wünsche
nach Anerkennung und gemeinsamer Arbeit befriedigen, zum anderen eine finanzielle
Sicherung erlauben sollte. Hierzu schien der Anschluß an öffentlichkeitswirksame
Themen notwendig - die Aufmerksamkeit "wanderte" von "Aggression" zu den
zum damaligen Zeitpunkt wiederkehrenden und "heiß" diskutierten "Kreuzberger
Unruhen" und zu dem - insbesondere von sozialwissenschaftlicher Seite damit
in Beziehung gesetzten Problem der Jugendarbeitslosigkeit. In Bezug auf
die potentiellen Geldgeber erschien dies ein wirkungsvoller "Köder"
zu sein, und nach einer Phase der Literatursichtung wurde ein entsprechender
Projektantrag geschrieben. Zwar konnte, nachdem der Projektantrag bewilligt
worden war, niemals geklärt werden, ob die Geldgeber tatsächlich
aufgrund des ausgelegten Köders "in die Falle gegangen" waren, ganz
sicher hatten wir uns aber selbst in den eigenen Netzen verfangen: bis
zum Projektende stellten wir uns in endlosen Diskussionen die Frage, welche
Bedeutung den Kreuzberger Unruhen für das Umgehen mit Jugendarbeitslosigkeit
zukommt, ohne daß dies tatsächlich Gegenstand der Untersuchung
bzw. aufgrund der Anlage der Studie überhaupt beantwortbar gewesen
wäre. Verantwortlich für diese Selbstblockade waren vor allem
Schuldgefühle und Skrupel, denn wegen der "aggressiven" Projektvorgeschichte
und entlang eigener (zum damaligen Zeitpunkt nicht thematisierter oder
eingestandener) Wissenschaftsideale waren in Einklang mit dem herrschenden
Wissenschaftsethos "niedere" persönliche Motive wie Neugier, Ehrgeiz,
Wünsche nach materieller Sicherheit etc. in der Forschungsabsicht
zwar teilweise zur Kenntnis genommen worden, sie wurden aber im weiteren
Verlauf in ihrer Berechtigung bezweifelt. Wir befanden uns in einem Begründungsdiskurs,
in dem der Bezug zur vorangegangenen Entstehungsgeschichte verlorengegangen
war. Da zudem Forschung auf Produkte - Forschungsberichte - hin angelegt
ist, die den (impliziten) Veröffentlichungsregeln folgend meist unpersönliche
"Erfolgsberichte" (Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus
und Wirklichkeitsprüfung 1990, S.13) sind, gelang es nicht, innezuhalten
und diese Verstrickung zu reflektieren.
Ähnliche Schwierigkeiten zeigten
sich in Bezug auf die ursprüngliche theoretische Konzeption der Studie:
Anschließend an den Stand der psychologischen Arbeitslosenforschung
wurde Arbeitslosigkeit als Stressor verstanden - eine Auffassung, die gegenüber
den Befunden längere Zeit resistent bleiben sollte - dessen individuelle
Konsequenzen wir durch sozial-räumliche und kulturelle Mit- und Umwelten
vermittelt sahen. Auf diese Weise war es möglich, einerseits an die
psychologische Arbeitslosenforschung anzuschliessen und andererseits im
Rahmen dieses Gebietes ein bis dahin eher vernachlässigtes Thema aufzugreifen,
nämlich räumliche, historische und infrastrukturelle Gegebenheiten
von Wohnquartieren und darauf basierende "lokale Identitäten" in ihrer
Bedeutung für das Umgehen mit Jugendarbeitslosigkeit. Der damit vollzogene
und von Geldgebern in der Regel vorgesehene Anschluß an den Stand
der Forschung führte in unserem Falle zwar nicht zu einer Beschränkung
auf quantitative Verfahren, aber - ungewollt - zu einer Übernahme
des dem Denken der Arbeitslosenforschung unterliegenden Variablenkonzeptes
und Kausalmodelles, das für uns sicher auch deshalb lange Zeit attraktiv
blieb, da es eine gefällige und teilweise bestechende Vereinfachung
der Komplexität erlaubte.
Insgesamt war diese erste Phase bestimmt
durch das Zusammenspiel Forschende/ Wissenschaftskultur, wobei Kultur weiter
zu differenzieren ist: in unserem Falle die ursprüngliche Arbeitsgruppe
und das eigentliche Arbeitsteam, die namengebenden Professoren, die Hochschule,
an die der Antrag gerichtet wurde, die im Rahmen von Veröffentlichungen
niedergelegten Diskurse der qualitativen Forschung, der wir uns zugehörig
fühlten und der psychologischen Arbeitslosenforschung, die wir mit
einer ähnlichen Ambivalenz zwischen Zugehörigkeitswünschen
und Kopfschütteln bedachten wie eine weitenteils variablenpsychologische
und "seelenlose" Psychologie, sowie zuletzt die ebenfalls ambivalente Beheimatung
in dem "System Wissenschaft". Zwischen diesen Bezugspunkten entwickelte
sich, was - und auf welche Weise - für die beteiligten Personen, im
Arbeitsteam und im Rahmen der konkreten Instititution bearbeitbar bzw.
lohnend schien. Das "Feld" bzw. der Gegenstand waren zu diesem Zeitpunkt
nur insofern von Bedeutung, als sie persönlich antizipiert wurden
oder sich in wissenschaftlichen Diskursen über Jugendarbeitslosigkeit
vorgefaßt fanden.
2.2 Durchführung
der Interviews
Mit der Interviewauswahl und -durchführung
tritt das Untersuchungsfeld bzw. der Untersuchungsgegenstand in das bis
dahin weitgehend inneruniversitäre Spiel und zwar in einer Art und
Weise, die zum einen theoretisch und methodisch durch die Wissenschaft-Forschende-Beziehung
vorstrukturiert ist (das gilt auch für "streng" qualitative Vorgehensweisen:
in jeder ersten Wahl eines Untersuchungsfeldes sind Vorstellungen über
dessen Grenzen, seine Elemente, seine wissenschaftliche Bearbeitbarkeit
etc. enthalten, sonst gäbe es keine Untersuchung), zum anderen durch
die Antizipation von Wissenschaft auf Seiten derer, die sich für eine
Untersuchung zur Verfügung stellen.
Im eigenen Projekt wurden insgesamt
41 mehrstündige Interviews zur Rekonstruktion der subjektiven Perspektive
der Befragten durchgeführt, wobei als Erst-Interview ein "narratives
Interview" in Anlehnung an Schütze (1983) vorgesehen war, das sich
auf erzählungsgenerierende und direkte Verständnisfragen beschränken
sollte, erst das Zweitinterview - als "problemzentriertes Interview" (Witzel
1985) konzipiert - sollte ermöglichen, u.a. die aus der Literatur
bekannten Problembereiche anzusprechen. Insbesondere durch die narrativen
Erstinterviews sollte vermieden werden, daß durch Leitfragen bereits
die üblichen Belastungsdimensionen der Arbeitslosenforschung eingeführt
würden, ohne noch zu wissen, ob Arbeitslosigkeit überhaupt in
den Erzählungen der Jugendlichen von Belang sein würde.
Schon während der Erstinterviews
entstanden erhebliche Probleme, von denen einige in der Literatur zu qualitativen
Interviewverfahren diskutiert werden: Ein Teil der Interviewten war nicht
sehr gesprächig, hierzu zählten insbesondere sehr junge Arbeitslose,
die anderen kaum länger von sich zu erzählen in der Lage oder
bereit waren, es sei denn, die Interviewer agierten als "Narrationsanimateure"
(Bude 1985) und brachten die Jugendlichen geschickt zum Reden, indem sie
aufspürten, was diese gerne erzählen wollten. In einem umgekehrten
Fall erzählte ein Jugendlicher z.B. sofort und bereitwillig von seiner
Leidenschaft für Wale, Reisen und spiritualistische Praktiken. Für
die Interviewerin ergab sich damit die Schwierigkeit, daß sie, je
länger und ausführlicher er erzählte, desto unsicherer wurde,
ob das von ihm Erzählte tatsächlich für die Untersuchung
"tauge", da es nicht ihren Vorstellungen von einem Interview mit einem
Arbeitslosen entsprach. Deutlich wurde auch, daß die Interviewenden
die Interviewsituationen unterschiedlich erlebten und ertrugen, wobei die
je persönliche Lebensituation nicht mit Interviewbeginn vor der Tür
blieb: Interviewte können auf vielfältige und mehr oder weniger
subtile Weise nicht nur zum Reden, sondern auch zum Schweigen gebracht
werden, ähnliches gelingt ihnen umgekehrt mit den Forschenden.
Gerade in diesem Zusammenhang stellt
sich die Frage, ob die methodischen Vorsichtsmaßnahmen von qualitativer
Seite (so z.B. die Überlegungen von Hopf zur "Pseudo-Exploration"
1978) in ihrem Kern nicht weiterhin an einem eher passiven und reaktiven
Bild der Beforschten festhalten. So konnte ein interviewter Jugendlicher,
der eine der Interviewerinnen scheinbar als "langweiligen Sozialarbeitertypen"
ablehnte, nicht durch das bloße Vermeiden von Suggestivfragen oder
"Leitfadenbürokratie" zum Erzählen gebracht werden. Auch dürften
alle Produktionen, zu denen es im Laufe dieses Interviews von Seiten des
Interviewten gekommen ist, der "langweiligen Sozialarbeiterin" gegolten
haben (vgl. auch Fußnote 18). Uns scheint es deshalb mittlerweile
sinnvoller davon auszugehen, daß Forschung in einer sozialen Situation
stattfindet, die Forschende und Beforschte entlang der in ihrer
Biographie erworbenen je eigenen Schamgrenzen, der (antizipierten) eigenen
und der vollzogenen Fremdwahrnehmung, der angestrebten Selbstdarstellung
und in Vollzug ihrer jeweiligen Interessen gestalten, indem sie reden und
schweigen, beobachten und beobachtet werden. Forscherinnen und Forscher
scheinen allerdings kaum zu reflektieren, in welcher Weise sie von den
Beforschten wahrgenommen werden und welche Konsequenzen dies für die
Ergebnisproduktion zeitigt - Devereux (1967) vermutet in diesem Zusammenhang,
daß "wir uns selbst und unseren Reiz-Wert nicht kennen ... und auch
nicht kennenlernen wollen" (Devereux 1967, S.49).
Ähnlich nachdenkenswert erscheint
das Verständnis von Interviewten als "Informationslieferanten" oder
"Berichterstattern" z.B. bei Kleining (1982), das, obwohl nicht immer so
explizit vertreten, als Vorstellung der gängigen Auswertungspraxis
unterliegt, da nach wie vor auch qualitative Verfahren das erhobene Material
als "Daten über die anderen" behandeln. Selten wird - trotz Forderungen
in dieser Richtung - die beiderseitige Subjektivität und damit die
kommunikative Geladenheit der Interviewsituation in die Auswertung einbezogen.
Indem zwar nicht die qualitativen Grundüberzeugungen, aber qualitative
Auswertungspraxen diese ignorieren, bewahren sie einen Teil der Naivität
der Laborexperimentator(inn)en, die - dort allerdings zur Methode gemacht
- annehmen, sie könnten die experimentelle Situation und sich selbst
von der Wirkung auf die Produktionen der Versuchsperson ausschließen
bzw. diese kontrollieren. Sowohl für die Laboratoriumsuntersuchungen
als auch für das Gros qualitativer Studien bedeutet dies, daß
eine Re-Analyse in einem anderen - kommunikativen und der beteiligten Subjekte
bewußten - Licht andere Ergebnisse liefern würde: An dieser
Stelle sei erneut auf Devereux verwiesen, der in Bezug auf die Psychoanalyse
zwar die "Ermächtigung" sieht, "die psychoanalytische Situation so
zu strukturieren, daß die Möglichkeiten des Analysanden, seinen
Analytiker zu beobachten, auf ein Minimum reduziert werden. Wir sind jedoch
nicht ermächtigt, auf unser eigenes experimentelles Arrangement hereinzufallen."
(Devereux 1967, S.43)
Wichtig an der Schilderung von Problemen
in und mit qualitativen Interviews ist nicht, bestimmte Interviewformen
wie z.B. das narrative Interview als ungeeignet auszuweisen: Eine Vielzahl
von psychologisch bedeutsamen Fragen kann nur auf einem solchen Weg behandelt
werden. Wichtig ist, daß Probleme wie die genannten u.E. in qualitativ
arbeitenden Projekten die Regel, nicht die Ausnahme sind: Sie werden teilweise
erkannt, üblicherweise unter der Hand "geregelt" und sind, wenn es
an die Daten und die Auswertung geht, mehr oder weniger vergessen. Keines
der von uns geführten Interviews wurde als untauglich aus der weiteren
Arbeit ausgeschlossen - was kaum wünschenswert gewesen wäre,
denn jedes interaktiv gewonnene Material muß in diesem Sinne untauglich
sein. Problematisch war allerdings, daß wir uns, wohl wissend um
das Interview als kommunikativen Prozeß und um die Subjektivität
der Beforschten und der Forschenden, in der folgenden Auswertungsphase
ganz auf die Seite der "Inhalte" ("was bietet das Material für unsere
Frage") geschlagen und den eigenen Beitrag zur Konstitution gerade dieser
Inhalte ignoriert haben.
2.3 Interviewauswertung
Die letztliche Ausblendung der eigenen
Person war für den Auswertungsprozeß kennzeichnend und folgenreich:
Zunächst sahen wir uns den bekannten Problemen gegenüber, auf
die qualitative Forscher und Forscherinnen treffen, wenn sie alle Interviews
abgeschlossen und eine Fülle verschrifteten Materials zu bearbeiten
haben: Obwohl wir im Antrag - und vergleichbar dem Versuch, das interessierende
Thema an einem "guten Aufhänger", den Kreuzberger Unruhen, festzumachen
- angaben, uns an bestimmten qualitativen Erhebungs- und Auswertungsverfahren
zu orientieren, wollten wir im Grunde möglichst große Spielräume
für die eigene Arbeit sicherstellen und suchten deshalb ein gängiges
Etikett (als welches z.B. die "Grounded theory" - nach Glaser & Strauss
1967; vgl. auch Strauss 1991 - taugt bzw. immer wieder genutzt wird). Tatsächlich
entwickelten wir jedoch eigene Auswertungsroutinen unter Hinzuziehung verschiedener
methodischer Versatzstücke, sofern diese uns bei dem jeweiligen Stand
der Arbeit dienlich erschienen. Im nachhinein bemühten wir uns dann
wieder, die Erreichung unserer Ergebnisse durch unterschiedliche Referenzen
zu legitimieren - dies ist insoweit bedauerlich, als es im Sinne methodologischen
Wissens ertragreicher gewesen wäre, das tatsächliche Procedere
möglichst genau zu bescheiben.
Interessanter noch als die oft mehr
oder weniger verzweifelten Versuche, die Materialfülle zu bändigen
und die ebenso aufwendigen Bemühungen, das eigene Handeln durch akzeptierte
Referenzen zu legitimieren war, daß sich einige Auffälligkeiten
in Bezug auf die Ergebnisse zeigten, die auf die Persönlichkeiten
der Interviewerinnen und auf die Teamstruktur verwiesen: Schon bei den
Vereinbarungen zu den Interviews - mit den Befragten wurden ausführliche
Verträge über Anonymisierung, Weiterverwendung des Materials
und auch über die Archivierung im Rahmen eines Datenverbundes gemacht
- hatte sich gezeigt, daß deren Bereitschaft, ihre Daten archivieren
zu lassen, häufig in Einklang stand mit der Haltung, die die jeweils
Interviewende gegenüber einer Archivierung in diesem Verbund einnahm.
Darüber hinaus fanden sich die Interviewerinnen jedoch auch in der
Struktur der Ergebnisse wieder: Obwohl die Interviews wie erwähnt
narrative und teilstrukturierte Anteile enthielten und obwohl entlang verschiedener
Kriterien möglichst unterschiedliche Jugendliche für Interviews
ausgewählt wurden und obwohl die Aufteilung der Jugendlichen auf die
Interviewerinnen alleine nach räumlichen und zeitlichen Verfügbarkeiten
erfolgte und obwohl das Erstinterview immer von zwei Interviewerinnen durchgeführt
wurde, waren am Ende bestimmte "Typiken" erkennbar: So sammelte sich bei
einer Interviewerin das Gros der Jugendlichen, für die - entgegen
dem in der Literatur dominierenden Belastungsdiskurs - Arbeitslosigkeit
teilweise gewählt, teilweise produktiv gewendet, selten aber ein Stressor
im traditionellen Sinne der Arbeitslosenforschung war. Bei einer anderen
häuften sich die klassischen "Opfer" der Arbeitslosenforschung, im
dritten Fall fanden sich schließlich vermehrt Jugendliche, die zwischen
diesen beiden Polen standen.
Dieses Durchschlagen - aggressiver,
leidender, normalisierender - Persönlichkeitsanteile der beteiligten
Forscherinnen in der Interviewdurchführung bzw. -auswertung und der
Polarisierung von Positionen in Diskussionen des Teams konnte zum damaligen
Zeitpunkt aus verschiedenen Gründen nicht systematisch zur Kenntnis
genommen und reflektiert werden - dem standen sowohl Ängste vor Unwissenschaftlichkeit,
Vermeidungstendenzen aufgrund einer immer wieder schwierigen Teamdynamik
und vor allem auch die Erfahrung entgegen, daß eine solche Reflexion
im Wissenschaftskontext nicht üblich ist: Wir waren überzeugt
und erfreut, in unseren Ergebnissen eine größere Bandbreite
als in der psychologischen Arbeitlosenforschung gemeinhin diskutiert zu
finden (vgl. Fußnote 17) und interpretierten diese ausschließlich
als unterschiedliche Umgehensweisen der befragten Jugendlichen mit Arbeitslosigkeit.
Mittlerweile gehen wir davon aus,
daß die anfänglich ängstigende Vermischung von Forschenden
und Beforschten kein Manko, sondern unumgehbar ist. Das gleiche "Datum"
kann - je nach Haltung und Position und wissenschaftlicher Zugehörigkeit
der Interpretierenden - unterschiedlichste Bedeutungen erlangen. Und obwohl
wie in den eigenen, so auch in anderen wissenschaftlichen Produktionen
"über" den Gegenstand die Welt- und Gegenstandssichten der jeweiligen
Produzenten erkennbar sind, ist nahezu ausschließlich vom Gegenstand
und sehr selten von denen die Rede, die in ihm ihre Sichten verbreiten;
meist ist es erst die Zeit, die diese irrtümlich für den Gegenstand
selbst gehaltenen Perspektiven als historisch, sozial und persönlich
verankerte "entlarvt". Diese grundsätzliche Subjekt- und Standortabhängigkeit
aller Erkenntnis und damit auch jeglicher wissenschaftlicher Deutung ist
u.E. unhintergehbar: "Erkenntnis ohne erkennendes Subjekt" (Popper 1973,
S.126) ist - da Erkenntnisse notwendig von Subjekten produziert und/oder
rezipiert werden - eine subjektive und im Kontext der spezifischen Wissenschaftsvorstellungen
und -diskurse nachvollziehbare Fiktion.
Die Unterschiedlichkeit der eigenen
Befunde im Vergleich zu der weitgehenden Homogenität der psychologischen
Arbeitlosenforschung kann nicht einfach mit der Unterschiedlichkeit der
untersuchten Jugendlichen begründet werden - diese haben insoweit
Eingang in die Ergebnisse gefunden, als ihre Beiträge keine bloße
Erfindung sind, sondern Ausdruck eines spezifischen kommunikativen Aktes,
in dem, die Unterschiedlichkeit der Persönlichkeiten und Perspektiven
der Interviewenden vorausgesetzt, eine entsprechende Breite an Ausdrucks-
und Deutungsmöglichkeiten auf Seiten der Interviewten anzutreffen
war. Ebenso scheint die Befolgung üblicherweise diskutierter konzeptioneller
und methodischer Regeln zur Anlage von qualitativen Untersuchungen (so
zum Beispiel das Konzept der Methodentriangulation) nicht auszureichen,
um das Zustandekommen von Befunden, die über das anfänglich zugrundegelegte
Belastungsmodell hinausgingen zu klären. Wesentlich waren darüber
hinaus vermutlich Faktoren, die dem Entstehungszusammenhang wissenschaftlichen
Wissens zuzurechnen sind, so z.B. der gleichzeitige Anschluß an und
Widerstand gegen die traditionelle Forschung - es sollten Ergebnisse
gefunden werden, die über das "Topos des Leidens" hinausgingen - und
die internen Arbeitsbedingungen: Das gemeinsame Antreten gegen diverse
"Außen" erforderte eine Einheitlichkeit der Forschungsgruppe, die
nach innen auf dem Wege der Interpretation Differenzierungen erzwang und
aufgrund der Teamstruktur - keine offizielle Hierarchie - auch ermöglichte.
Gleichzeitig verhinderte die aus
dem Zusammenspiel der "Feld-Kultur-Person-Beziehung" resultierende Dynamik
und deren fortdauernde Tabuisierung allerdings auch eine systematische
Reflexion des kommunikativ gewonnenen Materials, zumal als Adressat dieser
letzten Phase wiederum die Wissenschaft und deren Spiel- und Veröffentlichungsregeln
im Vordergrund standen. Zwischen dem Adressaten der Forschungsberichte,
der geldgebenden Institution, und den internen Zwängen, die mit der
Dynamik des Forschungsteams einhergingen, war in dieser letzten Phase der
Untersuchungsgegenstand lediglich indirekt, damit aber auch als potentielle
Quelle von Schuldgefühlen im Dilemma zwischen Wissenschaft und Beforschten
gegenwärtig. Wir befanden uns, wie Volmerg zutreffend beschreibt,
in der Not, "es mit keiner Seite zu verderben und dennoch uns selbst, d.h.
der moralischen und politischen Legitimation unserer Forschung und ihrem
wissenschaftlichen Anspruch treu zu bleiben. Es ist der Konflikt zwischen
Strategie, Moral und Glaubwürdigkeit, dem wir in vielen Schattierungen
- situations- und persönlichkeitsbedingt - ausgesetzt waren." (Volmerg
1988, S.158)
3. Diskussion
und Ausblick
Ausgangspunkt unserer Überlegungen
war die schwierige Beziehung zwischen Methodologie und empirischer Forschung:
Einerseits entwerfen auch qualitative Methodologien Regularien und Handlungsanweisungen,
die dem empirischen Forscher und der empirischen Forscherin nahelegen,
was zu tun sei, um die Wissenschaftlichkeit des eigenen Handelns sicherzustellen.
Sie enthalten jeweils unterschiedliche Annahmen über die Grenzen und
Beschaffenheit ihres Erkenntnisgegenstandes und beschränken sich häufig
- im Rahmen von Methodo-Logien und ganz ähnlich ihren quantitativen
Antipoden - auf den von diesen vorab definierten Bereich der Reflexion
von Erkenntnis: Bereits die Subjektivität der Forschenden wird auch
im Rahmen qualitativer Methodologien bestenfalls auf ihre kognitiven bzw.
"symbolischen" Ausdrucksweisen hin "entschärft". Systematisch ausgeblendet
bleiben die (Mikro-) Praktiken der Wissenschaftskultur in ihrer Einflußnahme
auf die wissenschaftliche Erkenntnisbildung und Ergebnisproduktion.
Eine offensichtliche Berührung
zwischen methodologischen und einzelwissenschaftlichen Diskurslinien findet
dann statt, wenn empirisch Forschende ein bestimmte Methode verwenden bzw.
legitimatorische Rückgriffe auf Verfahren vornehmen - häufig
ohne sich bewußt zu sein, welche methodologischen und erkenntnistheoretischen
Implikationen mit der Methodenwahl verbunden sind (eine tatsächliche
"Anwendung" formalisierter Routinen ist im Bereich qualitativer Forschung
entlang der Vieldeutigkeit auch vergleichsweise gut ausgearbeiteter Ansätze
wie z.B. der Grounded Theory unmöglich, wobei wir allerdings auch
dem Verständnis einer subjektunabhängigen "Anwendung" von Methoden
im Bereich quantitativer Forschung widersprechen, ohne es an dieser Stelle
weiter ausführen zu können). Während Methodolog(inn)en normative
Vorgaben für einen "wissenschaftlich angemessenen" Umgang mit dem
Erkenntnisgegenstand in deutlicher Entfernung zur Forschungspraxis entwickeln,
versuchen empirische Forscher(innen), "Wissen" zu produzieren, das ihrer
Darstellungsweise nach ausschließlich Erkenntnisse über die
jeweiligen Gegenstände beinhaltet - sei es in Form des Nachvollzugs
subjektiven Sinns oder dessen z.B. tiefenhermeutischer Auslegung. Deutungen
der Forschenden werden als "Merkmale" des Untersuchungsgegenstandes verhandelt,
unterschiedliche Interpretationsweisen werden nicht aufeinander und auf
den Prozeß ihrer Herstellung bezogen, Diskrepanzen erscheinen nicht
erklärungsbedürftig. Das zwar nicht in den Konzepten, aber in
diesem Vorgehen unterlegte Menschen- und Weltbild fällt häufig
hinter erkenntnistheoretische Reflexionen auf Seiten der Naturwissenschaften
zurück, die Joachim G. Leithäuser im Anschluß an Heisenberg
dahingehend charakterisiert hat, "daß das heutige Naturbild der exakten
Naturwissenschaft `eigentlich nicht mehr ein Bild der Natur, sondern ein
Bild unserer Beziehung zur Natur ist'" (Leithäuser 1957, S.72). Diesen
Unterschied zwischen "klassischen" und modernen erkenntnistheoretischen
Positionen präzisiert Heisenberg für die Atomphysik wie folgt:
"Die klassische Physik beruhte auf der Annahme - oder sollten wir sagen
auf der Illusion - daß wir die Welt beschreiben können oder
wenigstens Teile der Welt beschreiben können, ohne von uns selbst
zu sprechen ... Ihr Erfolg hat zu dem allgemeinen Ideal einer objektiven
Beschreibung der Welt geführt ... Man kann vielleicht sagen, daß
die Quantentheorie diesem Ideal soweit wie möglich entspricht ...
Aber sie beginnt mit der Einteilung der Welt in den Gegenstand und die
übrige Welt ... Diese Einteilung ist in gewisser Weise willkürlich
und historisch eine unmittelbare Folge der in den vergangenen Jahrhunderten
geübten naturwissenschaftlichen Methode." (Heisenberg 1958, S.38f)
Der im Vergleich hierzu "naturalistischen" qualitativen Forschungspraxis
entspricht eine qualitative Methodologie, die in weitaus größerem
Maße an die traditionelle Wissenschaftlogik anschließt, als
ihr dem Anspruch nach lieb sein dürfte. Auch sie ähnelt - insbesondere
in ihren textuellen Varianten - "eine[r] Tanzschule des Denkens ... und
der Tanz, den sie lehrt, ist nicht der einzig mögliche" (von Weizäcker
1983 nach Breuer 1991, S.49).
Unser Versuch, am Beispiel einer
eigenen Arbeit die Beziehung zwischen Untersuchungsgegenstand, Persönlichkeit
der Forschenden und Wissenschaftskontext für unterschiedliche Stadien
des Forschungsprozesses zu beleuchten, sollte sowohl einer naturalistischen
Gegenstandkonzeption als auch einer naturalistischen Konzeption des Forschungsprozesses
entgegenwirken. Wir sind im Verlauf dieses Unternehmens immer wieder Tabus
begegnet, die auch die vorliegende Arbeit durchziehen und blockieren -
so sind z.B. die vielen Bezugnahmen auf Autor(inn)en, die wir versucht
haben vorzunehmen, zwar zum einem dem Wunsch geschuldet, auf für eine
Reflexion qualitativer Forschung u.E. wesentliche Diskussionsstränge
zu verweisen, sie entspringen aber zum anderen auch dem Bedürfnis,
prominenten Begleitschutz für einen auch in qualitativen Kreisen eher
unüblichen Diskurs zu finden. Ebenso hat die Auseinandersetzung mit
der "Feld-Kultur-Person-Beziehung" nicht grundlos erst nach Projektende
stattgefunden: Zum Zeitpunkt der Durchführung der Studie war nur ab
und zu verschwommen erkennbar, daß in der Gestaltung des Forschungsprozesses
und in der Produktion und Darstellung der Ergebnisse mehr und anderes eine
Rolle spielte als der Untersuchungsgegenstand selbst - wir haben uns unsere
Ergebnisse als zusätzliches Wissen über Jugendarbeitslosigkeit
geglaubt. Wir hätten zwar (zumindest teilweise) zugestimmt, aber es
wäre für unser empirisches Arbeiten folgenlos geblieben, wenn
Renato Rosaldo feststellt: "Alle Deutungen sind vorläufig; sie werden
von Subjekten gegeben, die von einer bestimmten Position aus sprechen und
darauf vorbereitet sind, bestimmte Dinge zu erkennen, andere jedoch nicht."
(Rosaldo 1984, S.383).
Was hat uns eine solche Perspektive
bzw. deren Realisierung im Forschungsprozeß erschwert und unmöglich
gemacht? Wir halten diese Frage für wesentlich, da wir am eigenen
Beispiel, aber auch bei Studierenden und Kollegen und Kolleginnen immer
wieder Ansätze erkennen, sich der eigenen Subjektivität und der
Kontextualität von Forschung und ihren Konsequenzen für die Erkenntnisgewinnung
zu stellen, die meist schnell und entmutigt ein Ende finden.
1.) Wir wußten zuwenig von
den Überlegungen, die andere Wissenschaftler(innen) zu dieser Thematik
beigetragen haben: Bereits die qualitative Methodenausbildung fristet an
den meisten psychologischen Instituten ein Schattendasein (ähnliches
haben Hopf & Müller 1994 auch für die Soziologie festgestellt);
ebenso dürftig ist die Vermittlung von für die qualitative Methodologie
wesentlichen Auseinandersetzungen z.B. in der soziologischen oder ethnologischen
Nachbardisziplin. Noch gravierender sind die Defizite in Lehre und Forschung
hinsichtlich (ethno-) psychoanalytischer Arbeiten, Berührungsängste,
die interessanterweise sogar in der aktuellen Diskussion zur Krise der
Ethnologie fortdauern: "Devereux wird vor allem in der sogenannten ethnopyschoanalytischen
Literatur aufgegriffen. In der hier wiedergegebenen Debatte wird er, wie
auch sonst, bei aller thematischen Nähe, nur am Rande beachtet." (Fuchs
& Berg 1993, S.65). Völlig unsichtbar bleibt der Alltag von Forschung
jenseits der veröffentlichten Berichte bzw. er wird in das Reich einer
von Wissenschaftstheorie, Methodologie und Einzelwissenschaften wiederum
separierten "Wissenschaftsreflexion" verbannt, die zwar viel zur "Entzauberung
der Wissenschaft" (Bonß & Hartmann 1985) beigetragen hat, aber
im Rahmen qualitativer Methodologien kaum berücksichtigt, geschweige
denn in eine systematische Reflexion einbezogen wird.
2.) Wir kapitulierten, ohne daß
uns dies zum damaligen Zeitpunkt bewußt war, vor mächtigen Imperativen
von Wissenschaft. Aufgrund unserer Sozialisation innerhalb wissenschaftlicher
Denkstile und Riten und in der Absicht, ein Forschungsvorhaben tatsächlich
auch finanziert zu bekommen, akzeptierten wir, ohne sie genauer bestimmen
zu können, die in den tradierten Wissenschaftstheorien vorgefaßten
und auch im Rahmen qualitativer Methodologien nicht weiter hinterfragten
Prämissen wissenschaftlicher Erkenntnisbildung, die zur Scheidung
"gesicherten Wissens" von bloßen "Überzeugungen" verhelfen sollen:
Hierzu gehört zum einen der von Reichenbach (1938, S.6f) in die Wissenschaftstheorie
eingeführte Gegensatz zwischen dem "Entstehungs-" und dem "Begründungszusammenhang"
wissenschaftlichen Wissens ("context of discovery" vs. "context of justification"),
verknüpft mit dem Postulat, Wissenschaftstheorien mögen sich
auf die zweite, wissenschaftsimmanente Seite wissenschaftlicher Erkenntnisproduktion
beschränken (zur Illustration dieses Unterschiedes verweist Reichenbach
auf einerseits den Prozeß der tatsächlichen Erkenntnisgewinnung
und andererseits die veröffentlichte Form der so gewonnenen Erkenntnisse).
Dieses Gebot ist folgenreich auch jenseits des beschränkten Rahmens
der Wissenschaftstheorien und Methodologien quer durch unterschiedlichste
Wissenschaftsdisziplinen. So beschreibt z.B. Clifford für die Ethnologie,
in welcher Weise der "Forschungsprozeß ... von den Texten, die er
hervorbringt, und von der fiktiven Welt, die diese Texte heraufbeschwören
sollen, getrennt [wird] ... Die dialogischen, situationsbedingten Aspekte
ethnographischer Interpretation werden ... häufig genug aus dem endgültigen,
repräsentativen Text verbannt. Nicht völlig versteht sich; es
existieren anerkannte topoi für die Darstellung des Forschungsprozesses."
(Clifford 1988, S.133f). Ein vergleichbares Vorgehen rekonstruiert Knorr-Cetina
(1981, S.227) für naturwissenschaftliche Untersuchungen. Diese "literarischen
Strategien", zu denen auch gehört, daß "Resultate nicht zu ihrem
Erzeugnisprozeß, sondern zu anderen Resultaten in Beziehung [ge]setzt
[werden]", verhelfen erst zu "dem Bild der Wissenschaft als `Fakten' produzierende[r]
Instanz". Von ebenfalls zentraler Bedeutung für die Produktion des
Mythos der Wissenschaftlichkeit ist zum anderen die von Weber inaugurierte
Trennung von Tatsachen- und Werturteil, wonach "Persönlichkeit auf
wissenschaftlichem Gebiet nur der [hat], der rein der Sache dient" (Weber
1919, S.591). Der Biologe Monod merkt in einer Arbeit über "Erkennen
und Ethik" an, daß das Verbot "der Vermischung von Erkenntnis und
Wertung ..., dieses `erste Gebot', durch das die objektive Erkenntnis begründet
wird, [selber] ... eine moralische Regel, eine Verhaltensvorschrift [ist]
... Die wahre Erkenntnis kennt keine Wertung, doch um sie zu begründen,
bedarf es eines Werturteils oder vielmehr eines wertenden Axioms." (Monod
1971, S.113) Diese beiden wissenschaftsgeschichtlich gesehen jungen Ge-
bzw. Verbote sind so wirksam, daß selbst qualitative Forscher(innen)
häufig Subjektivität, sofern sie überhaupt reflektiert wird,
in den Anhang verweisen und Ich-Formen oder offensichtliche Wertungen zu
unterlassen bzw. zu unterbinden versuchen.
Das Problem des Umgangs mit der Subjektivität
der Forschenden wird noch verschärft, wenn Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen
sich der Reflexion und Untersuchung der Voraussetzungen ihres Tuns zuwenden.
Immer wieder ist in diesem Zusammenhang von Angst die Rede: So eröffnet
Bourdieu seinen "Homo academicus", indem er denen dankt, die ihm geholfen
haben, seine "Angst vor der Veröffentlichung ... zu überwinden"
(Bourdieu 1984, S.7). Er führt weiter aus: "Angesichts dieser Herausforderung:
eine Welt zu untersuchen, an die man durch vielfältige, gleichermaßen
intellektuelle wie `weltliche' Bindungen und Investitionen genüpft
ist, läßt sich zunächst an gar nichts anderes denken als
an Flucht. Dem Vorwurf der Voreingenommenheit versucht man dadurch zu begegnen,
daß man sich als `interessegeleitetes', `befangenes' Subjekt ...
`aufhebt', indem man auf die unpersönlichsten, mechanischsten und
damit auch ... unanfechtbarsten Verfahren zurückgreift." (a.a.O.,
S.38) Ähnlich betont Merton in der bereits erwähnten Untersuchung
zur "Ambivalenz des Wissenschaftlers", von ihm aufgespannt zwischen den
Polen der Werte der "Originalität" und der "Bescheidenheit", daß
das Ansinnen, sich mit der Psychologie von Wissenschaftler(inne)n oder
der Soziologie wissenschaftlicher Institutionen zu befassen, in der Regel
mit Vorwürfen bedacht wird, "er wolle nur im Schmutz wühlen,
über den der feine Mann mit Schweigen hinwegsieht. Mehr noch, wer
sich systematisch mit diesen Fragen beschäftigt, gilt nicht bloß
als Schmutzwühler, sondern als Verschmutzer." (Merton 1963, S.122).
Und Angelika Faas, die sich mit der "Konstruktion wissenschaftlicher Realität
in qualitativ forschenden Projekten der Psychologie" befaßt hat (oder
besser befassen wollte - auch der Gefährlichkeit des Gegenstandes
scheint geschuldet zu sein, daß sie ihre Fragerichtung unter der
Hand auf das Ziel einer Konzeption von Forschungssupervision verengt),
räumt resümierend am Ende ihrer Arbeit ein, sie habe "eher vorsichtig
experimentiert, zu tief saß anfangs noch die Angst vor der vermuteten
Skepsis einer imaginierten Fachöffentlichkeit und ihrem phantasierten
Vorwurf der Beliebigkeit der Interpretationsrichtungen oder schlimmer,
dem der Unwissenschaftlichkeit!" (Faas 1992, S.273f)
3.) Aufgrund der Unsichtbarkeit und
Allgegenwart der wissenschaftlichen Imperative und ihrer institutionellen
Verankerung sowie infolge der Vermittlungs- und Reflexionsdefizite auch
von Seiten qualitativer Methodologien fühlten wir uns, wenn wir auf
unsere eigenen Verstrickungen (Motive, Neigungen, Herangehens-, Denk- und
Schreibweisen oder "Spiele" im Wissenschaftskontext etc.) stießen,
schuldig bzw. erlebten diese ausschließlich als persönliches
Manko oder rationalisierten sie als wissenschaftliche Notwendigkeiten.
Dies war umso naheliegender, als wir als Studierende (bereits vor dem Studium
erworbene Lebens- und Berufserfahrungen schienen uns mit diesem Status
und zum damaligen Zeitpunkt wertlos) und zudem als qualitativ orientierte
Forscher(innen) befürchteten, antizipierten und/oder explizierten
fremden und (heimlich) eigenen Kriterien von Wissenschaftlichkeit nicht
zu genügen, denn die Versicherung durch und der Rückgriff auf
ein scheinbar nicht weiter zu begründendes und präzise ausgearbeitetes
methodisches Instrumentarium vergleichbar dem quantitativen fehlte. Wir
befanden uns damit in einem Kreislauf, der uns den Initiationsprozeß
als qualitativer Forscher und qualitative Forscherinnen, der in Veröffentlichungen
kaum sichtbar wird bzw. werden darf, einsam (oder in heimlicher Komplizenschaft
mit einigen Vertrauten) durchlaufen ließ. Besondere Brisanz erhielten
diese auf Seiten qualitativer Forschung sicher nicht unüblichen Probleme
durch zusätzliche Ängste und Unsicherheiten, die u.E. mit der
Berufsrolle psychologischer Forscher(innen) verbunden sind: Diese scheint,
sofern man sich nicht sogleich in den akademischen Rechenbetrieb zurückzieht
bzw. dessen müde ist, eine besondere "psychische Gesundheit" bzw.
Kompetenz im Umgang mit Psychischem aufzuerlegen, die einer Beschäftigung
mit den eigenen Störungen und Neurotizismen entgegensteht. "Psychische
Probleme" von Psycholog(inn)en würden ähnlich den Schreibstörungen
von Schriftsteller(inne)n oder der "Angst vor Wahnsinn" bei Psychiater(inne)n
die eigene (berufliche) Identität zutiefst in Frage stellen. Gleichwohl
und deshalb sind Auseinandersetzungen um diese Tabus untersagt (und begleiten
diese Berufsgruppen als potentielle persönliche Drohung und bei der
Gestaltung ihrer Arbeit möglicherweise ein Leben lang).
4.) Die hier angesprochenen Irritationen
und Erschütterungen verweisen zudem auf Beunruhigungen, die die Sozial-
und Humanwissenschaften begleiten, seit mit der Frage "wer spricht" die
subjektive Beteiligung der Forschenden an ihren Produkten ins Blickfeld
gerückt ist, die "ganz generell an die Grundlagen des humanwissenschaftlichen
... Selbstverständnisses rührt" (Berg & Fuchs 1993, S.11).
Deutlich wird dies, wenn z.B. James Clifford für die Ethnologie feststellt:
"Vieles von unserem Wissen über andere Kulturen muß nunmehr
als zufällig angesehen werden, als das problematische Ergebnis eines
intersubjektiven Dialogs, von Übersetzung und Projektion." (Clifford
1986, S.217) Noch eindringlicher hat Devereux sich mit der Frage wissenschaftlicher
Subjektivität auseinandergesetzt. Devereux sei, so Weston La Barre
in den Vorbemerkungen zu "Angst und Methode in den Verhaltenswissenschaften"
ein "Störenfried, ... [der] die alarmierende Möglichkeit aufgezeigt
[hat], daß die Feldethnographie (und in Wirklichkeit jede Sozialwissenschaft)
wie sie im Augenblick praktiziert wird, ein Form der Autobiographie sein
könnte" (1967, S.10). Und auch die Naturwissenschaften sind von der
Erschütterung der Grundlagen des heutigen Verständnisses von
Wissenschaft nicht unberührt geblieben: Angst vermutet der Biologe
Jacques Monod als Ursache des Strebens nach objektiver Erkenntnis, "jene
Angst, die uns zwingt, den Sinn des Daseins zu erforschen. Diese Angst
ist die Schöpferin aller Mythen, aller Religionen, aller Philosophien
und selbst der Wissenschaft." (Monod 1971, S. 105) Insbesondere im Rahmen
moderner naturwissenschaftlicher Erkenntnisweisen sei der Forscher (und
die Forscherin) mit der verunsichernden Aussicht konfrontiert, so Monod,
"daß er seinen Platz wie ein Zigeuner am Rande des Universums hat,
das für seine Musik taub ist und gleichgültig gegen seine Hoffnungen,
Leiden oder Verbrechen" (a.a.O., S.110). In ganz ähnlicher Weise beschreibt
Devereux das Trauma der "Stummheit der Materie", auf die "der Mensch mit
Panik [reagiert]. Da er ihre Stummheit verleugnen und seine Panik kontrollieren
muß, fühlt er sich dazu veranlaßt, physikalische Begebenheiten
animistisch zu interpretieren und ihnen, um sie als `Antworten' erfahren
zu können, `Bedeutungen' zuzuschreiben, die sie nicht besitzen." (Devereux
1967, S.55)
Versuche, der Vorläufigkeit
von Wissen und der Drohung des Subjektiven und Autobiographischen zu entkommen,
sind zahlreich und finden sich insbesondere bei denen, die geholfen haben
zu verdeutlichen, daß es "die eine" Geschichte nicht gibt und "daß
wir uns selbst für unterschiedliche Varianten von Geschichte öffnen
[müssen]" (Clifford 1986, S.232). Immer wieder bleiben die Ausgänge
merkwürdig beschwörend: So prognostiziert Heisenberg, der wie
kaum ein anderer die Erkenntnis der Verschränkung von wissenschaftlichen
Ergebnissen mit ihren historischen und methodischen Produktionsweisen vorangetrieben
hat: "Es mag manchmal viele Jahre dauern, bevor man die Lösung eines
Problems kennt, bevor man zwischen Wahrheit und Irrtum sicher unterscheiden
kann; aber schließlich werden die Fragen entschieden werden, und
die Entscheidungen werden nicht von irgendeiner Gruppe von Wissenschaftlern,
sondern von der Natur selbst getroffen." (Heisenberg 1958, S.188). In dem
eben erwähnten Aufsatz von Clifford finden sich zahlreiche Hinweise,
die die Ethnolog(inn)en versichern sollen, ihre Deutungen seien "zu keinem
Zeitpunkt unendlich oder lediglich `subjektiv' (im pejorativen Sinne)"
(1986, S.233). Auch die Befürchtung eines "Nihilismus bei der Auslegung
... verwechselt Kontroversen um Bedeutung mit Unordnung" bzw. versuche,
"eine `objektive' Rhetorik zu bewahren" (a.a.O.). Clifford endet mit der
"mit tiefgründigen Ironien" kämpfenden Aufforderung: "Wenn wir
schon dazu verdammt sind, Geschichten zu erzählen, über die wir
keine Kontrolle haben, könnten wir dann nicht zumindest Geschichten
erzählen, von denen wir annehmen, daß sie wahr sind?" (a.a.O.,
S.235). Von Tendenzen in Richtung eines "Nihilismus" und "interpretativen
Skeptizismus" ist auch bei Pierre Bourdieu die Rede. Er versichert, daß
es gelinge, "die absolutistischen Ansprüche klassischer Objektivität
zurückzuweisen, ohne daß dies dafür zum Relativismus führt"
(Bourdieu 1993, S.373).
Entlang eigener irritierender Erfahrungen
vermuten wir, daß es sich bei diesen Beschwörungen um das Pfeiffen
verängstigter Forscher im Wald einer Wissenschaft handelt, die zwar
die Dogmen der Theologie ablösen konnte, nun aber den eigenen Glaubenssystemen
gewahr zu werden im Begriff ist. Diese Angst, daß wissenschaftliches
Wissen und damit Wissenschaft selbst hinfällig werden könnte
- und damit notwendigerweise auch die eigenen Identität als Wissenschaftler(in),
ist auch deshalb schwerwiegend, da sie stillschweigend wissenschaftliche
Arbeiten durchzieht und blockiert. Ihre fortdauernde Tabuisierung verhindert
eine Auseinandersetzung mit der Frage, in welcher Weise Forschung und mit
welchen Ergebnissen verlaufen könnte, die sich ihren subjektiven und
intersubjektiven Konstitution stellt. Insoweit sind die Folgen einer solchen
Umorientierung für "Gegenstandswissen", für Wissenschaft und
für die einzelnen Forscher und Forscherinnen nur in Ansätzen
erkennbar: Forschende könnten, wenn sie auf die Ausblendung der eigenen
Subjektivität und (sozialer) Abhängigkeiten verzichten, überhaupt
erst verstehen und thematisieren lernen, wie konsequent sie sich in dem
verewigen, was sie bisher über ihre "Gegenstände" behaupten,
und auf wie vielfältige Weise Wissenschaftsimperative und die Institution
Wissenschaft in Entscheidungen im Forschungsprozeß und in "scheinbar
nur der Forschung verplichtete[n] - Handlungen im Feld" (Volmerg 1988,
S.159) einwirken. Ein erster Schritt hierzu wäre, sich mit Devereux
daran zu erinnern, daß es "ganz einfach ausgedrückt, ... immer
hilfreich [ist], sich erst einmal genau zu überlegen, was man eigentlich
tut" (Devereux 1967, S.29) und sich hierüber mit anderen Wissenschaftler(inne)n
auszutauschen. In diesem Sinne verstehen wir unseren Beitrag auch als Ermutigung
für einen Dialog, der u.E. die Voraussetzung für eine systematische
Auseinandersetzung mit und damit Untersuchung der Herstellung von "Wissen"
im qualitativen Forschungsprozeß wäre. Dies scheint umso wichtiger,
als eine fortdauernde und aus den Diskursen weitgehend ausgeblendete Unsicherheit
qualitativer Forschung über ihren wissenschaftlichen Wert sonst die
von uns nicht für sinnvoll gehaltene schrittweise Entwicklung von
und Einschwörung auf - den quantitativen vergleichbare und ebenfalls
eher der Angst der Wissenschaftler(innen) denn ihrem Bemühen um ihren
Gegenstand geschuldete - "qualitative Statistiken" zur Folge haben könnte.
Sicher hilfreich wäre die Einrichtung von Forschungssupervisionen,
um "der `Betriebsblindheit' gegenüber der eigenen Forschungsarbeit
[entgegenzuwirken]" (Bock 1992, S.101; vgl. auch Breuer & Bergold 1992;
Faas 1992; Flick 1991; Leithäuser 1992; Volmerg 1988). Da die Finanzierung
von Forschungssupervision allerdings angesichts der weiterhin bestehenden
Vorherrschaft eines naturalistischen und objektivistischen Gegenstandsverständnisses
auch auf Seiten geldgebender Institutionen nur sehr selten gelingt, besteht
eine zusätzliche Möglichkeit in der Bildung (kollegialer) Supervisionsgruppen.
Eigene Erfahrungen im Rahmen einer "Projektwerkstatt qualitatives Arbeiten",
die seit etwa einem Jahr mit Diplomand(inn)en durchgeführt wird und
zwischen Kolloquium, Supervision und Interpretationsgemeinschaft angesiedelt
ist, haben deutlich werden lassen, in welcher Weise derartige Gruppen zur
Begleitung des Forschungsprozesses, zur Entlastung der Forschenden und
zur Öffnung des Interpretationsraumes im Rahmen der konkreten Forschungsarbeit
beitragen können, wenn Denk- und Thematisierungsverbote tatsächlich
und am eigenen Beispiel überschritten werden (dürfen). Gerade
in diesem Zusammenhang kann Forschungssupervision sehr wesentlich zur Fortschreibung
qualitativer Methodologie beitragen. Dort gewonnene Erfahrungen wären
- unter Hinzuziehung von Befunden und Konzepten der Reflexionswissenschaften
- für eine systematische Untersuchung des Zusammenspiels von Forschenden
und deren "Reizwert(en)" mit den materiellen, sozialen und ideellen Bezügen
von Wissenschaft und Wissenschaftskultur in ihrer Bedeutung für die
Ergebnisproduktion zu nutzen, anstelle der bisherigen empirischen Erfolgsberichte
und von methodologischen Ratschlägen jenseits qualitativer Forschungspraxis.
Dies würde allerdings voraussetzen, daß Methodolog(inn)en, statt
zu versuchen, sich "an den Haaren aus dem Sumpf des Unwissens [zu ziehen]"
(Popper 1973, 167f), einen Blick in diesen "Sumpf" riskieren. Und für
die Wissenschaften schließlich stünde eine Relativierung ihrer
Ergebnisse dahingehend an, daß sie für sich und der Öffentlichkeit
gegenüber entgegen objektivierender Dogmatik Interpretations- und
Handlungsräume verdeutlichen und eröffnen, die mit einer Reflexion
des Zustandekommens der wissenschaftlicher Ergebnisse einhergehen. Mögliche
Folgen der offensichtlichen Unterschiedlichkeit wissenschaftlicher Standpunkte
zeigen sich derzeit im Bereich der Naturwissenschaften, bei denen die "Einschränkung
des Realismus- und Objektivitätsanspruches ... inzwischen eine höchst
praktische Angelegenheit geworden [ist]" (Bonß, Hohlfeld & Kollek
1993b, S11). Hier ist forciert durch die Medien in den Blickpunkt öffentlicher
Diskurse getreten, daß "das im Labor erarbeitete `Naturgesetz´
... sich nicht beliebig in die Natur übertragen [läßt,
da] ... nichtintendierte Nebenfolgen mit unter Umständen katastrophalen
Effekten" (a.a.O.) nicht prinzipiell auszuschließen sind.
Wenn wir abschließend entlang
der von uns vorgestellten Überlegungen die von Christian Lüders
und Jo Reichertz (1986) getätigte Diagnose zum Zustand qualitativer
Forschung Revue passieren lassen, so könnte ein eventuell sinnvoller
Indikator für eine Entwicklung, die über ein bloßes "Funktionieren"
hinausreicht sein, daß die teilweise wahllos erscheinende Veröffentlichungspraxis,
die häufig nur noch den Logiken des akademischen Marktes zu folgen
scheint, abflaut und quantitativ weniger, aber möglicherweise andere
Berichte veröffentlicht würden. Auch wäre - um in dem Bild
von Lüders und Reichertz zu bleiben - nicht nur wünschenswert,
daß qualitative Forschung weiß, "wo ihr Kopf sitzt", sondern
auch fühlt, ob ihr Herz noch schlägt.
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