Die Magnetotellurik (MT) ist eine geophysikalische Methode zum Studium der Verteilung der elektrischen Leitfähigkeit im Untergrund. Sie verwendet natürliche elektromagnetische Feldvariationen (die von solarer Strahlung/Partikeln oder atmosphärischen Quellen, z.B. Blitzentladungen, herrühren), die elektrische Ströme im Untergrund induzieren. Die Eindringtiefe der Feldvariationen hängt ab von ihrer Periodenlänge und der Leitfähigkeit des Untergrunds (Skineffekt).
Durch Messung von magnetischen und elektrischen Feldern an der Erdoberfläche erhält man Schätzwerte der Impedanz (dem Verhältnis aus elektrischer und magnetischer Feldstärke, gewöhnlich dargestellt als scheinbarer spezifischer Widerstand und Phasenverschiebung zwischen beiden Feldgrößen) als Funktion der Periode. Durch Modellierung und Inversion gewinnt man ein Abbild der Verteilung der elektrischen Leitfähigkeit. Hochleitfähige Zonen deuten etwa auf Fluide und partielle Schmelzen in Kruste und oberem Mantel als auch auf Graphite in Scherzonen.
In der elektrisch leitfähigen Ionosphäre in etwa 100 km Höhe fliessen Wechselströme unterschiedlicher Periode, die durch den Einfluß der Sonnenstrahlung verursacht werden (Primärkreis). Diese Ströme sind mit einem Magnetfeld verbunden, das in leitfähigen Schichten in der Erde (Sekundärkreis) elektrische Ströme induziert, deren Wirkungen an der Erdoberfläche registriert werden können (Abb. 1). Eine weitere Ursache dieser “Erdströme” liegt in der Abstrahlung elektromagnetischer Energie von Gewitterblitzen und ihrer Ausbreitung im Raum zwischen Erde und Ionosphäre (Atmosferics). Auch hierdurch werden sekundäre Ströme induziert.
Abb. 1: Elektrische Ströme im Erdinnern werden durch Stromsysteme in der Ionosphäre und durch die Strahlung von Blitzen hervorgerufen.
Abb. 2: Aufzeichnung von kurzperiodischen elektromagnetischen Signalen (Atmosferics) in den magnetischen und elektrischen Horizontalkomponenten an einer Beobachtungsstation in der Lybischen Wüste (links). Rechts oben: Das Spektrum von erdmagnetischen und erdelektrischen Variationen. Rechts unten: Der Auschnitt aus diesem Spektrum zeigt die Schumann-Resonanzen, stehende Wellen im Hohlleiter, der durch die elektrisch leitfähige Erde und Ionosphäre gebildet wird. Der unterschiedliche Verlauf des Magnetfeldes (hier die Nordkomponente Bx) und des elektrischen Feldes (Ostkomponente Ey) spiegelt eine Schichtung der Leitfähigkeit des Untergrundes wider.
Abb. 3: Im hochfrequenten Bereich erkennt man eine charakteristische Signalform der Atmosferics (sog. slow tail). Sie entsteht durch die unterschiedliche Dämpfung der elektromagnetischen Wellen bei verschiedenen Frequenzen entlang des Ausbreitungsweges im Hohlleiter Erde-Ionosphäre (Dispersion).
Das Auftreten kurzer und langer Perioden ermöglicht eine Tiefensondierung des Untergrundes. Ähnlich wie bei einer Temperaturwelle (Tages- und Jahresgang) dringen Wellen kurzer Periode nur wenig tief ein, während lange Perioden Eindringtiefen bis über 100 km erreichen können (Skineffekt, vgl. Abb. 4).
Abb. 4: Langperiodische elektromagnetische Wellen dringen tiefer in den Untergrund ein als kurzperiodische. Um einen guten Leiter in größeren Tiefen der Kruste zu erkennen, müssen entsprechend langperiodische Messungen durchgeführt werden.
Abb. 5: Die in der Natur vorkommenden elektrischen Widerstände sind sehr gesteinsabhängig und umfassen viele Größenordnungen.
Abb. 6: Scheinbarer spezifischer elektrischen Widerstand und Phase für ein eindimensionales Untergrundmodell mit zwei Schichten: eine 200m mächtige Deckschicht (10 Ohm m) liegt über einem Grundgebirge (1000 Ohm m).