(epd) Die SPD-Medienkommission hat sich dafür ausgesprochen, die 20-Uhr-Werbegrenze für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bei "Großereignissen" aufzuheben. Dies teilte ihr Vorsitzender Reinhard Klimmt am 21. Oktober im Anschluß an eine Tagung im Berliner Willy-Brandt-Haus mit, der künftigen Parteizentrale der Sozialdemokraten. Die Aufhebung solle nur an konkrete Ereignisse der Bereiche Sport und Kultur gebunden werden, erläuterte Klimmt.
Zur Begründung meinte er, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei ohne die Möglichkeit einer "Refinanzierung" im direkten Zusammenhang mit der Übertragung nicht mehr in der Lage, beim Erwerb von Sportrechten mitzubieten. Einen Einstieg in eine generelle Aufhebung der 20-Uhr-Grenze wollte Klimmt in dieser Entscheidung nicht sehen.
Nachdem in der aktuellen Gebührenrunde ein Ausgleich für verlorene Werbeeinnahmen gefunden sei, werde keine Aufhebung der Werbegrenze gebraucht. Solange jedoch die Rundfunkgebühr als politischer Hebel benutzt werde, müsse man sich die Möglichkeit offenhalten, zum Ausgleich die Werbegrenze abzuschaffen.
Die Medienkommission will sichergestellt sehen, daß die Fußball-Weltmeisterschaften auch nach dem Jahr 2000 im frei empfangbaren Fernsehen zeitgleich zur Austragung zu sehen sind. Der internationale Fußballverband FIFA hatte die Übertragungsrechte im Sommer an die Kirch-Gruppe vergeben, gleichzeitig aber ebenfalls betont, daß die Spiele im "Free-TV" zu empfangen sein sollen. Wenn die FIFA dabei bleibe, hob Reinhard Klimmt hervor, dann müsse nicht "gesetzlich eingegriffen" werden.
Die möglichen gesetzlichen Instrumente sollen jedoch nach den Vorstellungen des Parteigremiums überprüft werden. Klimmt bezeichnete es auch als "eine Möglichkeit", durch eine gesetzliche Regelung nach dem Vorbild Großbritanniens die freie Empfangbarkeit wichtiger Sportereignisse zu sichern. Die SPD habe den Willen, eine solche Regelung auch anzuwenden, wenn es sie geben sollte.
Der stellvertretende Vorsitzende der Medienkommission Reinhard Grätz bezeichnete es als ein Ziel der SPD-Medienkommission, eine "innere Strukturreform" der ARD anzustoßen. Es sei "zu oberflächlich", nur über äußere Veränderungen wie die Fusion von ARD-Anstalten oder die von der CSU geforderte Abschaffung des Finanzausgleichs zu diskutieren.
Vielmehr müsse zum Beispiel über Fragen wie ein "einheitliches Management" der öffentlich-rechtlichen Anstalten im Bereich der Filmrechte nachgedacht werden. Analog zum Vorbild der Sportrechteagentur sollte nach SPD-Vorstellungen auch in anderen Bereichen verfahren werden. Auch auf der Ebene der Europäischen Rundfunkunion EBU sollten die Sender stärker zusammenarbeiten.
Reinhard Klimmt sprach sich "strikt" gegen Versuche aus, die ARD-Anstalten über Instrumente wie den Finanzausgleich zur Fusion zu zwingen. Strukturveränderungen wie derzeit im Südwesten diskutiert müßten möglich sein, so Klimmt, aber nur unter dem Prinzip der Freiwilligkeit.
Manfred Becker, stellvertretender Kommissionsvorsitzender, äußerte die Vermutung, daß Berlin und Brandenburg trotz der gescheiterten Vereinigung der beiden Länder mittelfristig eine gemeinsame Rundfunkanstalt bilden werden. Er wünsche sich, so Becker, deutlichere Signale von den Landesmedienpolitikern seiner Partei. Die Berliner SPD habe sich "deutlicher" für einen Zusammenschluß von SFB und ORB ausgesprochen als die SPD in Brandenburg, die der engeren Kooperation beider Landesrundfunkanstalten den Vorrang gebe.
Becker stellte einen Antrag der SPD-Medienkommission für den jugendpolitischen Kongreß der SPD im November vor. Darin wird unter anderem ein kostengünstiger Zugang für Bibliotheken und vergleichbare öffentliche Einrichtungen zu den neuen Medien gefordert. Im Gegenzug sollten die Einrichtungen dann ihre Archive für den elektronischen Zugriff öffnen. Eine "Medienkompetenz-Offensive" für den Umgang mit den neuen Medien sei notwendig.
Die Ratifizierung der Medienstaatsvertrags-Novelle wird nicht an der SPD scheitern, erklärten Klimmt und Grätz. Sie äußerten die Erwartung, daß die Novelle von allen Landtagen ratifiziert werden wird. (mr)
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