Arbeitstitel: MABB legt "Eckwerte" für die Nutzung der digitalen Kabelkanäle in Berlin vor - Wettbewerbsmodell mit veranstalterunabhängigem Dienstleister - Vebacom/EMG-Antrag "entspricht den Anforderungen"


(epd) Der Medienrat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) hat ein "Wettbewerbsmodell" für die Nutzung der digitalen Kabelkanäle in Berlin vorgelegt. Vorgesehen ist ein "veranstalterunabhängiger Dienstleister" mit unternehmerischem Schwerpunkt in der Region Berlin-Brandenburg, der als "Multiplex- und Service-Provider" auftritt, der also die technische Umsetzung der Programme in digitale Programmpakete übernimmt. Eine Konzeption dazu wurde am 17. November "in Aussicht genommen", so eine MABB-Presseerklärung.

Der Medienrat nannte eine Reihe von "Eckwerten" für die Nutzung der digitalen Fernsehkanäle: So müsse sich die Kanalbelegung an den "Berliner Interessen" orientieren, nicht an den Kriterien der Belegung von Satellitenkapazitäten. Dies erfordere technische und Vermarktungs-Dienstleistungen mit unternehmerischem Schwerpunkt in Berlin-Brandenburg. Die Kanäle müßten auf einer einheitlichen technischen Plattform und mit einheitlichen Standards für die Decoder ("Set-Top-Boxen") genutzt werden. Wenn diese Standardisierung nicht durch europäische oder deutsche Vereinbarungen erreicht werde, solle sie durch einen veranstalterunabhängigen Dienstleister sichergestellt werden, der bereit sei, in die Beschaffung von Decodern zu investieren.

Zur Entscheidungsfindung schlug der Medienrat vor, in einem "transparenten Verfahren nach sachgerechten und neutralen Kriterien unter Einbeziehung unabhängigen Sachverstandes" eine Lösung zu suchen, die die Vorteile bisher getrennter Systeme miteinander verbinde. Bislang ist keine Einigung im Streit um die konkurrierenden Standards von MMBG und Kirch-Gruppe erzielt worden. Die MABB hat Vebacom und Telekom nun aufgefordert, Lösungen für eine einheitliche technische Plattform im Berliner Kabelnetz zu entwickeln.

Bei den Vermarktungsdienstleistungen will die MABB auf dieser Basis den Wettbewerb eröffnen. Den chancengleichen Zugang kleinerer und regionaler Anbieter haben veranstalterunabhängige Dienstleister sicherzustellen, die alle Veranstalter "fair und diskriminierungsfrei" behandeln und "transparent organisiert" sein müssen. Veranstaltern soll die Möglichkeit eingeräumt werden, ihre "Programme und Bouquets" selbständig zu vermarkten; daneben muß nach Vorstellung des Medienrats aber auch die Möglichkeit einer veranstalterübergreifenden Vermarktung bestehen. Ein Exclusivvertrieb wird damit ausgeschlossen. Der Medienrat beabsichtigt, die einzelnen Kanäle in einer "Doppelzuweisung" sowohl einem Dienstleistungsunternehmen als auch dem Programmveranstalter zuzuweisen. Dazu bedarf es Vereinbarungen zwischen den Unternehmen.

Da es nach dem Stand der bei der MABB eingegangenen Anträge auch im digitalen Bereich des Berliner Kabelnetzes zu Knappheiten kommt (Kifu 89/95), will der Medienrat vorrangig Programme berücksichtigen, die derzeit im analogen Bereich des Kabelnetzes keinen Platz finden. Für die ausländischen Bürger der Stadt seien zusätzliche Programme anzubieten, für neue Angebotsformen wie Daten- und Online-Dienste hinreichende Kapazität vorzuhalten. Für die Nutzung der verbleibenden Kanäle kann nach Ansicht des Medienrates ein "erweiterter Spielraum" eröffnet werden, der entsprechend der Nachfrage ausgefüllt werden soll. MABB-Direktor Hans Hege erhielt vom Medienrat den Auftrag, gemeinsam mit den Unternehmen über den Bedarf für "Near-Video-on-Demand" (zeitversetztes Mehrkanal-Fernsehen) und Rangregelungen für den Fall fortbestehender Knappheit zu verhandeln.

In einer vorläufigen Bewertung der Anträge bescheinigte der Medienrat dem Konzept von Vebacom/EMG, den Anforderungen zu entsprechen. Vebacom erhalte Gelegenheit, das Konzept mit den Programmanbietern, der Telekom und den Veranstaltern fortzuentwickeln und das "medienwirtschaftliche Engagement" in der Region zu konkretisieren. Die Telekom habe zwar den Anspruch auf zusätzliche veranstalterunabhängige Dienstleistungen erhoben, aber bisher "kein konkretes, den regionalen Bedürfnissen entsprechendes Konzept" vorgelegt. Vebacom und Telekom wurden aufgefordert, zu "Kooperation und Konkurrenz" insbesondere beim Netzausbau Stellung zu nehmen. Die Anträge der Veranstalter, darunter die Kirch-Gruppe, die CLT, Pro Sieben und öffentlich-rechtliche Sender, stießen beim Medienrat auf "keine grundsätzlichen rundfunkrechtlichen Hindernisse". Nach dem im vergangenen Jahr beschlossenen Versuchsbedingungen kann ein Veranstalter mehr als die bisher zugelassenen zwei Programme anbieten.

Die MABB hat die beteiligten Unternehmen aufgefordert, bis zum 15. Dezember Stellung zu nehmen und Änderungs- oder Ergänzungsvorschläge zu machen. Danach will der Medienrat verbindliche Entscheidungen treffen. (mr)


Martin Recke <mr94@zedat.fu-berlin.de>