DANIEL VON DELHAES - MARGINALIEN ETHNOLOGISCHER INTERPRETATION: STRUKTURALES EXIL UND DIALEKTISCHER HORIZONT
INNEN-/AUßEN-ANSICHTEN ZU DEN GRENZEN VON MAGIE UND MODERNER KRITIK AM BESONDEREN DES FALLES MICHAEL TAUSSIG

ANFANGS-BEMERKEN
- Mehr (als) Gymnastik? (- immer schon ‚flipflop'.)
- Vorab noch einmal
WAS ODER WIE...
Ethnography
- "The Devil & Commoditv Fetishism in South America"
- "Shamanism, Colonialism & the Wild Man"
- "The Modernity of Witchcraft"
EPILOG
ANMERKUNGEN
LITERATUR


We have to push the notion of hegemony into the lived space of realities in social relationships, in the give and take of social life as in the sweaty warm space between the arse of him who rides and the back of him who carries.

Taussig, Shamanism, Colonoialism & the Wild Man

Anfangs-Bemerken

Gerade - während des Sammelns von Einschlägigem, das zur Entfaltung sich in diesen Rahmen drängt - wird deutlich , dass es mir nicht leicht fällt, das Thema des folgenden Aufsatzes zu reformulieren - bzw. was eigentlich die Frage, ob es bloß eine war und von wem gestellt.
Das könnte am mangelnden Komfort der Beobachter-Position liegen.
Ich rekonstruiere also zunächst, dass es Ihnen um eine Insider-Perspektive ging und zwar eine, die sich als solche nach außen mitteilt. Inside heißt in unserem Fall nun mal diesseits der "Grenze" einer Disziplin. Auch wurde der Name eines Autors (als solcher inside) vorfällig. - Wenn so eingeleitet wird - und also aus Anlaß ein Interesses, welches sich erklärtermaßen auf Beobachtungen richtet, die sich (als dieselben als inside) gerade dadurch legitimieren, dass sie auf real-wolrd-truths - als/in ihrem spezifischen outside - referieren , die dazu durch nichts als gerade ihrem ("kulturellen") Insiderstatus werden; dann beschwört das womöglich schon ein Ahnung extrovertierter Intimität und Transgression (als und unter Bedingung ex-akter Linien ). Wobei, was der Jargon eben noch verdunkelt haben mag, wir uns nicht beim Spionagewesen (als exemplarische Incorporation oder "Sekretion" des state imposed 'state of emergency') sondern in der Arena der Ethnographie aufhalten: Hier - auf deren sandigem Grund (1) - mimt das ethnographische Subjekt den Matador, der, wenn er den Stier recht bei den Hörnern packt im günstigsten(?) Fall also sich an den eigenen gegriffen fühlt ( vielleicht ja von einem Anderen). In dieser Szene macht es für den Gehörnten zweimal einen Unterschied ums Ganze, einmal , ob er sich selbst als solchen erkennt., und zum zweiten, von wem noch er sich als solcher beobachtet weiß. (2)

Mehr (als) Gymnastik? (- immer schon ‚flipflop'.)

Um noch einmal auf inside / outside zurückzukommen sowie das Problem der spezifischen Begrenzbarkeit oder der Grenze.
Die Theorie (hier die Kulturanthropologie) wird im Sich-Verlassen auf eine Empirie (die Ethnographie und ihre genuinen Methoden) von Indexikalität (durch eher mehr als weniger kontingente der Subjektivierungsverhältnisse) überflutet.
Um zu sehen, dass hier als im Besonderen des Falles die Einheit der beiden Fakultäten durch das Subjekt des akademischen Ethnographen gestiftet werden muß, wird man vielleicht präziser (als bspw. durch den Vergleich mit dem analytischen Therapeuten) kontrastiv argumentieren - etwa unter Hinweis darauf , dass unter Physikern - bei all den expliziten Divergenzen bis zur Selbstbeschreibung über Spaltung (in entsprechende Lager) - es kaum so weit käme, dem Experimentator und den im Labor anwesenden gentlemen vorzuhalten, sie seien bspw. zu mindesten 51% Vakuumpumpe transmutiert, und deshalb nicht in der Lage eine valide These zu einer wissenschaftlichen Diskussion über die (Nicht-)Existenz des Äthers beizutragen... (3)
Hier erweist sich natürlich auch - als ähnliche - die Problematik des going native, dessen standardisiertes Desiderat der "zweiten Sozialisation" immer innerer Widerspruch ist. An dieser Stelle scheint es daher gelegen, kurz an George Devereux zu erinnern, der im Rahmen einer universalisierenden Ethnopsychoanalyse (der er als Gründer gilt) in seinem Hauptwerk From Anxiety to Method die Problematik des Beobachters als einer der ersten in der Ethnologie methodologisch systematisch ausarbeitet. Wobei die Konzepte Komplementarität (Bohr) und Gegenübertragung (Freud) die grundlegenden Achsen seiner Methode darstellen und wohl hinsichtlich eines Bedürfnisses nach "naturwissenschaftlicher Fundierung" zu interpretieren sind. (4)
Während nun im Laufe der Geschichte unter allen Identifizierungsversuchen hinsichtlich seiner Bedeutung das Wort "Kultur" sich teilnahmslos gibt, wuchert es immerweiter als semantische Masterdifferenz in die Diskurse (der "Menschheit") hinein. Was das Problem für mehr Innen/Außen-Verhältnisse immer globaler werden lässt.
In der (ethnographischen) Praxis heißt das: inside eines immer besonderen "kulturellen Rahmens"; und im Engpass der Logistik einer Logik oder Grammatik, die hier dem nicht kontrolliert (nicht redundanten) empiristischen Blick auf alle episteme entgegengehalten werden könnte, ist der Preis der Konsistenzerhaltung ohne commitment (5)nicht zu leisten. Mit Michael Taussig (der wie kaum ein anderer die Sprache auf eine Metaphorik - präziser vielleicht: Onomatopoetik - der Oszillation hin ausschlachtet (6)) mag man von "epistemic flipflop" sprechen, als notwendige Übung, um der ausgesprochenen Virulenz dieser Paradoxie (bzw. des unausgesetzten Ausnahmezustand) gerecht zu werden, sowie sie gleichwohl zu erhalten, um selbst (i.e. als Pragmatik inside) viabel zu bleiben. In solchem Fall von (moderner) "Welt-Leere" , die natürlich nicht echt leer ist sondern in der (tendenziell) kaum noch greifbare Identitäten (Objekte) kondensieren - in der (/die) nichts (ein-/)greift (wie z.B. Organsation von Erwartungen (7)), wird zu Frage immer mehr das "wie" anstatt "was" - und , wenn man so will, "literarische Formen" opportun. (8)
Dass und wie ihm an diesem "wie" gelegen ist wird man auch in Michael Taussigs Buch Shamanism, Colonialism & the Wild Man lesend feststellen können und zwar spätestens dann wenn man die Explizierung dieses Anliegens bereits wieder vergessen hat. (9)

Vorab noch einmal

In Parenthese wird bedacht , daß das Seminar sich mit dem Begriff der Magie (magia) unter kunsthistorischen, literaturwissenschaftlichen, ästhetischen und ethnologischen (hauptsächlich modernen ) Gesichtspunkten beschäftigte.
Denn wie durch gesprächsweises highlighting der Kosmos der v.a. subjektiven Problematik der diesem Sujet (gattungsmäßig) assoziierten Phänomene - in der Erfahrung des Feldforschers , so war auch jener ganze Begriffs-Horizont in die Fragestellung impliziert.
Es wird hoffentlich im Verlauf zu zeigen sein, wie die Entscheidung für den zuerst bezeichneten Gegenstand des rekonstruierten Interesses (s.o.) eine dem eben als zweites angedeuteten (‚Horizont') nachgehende Perspektive aufhebt - im expliziten Vollzug aber zunächst ausschließt, da diese outside bliebe. (10) Solches wäre gerne als mitlaufendes Memento zu verstehen - und ebenso eine Figur, deren wiederholtes (Um)Beschreiben einer allgemeinen Schwierigkeit geschuldet ist. Im Besonderen etwa ist es schwierig, sich von vorne-herein beschreibend einer Per-spektive bzw. einer Erfahrung zu widmen, die von Haus aus und par excellence eine ist, die sich in einer spezifisch allgemeinen Art des - nicht feststellbaren - Grenz-Kreuzens (als relevantes Übersetzen) zu erweisen hat. Um diese Schwierigkeit von Beginn an zu wissen, macht es nicht gerade einfacher - jedenfalls nicht für's Anfangen, wie hier zu zeigen war.

Im folgenden beschäftigen wir uns zunächst v.a. mit der frühen Ethnographie Taussigs. Auf solche Art darüber methodologisch verhandeln zu können und dabei ein kontinuierendes Denken (seine Bedingungen, Symptome und Hysteresen) sich entfalten zu sehen, hat mich selbst überrascht , umso notwendiger schien mir, den Duktus weitestgehend beizubehalten. Der Lust am vorher nicht gesehenen, wurde das Bedenken geopfert, dass evtl. zuviel an Vertrautheit mit entweder den behandelten Texten oder dem Genre vorrausgesetzt wird.

Poblematischer Ausdruck (bzw. Ausdruck des Problems) Ethnographischen bzw. Kulturanthropologischen (V)Erfahrens:
WAS oder WIE...

Ethnography

"The Devil & Commoditv Fetishism in South America"

Die Materie ist die Verdinglichungsform der Praxis der vergangenen Produktion, durch die diese die gesellschaftliche Praxis der künftigen Konsumption vermittelt [...] Der Warentausch darf theoretisch nicht als autonomes geschichtliches Phänomen gedacht werden.

Sohn-Rethel, Zur kritischen Liquidierung des Apriorismus

Der Ausgang von Taussigs Weise der Beschreibung historisch ethnographischer Kontexte als einer nicht nur stilistisch recht eigenständigen lässt sich am besten (da hier auch weniger durch Sammlung und Montagen kompliziert) anhand seines ersten Buches nachvollziehen. Der Titel umfasst die gemeinsamen zentralen Items anhand derer Taussigs Untersuchung ihre zwei auch auf jeweils regional verschiedenes ethnographisches Material beziehenden Teile zusammenbringt: Plantagenarbeiter im Valle del Cauca (Kolumbien) und bolivianische Minenarbeiter (wobei er nur im ersteren Fall auf eigene Feldforschung zurückgreifen kann; s.a. Anm.19), deren unausgesetzt transitionalen Status zwischen Lohnarbeit und Subsistenzwirtschaft er analog fasst.
Hier eine grobe Skizze seiner Theorie-Praxis:

Rethorisch flüssig werden "the unfamiliar and the familiar" (Us and Them) in eine dialektische Bewegung gesetzt. Derart weist Taussig mit wenigen Wendungen zu Beginn auf die Nicht-Feststellbarkeit der "vermittelnden" Bewegung aller interpretativen Praxis hin und schließt damit auch den hermeneutischen Zirkel für die folgende (vgl. ebd.: S.3). Er expliziert seine Methode nicht anhand eines eigenen Kapitels , wobei er sich jedoch erst einmal von allen kurrenten Schemata seiner Zunft recht nonchalant distanziert.
Die Vorgehensweise seiner Untersuchungen ist dezidiert nicht relativistisch (partikularistisch) - sie entbehrt nie einer gewissen historischen Aufmerksamkeit. Auf jeweils kaum einer Seite wird dann exemplarisch und quasi en passant den kulturrelativistischen und den (neo-) durkheimianischen Konzepten Kritik - seines historischen Bewusstseins dem einen, dem anderen eine semiotische Kritik - zuteil, sowie auch einem Marxismus "as it has come to be generally understood in the West". (11)
Eine summarische wie preliminare - differenztheoretisch korrekte - Folgerung ist dann m. E.: "The point is that we can abandon mechanical materialism and become aware that facts and things stand in some way as signs for social relations. We then look for the meaning of these signs in this way. But unless we realize that the social relation thus signified are themselves signs and social constructs difined by categories of thought that are also the product of society and history, we remain victims of and apologists for the semiotic we are seeking to understand. To peel off the dsiguised and fictional quality of our social reality , the analyst has the far harder task of working through the appearance that phenomena aquire,…"(Hvh.v.m.). (12)

Taussig geht es also nicht um (etwa strukturalen) Formalismus. (13) Seine Methode besitzt aber, derweil sie ihre (interpretativen) Möglichkeiten reflektiert, insofern ihre eigene bemerkenswerte Konsistenz (14), als dass sie dort, wo Differenztheorie anfängt - nämlich beim Unterscheiden selbst (als dejá toutjour unterschiedenes), strategisch konsequent weiterdenkt und damit - ohne tönende Neologismen - Schritte unternimmt, die seinerzeit im Anschlussbereich ihrer Kritik so nicht vollzogen wurden (wenngleich um dahingehende Unternehmungen auf anderen Theorie-Bühnen schon historische Debatten geführt worden waren). (15)
Wenn er nun inzitativ nach "the analytic power of Marxism" (ebd.: S. 3) fragt, dann bezieht sich das zuallererst auf diejenigen bis heute mit einem mysteriösen bis evtl. magischen appeal behafteten Gedanken , die Marx größtenteils in den Grundrissen und am Anfang des Kapitals ausarbeitete (sowie gegen dessen Ende wieder aufgreift), und die sich unter dem Namen des Theorems des ‚Warenfetischismus' der weitest reichenden Anschlüsse (bis hin zu (post)moderner Ästhetik und Medientheorie) (16) erfreut haben. Gewissermaßen als Schlüssel dienen Taussig die darin eingeschlossenen, reflektierten Paradoxien (die in der Ware gerinnende Identifikation von use- und exchange-value). Deren Genealogie als Problem der Scholastik und der Aristotelischen Philosophie macht er kenntlich, um dann mit derselben eine "analogical reason" als Konstituens der kritischen Methode oder Verständnisweise der (negativ-) fetischistischen Praktiken und Diskurse der proletarisierten "Primitiven" auszuzeichnen. (17)
"The magic of use-value production draws out, magnifies, and counteracts the magic of exchange-value practices, and in this richly elaborated dramatic discord are embedded some rough-hewn proto-Marxist concepts." (S.21)
Die repräsentativen "Fakten", von denen diese Lesart von Ethnographie (der eigenen und der anderer) ausgeht, sind in ihrem jeweiligen Wandel einerseits unterschiedliche patterns ökonomisch-sozialer Tausch-Beziehungen und andererseits Praktiken ritueller Transaktionen mit Geistern, bzw. dem Teufel - sowie ein paar volkswirtschaftliche Statistiken. Der Autor kann zeigen wie die Plantagen Wirtschaft aufgrund ihrer (in jeder Hinsicht) vergleichsweise geringen Effizienz zur (minimalen) Existenzerhaltung ihrer Produktivkräfte und (damit ihrer selbst) auf die subsistenzielle Reproduktion der Haushalte der Arbeiter angewiesen ist: Übergang im Fließgleichgewicht der "Semiproletarianization". (18)
Die um den Hausalt und die Subsistenz (bzw. die adhärenten sozialen Beziehungen) nun entstehende Aura von Auspiziosität und Authentizität so wie die "Verteufelung" der Lohnarbeit entspringt gerade erst (als Vermittlung) diesem komplementären (dialektischen) Verhältnis. (19) Was hier (u.a. durch tabellarische Dreisätze von Einkommen und Leistung (Kcal pro Tag)) deutlich wird, spottet jeglicher Vorstellung von Rationalität , scheint jedoch von der Entwicklung der Märkte unumgänglich gefordert sowie gerade durch ihre lokale Unterentwickeltheit bedingt zu sein. (S.90ff ) (20)
"[I]n these circumstances" - unter diesen Verhältnissen des Clash von "use- and exchange-value orientation" bzw. der jeweiligen Magie von "commodity exchange and reciprocity exchange": "The magic of production and the production of magic are inseparable". Solche Art der Verquickung ist auf verschiedene Weise benannt worden und ihre Interpretation ist traditionsbildend: "Manifested in popular culture, this opposition has inspired some of the greatest literature. […] The coexistence of fantasy and social realism […] that so perplexes literary critics and Marxists […] , it is this coexistence that constitutes reality in the 'strong wind ' and the 'leaf storm' of large-scale capitalist development in the Third World."(S. 21) (21)

Beim "Kontrakt mit dem Teufel" verkauft der Plantagenarbeiter seine "Seele" (d.h. hier allerdings : sein Heil auf Erden) (22). Um diese Transaktion anhand kosmologischer Differenzen zu verorten, rekurriert Taussig dann doch mehrfach auf symbolische Anthropologie (Eliade, Turner, Douglas). - Jedoch nur um das unterliegende Ordnungs- oder Struktur-Konzept zu konvertieren , umzufalten bzw. es um eine Dimension zu bereichern.
Am frappierendsten im Falle des Liminalitäts-Modells (V. Turner , van Gennep): Als Ritualisierung eines archetypischen Dramas - der kosmogenetischen Wiederholung (Eliade), bleibt es nicht bei der passiven Imitation und damit Re-Affirmation einer traditionellen Ordnung (bzw. der "Struktur"). Zwar wird ,laut Taussig, der magische Ritus (und seine Protagonisten) ebenfalls außerhalb der "Alltagswelt" positioniert - es spielt dabei keine Rolle ob Praktiken an einer sichtbaren Raum-/Zeit- Stelle stattfinden oder ob diese Stelle bloß im Diskurs so besetzt wird. (23) Die Passage durch die Liminalität ist jedoch für den marginalisierten "Halbproletarier" (den Neophyten) eine (ökonomisch) existenzielle und permanente - der ‚Ausnahmezustand'... die Regel. (24) Und die Realisierung (als Explikation und Reproduktion) seiner sozialen Existenz ist insofern Negierung und Affirmation der beiden Ordnungen ( hier: der nichtintegrierten modes of production und der ihnen entsprechenden "Kosmologie") immer gleichzeitig oder in Oszillation (praktisch-dialektisch wirklich). Was Taussig mit einer Wendung Turners zu dem Schluß bringt, "[t]he creation of the devil contract is one such novel configuration...". (25)

Dialektische Oppositionen (eigentlich Triaden) sind bei Taussig vielschichtig eingeschrieben/eingelesen. "Contradiction" und (/als) "Filth" - die "Verunreinigung" (hier schließt er an allgemeine Begriffe und Untersuchungen der symbolischen Anthropologie von M. Douglas an) als eingeschlossenes mediatorisches Drittes (26): ob es sich nun um Verhältnisse von man/nature, men/women, conquest/resistance, center/periphery, antithetic modes of production - semiotische bzw. hermeneutische Beziehungen über die Seiten des Texts (bzw. allg.: der Unterscheidung) handelt.
Möglicherweise sieht man so, wie und warum was bei Taussig (in der Synthesis seiner Methode) zusammenkommt. Wenn man seine in Hinsicht auf Wiedersprüche zwiefach geschliffene Optik (doppelt fokussierend) nachvollziehen will.
Man könnte sagen, es sei die in vivo Beobachtung einer großen Transformation im Kleinen (bzw. in den hohen Geschwindigkeiten) ihrer räumlichen und zeitlichen Ränder. (27)
Denn zugleich handelt es sich bei den bolivianischen Bergarbeitern und den Tagelöhnern auf den Plantagen des Cauca Tals um Leute, die zum einen an der Peripherie der kapitalistischer Marktökonomie (bzw. ihrer Entwicklung) situiert sind, und die eben auch dem kulturellen (ideologischen) Zusammenhang, dem diese genuin korreliert, fremd bleiben. Korrelat ist für Taussig die "mastertrope" : fetishism (of the commodity /the devil) - bzw. ihre Reifikation, die sich vom selben ‚Zentrum' aus konstituert und verbreitet.
Eine irgendeinen Synkretismus vivisektierende Religionsethnologie wie auch jegliche auf Unterschiede hoffende ökonomistische (neoklassische oder marxistische) Perspektiven würden anhand ihrer Reduktionen auf absehbare Zeit eine entropische Entwicklung diagnostizieren (Entdiversifizierung, Mangel und Markt) , um schließlich in einer gewissen theoretischen Tristesse anzugelangen (die spez. für die Ethnologie eine des (Zu-)Spät-Kommens ist) (28).
Das , was z.B. Marcel Mauss im Hinblick auf totale soziale Tatsachen (29) unvergleichlich umfassend zusammentrug, holt Taussig dort ab , wo es permanente (nicht nur die Norm sondern ihr jeweiliges Außen-Verhältnis in Frage stellende) Grenzverschiebungen und Überschreitungen gibt - im Zuge "historischen Wandels", insofern dieser dem Gedächnis der Diskontinuität Rechnung trägt. (30)
Jene Sicht auf transformation ist auch notwendig, um im Bezug auf die betroffenen Subjekte ein Nebeneinander von "fetischistischen" Praktiken und gewerkschaftlicher oder syndikalistischer Aktivität nicht bloß eine historisch-exotische Kuriosität oder einen zu be-seitigenden Widerspruch zu sehen. Das erlaubt nebenbei auf analytischer Ebene die analogisch-strukturellen Verknüpfungen jener Relationen zu entdecken. Positive Analogien ihrer elementaren Formen; man könnte sagen: die Struktur des Fetischismus ("the mastertrope"). (31)
- Könnte also vielleicht ebenso meinen: dieses permanente Bewussthalten der Unterscheidung (beide Seiten plus der Grenze) selbst, bzw. des Mediatorischen, der medium-kostituierenden Form, einer solchen formalen Reflexivität der Erkenntnis (sowie ihrer Historisierbarkeit) schließlich - wenn man dem Label etwas abgewinnen kann - all dies sei Neo-Strukturalismus (M. Frank). (32)
Es wurde am Rande (Anm.23) auch der foucaultsche Begriff des Dispositivs angesprochen. Die Genealogie solch eines Dispositivs wird bei Taussig implizit entwickelt. Natürlich weniger genau - und vielleicht weniger spezifisch modern; die Methode ist simpler, scheint es. (33) Man könnte annehmen, dass es sich dabei um eine längere weil hybridere (genealogische) Linie handelte. Andererseits, wieso sollten sich durch Kreuzung nicht auch Abkürzungen ergeben?
Mit Bezug auf die Protagonisten der Bergbau-Riten sagt Taussig: "Kaatians are no Kantians". Und da er (wie vor ihm bspw. Horkheimer und Adorno) feststellt, dass Aufklärung durchaus zur Verdunkelung der Welt und ihrer Gegenstände beigetragen hat, kann es ebenfalls sein, dass sich unter seinem analytischen Blick, sich weniger clair gleich weniger obscure gibt. Da, wo Kritik der Vernunft für immer im double bind (ihres doppelten Genitivs) gefangen ist, nimmt sie auf die ein oder andere Weise (früher oder später auf dem Weg zu ihrer Aufhebung) vor ihrem Erstarren in der Erkenntnis, dass ‚das Ganze das Falsche' ist, Zuflucht zur Methaphysik (Metakritik). In vorliegendem Fall entspricht dem die Weigerung einer (Taussig zufolge, der andinen Kosmologie inhärenten) "dialektischen Logik", auf der Strecke zu bleiben. Sie fällt angesichts eines totalen Monismus der Tauschabstraktion ineins mit einer (kritischen) Metaphysik. Diese bezeugt laut Taussig: "the fidelity with which people can capture this transformation of fetishization while subjecting it to a paganism that will capture it." - d.h., legt ebenso Zeugnis ab von der Lage des Problems: " ...in the problem of evil itself." (1980a: S.181).
Noch einmal anders - vielleicht einfacher: Das, was an Positivem in den Repräsentationen von "sozialen Tatsachen"(der objektivierenden ethnographischen Beschreibung) vorliegt, wird als Zeichen gedeutet. Die Arbitrarität des Zeichens ist diesem Ansatz nach radikal und lässt so auch jegliche immanente Annahmen bzgl. des Ursprungs (und Endes) der Struktur (epistemische Ordnung/Unordnung) sich ihr nicht entziehen. (34)
Entsprechend vielleicht einem irgendwie archäologischen Blick für Diskontinuität, für den Seltsamkeiten an oder zwischen den Artefakten sich in der Schichtverwerfung ordnen, liest der ("graphisch" bewusste) Historische Materialist die Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem in "Dialektischen Bildern"(Benjamin). Die versteinerte Chiffre in der snapshot-artigen Konkretheit des historischen Moments - bzw. dem des "Schocks" , dessen Realität das Trauma verwaltet oder als Geschichte(n) zu entfalten vermag. (35)
Diese Dialektische (Lese-)Arbeit findet sich in einen Parallelismus mit der (anti)fetischistischen Arbeit der Land- und Minen-Arbeiter. (Und dies scheint - vielleicht wenig - doch ein wenig mehr zu implizieren als bloß "ethnographischer Surrealismus" (36), collage oder bricolage.) So äußert sich Taussig am Anfang recht klar bezüglich der fines seiner Anthropologie.

"The devil has long been banished from western conciousness, yet the issues symbolized by a contract with him remain as poignant as ever - no matter how much they have been obscured by a new type of fetishism in which commodities are held to be their own source of value. It is against this obfuscation, the fetishism of comodites , that both this book and the devil beliefs are directed." (37)

"Shamanism, Colonialism & the Wild Man"

Herodot hat nicht zusammen mit der Gräfin die Zeit herausgegeben, er war der erste Bildzeitungsreporter.

Hubert Fichte Forschungsbericht

[…] just this fragment looming, then - as the indians say, 'otra pinta, another painting,' signifying the sudden swooping change - a curious picture of a tiny little corner , again a fragment, of the market in the town where I lived a few month in Australia , an image concentratedly conveying to bursting points of self-destruction the feelings for me of the huge sprawling market as a whole ,and then beyond and over that the love and arguments I was in at that time of my life with my marketing companion at that tiny little corner - that fragment of a life's whole.

Taussig, Shamanism, Colonoialism & the Wild Man

In gewisser Weise könnte man sagen, dass Taussigs umfangreichstem Werk eine zentrale Position (qualitativer scope eines beweglichen negativen Brennpunkts) zukommt oder dass darin so etwas wie die orientierende Chiffre (bzw. ihre Genealogie) abgebildet sei. (38) Wie aber wären solche (altmodischen) Tropen legitimierbar , was wäre das für eine Orientierung ? Man müsste dann erkennen , dass es sich bei dem, was der Abwesenheit von Präsens , der Unmöglichkeit von Repräsentation entgegengesetzt wird, um Nicht-Orientierung - um einen Raum ohne Orientierung (bzw. ihrer ständigen Aufhebung) handelt. Es soll lediglich einigen Linien oder Komplexen kurz nachgegangen werden, die Taussig nach The Devil & Commodity Fetishism darin weiterverfolgt, da allgemeine Aussagen über den Inhalt des Buches nicht bloß dem hier zur Verfügung stehenden Rahmen nicht angemessen wären. Denn - ließe sich kursorisch bemerken: Es ist durchaus fraglich, ob wir weiterkommen, wenn wir sagen, dass die Schwierigkeit auch darin besteht , dass laut Taussig die Flüsse geografischer wie mythischer Landkarten , Waren, Gewalt des Terror, das Heil(en), dRAUie Geschichte(n), deren Magie als Unterscheidung und als zauberhaftes Medium des ‚Schamanen' (der wiederum als Teil und Produkt von jener in jenen auftaucht), sowie der Autor und auch sein Leser sowohl diese Kanäle selbst sind als auch deren Enden - bzw. auf ihnen beständig unterwegs. Darüber hinaus jedenfalls kommen wir hier nicht...
Oder anders: Wieso scheint ein Buch das hundert Ein- und Ausgänge eröffnet , die alle zur einen Seite in ‚die Moderne' führen , so geschlossen (d.h. hier spezifisch für den Versuch etwas darüber zu sagen)? (39)
Das (und dass es etwas in ausgezeichneter Weise vermag) hat sicher auch mit so seltsamen Räumen oder (Nicht-)Orten zu tun, in die der Leser eingeführt wird, wie v.a. "The Space of Death", welcher hier nur nach einigen wenigen seiner Aspekte untersucht werden soll. (40)
"All societies live by fictions taken as real. What distinguishes cultures of terror is that the epistemological ontological , and otherwise philosophical problem of representation - reality and illusion , certainty and doubt - becomes infinetely more than a mere philosophical problem of epistemology , hermeneutics and deconstruction. It becomes a high powered medium of domination , and during the Putomayo rubber boom this medium of epistemic and ontological murk was most keenly figured and thrust into conciousness as the space of death."

Eröffnet wird dieser zunächst mit der Aufforderung "to think-through-terror", Terror "as well as a physiological state […] a social one" und insofern "the mediator par excellance of colonial hegemony: the space of death…".
Wenn ihm außerdem "a long and rich culture" zugeschrieben wird, scheint zunächst nicht präzisierbar, ob nun die unerhört zahlreichen (und ungezählten) Toten oder die lange Reihe toter Erzähler der Conquista im allgemeinen wie im besonderen gemeint sind. - Was jedoch offensichtlich geschieht: Es werden verschiedene Traditionen ("the Western" und "the northwestern Amazonian" - global-lokal) ins Gespräch gebracht.
"With European conquest and colonization, these spaces of death blend into a common pool of key signifiers binding the transforming culture of the conquerer with that of the conquered." (1987: S. 5. - Wir kommen darauf zurück.)

Man wird sehen, daß wiederum vielstrebig dialektische Beziehungen - zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten, ‚Über- und Unterbau', Terror und Furcht, healing und affliction - verwoben sind. Soviel nur zu den Übergängen (der ‚Komplexe').
Vielleicht findet man sie auch in dem umfangreichen Aufsatz Folk Healing and the Structure of Conquest in Southwest Colombia. Hintergrund für soziale Beziehungen und iher Narration bilden hier the structure of conquest und eine Geschichte "that [...] itself is realized by this structure" (41). Ausgehend von der von Taussig aufgewiesenen Bedeutung dieses Komplexes für "the hierarchy of magical power [which] parallels but inverts this structure" sowie auch für die Praxis des Heilens selbst, lässt sich gewissermaßen das Netz der Beziehungen unter den Heilern (unterschiedlicher Herkunft und (nicht-/indianischer) Tradition) im Sinne einer parasitären Partizipation dazu denken, sowie - obschon hier noch nicht konzeptuell - als (wie auch immer subversive oder invertierende) Mimesis an der Logik der Unterwerfung. (42)
Die allegorische Formel (oder inscriptio), die Taussig nun für die von ihm teilnehmend beobachtete Re-/Produktion (‚seiner Leute') ausarbeitet lautet: Tripping up the disorder of power (/misfortune) by its own disorderliness (1987: S.389/90) , was sicherlich ebenfalls auf die oben behandelte, dieser vorausgegangene Ethnographie (und ihre Methode) applizierbar ist.
Es ist in diesem Fall (auf der Ebene der Interpretation) in erster Linie die Idee der Struktur oder Ordnung (d.h. deren Ontologie oder apriorischen Grund) - so wie vorher festishism als mastertrope - die beobachtet bzw. Gegenstand der Kritik wird. Das ist m.E. wiederum ein methodologisch/poetologisch auszumachender Grund für jenen dimensionellen blow up - die globale Eröffnung eines Raumes der Repräsentation (und "Gegenrepräsentation"). Es wurde angemerkt (Anm.19) , dass Taussigs Intepretation in The Devil... sich Verdachtsmomente re-etablierter Dualismen (oder Essentialismen , etwa im Sinne einer Rehabilitierung des Gebrauchswerts gegenüber dem Tauschwert) zuzieht , an denen sich Kritik wiederum aufzieht; und dies insofern als dass, während über Subjekte , ihre Praktiken als kulturelle Agenten, abstrahiert wird, gewisse Abstraktionsleistungen nicht genügende Verallgemeinerung erfahren.
Jetzt ist aber, könnte man unterstellen, die Struktur als Subjekt, welche dem Gesellschaftlichen schlechthin untergeschoben wurde, total geworden; das sind Stände der Theorie, mit der Taussig sich auch auseinandersetzt (nicht sehr explizit theoretisch freilich, siehe jedoch die Anmerkungen zu Levi-Strauss' klassischen Texten zu indianischem Schamanismus aus der Strukturalen Anthropologie (Taussig 1987: 389/90 u. 460)).
Er stellt aber weder auf die Imagination eines (durkheimianisch-soziologisches) ‚Kollektivbewusstseins' noch der eines (tiefenpsychologisches o. psycholinguistisches) ‚kollektiven Unbewussten' ab.
Wie Levi-Strauss es (in seiner Einleitung zum Werk von Marcel Mauss ) darlegt , habe der "von Mauss mit der Identifikation von Unbewusstem und Kollektivem eingeschlagene Weg" diesen - notwendigerweise - zu dem "Versuch" geführt ausgehend von der totalen sozialen Tatsache, die sich für Strauss "dreidimensional darstellt" (43), "eine Art ‚vierte Dimension' des Geistes zu erreichen" - "an Hand der Kategorie des mana".
Interessant ist, dass Levi-Strauss bei diesen werkinterpretatorischen Entdeckungen ausgeht von dem "tragischen Risiko ,das auf den in dieses Vorhaben der Identifikation verstrickten Ethnographen ständig lauert" (bereits vorher betont er des allzeit mit der Lehre beschäftigten Mauss' studierte Vertautheit mit und Aufmerksamkeit für die Problematik der Ethnographie und der kulturellen Übersetzung. So ebf. Clifford (1988)).
Man könnte des weiteren auch spekulieren, welche Bedeutung dem Erleben des teilnehmenden Beobachters Taussig für die subjektive Lagerung des Deathspace im Bewusstsein zukommt. Wenn dieses nämlich mit einem identifizierbarer oder bezeichenbarer Objekte baren Raums konfrontiert ist, und dann tatsächlich diese "unbegrenzte Reihe von Objekten [...], die das Objekt der Ethnographie konstituiert, [...] das Subjekt unter Schmerzen sich selber abringen müsste".(Levi-Strauss: S.23-25) (44)
Um bei dem strukturalistischen Modell zu bleiben: wenn in diesem (quasi psychisch destilliertem) Moment dessen, was Levi-Strauss eine "Grundsituation [...] der menschlichen Kondition"(S.39) nennt, ein Mangel (auf der "Ebene des Signifikats") sich erwiese, welcher der negative Grund für "die Verteilung einer supplementären Ration [als] absolut notwendig" sei (oder für die Ratio selbst, wie Derrida anmerkt). Was entspräche hier dem Desiderat eines mana oder hau (resp. des Gabentauschs)? - Bei Taussig öffnet sich hierauf the Space of Death - und zwar vom Anfang bis zum Ende des Buches. (45)
Darin erscheint nun der ‚Schamane' v.a. aber als "Virtuose der Einfühlung" (W. Benjamin, in dessen Passagenwerk ist dies der Flaneur und die Einfühlung "die Einfühlung in den Tauschwert selbst".) (46)
Er wird bei Taussig vorgestellt als Mittel und als Vermittler (47), als diabolischer Fürsprecher (wie etwa in der haluzinatorischen Vision eines ‚kranken' colono) (48) und nicht zuletzt doch als Navigator "[to] the afflicted through minefields (of inevitable envy)" (vgl. S. 461).
"Timerman can be a guide for us, analogous to the ways Putomayo schamans are guides to those lost in the space of death" - ähnlich auch Dante als einer seiner größten Topographen "journeying through the underworld with his pagan guide"(S. 7 ): Eine tour d' horizon durch den s.o.d. - Karten werden schon auf den ersten Seiten angelegt, weniger jedoch, um zu wissen, auf welchem Fluss oder ‚minefield' genau man unterwegs sei.
Styx und quer dazu Kongo und Putomayo - die ihnen gemeinsame Giftigkeit (auch dieser Ströme) besteht in ihrer Wirkung als entdifferenzierende Emulatoren.
Jedoch, in der so entfalteten Inszenierung (und Dekonstruktion) eines "Colonial Modernism" eine Reise ins Herz der Finsternis zu sehen, wäre wohl eine der misslichsten Deutungen, die bei ihrem Trip auf den Flüssen der Kolonisationsgeschichte(n) hartnäckig all die Markierungen und Warnungen übersähe, die Taussig entlang dieser Wege , beim Auf- und Abrollen des "Seemannsgarns" verschiedener historischer Zeiten und Genres, hinterlassen hat. Dementsprechend ist auch Taussigs Kritik des magischen Realismus gelagert.
Trotz des Vorteils einer "(one-way) bridge with oral literature", ihrer Verbundenheit also mit der Gesellschaft über die Populärkultur (das seine Zeit und Sprache teilende Wundersame, wie es einem nicht bloß auf dem surrealistischen ‚Seziertisch', sondern lebendig - bspw. im haitianischen Alltag - begegnen konnte, in der Geschichte des Kontinents und seiner "jungfräulichen" Landschaft), wie sie Alejo Carpentier als ‚Entdecker' des "real maravilloso" bei seiner Rückkehr aus Europa Anfang der 40'er Jahre dem gegenüberstellte, was er für das Missgeschick der surrealistischen Bewegung hielt. - Trotz dieses für ihr revolutionäres Anliegen fruchtbaren Substrats entgehe die literarische Tradition (oder ein anders gearteter Indigenismus) nur schwerlich der Gefahr, in der Reifikation der Protagonisten des magisch Realen, (el indio, el negro...) eine bloß der Absicht nach, nicht aber praktisch entscheidend andere Repräsentation zu leisten, als die über die vergangenen Jahrhunderte bspw. von der Kirche im Interesse der herrschenden Klassen organisierte. Taussig versucht, diese wieder in ihre Dialektik einzustellen, mit Hilfe von Bloch und Benjamin und der Geschichte eines in verschiedensten Magien beschlagenen (nicht weniger von ihnen geschlagenen) colono Bauern aus der Nachbarschaft. (49)

Die "Traditionen" von Erzählern, ihre Berichte und Phantasmagorien über Terror, Wildnis und Kannibalismus in der Hölle des Kautschukrauschs wurden angehört. (50)
Wenn nun jenes ‚Gespräch' als in dem einen oder anderen räumlichen Kontinuum fortgesetzt gedacht werden kann - und Taussig geht es mehr als um Formationen um jeweilige Kontinuitäten (51) - dann mag implizit auch an einen (foucaultschen?) Aussagenraum gedacht worden sein. Nach gut 130 Seiten eines Displays von Ökonomien und Geschichten der Gewalt, ihrer stummen (himmelschreienden) von den Schwarzbüchern des Putomayo überlieferten Fakten möchte es sein, dass ein ‚Murmeln' (des Diskurses) vernehmbar wird ohne darin wahrnehmbare Positionen; dazu die Komplementarität von Praktiken und Diskursen und ihre gegenseitige Reproduktion: das Problem bleibt auch hier die Position einer möglichen Kritik (oder counter-dicourse) - ‚talking about-' und darin zugleich: ‚talking terror' - dies also zunächst aufzuweisen und dann seine Positivität (oder Position) auszunutzen : "tripping it up" ?!
Das Infernalische (oder Purgatorische) dieses Kontinuums lässt eine absolute platonische Distanz nicht zu, auch kein historisches Subjekt (oder Apriori , das seiner Historizität entginge). ‚Spaces of Death blend into a common pool of key signifiers binding...': "Whatever it meant to the Indians , cannibalism for colonial culture functioned as the supple sign for constructing reality, the caption point without which otherwise free floating signigifiers wandered off into space as so many disassembled limbs and organs of a corpus." (52)

Nach Art des barocken Allegorikers versucht Taussig sich aus all den Puzzelteilen ein vorläufiges (dialektisches) Bild zu machen. Als ein starker Abzug davon dient im Übergang zwischen den beiden Teilen des Buches (a study in terror and healing) J. Conrads Kern-Schale-Nimbus-Allegorie eines sphärischen Innen-Außen (resp. meaning wie sie dem die Geschichte der Fahrt Into the Heart of darkness erzählenden Seemann Marlow sich erschließt). An dieser Stelle (S. 127) schreibt er: "I hope it will later also become obvious why I have to push on to work through the ways that shamanic healing in the upper reaches of the Putomayo, like the culture of terror, also develops its force from the colonially generated wildness of the epistemic murk of the space of death." (53)

Die Semantik der ‚entzauberten' Gesellschaft (ihre Theorie) unterhält eine interpretierende Beziehung zur natura naturans (vielleicht auch nur zum Ungeborenen oder ‚noch nicht Benennbaren') über die Begriffe des Rituals und des Spiels ("the ritual of explaining the ritual"). Insofern verständlich ist es , dass Taussig in dem, worauf er sondenartig montage, Allegorese und episches Theater projeziert "a sort of playground or testing ground" (Taussig 1987: S. 441) sieht.
Derrida denkt das Spiel , und dessen (dejá toujour) ewige Wiederholung (der Re-Präsentation) gegen oder in die Abwesenheit des Ursprungs. (54) Er scheint der einen Seite "jenes Denken des Spiels" den Vorzug zu geben, die "sich der genetischen Unbestimmtheit ausliefert, [...] (l´aventure séminale de la trace).", gegenüber "der strukturalistischen Thematik der zerbrochenen Unmittelbarkeit". "Diese (Nietzsches) Bejahung bestimmt demnach das N i c h t - Z e n t r u m anders denn als Verlust des Zentrums." Im Anschluß daran wird jedoch die Möglichkeit einer Wahl (natürlich) verneint (oder aufgeschoben), "weil man erst einmal versuchen muß, den gemeinsamen Boden und die ‚différance' dieser unreduzierbaren Differenz [zweier Arten der Interpretation] zu denken und weil es sich hier um einen Typus historischen Fragens handelt, dessen Konzeption, Bildung, Austragung und Arbeit wir heute nur erst abzuschätzen vermögen." (alle Hvh. bei Derrida : S.441f., siehe diesbzgl. a. Anm.33)

"The Modernity of Witchcraft"

Auf das , was oft als idiosynkratischer Stil verbucht wird, Korrelat von Methode ist (wie bei so vielen ‚Schamanen' der beiden Amerikas, ihr Flitterzeug...) - daraufhin ist hier ein allgemeineres Thema nicht verlassen aber vielleicht überdehnt worden. Wiederum ist es doch heute bloß Gang und Gäbe, das klapprige Gestell ethnographischen Realismus' als Markierung einer Überschreitung zu nutzen - oder in Chargen von sozialwissenschaftlicher Theorie, aufs Biegen und Kippen (des Kopfes) gegen die Mauern des Symbolischen sich zu stemmen oder anzurennen.
Um dem deliranten Strudel (ebf. ein wichtiges Bild bei Taussig) des hier flüchtig überflogenen Szenarios - für den Moment wenigstens - sich zu entziehen, wenden wir uns noch einmal der Ethnografie einer anderen Gegend und damit einem Begriff zu, der vermutlich einem ähnlich gegliederten Aussagenbereich angehört (wie bspw. "magic", "sorcery").

Im Nachwort (überschrieben: The Meanderings of Anthropological Discourse on Witchcraft) seines Buches (1997) zitiert Peter Geschiere unter anderen Taussig (1987) in einer Anfang der 90er Jahre aufkommende Reihe von Studien, die in ihrer Hinsicht auf das Phänomen (d.h. v.a. die betreffenden Diskurse) erstmals eine Relevanz von und für "modernity" vor Ort geltend machen. Das heißt sowohl die kritische Sicht auf die Offenheit des Dispositivs wie auch für die Bedeutung von ‚Öffentlichkeit' zu eröffnen. Zudem - und dafür sei Taussigs Buch exemplarisch - kämen die vielversprechendsten Ansätze von Autoren, denen es gelänge "to distance themselves from a moralizing dicourse" (- "beyond good and evil", das scheint nicht einfach zu sein).
Man muß zunächst sehen, dass im Zuge strukturfunktionalistischer Ansätze britischer social anthropology, welche das betreffende Feld zuerst dominierte, über lange Zeit das Dispositiv von "witchcraft" als Institution traditioneller afrikanischer Gesellschaften (55), einseitig im (strukturfunktionalistischen) Sinne einer Kontrollinstanz zur Inhibierung neuer sozialer Mobilität und Differenz - insofern konservativ - gedeutet wurde. (56)
Demgegenüber versucht Geschiere, für seine Forschung in Kamerun in erster Linie die Nichtreduzierbarkeit der Verhältnisse von kinship & witchkraft sowie politics & witchcraft discourses of power and inequality - im Bezug auf ihre inhärente Ambiguität: "levelling and accumulative" und ihre regionale Variiertheit aufzuweisen. (57) Ausgehend davon widmet er sich in wiederholter Reflektion (Kap.1 u. 7) der Bedeutung von (etischer) Repräsentation und (emischer) "articulation" für jene Diskurse - bzw. ihre historische und lokale Kontextabhängigkeit.
Für die emische Seite des lokalen (im allgemein afrikanischen) Kontexts sieht er (zwar nicht unbedingt eine immanente Lösung, wie etwa von ihm referierte afrikanische Autoren) doch eine beständige Notwendigkeit dieser Artikulation, einen notwendigen Verhandlungs-Spielraum - wobei er (mehrere jüngere Studien zitierend) betont , dass diese sich v.a. aus globalen Zwängen herleiten. Das betrifft zumal die von der kolonialen Geschichte und der darauf folgenden Unabhängigkeit scheinbar als unvermeidlich erwiesene (58) - mit weiteren Differenzen aufgeladene - Wiederkehr des Phänomens in der jeweils "neuen" sozialen und politischen Situation, gewissermaßen als adaptive response. - Aber wiederum auch die (wie Geschieres aktuelle Ethnographie zeigt) begründete Angst vor der Überhandnahme des Diskurses , seiner durch Furcht und Misstrauen lähmenden Verbreitung - vor der Hetze. Der Versuch einseitiger staatlicher Reglementierung dieser Komplementarität oder Dialektik erweist sich als eher kontraproduktiv. (59)
Für die Sozialanthropologen wiederum mag das heißen, dass sie ,nur indem sie sich der Geschichte ihres Umgangs mit ( eigenen ) Repräsentationsweisen (sowie - schon vorher (?) - der Tücken verallgemeinernd übersetzender Terminologie, ihrer Interpretation resp. "witchcraft") vergewissern, dann auch vermöchten, den jeweiligen historischen Aktualitäten (bes. unter postkolonialen Voraussetzungen) und der Lokalität der Kontexte gerecht zu werden.
Großenteils wird das hier wiedergegebene in den Fußnoten verhandelt - und ebenso am Rande findet über die Problematik der Repräsentationen (als Theoriepraxis) auch eine Verknüpfung mit dem Problem der ‚sozialen Praxis' statt - einem Jenseits der Theorie, zu dem die Ethnologie eine spezifische Beziehung durch die (methodische) Tradition der "action anthropology" unterhält. Auch hier wird schließlich geltend gemacht, dass, genauso wie der von der eigenen "Entzauberung" her für die Behexung durch die fremden Fetische nur allzu offene Ethnograph einen kühlen Kopf bewahren sollte, die interpretierende Anthropo-Logie doch sich davor hüten muss, (die von ihr erfundene) ‚witchcraft' als Artefakt ("'reasoning it away' [...] as standing for something else") oder nature mort im Museum einer kindlichen Menschheit verschwinden zu lassen, es sei denn, sie wollte sich so der eigenen Relevanz (ihrer Logik) berauben.

Epilog

In witchcraft one does not say thanks.

Peter Geschiere

Aufschlussreich (und weniger gefährlich als eine Reise in den Putomayo heute) könnte es sein, der Frage nachzugehen, inwiefern sog. postmodernes, v.a. genuin französische Begriffsarsenal der in Nachfolge Taussigs jene Felder oder Netzwerke be- und untersuchenden kolumbianischen Anthropologen (60) auf den Öffnungen beruht, die jener hinterlassen hat. Aber würde diese Suche nach Spuren einen etwa zu den "Anfängen" des ‚Schamanismus' und des Strukturalismus (also etwa nach Russland) oder doch den Text auf die arché-trace hin verlassend in gänzlich andere states bringen ? ...

"Magie" (wie "Wissenschaft" - beide hinsichtlich ihrer Kontrollabsicht) bedient sich eines mimetischen Verständnisses der Geschichte als Naturgeschichte.
"History as Sorcery" muß man bei Taussig so verstehen, dass das wodurch Geschichte als Zauberei reflektiert wird, die praktische Nachahmung der "history of conquest" - als Naturgeschichte - ist; exakter : die Nachahmung des der Conquista eigenen mimetischen Verständnisses ihrer Geschichte. - Das drückt das ganze (? - zumindest durch diese Brille betrachtetes) Vermögen des post-kolonialen "folkhealing" aus.


Anmerkungen

  1. Ein weiteres Bild, in dem die Körnung bzw. ihr Ganzes ("the physical text") "provides a physical analog of closure. This relationship between the text (ethnography) and social reality has been prefigured as a kind of mirror: to close the book is to achieve a kind of 'closure'". "Social structure as rethorical closure" wird in der rethorischen (klassifikatorischen) Arbeit mit sozialen (rethorischen) Teilen und Ganzen konstituiert, denunziert R. J. Thornton The Rethoric of Ethnographic Holism. (Marcus 1992, dort : S. 15-31). Vgl. a. Elipse (Derrida 1976, dort : S.443-52).
  2. Diese kleine slide show sollte eine sich an solchen Stellen oft ungebetenermaßen ausbreitende Diskussion von beobachter-theoretischen Problemen ersetzen. Der Focus (auf das beobachtende Subjekt) soll aber, sofern es ums Ethnographieren geht, weitgehend beibehalten werden, womit die magischen Elemente von Theorien der Kommunikation oder (symbolisch generalisierter) Medien außen vor bleiben.
  3. (Vgl. zu diesem Beispiel : Bruno Latour, Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symetrischen Anthropologie. Ffm 1998). Darüber hinaus lässt sich wohl immer noch (selbst nach Nils Bohr und Kopenhagen) sagen: Solange (oder wo) sich die Verhältnisse von Dingen an sich weiter pressen, erhitzen und beschleunigen lassen und mit der Diskutierbarkeit von hidden dimensions kein Mangel an Transzendens zu bestehen scheint, kann diese Wissenschaft auch sehr gut auf Fragen der Transzendentalphilosophie (und ihrer Kritik) verzichten.
  4. Vgl. U. Brokelmann, George Devereux. In Duerr, H.P. Die wilde Seele. Zur Ethnopsychoanalyse von George Devereux. Ffm 1987. dort: S. 9 - 31. Wenngleich betont wird, dass es sich nicht um eine billige "rein analogische [...] Übertragung dieses Prinzips" (der Komplementarität) handele, sondern gewissermaßen auf das inter der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplinen (der Begriffe von den Koemergentien (Devereux) Gesellschaft und Psyche) zurückgebogen - insofern methodologisch - angewandt würde (S.25) Im Bezug auf "Devereuxsches Werk [...] und seine[n] ‚Lebensroman'" wird gesagt: "Dieser wie jenes kreisen um ‚Innen' und ‚Außen'"(S.9).
  5. Unter gewissen Bedingungen mag man dem sich aus dieser Investition ergebenden Anspruch mit der Versprechung entgegenkommen, dass das Sollen - irgendwie - mit dem aller Dekonstruktion von Implikation entgehenden Rest sich erweist: eine Frage von/nach Performanz und dem Hinterlassen von Spuren.
  6. Im Verlauf seines Schreibens wird auch zu einem weiteren Markenzeichen seines Stils jene diaphorische Technik der wiederholten Rezitation, die dem Text manchmal etwas beinahe Versartiges gibt.
  7. Wenn etwa methodisch leitende Programme immer mehr de(kon)struiert (und damit als solche suspendiert) werden und so etwas wie Werte hier und heute gerade durch das Metaprogramm auf den Unterschied ihrer Unterscheidung hin geprüft werden (Stichwort: Kulturrelativismus).
  8. Zur Frage, warum in dieser Welt für "writers" (nicht nur "as the daily work of an American") etwas wie "the call","the responsability" und "the task" (als kritische) bestehen könnte, "to (ful)fill this void [...] making fables and making names", siehe das Zitat Pablo Nerudas das Taussig an das Ende seines ersten Buches stellt. (Taussig 1980a: S. 233).
  9. Folgend auf die Bebilderung von "cultures of terror" (guamaltekischer und argentinischer Militärdiktaturen durch deren schreibende Dissidenten) schreibt er: "Hence the need to fight that solitude, fear, and silence , to examine these conditions of truth-making and culture-making , to follow Michel Foucault in 'seeing historcally…'. But surely at the same time, through 'seeing historically', we strive to see anew - through the act of creating counter-discourse? If effects of truth are power, then the question is raised […] also to what form that counter-discourse should take. This issue of the politics of form has been lately of concern to some of us involved in writing and interpreting histories and ethnographies" (S. 8f.)
  10. Im Zuge der disziplinären Beschränkung käme man dieses Wegs zunächst wahrscheinlich auf eine einschläigige kulturanthropologische (bzw. philosophisch-epistemologische) Debatte zurück, die am intensivsten in den 60er Jahren geführt wurde und bspw. in dem Band von Kippenberg/ Luchesi (Hg.): Magie. dokumentiert und in einen weiteren kulturanthropologischen Rahmen gestellt wird. (Eine weitere exemplarische Aufarbeitung wäre das vierbändige Kompendium H.P. Duerr (Hg.) Der Wissensschaftler und das Irrationale. Ffm 1985.) Wobei natürlich die Auseinandersetzung mit epistemologie/ideologie-kritischen Konventionen wiederum auf eine Dekonstruktion einer wissenschaftsgeschichtlich und epochal bedingten legitimatorischen Klammerung der Ethnologie an ein Selbstverständnis als positivistische Sozialwissenschaft hinauslaufen könnte.
  11. - Dessen mechanizistischen und atomistischen Begriffe "have progressively undermined the critical impetus of Marxism, which was originally based on a synthetic and dialectical understanding of reality in accordance with Hegelian tradition,..."(Taussig1980a: S.12)
  12. (1980a: S. 9). Dassdiese Arbeit des Schälens nicht Mittel zum Zweck (fin) hinsichtlich einer darunter liegenden Vorhandenheit ist, macht Taussig zumindest später recht explizit (vgl. v.a. Taussig 1992 und 1999).
  13. Z. B. wird man Taussig folgend als Nebeneffekt evtl. einen willkommenen Ausweg aus der unfruchtbaren Banalität sehen , in der (atomistische) "Struktur"-Ansätze im Bezug auf andine Kosmologie stecken bleiben (vgl. ebd.: Kap. 9). Unter dem Offensichtlichen (des v.a. später meist kritischen Bezugs) wird man dann Gemeinsamkeit mit Levi-Strauss vielleicht übersehen, welcher allerdings ebf. von den sozialen Beziehungen "as signs" bzw. Unterscheidungen (elementare Zwei-Seiten-Formen) und auch von Marx ausgeht - bzw. ständig auf ihn zurückkommt, wie er sagt ,"to set my mind in motion", (zit. nach S. Sonntag, The Anthropologist as Hero. In: Nelson u. Tanya Hayes (eds.), Claude Lévi-Strauss. The Anthropologist as Hero. Hanover (Mass.) 1970. S.188.)
  14. Der Beleg für diese vielleicht hergeholt scheinende Behauptung, kann hier natürlich nicht nach-erzählt werden. Es sei stattdessen erlaubt, eigenartig zu formulieren - v.a. im Bezug auf die späteren Publikationen Taussigs: Die Art wie er Sinn macht erweist sich als ebenso extensiv wie intensiv, d.h. sie greift weit aus in den semantischen Raum, und der die Wahrhaftigkeit von Unwahrscheinlichkeit bzw. Aktualisierung von Besonderheiten vermittelnde Komprimierungsalgorithmus nimmt seine Hypothek immer bei den Echtzeit-(‚Aktualisierungszeit')-Reserven des Mediums (- Auch die Frage was dieses konkret nun sei, muss hier noch ausgesetzt werden.)
  15. Selbst an explizierteren Stellen in den folgenden Veröffentlichungen bzgl. einer Kritik der Repräsentation, der Prinzipien von Identität und der Rhetorik der Logik usw. als "(dialektischer) Dekonstruktion" erwähnt er beispielsweise Derrida so gut wie nie (die Re-Lektüren des sog. "strukturalistischen Marxismus" wären ebenfalls eine mögliche, nicht angeführte Referenz).
  16. Die Marke für Taussig bleibt hier der Name Walter Benjamin v.a. in späteren Schriften. (Obschon etwa zur gleichen Zeit (um 1930) auch andere "Neo-Marxisten" wie zuerst Lukacs dann Sohn-Rethel und im direkten Anschluss die Frankfurter Schule einschlägiges beigetragen haben.)
  17. (Vgl. . Taussig 1980a: S. 11, 21, 25, v.a. Kapitel 7 passim). "The mode of analogical reason that is outlined above apears to be more prolific and conciously used in cultures that are guided by use-value economcis" (S.135.)
  18. Um den Entwicklungen eines internationalen Marktes (z.B. Cuba-Krise und Embargo) und Anforderungen an Effizienz der Exploitation nachzukommen schafften es die Plantagenbesitzer, ein "duales" System von immer schlechter bezahlter Beschäftigung und Vertragsarbeit einzuführen. Zusammen mit einem "piece-work system" (Leistungsprinzip anstatt Stundenlohn) "the contracting system atomizes the work force, facilitates the control of workers, lowers the overall labor bill, undermines the political strength of all workers, causal or permanent, and helps ensure an elastic reservoir of labor to cope with fluctuations in demand"(S. 84) - erlaubt also dem Arbeiter seine Arbeit pro Zeit-Atom noch ein wenig mehr auszubeuten.
  19. Dass Taussig dieses prozessuale Konzept (noch) nicht explizit verallgemeinert (etwa in Hinsicht auf ein - sich seiner selbst bewusstes - gesellschaftliches Subjekt ) riskiert, dass (moralische) Dualismen sich in der falschen Ebene der Analyse wieder auftun. - Und es ist vielleicht, neben nicht ganz präziser Lektüre, ein Grund dafür, dass u.U. Kritik an Taussig, über die Maßgeblichkeit bei ihm extrahierter "Hauptargumente" (hinsichtlich der von ihm nicht im Feld beobachteten andinen Bergbaukultur (Bolivien)), sich abstößt und - eben so ( oder weil) eines Verständnisses der von im explizierten und implizierten Dialektik (von ‚Unterbau' und ‚Überbau') ermangelnd - am Ganzen seiner Kritik vorbei geht. (Vgl. O. Harris, The earth and the state. S.251 und 263. Sowie - wesentlich umsichtiger in jener Hinsicht: M.J. Salnow, Precious metals in the Andean moral economy. V.a. S. 215ff. Beide in: M. Bloch und J. Parry, Money and the Morality of Exchange. Cambridge 1989). Marcus (in J. Clifford u.G. E. Marcus (eds.) Writing Culture. The poetics and politics of ethnography. Berkeley 1986.) kritisiert bei Taussig "his mixed mode , self-conciously moralistic and broadly transcendent purpose.
  20. In seiner Lektüre der andinen Ethnographien streicht Taussig die Rolle des Teufels - des Tio, in den Ritualen der Minenarbeiter "Eigentümer" der Minen - in erster Linie als Vermittler zwischen Sphären von Warentausch und "reciprocity exchange" heraus.
  21. Viento Fuerte (Miguel Angel Asturias, 1950) und La Hojarasca (Gabriel Garcia Marquez, 1955), jeweils über die Ausbeutungsverhältnisse auf Bananen Plantagen der United Fruit Company in Mittelamerika, bzw. Kolumbien.
  22. Für in doppeltem Sinne "unfruchtbares" Geld, welches - weil verhext, weil reiner Tauschwert - weder zur Kapitalakkumulation noch zur (biologischen/subsistenziellen) Reproduktion taugt. (- So die Meinung des Volksmunds, wie Taussig sie wiedergibt. Wobei einen solchen Vertragsabschluß selbstverständlich keiner seiner Informanten beobachtet hat , andererseits aber ein Ladenbesitzer als Augenzeuge von dem Kampf zweier "getaufter" Banknoten als jeweils prospektive An- und Entführer seines Kasseninhalts berichtet. Ebd.: S.127)
  23. Man könnte wohl auch auf den foucaultschen Begriff des Dispositivs verweisen, welches die Diskurse wie auch die Praktiken (welche jeweils immer als Hybride von Un-/Sichtbarkeit auftreten) ordnet.
  24. Worüber uns, laut Benjamin, "die Tradition der Unterdrückten belehrt." (Über den Begriff der Geschichte. These VIII. In ders.1992, dort: S. 145)
  25. (1980a: S.104). Vgl. V. Turner, The Forest of Symbols. Ithaca 1967: S.97.( von Taussig nicht ganz sauber zitiert:) "Liminality may perhaps be regarded [...] as a realm of pure possibility [from] whence novel configurations of ideas and relations may arise." (Taussigs Zitierung Turners: kursiv v. m. - Inwiefern sich in Taussigs Zitat eines Klassikers der Kulturanthropologie die Bedeutung von "novel configurations" verändert, sei dahingestellt.) Turner geht an dieser spekulativsten und den Gedanken kurz darauf abrechenden Stelle seines Texts bis zu einer "Konfiguration", die Platon und "his pilosophical debt to the teachings of the Eleusinian and Orphic initiations" in Zusammenhang mit der Liminalität "als Quelle" bringt.
  26. (vgl. Taussig 1980a: S.113f.)
  27. - Ohne allerdings eine zynischen Überdetermination der Aussage in eine gewisse Apologetik umschlagen zu lassen. So gesehen lieferte Taussigs Betrachtung auch ein Argument für die Prädestiniertheit von (Cultural) Anthropology as Cultural Critique.(vgl. a. S. 6 u. 12)
  28. (Vgl. ebd.: S.158; sowie oben Anm.13)
  29. Der Mausssche Begriff (und seine "Abholung" - auch hier im kolloquialen Sinne von response) gibt Anlaß zu mannigfacher Entfaltung: Bei Levi-Strauss z.B. hinsichtlich einer vierdimensionalen strukturalen Räumlichkeit (a.a.O.). Clifford (1988: 62ff.) scheidet daran Traditionen ("maussian"/ "malinowskian") und wendet sich ebenfalls gegen eine (jenem unterstellte) Vereinnahmung Mauss' als "Proto-Strukturalisten".
  30. Diese Abwandlung , insofern es sich meiner Meinung nach um einen nicht notwendig literaten Zugang zu dem handelt, was Benjamin durch "Geschichte ...[als] ein Diskontinuum" bezeichnet. Die Ethnographie müsste eigentlich reich sein an Techniken zur Spurensicherung , da sie im Feld erlernt werden können.
  31. Taussigs nächste größere Veröffentlichung geht dann allerdings von einer Structure of Conquest aus.(s. ders.1980b). "Die Struktur eines Bereichs freizulegen heißt , eine ganze Virtualität der Koexistenz zu bestimmen, die vor den Wesen ,den Gegenständen und den Werken dieses Gebietes existiert." (Deleuze: S. 28)
  32. Und andererseits: Als Dekonstruktion (durch/von Fetischismus) freilich gibt es all das oder findet es statt im Zuge der Aufschiebung der Dekonstruktion ihrer (seiner) selbst.
  33. Foucault gelangte über das Dispositiv der Sexualität zu einer Metaphysik der (Bio)Macht, da sie die Bedingungen benannte, unter denen sich diskursive und nicht-diskursive Praktiken in Richtung auf einen Kolonisierung des Körper organisierten. Dem ethnologischen Blick Foucaults (Fink-Eitel) auf die Westliche Gesellschaft und den Wandel ihrer Werte musste aufgefallen sein, dass zu jener Zeit für den Körper eine neue Öffentlichkeit geschaffen wurde, die im Zuge einer Ideologie der Vernunft das als Medium der Aufklärung (Emanzipation etc.) anbot und verlangte, was dieser nicht nur als ihr entgegengesetzt sondern (seit Kant) als das allerentfernteste und dunkelste gegolten hatte.
  34. Sicher: Taussig deriviert die Angewandtheit einer "analogic reason" aus der aristotelischen Theorie (The Politics). Die Spuren, die Derrida (in seinem Text über die Wissenschaft von Menschen bei Levi-Strauss) zwischen Strauss' ("rousseauscher") "nostalgischer" Melancholie und Nietzsches "fröhlicher Bejahung des Spiels"(Derrida) aufnimmt lassen sich (wie noch zu zeigen sein wird) auch hier nicht verwischen.(Vgl. ders. 1976: 440ff.).
  35. Vgl. Taussig (1987): S. 122-23, 153-54.
  36. Hierzu aufschlussreich: das gleichnamige Kapitel bei Clifford (1988).
  37. (1980a: xii). Um ein Missverständnis zu beseitigen , welches dieses Zitat evtl. zulässt: Taussigs Schreibe hat nichts mit "action anthropology" im klassischen Sinne zu tun. Oder anders (und mit deleuze/guattari´scher Konnotation) : Es geht ihm nicht um die Reterritorialisierung eines Stammes. Gleichwohl wird hier m.E. so klar wie möglich jene "complicity" (mit dem "Informanten") formuliert, die von Paul Rabinov kürzlich als Richtungsangabe zukünftig möglicher Ethnographie hervorgehoben wurde (in einem unveröffentlichen Paper zu dem vom MPI für Wissenschaftsgeschichte - mit Focus auf die Praktiken zeitgen. molekularbiologischer Wissenschaft - im Mai 2001 veranstaltenten Panel "Mapping Cultures").
  38. Zumindest gibt er hier am ausführlichsten über jenes ‚Handwerk' ("Magie der Mimesis")Auskunft, von dem er später schreibt , dass er es über die Zeit seiner Forschungen in der Putomayo-Region erlernt habe.(vgl. Taussig1997:S.10)
  39. Vgl. das Konzept solcher (Ab)Geschlossenheit bei J. Derrida. Die Schrift und die Differenz. Ffm 1976: Immer wieder ; jeweils bes. in den Texten zu Levi-Strauss , Jabes , Artaud. Ebd. Exemplarisch: der "Spielraum" , seine "kreisförmige Grenze", Horizont der Dialektik". (S.a. Anm.1)
  40. Ein topos, welchen Taussig - es mag zunächst scheinen: als räumliche Metapher(?) - aus der Beschreibung eines Yagé-Deliriums von einem seiner indianischen Informanten übernimmt und schon über die ersten Zeilen des Buches mit J. Timermans Innen-Ansichten der Gefängnisse der argentinischen Diktatur reflektiert): als Leser des Buches möchte man meinen er (the space..) läge außerhalb - oder in seinem Außen. Doch wo - in (/innerhalb) welcher Linie (oder Tradition) - liegt dann das Buch ... ?!
  41. Bzgl. einer solchen Produktion oder Aktualisierung betont Deleuze, "dass man das Genetische dem Strukturellen ebenso wenig entgegensetzen kann , wie die Zeit der Struktur.(ders.: S. 30) Ähnliche ‚Realisation' gilt dann auch für eine "moral topography". So meint "the text of conquest" auch die Textur der Landschaft , welche die ersten Schreiber der Conquista in einer Sprache der (quasi über die Körper der Soldaten eingeschriebenen) Imagination ausgedrückten. (vgl. Taussig 1987: S. 288ff).
  42. D.h. , dass der Heiler immer auch ein Agent der Ausbeutung ist (vgl. 1980b : S.231f.). Auch wenn scheinbar Ethnologen sich dazu verleiten lassen, (ihre) Hochlandschamanen, im Gegensatz zu denen aus dem Tiefland, moralisch diskreditiert zu sehen. Auch hinsichtlich der unter den wissenschaftlichen Text geschriebenen Sottisen, zu denen solch Missverständnis führen kann, vgl. bspw. F. Faust und H. Schindler Interethnische Lehrbeziehungen der Heiler in Südkolumbien.
  43. Nicht zufällig ähnlich der Dimensionierung des Supermediums Sinn bei Luhmann. Im Bezug auf sozialwissenschaftliche Theorietradition (für die Mauss' Onkel ein klassischer Ausgangspunkt ist) vielleicht erhellend: N. Luhmann, Arbeitsteilung und Moral. Durkheims Theorie. In: E. Durkheim, Über soziale Arbeitsteilung. Ffm 1988. Siehe v.a. S.36ff.
  44. Taussigs "notes on that night read: [...] , and I have to dissociate into a third an then a fourth as the relation between my selves breaks, creating an almost infinite series of fluttering mirrors of watching selves and feeling others."
  45. Da Taussig dezidiert nicht "die Geschichte reduziert" (insofern er nichtsdestotrotz dem klassischen und historistischen Geschichtsbegriff "Gerechtigkeit wiederfahren lässt" (Derrida, S.439)) ist davon auszugehen , dass jene vierte Dimension ( ihr Desiderat) nicht in der Struktur aufgehoben wird; inwiefern sich dabei gewissermaßen (obwohl bei Taussig sicherlich weniger angestrengt) ein Äquivalent als eine Art historisches mana fromulieren ließe, soll noch zur Sprache kommen.
  46. Dass die Weiterentwicklung und immanente Ausarbeitung einer Methode dabei in ein - sagen wir stilistisches - Bestreben zur Erzeugung von 3-D-Effekten einfließt sei hier nur angemerkt. Die Hypothese, dass also eine gewisse Räumlichkeit Requisit oder Voraussetzung auf dem Wege (zu) einer in der sinnlichen Erfahrung (Erfahrbarkeit/ Gefahr des Moments) wiedergebor(g)enen Erkenntnis (resp. ihrer Theorie) sei, würde sich in diesem Kontext notwendig auf Benjamin beziehen können, zwischen seiner Theorie des Trauerspiels und dem Passagenwerk auf vielfältigste Weise sicherlich.
  47. "[H]e (the highland shaman) also mediates the class struggle" (S. 254); andererseits wird er zum entscheidenden Glied in einer nicht vertikalen Tauschkette "a temporal connection fixed in a moral topography consisting of successsive empowerments through gift exchanges ocurring between spirits and shaman , shaman and patient , patient and you dear reader."(S. 253); "a strategic zone of vacuity" - gleicht er einer "leeren Bühne" (Benjamin über Brechts Hauptcharaktere), "on which the contradictions of society are acted out."(S. 444)
  48. (S. 326). Es sei noch einmal daran erinnert, dass nach dem semantischen Gehalt der Visionen und cuentos v.a. die Imagination des Wilden (de mas abajo/ dientro), der Stämme (gentes), der Altvorderen (los ancianos) als Quelle von Kraft bedient wird. Die ‚(Tausch)Kette' hat natürlich keine Enden, jedoch stellt der Putomayo selbst die Topographie, an deren Graden sich ein umgekehrtes Verhältnis zwischen dieser ‚Kraft' bzw. ihrer zweckgerichteten (und rationalisierten) Anwendung und der (räumlich/zeitlichen) Entfernung von ihrer ‚Quelle' ablesen lassen.
  49. Erhellend in diesem Zusammenhang auch Th. W. Adorno, negativ-dialektisch, Rückblickend auf den Surrealismus. In ders., Noten zur Literatur. Ffm 1974.
  50. Walter Hardenburg sprach von "The Devil´s Paradise". Dass es also der Teufel war und nicht die Firma der Gebrüder Arana, welcher hier Anfang des Jahrhunderts die Schöpfung unter albtraumhaft phantastischen Produktionsbedingungen ausbeutete, macht die Verwendung des Extrakts für die Vulkanisation der europäischen Kriegsmaschinerie am Vorabend des WK I umso sinnvoller. (vgl. S. 21ff. u. 94).
  51. Topoi wie Genealogie oder Tradition stehen da für die zeitliche Dimension ein; was auf das methodisch genetische, bzw. aber auch den (sich) verpflichtend rezipierenden Gestus des Ansatzes verweist. (Siehe nur die üppige -quasi mosaische - Geste, mit der er bereits in den Acknowledgements sich der Spur - den "traces of people" verpflichtet und sie in solidarischer Zitation versammelt.)
  52. "Deep complicity with cannibalism […]" : "everything hinged on a drawn-out ritualized death where every body part took its place embellished in a memory-theatre of vengances paid and re-paid, honors upheld and denigrated, territories distinguished in a feast of difference. In eating the transgressor of those differences , the consumption of otherness was not so much an event as a process, from the void erupting at the moment of death to the reconstituting of oneself, the consumer, with still-warm otherness." (S. 105, aus dem Kapitel The Image of the Auca: Ur-Mythology and Colonial Modernism). War ‚Kannibalismus' nicht v.a. eine der wichtigsten Metaphern jüngerer Gesellschaftstheorie und (Kapitalismus)-Kritik ?
  53. Dort (vgl. S. 443) wird dann die Allegorie (und "Benjamins Marxist notion of the dialectical image") betont gegen den Symbolismus ("the Romantic concept of the symbol") gesetzt.
  54. Übrigens hält er seinen Vortrag über Levi-Strauss im selben Jahr (1966) , wie Foucault seine mit Les mots et les chose erscheinende Archäologie und Abschreibung einer Wissenschaft von Menschen vorbringt.
  55. Der Blick richtete sich hauptsächlich auf (mikropolitisch) regional begrenzte oder dörfliche Zusammenhänge.
  56. Eine leider meistens ‚auf einem Auge' blinde wissenssoziologische Epistemologie der Hexerei á la Evans-Pritchard ist wohl der andere Hauptaspekt der Forschungen.
  57. Die Antwort auf die schwierige Frage "when the belief in witchcraft might finally subside" ist für ihn - wie es scheint, noch lange - nicht in Sicht; für den Kontext nicht datierbar zumindest "as long as the family remains the main basis of social security". Wie er aber selbst dargelegt, ist dies (‚the belief in') nur eine Seite von witchcraft.
  58. An einem jüngeren Beispiel (Südafrika) zeigt diese (im Allgemeinen sich bloß verschiebende) Problematik für Gesetzgebung und staatliche Rechtspraxis - und zwar in erster Linie nicht aus ethnologischer sondern vergleichend rechtswissenschaftlicher Perspektive - die Studie von J. Kaetzler Magie und Strafrecht in Südafrika. Ffm 2001.
  59. Dies ist für die neuen Regierungen (die sich je nach Form moderner Herrschaft verschiedenartige Öffentlichkeit - bzw. Unsichtbarkeit der Hexerei - leisten) aus verschiedenen leicht ersichtlichen Gründen ein größeres Problem als für die Kolonialverwaltung.("As my Maka friend [...] remarked in 1971: ‚Now we Africans are in charge, and we know that witchcraft is real.'" Geschiere, S.216). Hier und an anderen Orten finden sich zahlreiche Beispiele dafür , wie die nationalstaatliche Politik auf höchster Ebene (also scheinbar weit entfernt von etwaigen "traditionellen" Kontrollinstanzen) in die selben Praktiken und Diskurse verwickelt ist.
  60. Von der De-/Reterritiorialisierung bis zur Sorge um Sich - und zwar immer so, als wären die Begriffe eigentlich von Indianern erfunden worden, irgendwie eklektizistisch will es einem scheinen (...‚Dürfen die das denn ?'). Siehe bspw. C. E. Pinzón und Co-Autorinnen oder W. Torres: gerade bei letzterem mag man sich fragen, ob die nietzscheanische Große Gesundheit, deleuzianisches Werden (el devenir) oder jenes Begriffsfanal Foucaults aus dessen ethisch-subjektästhetischer Wende einfach aus der europäischen Philosophie heraus ,von Ionien in die Llanos oder an den Igaraparaná übertragen werden können und wäre evtl. versucht von ‚Halbgarem' zu sprechen; doch dann: wo sind die ihre Verwendung verbürgenden Rezepte hinterlegt?! Was bedeutet Construction de las Americas , wenn man bspw. zurückdenkt an kultur-nationalistische Primitivismusbewegungen (A Antropofagia des brasilianischen Modernismo) - wie geht das mit Deutschland im Hinterkopf ? Und war es nicht zuletzt eine Philosophie der New Economy und des Marketings die ihren Kritikern verspätet die unangenehme Einsicht bescherte, dass man sich gemeinsam, offensichtlich inflationär aus dem Kapitalismus und Schizophrenie-Wortschatz bedient hatte?

Literatur (wenn nicht im Text angegeben)

  • Benjamin, W. (1992) Sprache und Geschichte. Leipzig
  • Clifford, James (1988) The Predicament of Culture. Twentieth-Century Ethnography, Literatur and Art. Cambridge Mass.
  • Deleuze, Gilles (1975) Woran erkennt man den Strukturalismus? Berlin
  • Derrida, Jaques (1976) Die Schrift und die Differenz. Ffm
  • Geschiere, Peter (1997) The Modernity of Witchcraft. London
  • Levi-Strauss, C. (orig.1950) Einführung in das Werk von Marcel Mauss. In: Marcel Mauss, Soziologie und Anthropologie (Bd.1). Ffm 1987
  • Marcus, George E. (ed.) (1992) Rereading Cultural Anthropology. Durham 1992
  • Taussig, Michael (1980a) The Devil & Commodity Fetishism in South America. NYC
  • Taussig, Michael (1980b) Folk Healing and the Strukture of Conquest in Southwest Colombia. In : Journal of Latin American Lore, 6 (2)
  • Taussig, Michael (1987) Shamanism, Colonialism & the Wild Man. A study in Terror and Healing. NYC
  • Taussig, Michael (1992) The Nervous System. NYC
  • Taussig, Michael, (dt. 1997) Mimesis und Alterität. Eine eigenwillige Geschichte der Sinne. Hamburg
  • Taussig, Michael, (1999) Defacement. Public Secrecy and the Labour of the Negative. NYC

Seitenanfang