Der Autor untersucht das
Medien- und Markenphänomen Attac. Entscheidend für die Fokussierung
der Medien auf diese Bewegung waren die Ereignisse während des G8-Gipfels
in Genua. Lucke bewertet die unterschiedlichen Leitartikel zu Attac,
in denen der Bewegung Skepsis und Geringschätzung entgegenschlägt. Und
dies, obwohl die Autoren allesamt aus dem linksliberalen Spektrum kommen.
Lucke vergleicht Bewegung und Mobilisierung rund um Attac mit der 68er
Bewegung und kommt zu dem Schluss, dass Attac, anders als die 68er,
weder einen Generationenkonflikt ausfechtet noch einen Avantgardeanspruch
hegt. Ob Attac es allerdings schafft, eine stabile Bewegung zu werden,
hängt davon ab, wie sich das Label ‚attac' - die Marke für Globalisierungskritik
- auf dem Bewegungsmarkt konsolidiert.
Kaisa Eskola und Felix Kolb: Attac - Erfolgsgeschichte einer transnationalen
Bewegungsorganisation, FJNSB 1/02, S. 27-33.
In ihrem Beitrag beschäftigen
sich Kaisa Eskola und Felix Kolb mit den Faktoren, die die Entstehung
von Attac in Frankreich, dem Geburtsland dieser Bewegung, und deren
Verbreitung in mittlerweile über 30 Ländern begünstigten. Obwohl sich
Themen, Arbeitsweisen und Organisationsstrukturen von Attac von Land
zu Land unterscheiden, gelingt es den AutorInnen einige zentrale Merkmale
zu umreißen, die das Profil und gleichzeitig den Erfolg der Bewegung
ausmachen: Attac ist bislang die einzige transnationale Bewegungsorganisation
mit explizitem Fokus auf Globalisierungsthemen und Teil der globalisierungskritischen
Bewegung. Außerdem weiß Attac die Vorteile zu nutzen, die die besondere
Bewegungsmischung aus Netzwerk und Organisation bietet. Um aber zukunftsfähig
zu bleiben, so die AutorInnen, muss Attac seine internationale Handlungsfähigkeit
ausbauen und sich neben dem Thema Finanzmarkt weiteren Globalisierungsbereichen
öffnen.
Friedericke
Habermann: Peoples Global Action - Globalisierung von unten., FJNSB
1/02, S. 34-39.
Für Informationsaustausch
und Aktionskoordinierung gegen die neoliberale Globalisierung bildete
sich 1998 das transnationale Netzwerk Peoples Global Action (PGA). Friederike
Habermann arbeitet in ihrem Beitrag anhand der Entstehungsgeschichte,
den Inhalten und der Struktur von PGA die Besonderheiten dieser Bewegung
heraus, die ohne Büro und Hauptamtliche eine internationale Vernetzung
herstellt. PGA versteht sich als Plattform und nicht als Organisation
mit Mitgliedern. Diese Plattform bietet den verschiedensten Strömungen
und Gruppierungen ein Forum, um sich gegenseitig in ihren Kämpfen gegen
die Globalisierung zu unterstützen. PGA ist im radikalen Widerstand
die entscheidende Vernetzung für Bewegungen aus dem Süden, so Habermann.
Christian
Lahusen: Transnationale Kampagnen sozialer Bewegungen - Grundzüge einer
Typologie, FJNSB 1/02, S. 40-46.
Christian Lahusen setzt
sich in seinem Beitrag mit einer besonderen Form des Protests auseinander:
Den transnational koordinierten Kampagnen. Er arbeitet die charkteristischen
Merkmale, die internen und externen Bedingungen sowie die Ziele und
Adressaten von transnationalen Kampagnen heraus. Bei den Kampagnen handelt
es sich um eine Serie von Aktionen oder Kommunikationen, die vorher
geplant und auch entsprechend gesteuert umgesetzt wird, was wiederum
die Möglichkeit zur begleiteten Evaluation ermöglicht. In seiner Analyse
schlussfolgert der Autor, dass die Transnationalisierung der Kampagnenführung
zu einer größeren Kluft zwischen den professionalisierten und transnational
agierenden Bewegungsadvokaten und einer lokalen, mobilisierungs- und
protestorieniterten Basis geführt hat.
Jürgen
Kaiser: erlassjahr.de - Kampagne für Entschuldung, FJNSB 1/02, S. 47-51.
In dem Beitrag wird die
Kampagne Erlassjahr 2000 vorgestellt, die das symbolkräftige Jahr 2000
für die Umsetzung der Forderung nach einem Neuanfang für die verschuldeten
Länder des Südens nutzte. Angesichts der Ungerechtigkeit der bestehenden
Verfahren zur Behandlung von Überschuldungssituationen südlicher Länder,
forderte die Kampagne von den Gläubigern, dass die Zahlungsfähigkeit
der Schuldner wieder hergestellt wird. Bei der Kampagne handelte es
sich ausdrücklich um die Zusammenarbeit von unterschiedlichen jeweils
autonomen Kampagnen und Bewegungen, und nicht um eine global zentralisierte
Struktur. Gleichzeitig verstand sie sich bewusst als ‚Ein-Punkt-Bewegung'.
Anne
Jung: Fatal Transactions - Kriegsdiamanten auf der Spur, FJNSB 1/02,
S. 52-56.
Nicht mit Demonstrationen,
sondern über Aufklärung der Verbraucher und Druck auf Industrie und
Handel arbeitet die internationale Kampagne Fatal Transactions zur Bekämpfung
von Kriegsdiamanten aus Afrika, die die Hilfsorganisation medico international
gemeinsam mit anderen europäischen Organisationen durchführt. Jung zeigt,
dass Organisationen und Kampagnen einen langen Atem brauchen - insbesondere
dann, wenn bereits am ersten Kampagnentag die Industrie auf alle Forderungen
einzugehen scheint. Spezialisierung der in Kampagnen vernetzten Mitgliedsorganisationen
- z.B. auf Recherche, auf Kampagnenführung oder auf Projektarbeit -
ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg von Kampagnen wie Fatal
Transactions im Kampf gegen die Interessen von Weltkonzernen.
Daniel
Mittler: ‚So lasst uns denn ein Rettungsboot bauen', FJNSB 1/02, S.
57-61
Der Bund für Umwelt und
Naturschutz (BUND) und sein internationales Netzwerk Friends of the
Earth International (FoEI) organisierten im Sommer 2001 anlässlich der
Klimakonferenz in Bonn die Protestkampagne ‚Das Rettungsboot', die international
Beachtung fand. Anhand dieser Aktion beschreibt Mittler, wie es Netzwerke
schaffen können - trotz Konkurrenz der Protestereignisse, denn zeitgleich
zu Bonn fand der G8-Gipfel in Genua statt - weltweit Aktivisten zu mobilisieren,
globalen Protest zu organisieren und die beabsichtigte mediale Wirkung
zu erzielen. Zum einen rief die Aktion die internationale Umweltbewegung
(wieder) auf den Plan, zum anderen konnten aber Spannungen innerhalb
der globalisierungskritischen Bewegung nicht verhindert werden.
Ronald
Köpke: Zur Kompatibilität von Nord-Kampagnen und Süd-Netzwerken, FJNSB
1/02, S. 62-67
Arbeitsrecht- und Produktkampagnen
im Norden definieren sich als Teil der globalisierungskritischen Bewegung
zur Durchsetzung von sozialen Rechten für eine globale ArbeiterInnenklasse,
so die Ausgangsthese des Autors. Ronald Köpke wendet sich in seinem
Beitrag gegen eine solche Sichtweise des ‚gemeinsam mit dem Süden an
einem Strang ziehen'. Er problematisiert die Praxen, Diskurse und Rollenzuschreibungen
von Südnetzwerken am Beispiel der Exportbekleidung- und Schnittblumenindustrie
in Lateinamerika. Fazit seiner Analyse ist, das die gängige Interpretation
der Exportindustrien als Form der ‚Ausbeutung und Sklavenarbeit' und
nicht als ‚freie Lohnarbeit' lediglich Stereotype bedient, die nicht
übereinstimmt mit den Alltagserfahrungen und Selbstwahrnehmungen der
in den Südnetzwerken organisierten Menschen. In der Akzeptanz dieser
Inkompatibilität von Nordkampagnen und Südnetzwerken liegt das eigentliche
Potential, so Köpke, nämlich die Kampagnenlogik des alten Stils zu begraben.
Gottfried
Qy: Die Nutzung neuer Medien durch internationale Protestnetzwerke,
FJNSB 1/02, S. 68-79
Die Nutzung der technischen
Möglichkeiten der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien
gehört inzwischen zum Alltag politischer Gruppierungen, so auch zu dem
der Globalisierungskritiker. Wie sieht es allerdings mit der dazugehörigen
Medientheorie aus? Wird immer noch das Konzept der Gegenöffentlichkeit
aus den 1970er Jahren vertreten? Existiert immer noch der Glaube an
die Verbreitung der unterdrückten Information, die in einer Art Kettenreaktion
die Gesellschaft verändert? Gottfried Oy versucht in seinem Beitrag
nachzuvollziehen, ob die faktische Rückbesinnung auf medientheoretische
Überlegungen der studentischen Protestbewegung vor über 30 Jahren angesichts
der neuen bidirektionalen Kommunikationskanäle Sinn macht.