(epd) Bundesforschungsminister Rüttgers hat angekündigt, Ende dieses Monats oder Anfang Mai erste "Eckpunkte" für das geplante "Multimedia-Gesetz" des Bundes (Kifu 6/96 und 1/96) vorzustellen. Als Medienrechts-Rahmengesetz konkurriert dies mit den Länder-Plänen, den Btx-Staatsvertrag durch einen "Staatsvertrag für Mediendienste" abzulösen; "Erste Überlegungen" dazu dokumentierte Kifu 27/96. Inzwischen liegt epd auch ein Papier aus dem Rüttgers-Ministerium vor, das wir im folgenden dokumentieren. Es trägt das Datum vom 20. Februar 1996.
Der Anwendungsbereich des Gesetzes ergibt sich aus der Abgrenzung der neuen Informations- und Kommunikationsdienste zum Rundfunk. Diese erfolgt aus Sicht des Bundes im wesentlichen über das Kriterium des individuellen, selbstbestimmten Zugriffs des Nutzers auf beliebige Inhalte, der unab- hängig von Programmzeiten und -folgen geschehen kann. Damit werden Formen der Individual- als auch vielfache Übergänge zur Massenkommunikation erteilt. Darauf aufbauend werden neue, vom Rundfunk unabhängige Begriffe wie Angebote, Dienste, Vermittlungsdienste und Daten- träger inhaltlich klar bestimmt.
Die neuen Informations- und Kommunikationsdienste eröffnen ein vielfältiges Feld für neue und innovative Entwicklungen. Diese gilt es zu fördern und nicht durch Reglementierung zu behindern. Für neue Angebote soll daher der Grundsatz der Zugangsfreiheit gelten. Nur bei Verstößen gegen allgemeine rechtliche Bestimmungen bleibt eine Untersagung vorbehalten.
Die Anbieter der neuen Informations- und Kommunikationsdienste sind zu verpflichten, ihre Angebote so transparent zu gestalten, daß sie alle für die Entschädigung der Nutzer wesentlichen Informationen enthalten. Für die Nutzer beispielsweise von Video- und Audio-on-demand oder von Telelearning-Angeboten muß insbesondere mühelos erkennbar sein,
Aktuell regelungsbedürftig sind Fragen der Verantwortlichkeit von Anbietern für die von ihnen vermittelten Angebote, insbesondere bei newsgroups und Diskussionsforen. Im Bereich der Daten- und Textdienste ("elektronische Presse") werden Fragen der Impressums- pflicht und der Gegendarstellungsrechte zum Schutz der Persönlichkeitsrechte geregelt.
Bei Angeboten ist im Grundsatz von der Nichterhebung personenbezogener Daten (Prinzip der Datenvermeidung) auszugehen. Die Anonymität der Nutzer muß soweit wie möglich gewahrt werden. Auch wenn ein konkretes Vertrags- oder Leistungsverhältnis zustande kommt, beispielsweise beim Teleshopping, bei Buchungsdiensten und beim Telelearning, ist die Speicherung von Daten auf die für die Vertragsabwicklung notwendigen Daten zu beschränken. Betreiber, Hersteller von Telekommunikationsdiensten und Datenverarbeitungsanlagen und Softwarehersteller müssen den nicht autorisierten Austausch von personenbezogenen Daten durch geeignete technische Maßnahmen ausschließen.
Speziell den Nutzern von Teleshopping, Telelearning und vergleichbaren Angeboten wird es häufig nicht möglich sein, bei Leistungsstörungen oder Schadensereignissen dem Anbieter die Verantwortung dafür nachweisen zu können. In Übereinstimmung mit den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen sind deshalb besondere Rücktrittsmöglichkeiten und ggf. auch eine Umkehr der Beweislast zu Lasten des Anbieters zu regeln, wenn diesem die Feststellung der Tatsachen aufgrund seiner Herrschaft über die Angebotstechnik möglich ist.
Bislang gelten Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht im wesentlichen für jugendgefährdende Schriften und andere verkörperte Darstellungsformen. Notwendig sind Regelungen, die einen staatlichen Zugriff auch auf on-line Angebote wie Video- und Audio-on-demand, Text- und Datendienste sowie news-groups erlauben, wenn dadurch nicht verkörperte jugendgefährdende und extremistische Inhalte verbreitet werden. Die Strafbewehrung solcher Angebote allein reicht nicht für einen effektiven Jugenschutz jedoch nicht aus. Es müssen neue Wege zur Sicherung des Jugendschutzes bei der Anwendung der neuen Informations- und Kommunikationsdienste beschritten und ermöglicht werden (z.B. Schaffung technischer Vorkehrungen, Einführung einer geeigneten Selbstkontrolle der Wirtschaft oder anderer Formen der Aufsicht).