Bernd Ternes

Monicas des Krieges


Jetzt, da der Krieg der Nato gegen serbische Zivilisten und Militärs in eine Phase eintritt, in der nicht nur das mediale Interesse, sondern auch der letzte, ideologisch mobilisierte Sinn des ganzen Bombens abhanden kommt, kommt also der Friede in Sicht. Die Masse Mensch, die die Serben vertreiben wollten, sind vertrieben; diejenigen unter den ca. 15000 Bomben, die spätestens im Jahre 2000 schrottreif geworden wären, haben Schrott produziert; der gesichtslosen Nato nach dem kalten Krieg ist ex negativo ein Gesicht zugewachen (denn hieß es nicht immer, eingedenk der angeketteten Blauhelm-Soldaten in Bosnien: Wenn die Nato keinen Krieg führt, verliert sie ihr Gesicht?); das geoweltpolitische Spielfeld der Mannschaften USA, Rußland und EU ist vergrößert worden und alle warten jetzt darauf, wer welche Markierungen zieht; und: Die politische Bundesrepublik durfte beweisen, daß sie in den letzten 50 Jahren ausreichend us-amerikanisch erzogen worden ist, um im Konzert der konzertierten Kriegsführung nicht für Verstimmung zu sorgen.

Wie soll man das nun nennen, dem wir da über 2 Monate hinweg in sicherer Distanz beiwohnten? Und auf was für Enthüllungen bzw. plausible Thesen in naher Zukunft dürfen wir hoffen, wenn die ersten recherchierten Rekonstruktionen der Entstehung dieses Krieges auf- und informierte Geheimnisträger ihr Schweigen brechen? Wird etwas dabeisein vom Kaliber der immer noch nicht stillgestellten Behauptung, die US-Amerikaner wußten vom Angriff der Japaner auf Pearl Habour, unternahmen aber nichts, um den Atombombenabwürfen erst die rechte emotionale und legitimatorische Abstützung in der heimischen Bevölkerung zu beschaffen? Oder zumindest etwas von der Art des kuwaitischen Fakes beim Golfkrieg, nämlich Grausamkeiten der Iraker öffentlichkeitswirksam und richtigehend inszeniert durch Zeugenschauspieler darzubieten und damit den letzten Stoß für einen Kriegseintritt der USA herbeigeführt zu haben?

Einen ersten Versuch in diese Richtung unternimmt Lothar Baier in der aktuellen und zudem 2. Kriegsausgabe der Zeitschrift konkret. Baier schreibt ein Gespräch zwischen Milosevic und den Oberkommandierenden der Nato, General Clark, das am 19.01.1999 stattgefunden hat und, so der Kontext des Textes, vom chinesischen Geheimdienst abgehört, protokolliert und ins Internet gesetzt worden sein soll – deswegen die Rache der Nato in Gestalt der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad in der Nacht vom 7. auf den 8. Mai 1999. In dem geschriebenen Gespräch wird deutlich, daß der ganze Krieg auf einer Art Agreement zwischen den USA und Milosevic beruhte.

Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, außer die Grenzen der Wirklichkeit. Und daß diese Wirklichkeit phantastischer, absurder, perfider zu sein vermag als die Einbildungskraft, ist ein alter Hut. Man muß kein Dummkopf sein, wenn man Informationen für möglich hält, die in die Richtung von Konspiration, Komplott oder Verschwörung gehen. Aber man ist wohl einer, wenn man davon ausgeht, in diesem Krieg sei es der westlichen Welt um die Leidminimierung der Kosovo-Albaner gegangen.

Warten wir also gespannt auf die ersten Monicas des Krieges.