Nicht gelernt
Keiner weiß genau, was es heißt, aber viele, die noch engagiert sind außerhalb ihres privaten Raumes, setzen stillschweigend darauf: daß man aus der Geschichte lernen kann. Leider ist zumeist ist nicht direkt sichtbar, was gelernt wurde, dafür aber oft und schnell ausgemacht, wann das Lernen ausbleibt. So auch beim grünen "Krisengipfel" in Bielefeld. Dank der ganztägigen Übertragung im Spartensender Phönix konnte man, unter den unendlich vielen Redebeiträgen, etwas vernehmen, was nicht nur als individuelle Äußerung oder als Überreaktion auf die gespannte Stimmung abgetan werden sollte.
Da wurde, nach dem Wurf der "Farbbombe" auf Fischer, plötzlich im Brustton der richtigen Empörung denen, die sich für Gewaltlosigkeit einzusetzen, die Legitimation abgesprochen, dies zu tun tun, wenn sie sich nicht gleichzeitig von der Gewalttätigkeit des Farbbombenwerfens distanzieren. Wer den Farbangriff auf die Person Fischer nicht ablehnt, so die Rede, der habe kein Recht mehr, glaubwürdig für Gewaltlosigkeit einzustehen.
Nun mag man zu solchen altbekannten Formen des Protestes, wie es das Farbbeutelwerfen ist, stehen wie man will; und man mag jedem das Recht zubilligen, in den Club aufgenommen zu werden, der da heißt: 'Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche'. Aber was mit dieser Retourkutsche zum Ausdruck kam, das hat schon was von einer - früher sagte man - Identifikation mit dem Aggressor.
Wie vom Erdboden verschwunden scheinen die Erfahrungen zu sein, als man einst selbst Farbbeutel warf, Sachen demolierte, Sitzstreiks und Belagerungen durchführte und sich von zumeist konservativer Seite den Vorwurf gefallen lassen mußte, man sei gewalttätig. In nichts aufgelöst hat sich die erste zaghafte Differenzierung des Begriffs Gewalt, die sich als Effekt der sozialen Bewegungen in den 80er Jahren eingestellt zu haben schien; weg die Einsicht, daß es sich beim Strommastabsägen und beim Gräberschänden um moralisch völlig unterschiedlich zu beurteilende Taten geht.
Plötzlich also tauchte bei den Grünen eine Denkhaltung auf, gegen die sich doch mal die Gründung der Grünen richtete. Plötzlich ist Gewalt, was vor nicht allzu langer Zeit zum Repertoire phantasievollen Protestes gehörte.
Vielleicht drückte sich in dieser scheinbaren Petitesse des grünen Sonderparteitages das nun vollständige Akzeptieren desen aus, was man als Gewaltmonopol des Staates bezeichnet. Vor Jahren noch war für Otto Schily das nicht glasklare Akzeptieren bzw. das bloße Tolerieren dieses Monopols durch die Partei einer der Gründe, aus der Partei auszutreten. Seit dem Krisengipfel ist klar: Die Grünen stehen nicht nur hinter dem "Staat" als alleinige Gewaltquelle der Gesellschaft. Sie stehen auch ein für das Gewaltdefinitionsmonopol des Staates, das neben dem Recht definiert, was Gewalt ist und was nicht.
Die Grünen haben hier, wie immer man zu ihnen steht, nicht gelernt.