Arbeitstitel: Bertram in Beeskow


Die Konkursmasse einer vor Jahren abgewickelten Republik enthielt nicht nur, wie mancher glauben möchte, einen Berg Schulden und ein paar Striche nicht blühen wollender Landschaften. In ihr fand sich auch eine ganze Reihe unverbrauchter Medientalente, deren Qualitäten erst in Zeiten der Marktwirtschaft so recht ans Licht kamen.

Der letzte Kulturminister der DDR, zwar weniger bekannt, aber dennoch nicht zu überschätzen, ist heute Burgherr im Angestelltenverhältnis. Herbert Schirmer sitzt auf der Kulturfeste Beeskow, hat sich nach Augenzeugenberichten mittlerweile einen echten Schloßherrenhumor zugelegt und sammelt ausrangierte DDR-Kunst. Kurz vor dem Wüstenrot-Tag, dem 3. Oktober, hatte er zu letzterem Behufe eben noch eine Stiftung aus dem Kulturfonds geschmiedet. »Sitzt da etwa dem Arbeiter auch mal die Taube mit dem Palmzweig auf dem Haupte?« fragte ihn einmal der Radiomoderator Lutz Bertram nach dem künstlerischen Wert seiner Gemäldesammlung. »Nein, ganz soweit ist es in der Ikonographie nicht mißraten«, erklärte ihm da der Burgherr. »Die Faust ist nie so in die Metamorphose geschickt worden. Es blieb bis zum Schluß ´ne Faust.« »Aber vielleicht hinterm Rücken?« »Ja, hinterm Rücken...? Die Bilder sind alle nur einseitig bemalt, Herr Bertram.«

Herr Bertram soll nun für Herrn Schirmer moderieren. Am 26. Mai will Schirmer dem staunenden Publikum eine Talk-Runde vorführen, für die er ein Trio ostdeutscher Mediengewächse komponiert hat: Günther Krause, den vormaligen Bonner Verkehrsminister und gerade gescheiterten Rostocker OB-Kandidaten, Gregor Gysi, den ehemaligen Vorsitzenden der PDS, und - als Trumpf in märkischen Landen - den zurückgetretenen ORB-Moderator, zu dessen früheren Tätigkeiten auch die als IM für ein Ost-Berliner Ministerium zählt, das inzwischen ebenfalls nur noch musealen Wert besitzt.

Bertram - manchem dämmert es noch - hat nie moderiert (was ja im Wortsinn mäßigen bedeutet hätte), sondern meist maßlos nach dem gesucht, was sein jeweiliger Gesprächspartner lieber nicht gesagt hätte. Die Hörerschaft teilte er in Verehrer und Hasser. Obwohl inzwischen im einstweiligen Ruhestand, po larisiert er noch immer. So sehr, daß der Kreistag Oder-Spree, gleichzeitig Arbeitgeber Schirmers, nun die förmliche Mißbilligung der Betramschen Moderation beschloß und sich, wie es so schön nachrichten-deutsch heißt, von der Veranstaltung distanzierte. Ein Antrag der Christdemokraten, die Veranstaltung gleich ganz zu verbieten, fand hingegen keine Mehrheit. Fraglich auch, auf dem Boden welcher Grundordnung sich solch ein Verbot befunden hätte. Thomas Klein hingegen, Generalsekretär ebenjener Partei, sah die Sache bei weitem entspannter und schickte Bertram ein Glückwunschschreiben.

Herbert Schirmer kann sich nun, derweil verritten und fernab vom brandenburgischen Rayon weilend, ins Fäustchen lachen: Mitte der Woche waren bereits mehr als 250 Kartenbestellungen eingetroffen. Die Abgeordneten vom Neuen Forum, Bündnis 90/Grüne und Bürgerverband Oder-Spree haben mittels ihres Auftritts der Show eine Publizität gesichert, die sie sonst vermutlich nicht gehabt hätte. Von der Burg, für derartigen Massenandrang ohnehin nicht geeignet, will Schirmer nun, dem Votum der Volksvertreter Rechnung tragend, geziemenden Abstand nehmen und sein Talkzirkus-Domizil in Eisenhüttenstadt oder Fürstenwalde aufschlagen.

Medientrategisch für alle Beteiligten ein genialer Coup: Schirmer füllt seine Säle, Bertrams Marktwert steigt wieder, Christdemokraten wie Bündnis-Bürger dringen, selten im Land, in die Schlagzeilen vor - und selbst auf den notorischen Krause fällt mal wieder der Schlagschatten öffentlichen Lichts. »Günthi Krause ist Minister«, sang einst Gerhard Gundermann. »Günthi Krause ist so frei - von allen Zweifeln. Hört ihn flüstern: Bahne frei, Kartoffelbrei.« Recht hatte er. (mr)


Martin Recke <mr94@zedat.fu-berlin.de>