bernd ternes

Lachhaft


Als Anfang der 80er Jahre Umberto Ecos Der Name der Rose auf den Markt und in die Gemüter vieler Leser kam, wußte man noch nicht, was damit seinen Anfang nahm. Wie erinnerlich ging es im Romankern um Reflexionen Aristoteles' über das Lachen, die von den mönchischen Kirchenfunktionären mit aller Gewalt unter Verschluß gehalten wurden, sahen sie doch in diesen Gedanken eine ernste Gefährdung der kirchlichen Autorität. Lieber sollte das ganze Kloster in Flammen aufgehen, als daß Aristoteles' ketzerische Reflexionen publik würden.

Eco machte damit das erste ernstzunehmende Angebot der Postmoderne, Leiden und Lachen wieder zusammenzudenken: All die enttäuschten Weltverbesserer, die ihre große Erzählung Marxismus und ihre große Zukunft Sozialismus verloren hatten, sollten sich nicht zu Leidsucherbanden zusammenrotten, sondern erst mal wieder lachen, vielleicht gar genießen lernen. Noch in den 90igern standen viele Intellektuelle an unterschiedlichen Fronten unter dieser Eco-Maxime: etwa Slavoj Zizek mit seiner Promotion des Geniessens als politischen Faktor, oder der kabarettistische Reichspolterabend mit seiner Vertreibung schlechter Laune in der Bundesrepublik.

Verhängnisvoll, daß sich fast zeitgleich das Feuilleton und die Medien der Lachsache angenommen haben, aber aus völlig anderen Motiven heraus: nämlich 'auf Teufel komm raus' zu beweisen, daß auch die Deutschen eine Witz-, wenn nicht sogar eine Humorkultur auf die Beine stellen können. Sollte das "Eco-Lachen" vorbereiten für eine Zeit, in der man das Wehleiden am nichtüberwundenden Leid der Welt überwunden hat, also noch eine psychohygienische Mission transportierte, so war das Komödienlachen a priori eines, das insgeheim als Sedativum eingesetzt zu werden hatte. Und so ist es gekommen: Von deutschem Boden durfte wieder Witz ausgehen. – Und er ist ausgegangen. Was nach dem Komödien-Wahn im Kino und dem Comedy-Unsinn im Fernsehen einsehbar wird, ist die völlige Taubheit von Machern und Publikum, zwischen lustig und komisch zu unterscheiden. Was für ein Spaß soll das sein, dessen Witz sich darin erschöpft zu zeigen, wie witzig es ist, Witz zu erwarten, wo gar keiner ist? Das Lachen, das gegenwärtig erzeugt wird, bleibt genauso leer wie die leere Zeit, zu deren Durchquerung Comedy Wegzehrung abgibt: Mensch, was haben wir gelacht.

Der Versuch, in der Bundesrepublik Komik und Lachen als notwendige Entkrampfungsmittel einzusetzen, um wieder etwas 'Spiel' zu bekommen zwischen der Schraube Sozialutopie und dem Gewinde Realität, ist gescheitert. Wenn auch nicht ganz: Aus dem Keller, in den man sonst zu gehen hatte, ist ein Souterrain geworden, besonders an den TV-Nachmittagen. Aber was sich da ausstellt, ist weder Zeichen von Selbstironie und Komik, sondern nur eins: Lachhaft.