Arbeitstitel: Kabel 1-Glosse


Pierre Meyrat war auch da. Offenbar ist er inzwischen Wanderprediger in Sachen Multimedia und Information Superhighway geworden. Jedenfalls sprach er zu diesen hochmodischen Themen ein paar zwischen Unverbindlichkeit und Unverständlichkeit schwankende Sätze, bevor er wie alle anderen den gereichten Genüssen zusprach.

Karsten Hoppenstedt hielt die Dinner Speech. Als Europäischer Medienbeauftragter der Unionsfraktionen prangerte er den Skandal an, der darin besteht, daß es ihm nicht gelang, herauszufinden, wer Deutschland eigentlich in dieser Woche in Bordeaux in der Runde der EU-Kulturminister vertrat. Wahrscheinlich irgendein Referent aus dem Kultusministerium von Schleswig-Holstein oder so, der sich über die unverhoffte Dienstreise an die Atlantikküste freut. Als Konsequenz schwebte ihm da die Neuordnung der föderal verkomplizierten Kompetenzen vor. Wie? Da ist er sich unsicher.

Karlheinz Jungbeck zum Glück war sich da sicher und forderte zur Vereinfachung, Medienangelegenheiten künftig ins Ressort des Wirtschaftsministers fallen zu lassen. Da dieser in Einzahl und auf Bundesebene amtiert, könnte er anständig mitmischen im Spiel um die europäischen Medienzukunft.

Karl Lagerfeld war zwar nicht da, hat aber das Berliner Schloßhotel »Vier Jahreszeiten« designed, in das der Kommerzkanal eine Journalistenrunde geladen hatte. In dessen an Versailles gemahnenden Spiegelsaal wiederum speiste man in circa drei Gängen und von goldenen Tellern. Wahrscheinlich bezahlt der Kirchkanal pro Gast ein Mehrfaches der Honorare, die mit den als Beilage gereichten Informationen zu erzielen sind. Kein Wunder, daß der Sender keine schwarzen Zahlen schreibt. So kann das ja nichts werden, Herr Jungbeck!

Es hat aber einen anderen Grund, wenn der Geschäftsführer von Kabel 1 (vormals Kabelkanal) sich echauffiert. Zwar hat er gerade die frohe Botschaft zu verkündigen, die da besagt, daß sein jüngst relaunchter Sender nun auch noch den neuen Namen ad absurdum führt und sehr bald auf Astra 1a wechselt. Doch muß er sich graue Haare wachsen lassen, weil der französische Krimikommissar, den er freitags zu senden offenbar gezwungen ist, in Deutschland - obwohl der Hit bei TF 1 - nicht so recht die Fernsehhunde hinter den Öfen hervorlocken mag.

Karlheinz Jungbeck kann das auch noch hübscher formulieren, wenn er der europäischen Kino- und Fernsehproduktion ihren eklantanten Mangel an Portabilität ankreidet: Es muß doch irgendwie möglich sein, auch europäische Produkte »weltweit zu refinanzieren«. Die Amerikaner, die sind da weiter, brauchen den europäischen Markt (und nicht nur den) schon längst wie den eigenen, um verlustfrei dazustehen, und sind auch fähig zu weltweitem Marketing. Und deshalb stellen sie auch Filme her, die in Hanoi genau wie in Hanau funktionieren, frei von regionalen, unverständlichen Eigenheiten. Deutsche Kinoprodukte hingegen, die müssen immer in Köln, München und Berlin spielen, damit die Fördermittel aller Länder sich im Produzententopf vereinigen. Irgendein Kino findet sich dann schon, das den Film nachmittags um drei ins Programm nimmt. So sieht die Welt aus den Fenstern des Kirchkonzerns aus.

In Berlin war Jungbecks junge Truppe übrigens nur der Berlinale wegen, einer anachronistischen Bilderschau mit Zelluloidstreifen aus aller Welt, darunter viele, die nicht in aller Welt gleichermaßen funktionieren, voller Zumutungen und Eigenarten, wie sie sind. Eigenartig. (mr)


Martin Recke <mr94@zedat.fu-berlin.de>