Josse de Momper der Jüngere (1564-1635)
Die Gemälde mit kritischem Oeuvrekatalaog
Freren: Luca Verlag 1986
Der Frühling: Ausgehend von einer hinter Wolken verborgenen Sonne, fallen Sonnenstrahlen von links oben über die Landschaft, vergolden die Mitte des Bildes. Im weisslichen Gelb des kleinen Schlosses werden Reflexe des Lichts eingefangen wie im Goldbraun der Kuh oder im bräunlichen Gelb des Lichtscheines auf dem Teich bei den Enten. Die Dachkanten der beiden Häuser vorn scheinen im Gegenlicht vergoldet, der Busch im Vordergrund links neben der weissen Kuh und die Spitzen der knospenden Zweige rechts haben ihre Dinglichkeit verloren - scheinen in reines Gold getaucht. Eine lichtüberflutete, vom Licht lebende Landschaft voller Stimmungswert. Man mag an den Augenblick nach einem heftigen Gewitter denken, an einen Apriltag, an dem Sonne und Wolken miteinander ringen. Aus diesem Konflikt erwachsende Kontraste spiegeln sich in den Schatten- und Lichtzonen, die sich in ziemlich scharfer Abgrenzung übereinanderlegen, die die ja durchaus realistisch gesehene Landschaft - zwar komponiert und doch echt - verfremden, ihr eine Spur Dramatik beigeben. Wo sonst seit Pieter Bruegel d. Ä. hätte es so etwas in der flämischen Malerei gegeben? Wer sonst, ausser diesem Maler hätte am beginnenden 17. Jahrhundert mit Licht und Farbe so umgehen können?
Vorgegebene abstrakte Schemata wie die Farbdreiteilung, Hilfsmittel bei der farblichen Bewältigung des Raumes, Prinzipielles, gewonnen aus der erlebten Erfahrung, umgesetzt in rationell Allgemeines, und persönlich von jedem Maler verwendbar, all das hat hier seine Gültigkeit verloren. Landschaftsraum und Bildraum sind eins. Cézanne vorausahnend, organisiert sich das Dargestellte in Farbflecken über die gesamte Bildfläche 'parallel zur Natur': Das lichte Blau der Ferne kehrt wieder im Wasser des Teiches vorn, Brauntöne der Bauernkaten und des Pferdefuhrwerkes setzen sich sparsam fort in der Stadt am Rand und der Erde des Hanges selbst, schliesslich eint das Grün in seiner schildernden Vielfalt vom dunkelsten Blaugrün bis zum hellsten, in Weiss sich auflösenden Blassgrün die Welt der Dinge.
Der Pinselstrich ist - wie immer bei Momper in seiner besten Zeit - locker, fast flockig und doch prägnant, den bezeichneten Gegenständen angepasst. Er verweilt im Detail, wird genau und fast pointilliert bei den Dingen, die viel Zeichnung verlangen, wie dem Schloss und den Bäumen; er gleitet flüssig und schnell dahin, wo es um grössere Flächen geht wie im Himmel und im Weg; er ist aufgewühlt, bewegt und erregt, wo es um dramatische Bewegung geht wie in den Wolken; er ist schliesslich entspannt, glatt, verrieben und homogen, wenn er die spiegelnde Glätte des Teiches auf die Leinwand bannt.
Der Sommer: Eine schon tiefstehende Nachmittagssonne überflutet die üppige Landschaft. Nicht südliche Hitze, sondern nördliche Sommerwärme strahlt uns entgegen. Die Farbe Grün beherrscht, so möchte es scheinen, in allen möglichen Nuancen die anderen Farben. Nur in weitester Ferne formen die blauen Berge mit dem goldgelben Sonnenlicht den für die Augen so befriedigend und harmonisch wirkenden Komplementärkontrast.
Der Staffagemaler Jan I Brueghel nimmt die Anregung des Landschafters auf, indem auch er in seinen immer bunten Figürchen, Tieren und Gegenständen Grün auf ungewöhnliche Weise hervorhebt: Die Kleidung der beiden Hauptpersonen etwa in der Bildmitte nimmt das Grün der Landschaft auf, ebenso wie die Plane des dreispännig gezogenen Wagens, die sonst ausnahmslos in Brauntönen gehalten ist.
Der Herbst: Der Maler verzichtet darauf, den rotbraunen Schmuck verfärbten Laubes zum Farbträger dieser Herbstlandschaft zu machen. Die meisten Bäume haben ihre Blätter bereits verloren, nur im linken Bildteil sind noch einige rötlich-braune Blätter sichtbarster Farbausdruck für sterbende Natur. Ihre Stimmung bezieht diese Komposition vielmehr von Beständigerem, von den Ausdruckswerten der Erde und des Vegetativen selbst: Tiefe dunkle, dem Umbra angenäherte Erdfarben bezeichnen diese selbst, tiefbraune, im Gegenlicht schwärzlich wirkende Baumstämme verbinden sich mit der Erde, scheinen Teil dessen, in dem sie wurzeln. Braun und nicht Goldbraun wie im Frühling setzt sich in hellerer Abtönung in den Häusern fort.
Eine der stilistischen Eigentümlichkeiten Mompers, vor allem des zweiten Jahrzehnts, ist die Einbeziehung bräunlichen oder beigen Malgrundes in die optische Wirkung. Auch hier im Herbst ist diese Besonderheit festzustellen: Wesentlich stärker als bei den drei anderen Gemälden des Zyklus', wo es ansatzsweise vor allem in den Himmeln immer auch zu finden ist, lässt der Künstler die bräunliche Untermalung 'mitsprechen', ordnet sie sich ein in die gedeckt, gedämpfte Herbststimmung.
Auch Brueghels Staffage geht insgesamt in den abgedunkelten Farben auf den Generalton der Landschaft ein, wiewohl die roten, grünen und blauen Kleidungsstücke der Menschen links farbenfrohe, auflockernde Akzente setzen.
Auch im 'Herbst' fällt das Licht von links ein. Lange Schatten, grelles Streiflicht in Häusern und Bäumen des Mittelgrundes, ein freier, nur leicht bewölkter Himmel geben das Bild eines späten sonnigen Herbsttages mit klarer, schon kalter Luft, wie er in unseren Breitengraden nur selten vorkommt. Aber welcher Maler des 17. Jahrhunderts hätte schon einen verregneten, nebligen, typisch mitteleuropäischen Herbsttag malen können. Das blieb den Impressionisten vorbehalten.
Der Winter: Helles Grün fehlt vollkommen. Einige wenige olivgrün-blaue Dächer gehen mit den Bergen in der Ferne und dem Himmel zusammen. Die klirrende Kälte dieser Szene vor den Stadttoren mit zugefrorenem Stadtgraben, auf dem sich Schlittschuhläufer tummeln, wird fühlbar in einem Farbton, der sich aus Grau-Blau-Beige formt. In den Häusern kommt immer wieder das hellere Braun der Grundierung zum Vorschein, vermittelt Wärme und Behaglichkeit inmitten der Kälte. Die Stimmung ist keineswegs bedrohlich, abweisend, an existentielle Ängste rührend, wie sich das beispielsweise in der berühmten 'Vogelfalle' Pieter Bruegels d. Ä. ausdrückt. Mompers Winterszenerie ist wie die anderen Jahreszeiten ausgeleuchtet, von der Sonne beschienen. Nichts Abweisendes, vielmehr ein behaglicher angenehmer Ort für Menschen. Die Staffage Brueghels ist in ihren Buntwerten noch weiter zurückgenommen. Nur einige wenige rote Akzente verstärken das Wohlbehagen und dieWärme der Landschaft.
Überhaupt die Staffage! Welche Bedeutung sie für die Landschaften Mompers hat, lässt sich ermessen, wenn wir uns diesen Jahreszeitenzyklus ohne Staffage vorstellen, oder auch nur mit einer, die nicht über Brueghels erzählerische Qualitäten verfügt. Dort, wo der Landschafter eine Szenerie gleichsam anlegt, den Boden bereitet, Stimmungswerte schwer und gewichtig einsetzt, vollendet der Staffagemaler mit leichter Hand, verstärt er Ausdruckswerte der Landschaft, schmückt er aus, ohne in das vom Landschafter angelegte Allgemeine einzugreifen oder es zu verändern. Mit welch kongenialer Einfühlsamkeit Jan zu Werke geht, sucht in der Malerei seinesgleichen. Kein Kollege Mompers, von denen es eine grössere Anzahl gab, mit denen er zusammenarbeitete, wäre wohl imstande gewesen, diese Landschaften gleichermassen mit Leben zu erfüllen. Ohne sich selbst vorzudrängen, sich immer den Intentionen des 'Landschafts-Inventors' fügend. Wie weit dieses Aufeinander-Eingehen reicht, sei abschliessend am Motiv einer Kuh festgehalten: Die nach rechts vorn laufende Kuh im Frühling hat ein helles gold-braunes Fell, trifft den Ton der Landschaft 'auf den Punkt', ist zum Licht hin gerichtet wie der Frühling selbst; die gleiche Kuh an ähnlicher Stelle im Herbst dagegen ist dunkelbraun, den erdigen Tönen der Umgebung eingepasst, auf das Feinste mit der erdhaften Schwere der Landschaft abgestimmt.