From mr94@zedat.fu-berlin.de Wed 15 Feb 95 20:48:15 Path: fu-berlin.de!zib-berlin.de!easix!news.xenologics.com!jonet.gtn.com!wegner Date: 10 Feb 1995 20:32:00 +0100 From: wegner@jonet.gtn.com (wegner) Newsgroups: cl.medien.allgemein Message-ID: <5f_S_FzDJXB@jonet.gtn.com> Subject: ARD-Papier, Teil 1 X-Newsreader: XP v3.02 X-Charset: ISO-8859-1 Lines: 154 *********************************************************************** * Die elektronische Version dieses Dokuments wurde der Bibliothek * * von Jo!Net - Das JournalistenNetz entnommen. Das Dokument kann * * ohne zusaetzliche Genehmigung weiterverwendet werden. Eine * * Quellenangabe waere jedoch hilfreich. * * * * Jo!Net, BBS (0221) 9860044, Tel (0221) 2402943, Fax (0221) 2402585 * * EMail info@jonet.gtn.com * *********************************************************************** ARD-Thesenpapier Stoiber/Biedenkopf ----------------------------------------------------------------------- Thesen zur Strukturreform des oeffentlich-rechtlichen Rundfunks - ein Positionspapier der Ministerpraesidenten Kurt Biedenkopf und Edmund Stoiber (entnommen dem IW-Medienspiegel - Worte zwischen Sternchen siganalisieren Fettdruck im Orginaltext): Bei der uebereinstimmend fuer notwendig gehaltenen Strukturreform des oeffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens, insbesondere der ARD, gehen der Freistaat Bayern und der Freistaat Sachsen von folgenden Ueberlegungen aus: 1. Der Bereich der oeffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (oeffentlich-rechtlicher Bereich) ist ein Bereich sui generis. Der oeffentlich-rechtliche Bereich ist Teil des dualen Systems, an dem ohne Einschrraenkung festgehalten wird. Seine Gesaltung und innere Verfassung, einschliesslich der Organisationsprinzipien der Rundfunkanstalten als Veranstaler, muessen aber auch *in sich* den ordnungspolitischen Grundsaetzen entsprechen, an denen wir uns bei der Ordnung und Organisation von Hoerfunk und Fernsehen zu orientieren haben. Das heisst: Die Verwirklichung dieser Grundsaetze ist unabhaengig von der Gestaltung des privatrechtlichen Bereichs und moeglicher Wechselwirkungen zwischen beiden geboten. 2. Die Eigenstaendigkeit des oeffentlich-rechtlichen Bereichs ergibt sich aus seinem Auftrag, die Grundversorgung der Bevoelkerung mit Darbietung von Hoerfunk und Fernsehen sicherzustellen und der Tatsache, dass die Durchfuehrung dieses Auftrages ueberwiegend durch Rundfunkgebuehren finanziert wird. Die Grundversorung ist eine selbstaendige Aufgabe, die das duale System auschliesslich dem oeffentlich-rechtlichen Rundfunk zuordnet. Auch wenn der privatwirtschaftlaiche Bereich konkurrierende oder komplimentaere Leistungen anbietet, kann auf die Grundversorgung durch den oeffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht verzichtet werden. Dieser Umstand rechtfertigt die Fianzierung der GRundversorgung durch nutzungsunabhaengige Gebuehren. Nur wer die vorgesehen Gebuehren entrichtet ist berechtigt, ein Rundfunk- oder Fernsehgeraet zum Empfang bereit zu halten. Da der Besitz dieser Geraete zum Existenzminimum gerechnet wird (die Geraete duerfen grundsaetzlich nicht gepfaendet werden), also als unverzichtbar gilt, haben die Gebuerhren de facto steueraehnlichen Charakter. Der oeffentlaich-rechtliche Rundfunk unterscheidet sich somit - unbeschadet sonstiger rechtlicher und organisatorischer Unterschiede - sowohl durch seinen besonderen Auftrag wie durch seine Finanzierung qualitativ vom Bereich des privat- wirtschaftlich organisierten Rundfunks. Die Gestaltung des oeffentlaich-rechtlichen Bereichs muss deshalb besonderen ordnungspolitischen Strukturprinzipien gerecht werden. 3. Zum Kernbereich dieser Strukturprinzipien gehoeren: (1) *Die bundesstaatliche Ordnung Deutschlands, (2) Der Grundsatz der Sicherung der Meinungsvielfalt*, wie er nach Paragraph 21 Rundfunkstaatsvertrag fuer die privaten Veranstalter gilt. 4. Die bundesstaatliche Ordnung ist durch das Strukturprinzip:Einheit in der Vielfalt und Vielfalt in der Einheit gekennzeichnet. Diesem Prinzip entspricht die Doppelgleisigkeit des oeffentlich- rechtlichen Bereichs. Das bundesweit organisierte ZDF repraesentiert das fuer die Bundesrepublik konstitutive Prinzip Einheit. Die Landesrundfunkanstalten, die sich in der ARD zusammengschlossen haben, repraesentieren die fuer die bundesstaatliche Ordnung konstitutive Vielfalt der Laender. Dabei muessen Laender und Landesanstalten nicht deckungsgleich sein, soweit die Vielfalt selbst nicht beeintraechtigt wird. Diese zweigleisigkeit findet im Hoerfunkbereich ihre Entsprechung in Gestalt des Deutschlandradios als bundesweitem Anbieter und den landesrundfunkanstalten. 5. Für die Gesamtheit des oeffentlaich-rechtlichen Bereichs und seiner Ordnung sind allein die laender zustaendig. Indem die Verfassung dies gewaehrleistet und die ausschliessliche Zustaendigkeit der laender dem Kernbereich der laenderzustaendigkeit zuordnet, sichert sie zum einen die Anwendung des machtverteilenden Prinzips der bundesstaatlichen Ordnung auch auf die Gestaltung des oeffentlich-rechtlichen Rundfunks. Zugleich errichtet sie damait eine unueberwindliche Schranke gegen eine erneute Zentralisierung der Kontrolle ueber den oeffentlich- rechtlichen Rundfunk und damit gegen eine Wiederholung des politischen Missbrauchs einer solchen Kontrolle. Die Sicherung der ausschliesslichen Landerzustaendigkeit in medienfragen durch die Verfassung verdanaken wir nicht zuletzt den Erfahrungen mit dem Missbrauch zentralistischer Medienmacht durch den Nationalsozialismus (und spaeter durch die SED Dikatatur): Zugleich entspricht die Verfassung mit dieser Zustandigkeitsregelung der eminenten Bedeutung der elektronischen Medien fuer die Kultur unseres Landes und ihrer weiteren Entwicklung. 6. Die Verwirklichung des prinzips Vielfalt durch die Landesrundfunkanstalten gewaehrleistet im oeffentlich-rechtlichen Bereich zugleich die Sicherung des Prinzips der meinungsvielfalt und damit auch des Meinungswettbewerbs. Auch fuer die oeffentlich-rechtlich gewaehrleistete Grundversorung der Bevoelkerung mit Rundfunk gilt, dass ihr Angebot dem Grundsatz der Meinungsvielfalt entsprechen muss. vielfalt ist effektiv nur erreichbar durch Wettbewerb. Dieser muss deshalb auch im System des oeffentlich-rechtlichen Rundfunks gewaehrleistet sein. Wettbewerb setzt eine Mehrzahl selbstaendiger Anbieter voraus. An der Sicherung ihrer Selbststaendigkeit besteht ein oeffentlaiches Interesse. Es wird durch vertragliche oder strukturelle Beschraenkungen des Wettbewerbs unter den Rundfunkanstalten verletzt. Auch deshalb ist Vielfalt im oeffentlaich-rechtlichen Bereich sowohl de jure als auch de facto zwingend geboten. Fuer die Organisation der ARD bedeutet dies, dass sie weder aus rechtlichennoch aus tatsaechlichen GRuenden geeignet sein darf, die Meinungsvielfalt und den meinungswettbewerb im oeffentlich- rechtlichen Bereich wesentlich zu beschraenken oder zu beseitigen. Die Organisationstrukturen der ARD und ihre praktische Handhabung muessen diesem Grundsatz entsprechen. Dabei kommt es wegen der Eigenstaendigkeit des oeffentlich- rechtlichen Rundfunks nicht darauf an, ob die meinungsvielfalt im Bereich der elektronischen Medien durch die Angebote privatwirtschaftlicher Veranstalter erweitert wird und eine Beschraenkung der Meinungsvielfalt im oeffentlichen Bereich dadurch relativiert werden koennte. Die Verwirklichung der ordnungspolitischen Grundsaetze im oeffentlich-rechtlichen Rundfunk kann nicht davon abhaengig gemacht werden, ob private Veranstalter existieren, die in der Lage sind, die Wirkungen von Wettbewerbsbeschraenkungen durch Vermachtungen im oeffentlich- rechtlichen Bereich durch eigene Angebote zu relativieren. 7. Beide Strukturelemente: Einheit und Vielfalt, sind grundsaetzlich gleich bedeutsam. Sie sind gleichberechtige Struktur- und Organisationselemente des oeffentlich-rechtlichen Bereichs. Beide tragen in gleicher Weise zur Verwirklichung des STrukturprinzips der bundesstaatlichen ordnung bei. Zwischen ihnen und ihrer Verwirklichung muss deshalb Chancengleichheit bestehen. Das bedeutet konkret: Zwischen den Anstalten und ihrem Zusammenwirken in der ARD einerseits und dem ZDF andererseits darf auch unter Gesichtspunkten der Gebuehrenfianzierung kein unangemessenes Ungleichgewicht bestehen. Die gegenwaertige Verteilung des Beguehrenaufkommens wird diesem Grundsatz nicht gerecht. Sie widerspricht der gleichgewichtigen Bedeutung der beiden sTrukturelemente der bundesstaatlichen Ordnung im oeffentlich-rechtlichen Bereich. 8. Die tatsaechliche Entwicklung der aRD in den vergangenen rund 30 jahren hat dazu gefuehrt, dass sich die urspruenglich als dienende Arbeitsgemeinschaft der Landesanstalten konzipierte Organisation zu einem konzernaehnlichen Gebilde verandert und damit zu einer nachhaltigen Verringerung der Selbststaendigkeit der Laenderanstalten gefuehrt hat. Die Landesrundfunkanstalten haben sich in ihrer mehrheit zunehmend von selbstaendigen Gesellschaftern der Arbeitsgemeinschaft zu de facto Tochtergesellschaften der ARD entwickelt. Die damait entstandene neue Struktur wird von der bei weitem groessten und finanzstaerksten Landesanstalt, dem WDR, nachhaltig beeinflusst und teilweise beherrscht. Der WDR nimmt in erheblichem Umfang die Rolle einer Konzernleitung wahr, die weite Bereiche der inzwischen zentrlistischen ARD kontrolliert, zumindest nachhaltig bestimmt. Wichtigste Instrumente dieser Dominanz sind dabei die Wort- und Meinungsfuerhrerschaft in ARD-Gremien und die Besetzung von Schluesselpositionen im ARD-Bereich. Zu dieser Entwicklung haben eine Reihe von Umstaenden beigetragen, die im einzelnen analysiert, bewertet und im Rahmen der Neuordnung veraendert oder beseitigt werden muessen. Zu ihnen gehoeren: (1) die unterschiedlichen Dimensionen der landesrundfunkanstaltenund ihrer finanziellen Ausstattungen; (2) die gegenwaertige Form des Finanzausgleichs zwischen starken und schwachen Anstalten und die damait verbundenen Abhaengigkeiten; (3) die Tendenz wirtschaftlich schwaecherer Anstalten, sich an die staerkste, den WDR, anzulehnen (*finanzpolitische Wirkung* des Konzerncharakters der ARD); (4) die mit dem Angebot eifnes Vollprogramms durch die ARD verbundenen Tendenzen zur Konzentration der Koordinations- und Kontrollaufgaben bei der staerksten Anstalt; (5) die Konzentration von Leistungen fuer das gemeinsame Programm bei der leistungsstaerksten Anstalt und damit zugleich die Aktivierung der in der Ungleichgewichtigkeit der Struktur der ARD angelegten Tendenz zur Konzentration (*programmpolitische Wirkung* des Konzerncharakters der ARD); (6) die durch die Konzentration wesentlicher Funktionen und die wirtschaftliche Dominanz begruendeten Moeglichkeiten, auf Personalentscheidungen innerhalb des Systems Einfluss zu nehmen (*personalpolitische Wirkung* des Konzerncharakters der ARD). Die durch diese und weitere Ursachen bedingte Entwicklung hat zu einer nachhaltigen Beeintraechtigung der tatsaechlichen Vielfalt im Rahmen der Organisation der ARD gefuehrt. Die damit verbundene Beschraenkung der Vielfalt und des Wettbewerbs zwischen den Anstalten hat inzwischen ein Ausmass erreicht, das kaum noch mit dem Grundsatz der Vielfalt vereinbar ist. Darin liegt der erste wesentliche Grund fuer die Notwendigkeit einer durchgreifenden STrukturreform. Ihr Ziel muss es sein, die voraussetzungen fuer Vielfalt wieder herzustellen und damit dem Grundsatz der Vielfalt wieder Geltung zu verschaffen. Das System der ARD muss wieder vom Kopf auf die Fuesse gestellt werden. 9. Die leistungstaerkeren Anstalten haben in den letzten Jahren Anstrengungen unternommen, dieser Entwicklung - in dem Masse, in dem dies technisch moeglich wurde - durch den Ausbau ihrer Dritten Programme zu begegnen. Damit war allerdings eine wesentliche Expansion der Kosten und eine Ausweitung des Gesamtangebotes ueber die Erfordernisse der GRundversorgung hinaus verbunden. Dies hat dazu gefuerht, dass heute bereits eine Reihe Dirtter Programme als Vollprogramame angeboten werden. Sie sind zunehmend in ganz DEutschland zu empfangen. Neben dem Vollprogramm der ARD haben sich somit im oeffentlich-rechtlichen Bereich weitere Vollprogramme etabliert, die bundesweit angeboten werden. In den kommenden Jahren - also im Zeitraum der angestrebten Strukturreform - werden mit Sicherheit alle derartigen Programme bundesweit empfangen werden koennen. Diese Entwicklung mag dazu beitragen, dass dem prinzip der Vielfalt durch die Landesrundfunkanstalten wieder staerker Rechnung getragen werden kann. Der Ausbau der Dritten Programme zu vollwertigen Programmangebotenneben dem vollprogramm der ARD hat jedoch - neben einer, im Vergleich zu den privaten Anbietern, grosszuegigen Personalpolitik - zur einer *Expansion der Kosten des oeffentlich-rechtlichen Gesamtangebotes* gefuehrt, deren Ende nicht abzusehen ist. Diese Kostenexpansion fuehrt zu stets neuen Forderungen nach weiteren Gebuehrenerhoehungen und nach Ausdehnung der Werbezeiten. Der Umfang des oeffentlich-rechtlichen Gesamtangebotes hat sich auch weit ueber das hianaus ausgedehnt, was unter dem Gesichtspunkt der Grundversorgung noch vertretbar erscheint. Tatsaechlich hat er schon heute das durch das Erfordernis der Grundversorgung gebotene Mass weit ueberschritten. Das Gesamtangebot des oeffentlich-rechtlichen Bereichs muss deshalb sowohl aus prinzipiellen wie aus Kostengruenden auf das Mass reduziert werden, das durch die Grundversorunge der Bevoelkerung geboten ist. Nur in diesem Umfang ist eine Fianzierung des Angebots durch steueraehnliche Gebuehren (und die inzwischen akzeptierten Werbeinnahmen) zu rechtfertigen. Was darueber hinausgeht, gehoert in den privatwirtschaftlichen Bereich des dualen Systems. Die Notwendigkeit, die Kosten des oeffentlich-rechtlichen Bereichs zu begrenzen und wieder in Uebereinstimmung mit den Erfordernissen der Grundversorgung zu bringen, ist der *zweite wesentliche Grund* fuer das Erfordernis einer durchgreifenden Strukturreform. 10. Die notwendige Reduktion des Programmvolumens kann prinzipiell entweder durch eine Reduktion des ARD-Angebots oder duch Abbau, jedenfalls aber Verringerung der Dritten Programme der Landesanstalten erreicht werden. Welche der beiden Alternativen den Vorzug verdient, ist umstritten. Die Vertreter der gegenwaertigen Struktur plaedieren dafuer, die Dirtten programme zurueckzufuehren, falls eine weitere Erhoehung der Gebuerhren oder eine Ausweitung der Werbeeinnahmen durch Ausdehnung der Werbezeiten nicht moeglich sein sollte. Die Gegenmeinung sieht die Loseung in einer Verringerung des ARD- Angebots, das heisst, in einem Verzicht auf das selbstaendige ARD- Vollprogramm zugunsten der Landesrundfunkanstalten und ihrer Dritten programme. Unsere Reformueberlegungen gehen davon aus, dass eine uferlose Erhoehung der Gebuehren und eine Ausweitung der Werbezeiten im oeffentlich-rechtlichen Bereich aus teils politischen, teils prinzipiellen Gruenden nicht in Frage kommen wird. Das heisst: Wir koennen uns der Notwendigkeit, zwischen beiden Alternativen zu entscheiden, nicht laenger durch einstaendige Vermehrung der Einnahmen des oeffentlich-rechtlichen Bereichs entziehen. Wir muessen vielmehr - jedenfalls grundsaetzlich - zwischen beiden Alternativen entscheiden. Die Masstaebe fuer diese Entschedung koennen allein aus dem Strukturprinzip: Einheit in der Vielfalt und Vielfalt in der Einheit und aus dem Gebot abgeleitet werden, die Meinungsvielfalt und damit den Wettbewerb unter selbstaendigen Anbietern auch innerhalb des oeffentlich-rechtlichen Bereichs zu sichern. 11. Mit der Beibehaltuang des heutigen ARD-Vollprogramms und der Reduktion der Dritten Programme wurde neben dem ZDF auch in Zukunft ein weiteres nationales Programm angeboten und dies zu Lasten der heutigen Dritten Programme, also der Vielfalt. Das bereits vorhandene Ungleichgewicht zwischen Einheit und Vielfalt wurde sich in diesem Falle zu Lasten der Vielfalt weiter verstaerken. Die finanziellen Begrenzungen des oeffentlich- rechtlichen Bereichs wuerden tendenziell die zentralen Programme beguenstigen und die Regionalangebote benachteilgen. Sie wuerden damit die ohnehin bestehende Konzentration im Bereich der ARD weiter verstaerken. Zugleich wuerde die Meinungsvielfalt im oeffentlich-rechtlichen Bereich reduziert. Entscheidet man sich dagegen fuer eine Neustrukturierung der ARD mit dem Ziel, die tragende Rolle der Landesrundfunkanstalten wieder herzustellen und der Arbeitsgemeinsacht erneut die Rolle einer dienenden Organisation zuzuweisen, so liefe dies im Ergebnis darauf hinaus, auf ein zweites nationales Vollprogramm neben dem des ZDF zu verzichten. Der Vielfalt der Regionalprogramme wurde der Vorzug vor der Dominanz des ARD-Vollprogramms gegeben. Dem Grundsatz der meinungsvielfalt wuerde damit ebenso Rechnung getragen wie dem Gebot der Gleichgewichtigkeit von Einheit und Vielfalt. 12. Wir sind ueberzeugt, dass prinzipiell nur die zweite Alternative geeignet ist, sowohl der Verwirklichung der ordnungspolitischen Grundsaetze im oeffentlich-rechtlichen Bereich wie den Notwendigkeiten und Grenzen seiner Finanzierung zu entsprechen. Wir halten eine Reform der ARD mit diesem Ziel deshalb fuer unverzichtbar. Wir wuerden eine Verstaendigung darueber begruessen, dass die inzwischen begonnenen Verhandlungen ueber die Novellierung der Rundfunkstaatsvertrages zum Anlass genommen werden sollten, zugleich ueber die Strukrureform der ARD zu beraten und zu beschliessen. Schon angesichts der finanziellen Situation des oeffentlich-rechtlichen Bereichs vertraegt der Gegenstand keinen weiteren Aufschub. 13. Die Verwirklichung einer ausgewogenen Vielfalt setzt voraus, dass die Landesanstalten annaehernd gleich leistungsstark sind. Uebermaessige Ungleichgewichtigkeiten unter den landesanstalten begruenden Abhaengigkeiten zwischen den starken und den schwachen Anstalten, die weder mit dem Gedanken der Vielfalt, noch mit der Notwendigkeit von Wettbewerb vereinbar sind. Mehrere laender haben dem mit der Bildung von Mehrlaenderanstalten (NDR, mdr) bereits Rechnung getragen. Im Zuge einer Neuordnung der ARD erscheinen weitere Zusammenschluesse bestehender Anstalten erforderlich. Ziel muss es sein, zu einer ausgewogenen Groessen-Struktur zu gelangen. Die Anstalten sollten auf Grund ihrer Grosse und Finanzkraft in der Lage sein, ihre Aufgaben ohne Zuschuesse aus einem horizontalen Finanzausgleich zu finanzieren. Auf keinen Fall sollten Anstalten, die dauerhaft auf Zuschuesse angewiesen sind, langristig weiterbestehen oder neu gegruendet werden. Letzteres ist bereits Beschlusslage der MPK. 14. Der gegenwaertig in der ARD praktizierte Finanzausgleich widerspricht dem Prinzip des Wettbewerbs im System. Er beeintraechtigt das angesichts vorwiegend oeffentlicher finanzierung notwendige Kostenbewusstsein und erzeugt Abhaengigkeiten zu Lasten der kleineren Anstalten. Wir halten deshalb eine Abschaffung des derzeitigen Finanzausgleichs fuer unverzichtbar. Sie sollte auch die Moeglichkeit einer vollstaendigen oder teilweisen Regionalisierung der Rundfunkgebuerhren in ihre Ueberlegungen einbeziehen. Das Kostenbewusstsein der Landesanstalten wird nur gestaerkt werden koennen, wenn ein engerer Zusammenhang zwischen den Gebuehren als Leistungsentglet und dem Aufwand der jeweiligen Landesanstalt hergestllt werden kann. Der Umstand, dass als folge in verschiednen Sendegebieten unterscheidliche Gebuehren anfallen koennten, sollte kein Hinderungsgrund sein. Unterschiedliche oeffentliche Gebuehren als folge unterschiedlicher Leistungsfaehigkeit sind auch in anderen Bereichen durchaus ueblich. 15. Die gegenwaertige Struktur der ARD in ihrer faktisch- korporativen Verfassusng widerspricht den grundlegenden oeffentlich-rechtlichen Prinzipien der Itendanten-Verantwortung und der Kontrolle durch die gesellschaftlich relevanten Kraefte. De jure verfuegt die ARD ueber keine eigenstaendige Befugnis, Programmverantwortung wahrzunehmen. Die Programmverantwortung liegt vielmehr bei den einzelnen Intendanten der Landesrundfunkanstalten, in deren Sendegebiet das ARD- Gemeinschaftsprogramm ausgestrahlt wird. Die Ungleichgewichte innerhalb der ARD haben zu einem Geflecht von Abhaengigkeiten und Beziehungen gefuehrt, die den Satz 1 der Ziffer 6 der Verwaltungsvereinbarung der Landesrundfunkanstalten ueber die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Fernsehen - Fernsehvertrag (Jede Rundfunkanstalt ist berechtigt, auf die Ausstrahlung von Teilen des Fernsehgemeinschatsprogramms zu verzichten und es insoweit durch einen eigenen Beitrag zu ersetzen)faktisch ausser Kraft gesetzt haben und allenfalls auf gravierendste Ausnahmefaelle beschraenken. Diese faktische Konzernabhaengigkeit in der Programmgestaltung unterminiert die effektive Wahrnehmung der Programmverantwortung durch die Intendanten und gleichermassen die effektive Programmkontrolle durch die Vertreter der gesellschaftlich relevanten Kraefte in den Rundfunkraeten der einzelnen Anstalten. Der verantwortliche Ansprechpartner des Rundfunkrats einer Landesfunkanstalt ist deren Intendant, nicht etwa der Intendant desjenigen Senders, der einen bestimmten Beitrag in das Gemeinschaftsprogramm eingebracht hat. Die Verantwortlichkeit fuer das Programm und die tatsaechliche Gestaltungsmoeglichkeit sisnd damit nicht mehr deckungsgleich. Dies bedeutet, dass Rundfunkraete sich zwar kritisch mit Programmbeitraegen anderer ARD-Anstalten befassen koennen, dass sie aber programmverantwortung nicht effektiv einfordern und demnach auch ihren Auftrag, die Interessen der Allgemeinheit auf dem Gebiet des Rundfunks zu wahren, nicht voll erfuellen koennen. Entscheidende Anforderungen der Verfassung an die Ausgestaltung des oeffentlich-rechtlichen Rundfunks sinddamit an den Rand gedraengt. Ziel der Strukrureform der ARD muss es demnach auch sein, aus fiktiven Programmverantwortlichkeiten wieder effektive zu machen und die Wirkungsmoeglichkeiten der gesellschaftlichen Repraesentanz in den Aufsichtsgremien wieder voll herzustellen. 16. Eine weitere Zusammenarbeit der landesanstalten im Rahmen einer reformierten ARD widerspricht nicht dem Grundsatz der Vielfalt. Voraussetzung ist jedoch, dass ein entsprechndes Netzwerk (network) die tatsaechliche Unabhaengigkeit der Anstalten respektiert, also den Wettbewerb nicht wesentlich beschraenkt oder beseitigt. Selbst wenn die ARD als solche kein eigenes Vollprogramm anbieten soll, kann es sinnvoll sein, auf einzelnen Programmplaetzen oder bei bestimmten projekten und Aufgaben zusammenzuarbeiten und dadurch Synergieeffekte auszuschoepfen. Dazu gehoert auch der regelmaessige Austausch von Programmteilen. Entscheidend ist, dass aus der Kooperation keine Korporation werden kann. Die zentrale Wahrnehmung von Aufgaben darf nicht im Ergebnis zu dauerhaften Selbstaendigkeitsverlusten bei den Landesanstalten als den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft fuehren. Bindungen innerhalb des Systems muessen deshalb, auch wenn sie langfristig angelegt sind, fuer die einzelne Anstalt dispnibel bleiben. Auch eine laengerfristige Zusammenarbeit und die daraus resultierenden Koordinationsbeduerfnisse rechtfertigen, unter Wettbewerbsgesichtspunkten, keine dauerhaften Bindungen an zentralisierte Entscheidungsmechansimen. Bindungen der Art, wie sie im derzeitigen System bestehen und ohne Kuendigung des ganzen Systems praktisch nicht aufloesbar sind, sind mit den Strukurprinzipein Vielfalt und Wettbewerb nicht vereinbar. Sie fuehren zu faktischen Machtpositionen, die der Offenheit der Medienlandschaft ebenso widersprechen wie dem Grundsatz der Meinungsvielfalt.