Arbeitstitel: Dokumentation: BMBF-Entwurf für "Rechtliche Rahmenbedingungen für neue Informations- und Kommunikatonsdienste" (20.02.96)


(epd) Bundesforschungsminister Rüttgers hat angekündigt, Ende dieses Monats oder Anfang Mai erste "Eckpunkte" für das geplante "Multimedia-Gesetz" des Bundes (Kifu 6/96 und 1/96) vorzustellen. Als Medienrechts-Rahmengesetz konkurriert dies mit den Länder-Plänen, den Btx-Staatsvertrag durch einen "Staatsvertrag für Mediendienste" abzulösen; "Erste Überlegungen" dazu dokumentierte Kifu 27/96. Inzwischen liegt epd auch ein Papier aus dem Rüttgers-Ministerium vor, das wir im folgenden dokumentieren. Es trägt das Datum vom 20. Februar 1996.

BMBF 20.02.1996

Entwurf Rechtliche Rahmenbedingungen für neue Informations- und Kommunikatonsdienste

Angebot und Nutzung der neuen elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste erfassen alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche in der Bundesrepublik Deutschland. Diese Entwicklung erfordert einheitliche Bedingungen. Die Bundesregierung beabsichtigt hierfür innerhalb der Bundeskompetenzen einen bundesgesetzlichen Rahmen ("Multimedia-Gesetz") zu schaffen:
  1. Der Bund hat ausschließliche, konkurrierende und Rahmengesetzgebungs- kompetenzen, die er zum Erlaß eines "Multimedia-Gesetzes" heranziehen kann (Art. 73 Nr. 7, 74 Nr. 11 u.a., 75 l Nr. 2 GG). Er sieht sich in der Verantwortung, sie zur Sicherstellung einer freien und chancen- gleichen Entfaltung sowie zur Förderung eines funktionsfähigen Wett- bewerbs von Angebot und Nutzung der neuen Informations- und Kommunikations- dienste wahrzunehmen.

  2. In einem Allgemeinen Teil sollen grundlegende rechtliche Bedingungen für Angebot und Nutzung der neuen Informations- und Kommunikationsdienste festgelegt werden. Dazu gehört insbesondere der aus den Artikeln 2, 4, 5, 12 und 14 GG vermittelte Grundsatz des freien Zugangs für Anbieter und Nutzer. Strenge Zulassungsvorraussetzungen, wie im Rundfunkrecht vor- gesehen, sind damit unvereinbar. Der Allgemeine Teil wird auch Bestimmungen enthalten, die das erforderliche Maß an Jugend-, Verbraucher- und Datenschutz sowie den Schutz des Persönlichkeitsrechts sicherstellen. Außerdem werden die Verantwortlichkeiten der Anbieter für die Einhaltung dieser Bestimmungen festgelegt.

    Anwendungsbereich des Gesetzes

    Der Anwendungsbereich des Gesetzes ergibt sich aus der Abgrenzung der neuen Informations- und Kommunikationsdienste zum Rundfunk. Diese erfolgt aus Sicht des Bundes im wesentlichen über das Kriterium des individuellen, selbstbestimmten Zugriffs des Nutzers auf beliebige Inhalte, der unab- hängig von Programmzeiten und -folgen geschehen kann. Damit werden Formen der Individual- als auch vielfache Übergänge zur Massenkommunikation erteilt. Darauf aufbauend werden neue, vom Rundfunk unabhängige Begriffe wie Angebote, Dienste, Vermittlungsdienste und Daten- träger inhaltlich klar bestimmt.

    Zugangsfreiheit

    Die neuen Informations- und Kommunikationsdienste eröffnen ein vielfältiges Feld für neue und innovative Entwicklungen. Diese gilt es zu fördern und nicht durch Reglementierung zu behindern. Für neue Angebote soll daher der Grundsatz der Zugangsfreiheit gelten. Nur bei Verstößen gegen allgemeine rechtliche Bestimmungen bleibt eine Untersagung vorbehalten.

    Angebots und Preistransparenz

    Die Anbieter der neuen Informations- und Kommunikationsdienste sind zu verpflichten, ihre Angebote so transparent zu gestalten, daß sie alle für die Entschädigung der Nutzer wesentlichen Informationen enthalten. Für die Nutzer beispielsweise von Video- und Audio-on-demand oder von Telelearning-Angeboten muß insbesondere mühelos erkennbar sein,

    Bestimmung der Verantwortlichkeiten

    Aktuell regelungsbedürftig sind Fragen der Verantwortlichkeit von Anbietern für die von ihnen vermittelten Angebote, insbesondere bei newsgroups und Diskussionsforen. Im Bereich der Daten- und Textdienste ("elektronische Presse") werden Fragen der Impressums- pflicht und der Gegendarstellungsrechte zum Schutz der Persönlichkeitsrechte geregelt.

    Informationelle Selbstbestimmung

    Bei Angeboten ist im Grundsatz von der Nichterhebung personenbezogener Daten (Prinzip der Datenvermeidung) auszugehen. Die Anonymität der Nutzer muß soweit wie möglich gewahrt werden. Auch wenn ein konkretes Vertrags- oder Leistungsverhältnis zustande kommt, beispielsweise beim Teleshopping, bei Buchungsdiensten und beim Telelearning, ist die Speicherung von Daten auf die für die Vertragsabwicklung notwendigen Daten zu beschränken. Betreiber, Hersteller von Telekommunikationsdiensten und Datenverarbeitungsanlagen und Softwarehersteller müssen den nicht autorisierten Austausch von personenbezogenen Daten durch geeignete technische Maßnahmen ausschließen.

    Beweislast bei Leistungsstörungen und Schadensereignissen

    Speziell den Nutzern von Teleshopping, Telelearning und vergleichbaren Angeboten wird es häufig nicht möglich sein, bei Leistungsstörungen oder Schadensereignissen dem Anbieter die Verantwortung dafür nachweisen zu können. In Übereinstimmung mit den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen sind deshalb besondere Rücktrittsmöglichkeiten und ggf. auch eine Umkehr der Beweislast zu Lasten des Anbieters zu regeln, wenn diesem die Feststellung der Tatsachen aufgrund seiner Herrschaft über die Angebotstechnik möglich ist.

    Bereichsspezifischer Jugendschutz

    Bislang gelten Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht im wesentlichen für jugendgefährdende Schriften und andere verkörperte Darstellungsformen. Notwendig sind Regelungen, die einen staatlichen Zugriff auch auf on-line Angebote wie Video- und Audio-on-demand, Text- und Datendienste sowie news-groups erlauben, wenn dadurch nicht verkörperte jugendgefährdende und extremistische Inhalte verbreitet werden. Die Strafbewehrung solcher Angebote allein reicht nicht für einen effektiven Jugenschutz jedoch nicht aus. Es müssen neue Wege zur Sicherung des Jugendschutzes bei der Anwendung der neuen Informations- und Kommunikationsdienste beschritten und ermöglicht werden (z.B. Schaffung technischer Vorkehrungen, Einführung einer geeigneten Selbstkontrolle der Wirtschaft oder anderer Formen der Aufsicht).

  3. In einem Besonderen Teil des "Multimedia-Gesetzes" sollen notwendige Neuregelungen enthalten sein sowie deregulierende Änderungen und Ergänzungen bestehender Bundesgesetze vorgenommen werden, bei der Festlegung des notwendigen Regelungsbedarfs werden sowohl die mögliche Fortentwicklung der bestehenden Rechtsordnung durch Rechtssprechung und Wissenschaft wie auch bereits laufende Vorhaben der europäischen Kommission zu berücksichtigen sein.

Martin Recke <mr94@zedat.fu-berlin.de>