Arbeitstitel: Heftige Kritik an Äußerungen des Potsdamer Staatskanzlei-Chefs Linde - Linde: "ORB scheint Länderfusion zu fürchten" - Rosenbauer: "Peinliche Drohgebärde"


(epd) Medienpolitische Äußerungen des Chefs der brandenburgischen Staatskanzlei Jürgen Linde (SPD) haben zu heftiger Kritik des ORB geführt. ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer interpretierte am 21. April Lindes Interviewantwort, die Länderfusion sei die "einzige Chance" des ORB, als "peinliche Drohgebärde", die den Sender "auf Linie bringen" solle. Linde hatte am Vortag in einem Interview der Märkischen Allgemeinen festgestellt, der ORB scheine die Länderfusion, über die am 5. Mai in Berlin und Brandenburg abgestimmt wird, "sehr zu fürchten". Ohne die Fusion hätte der ORB Linde zufolge jedoch "keine Kraft, ein eigenes Profil zu entwickeln". Linde sagte wörtlich: "Die Alternative, sich in einem schwachen Land als 'Landesstudio Brandenburg' gegen einen starken Hauptstadtsender behaupten zu wollen, wage ich mir nicht auszumalen."

Im ORB-Programm Antenne Brandenburg sagte Linde am selben Tag, im Falle des Scheiterns der Fusion werde Brandenburg nicht an einem zu bildenden "Hauptstadtsender" teilhaben. Der SFB würde dann, so erwartet es Linde, durch Zusammenlegung mit anderen Sendern "Bundeshauptstadt-Sender" werden, Brandenburg jedoch nicht daran teilhaben können. Im gegenteiligen Falle könnten Berlin und Brandenburg einen "großen gemeinsamen" Sender gründen und "im Konzert der Großen" innerhalb der ARD der vierte Sender werden.

ORB-Chef Rosenbauer kritisierte Lindes Äußerungen als "von wenig medienpolitischer Sachkunde geprägt". Im Gegensatz zum Nachbarsender SFB oder zur Landesregierung in Potsdam sei der ORB nicht auf Finanzhilfen aus anderen Bundesländern angewiesen. Der ORB habe von Anfang an "ausführlich, sachorientiert, aber auch kontrovers" über die Länderfusion berichtet. Er sei "weder die PR-Abteilung von Herrn Minister Linde noch die PR-Stelle der Fusionsgegner".

Die Vorsitzenden der ORB-Gremien, Lutz Borgmann (Rundfunkrat) und Markus Vette (Verwaltungsrat) wiesen Lindes Kritik in einem offenen Brief vom 21. April als "Versuche der Einschüchterung" der ORB-Mitarbeiter zurück. Es dürfe nicht den Berichterstattern angelastet werden, wenn die Botschaft der Medien nicht den Vorstellungen der Regierenden entspreche. Mit der Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Region hätten sich die Gremien seit mehreren Jahren beschäftigt.

Ministerpräsident Stolpe bedauerte am 22. April die "Irritationen" zwischen seiner Staatskanzlei und dem ORB. Der ORB habe "viel zur Identitätsfindung in Brandenburg geleistet", seine Programme seien weiterhin unverzichtbar. Er würde notfalls "selbst in einen Sitzstreik treten", wenn die ORB-Programme in Frage gestellt würden. Stolpe sprach sich erneut dafür aus, bereits jetzt über eine engere Zusammenarbeit mit dem SFB nachzudenken. Es sei sinnvoll, "rechtzeitig vernünftige Strukturüberlegungen" anzustellen, um die Programmvielfalt langfristig zu sichern. Eine mögliche Fusion von SFB und ORB sollte "ohne Eile" durchdacht und gegebenenfalls "schrittweise vollzogen" werden. (mr)


Martin Recke <mr94@zedat.fu-berlin.de>