Ministerpräsidenten beschließen "Zuschaueranteilsmodell" - 30-Prozent-Marke bestätigt


(epd) Die Ministerpräsidenten der Bundesländer haben sich auf das "Zuschaueranteilsmodell" für die Neufassung des Medienkonzentrationsrechts geeinigt. Sie bestätigten die im Protokoll von Bad Neuenahr festgehaltene Obergrenze eines Marktanteils von 30 Prozent, von der an "vorherrschende Meinungsmacht" vermutet werden soll. Die Konzentrationsermittlungskommission (KEK) soll als Organ der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt installiert werden. Dies beschlossen die Ministerpräsidenten während ihres "Kamingesprächs" am 7. März im Berliner Roten Rathaus. Die Regierungschefs von Rheinland-Pfalz und Sachsen, Kurt Beck (SPD) und Kurt Biedenkopf (CDU) zeigten sich am gleichen Tag vor der Presse zufrieden mit den Ergebnissen der Tagung. Man habe damit eine Aufgabe erfüllt, die "eine Zeitlang als unlösbar eingestuft" worden sei, erklärte Kurt Beck.

Die Runde faßte Beschlüsse zu einer Reihe von offenen Detailfragen. Künftig sollen Lizenzen und Unbedenklichkeitsbescheinungen obligatorisch durch die Medienaufsicht widerrufen werden, wenn

Es soll eine Publizitätspflicht geben, die sich auf Veranstalter, auf unmittelbar und "nach § 15 AktG" (Aktiengesetz) mittelbar an ihnen Beteiligte und auf die Programmbezugsquellen erstreckt. Die Programmbezugsquellen sollen nur gegenüber der Medienaufsicht darzustellen sein. Die Publizitätspflicht endet auch an der ebenfalls beschlossenen "Bagatellgrenze" bei einer Beteiligung unter zehn Prozent. Der neue Rundfunkstaatsvertrag wird den Beschlüssen zufolge einen ausdrücklichen Bezug auf "Angehörigenverhältnisse" enthalten. Bei der Bewertung "tatsächlicher Einflüsse" sind die "Grundsätze des Wirtschafts- und Steuerrechts" anzuwenden, so die Formulierung; "zu diesen tatsächlichen Einflüssen gehören auch bestehende Angehörigenverhältnisse".

Für die KEK sehen die Ministerpräsidenten eine zur KEF analoge Organisationsform vor, erklärte Kurt Beck. Rheinland-Pfalz werde wie schon für die KEF auch für die KEK die "organisatorische Federführung" übernehmen. Eine Abweichung von der KEK-Beurteilung soll nur durch eine 3/4-Mehrheit der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten und innerhalb von drei Monaten möglich sein, "wenn die zuständige Landesmedienanstalt abweichen will". Hierzu solle eine "konkretere Staatsvertragsregelung" vorgelegt werden, heißt es im Berliner Beschluß.

Für das Marktanteilsmodell beim materiellen Konzentrationsrecht wurde eine "Bagatellgrenze" von 10 Prozent festgelegt, von der an eine Veranstaltertätigkeit vollständig zugerechnet werden soll. Bei der Bewertung des Begriffs "vorherrschende Meinungsmacht" sollen "verwandte Märkte" einbezogen werden. In der Begründung zum Staatsvertrag soll klargestellt werden, daß damit "Werbung, Hörfunk, Presse, Rechte, Produktion und andere medienrelevante verwandte Märkte" gemeint sind. Sonderregelungen für Voll- und Informationsprogramme, nach denen die Programmzahl auf drei Beteilungen (bis 100, bis unter 50 und bis unter 25 Prozent) begrenzt würde, soll es nach dem Willen der Ministerpräsidenten nicht geben. Ab einem Zuschaueranteil von zehn Prozent wird jedoch eine Verpflichtung zur Abgabe von Sendezeit an "unabhängige Dritte" vorgesehen. Diese Verpflichtung kann durch "Satellitenfenster", terrestrische Regionalfenster oder Ballungsraumfernsehen erfüllt werden. Auch zu diesem Punkt solle ein "konkretisierender Vorschlag" vorgelegt werden, so der Beschluß. Die Ministerpräsidenten einigten sich darauf, die Feststellung der Zuschaueranteile öffentlich auszuschreiben. Bislang mißt die GfK die Einschaltquoten für die Fernsehsender.

Festgelegt wurde auch, eine "ständige Programmliste" oder ein "Programmregister" einzurichten, also eine Zusammenfassung aller Programme, ihrer Veranstalter und deren Gesellschafter. Die Entscheidung über eine "Stiftung Medientest" wurde vertagt, in den neuen Rundfunkstaatsvertrag soll dazu keine Regelung aufgenommen werden. Hingegen soll es eine Vorschrift über den "diskriminierungsfreien Zugang von Rundfunkangeboten in den Kabelnetzen und für den Nutzer" geben.

Neben der bereits vereinbarten parallelen Kündigungsmöglichkeit aller rundfunkrechtlichen Staatsverträge zum 31.12.2000 soll der § 10 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrages, in dem der ARD-Finanzausgleich verankert ist, eine "gesonderte Kündigungsmöglichkeit" erhalten. Dies soll jedoch mit der zusätzlichen Möglichkeit einer "Anschlußkündigung als Austrittskündigung bezüglich jeweils aller rundfunkrechtlichen Staatsverträge" verknüpft werden. Das Land Bremen gab dazu zu Protokoll, daß mit einer solchen Austrittskündigung "faktisch das Gesamtgefüge" der Staatsverträge betroffen sein werde.

Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ließen ihre Auffassung im Protokoll festhalten, daß der Finanzausgleich "eine wesentliche finanzielle Grundlage der Gewährleistung von Bestand und Entwicklung" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist. Nach der Richtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestehe ein Anspruch auf einen Finanzausgleich. Bayern, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen dagegen notierten, daß eine Bestands- und Entwicklungsgarantie nach der BVerG-Rechtsprechung nur dem öffentlich-rechtlichem Rundfunk "als solchem" zukomme, "nicht aber einzelnen öffentlich-rechtlichen Anstalten". Ein Finanzausgleichssystem sei daher "nicht notwendigerweise" Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Möglichkeit der gesonderten Kündigung richte sich somit nicht gegen dessen Bestand und Entwicklung.

Die Frage nach der inhaltichen Ausgestaltung der beiden öffentlich-rechtlichen Spartenkanäle, auf die sich die Ministerpräsidenten in Bad Neuenahr verständigt hatten, wurde nach Angaben Kurt Biedenkopfs in Berlin nicht diskutiert. Sie solle mit der Gebührenfrage verknüpft werden. Die Rundfunkkommission der Länder wolle Ende April noch einmal Vertreter von ARD, ZDF und KEF anhören, erklärte Kurt Beck. Danach rechne er mit einer Verständigung der Ministerpräsidenten über den neuen Gebührenstaatsvertrag. (mr)


Martin Recke <mr94@zedat.fu-berlin.de>