Gernot Brehm                                                                              Berlin, Februar 1999

Hohenfriedbergstr.15

10829 Berlin

 

"Wann wäre die Zeit reif ...?"

 

In dem informativen Beitrag von Tobi Grotz (Dallas): "Der Veda und Nikola Tesla" (in: Tattwa Viveka Nr.10, 1998) wird die Tatsache, daß die Idee der "freien Energie und der freien Energieübertragung" noch nicht materielle Realität ist, mit der letztlich einfachen Feststellung begründet, daß, "wenn alles stimmig ist, ... auch die richtige Zeit (ist)" sowie mit dem Sinnspruch: "wenn die Kraft der Liebe die Liebe zur Kraft übertrifft, dann wird Frieden sein"   zu erklären versucht.

Ohne auf die angesprochenen Metapher näher einzugehen: ein derartiger Ausblick auf eine mögliche Realisierung der Idee "Freie Energie" ist höchst unbefriedigend. Er ist deshalb unbefriedigend, weil in einem kulturphilosophischen Sinne die Frage nach der "Zeit" bzw. dem Zeitpunkt völlig unverbindlich und willkürlich-beliebig beantwortet wird und - sicher unbeabsichtigt - letztlich ein passiv-fatalistisches Abwarten suggeriert. Wegen der sehr grundsätzlichen Bedeutung der Frage nach der "richtigen" Zeit einer materiellen Realisierung der "Freie-Energie"-Konzeption - letztlich für alle weitreichenden technischen Zukunftsvisionen - will ich diesen Fragekomplex in einen historisch-systematischen Zusammenhang stellen und versuchen, aus diesem heraus einige methodische Hinweise zu deren Beantwortung zu entwickeln.

 

1.Der fehlende "Kontext"

 

Zur Einstimmung in die Thematik möchte ich die These formulieren, daß ein Hauptgrund für die "Nicht-Reife" der Zeit in einem fehlenden "Kontext" zu suchen ist. - Was mit Kontext nun gemeint ist, soll folgendes Beispiel von John F. Kennedy[1] erläutern. Am 25. Mai 1961 hat John F. Kennedy für ganz Amerika einen Kontext geschaffen, und zwar wie aus dem Nichts, als er dem amerikanischen Kongreß folgende Vision vorschlug:

" Unsere Nation sollte sich dem Ziel verpflichten, daß noch vor Ende dieses Jahrzehnts ein Mensch auf dem Mond landen und wieder sicher zur Erde zurückkehren wird. Sein Kontext "einen Menschen auf den Mond bringen" hat dafür gesorgt, daß die Raumfahrt von einer lediglich guten Ideee, die bisher trotz beachtlicher Versuche keine großen Erfolg gehabt hatte, deren Durchführbarkeit immer angezweifelt worden war, die immer umstritten war und viel diskutiert wurde, zu einer Idee umgewandelt wurde, deren Zeit nun gekommen war (1969). 

Gute Kontext-Arbeit ist deshalb so wichtig, weil eben sie dafür sorgt, daß eine blasse Idee umgewandelt wird zu einer Idee, "deren Zeit jetzt gekommen ist". Gerd Gerken führt weiter aus, daß der  Kontext wie ein Prozeß wirkt, der die unterschiedlichen Kräfte, auch gegnerische und zweifelnde, bündeln und umwandeln kann. Er focussiert (soziale) Energien und sorgt dafür, daß vage Ideen auf die Zeitachse der Dringlichkeit kommen. Aus nebulösen Vorsätzen und aus idealistischem Wollen wird damit eine konkrete Handlungs-Wirklichkeit, eine Dynamik des wirklichen Wollens.

Erfahrene Manager in der Kontext-Arbeit weisen interessanterweise gerne darauf hin, daß in einem neugeschaffenen Kontext die Position "Das ist nicht machbar" im Grunde eine der nützlichsten Positionen ist. Denn wenn ein konkretes Wollen auf einen konkreten Zweifel stößt, dann ergibt sich die Chance, Energien zu produzieren, indem aus latentem Desinteresse eine aktuelle emotionale Diskussion wird. Es muß sich jetzt praktisch jeder damit befassen. Dadurch gebiert der Kontext soziale Energie. Und das ist ja gerade die magische Qualität des Kontextes: auch wenn es plötzlich viele Gegener gibt und wenn sie alle sagen: "Das geht nicht...", je mehr sie das sagen und je intensiver sie das sagen, um so mehr Energie wird erzeugt. Nur wenn die Kontext-Arbeit schlecht oder mangelhaft ist, gibt es überhaupt keine Diskussion. Und das, was man per Diskussion nicht wahrnimmt, kann auch nicht verwirklicht werden. - (Das ist, nebenbei bemerkt, die gegenwärtige Situation der "Freien Energie". Keiner weißt davon, selbst diejenigen, die es wissen, wissen es plötzlich nicht mehr)

 

Um auf das Kennedy-Beispiel zurückzukommen. Kennedys Kontext "ein Mensch auf dem Mond in zehn Jahren" hat nachweislich viele Zyniker und Skeptiker auf den Plan gerufen, auch renommierte Gegner. Aber sie haben alle innerhalb des Kennedys-Kontextes argumentiert, d.h. sie haben gesagt, die Sache mit dem Mond ist nicht machbar. Sie haben keinen anderen Kontext angeboten, der die Energien hätte ablenken können. Aus diesem Grunde haben sie das Ziel " ein Mensch auf dem Mond in zehn Jahren" immer mehr gestärkt und es immer mehr in die Zone der Ziel-Erreichung geschoben. Der neue Kontext erschuf so seine eigene Energie und ermöglichte auf diese Weise wissenschaftliche und technologische Durchbrüche, die vorher unvorstellbar gewesen waren.

 

Zusammengefaßt: Entscheidend für die Realisierung des Ziels "Mensch auf den Mond bringen" war nicht die Intellegenz der Forscher und Technokraten, auch nicht die Hürden der Zyniker und Blockaden der "Das-klappt-nicht"-Menschen. Entscheidend war die Glaubenskraft, die in dem Kontext von Kennedy verankert war.

 

Aus dieser Perspektive wäre die Frage, warum die Zeit noch nicht "reif" ist, umzuformulieren in diejenige nach der Ursache und dem Grund, warum bisher noch kein gesellschafts-politischer (öffentlicher) Kontext für Freie Energie entwickelt worden ist. Und als These würde ich formulieren: die Glaubenkraft, die in einem derartigen Freie-Energie-Kontext zu verankern wäre, steht außerhalb der möglichen Glaubenkräfte, die unsere bisherige Kulturepoche (nicht etwa nur "Gesellschaft") zu entwicklen überhaupt fähig ist. Mit anderen Worten: die in der Freien Enerigie implizierten seelischen und weltanschaulichen Tiefendimensionen "verwerfen" fundamentale Glaubensätze unserer bisherigen Tradition und Kulturgeschichte als Glaubenssätze bzw. "verwerfen" diese Tradition letztlich selbst. Und gleichzeitig (er-)fordern sie eine neue weltgeschichtliche Epoche einer planetarischen, weltumfassenden Kultur bzw. eine "geistige Antizipation" derselben wie sie letztere auch fördert und mitzuentwickeln in der Lage wäre.

 

In dieser These ist bereits vorausgesetzt: Technologien und Maschinen auf Basis "Freier Energien" können unmöglich existieren als isolierte (und exotische) Einzelexemplare oder "Fremdkörper" einer Kultur, die ansonsten auf einem nach Prinzipien der fossilen Brennstoffen strukturierten Energieverbrauch und entsprechender seelischer (terrestischer) Bewußtseinsverfasung beruht. Freie Energie-Technologien werden  - so die weitere These - notwendigerweise integrales Moment einer völlig neuen Kulturstufe der Menschheit sein müssen, in der eine transklassische Naturwissenschaft und Technologie, ein transklassisches Weltbild resp. Religion und Metaphysik sowie ein neues Identitätszentrum für Subjektivität überhaupt im Mittelpunkt stehen würde und in der auch über bislang noch unbekannte "kreative Fähigkeits- und Handlungspotentiale" verfügt werden könnte.

 

2. "Metaphysik" und ihre Vergegenständlichung

 

Zunächst soll an dieser Stelle eine Denkfigur eingeführt werden, die Gotthard Günther (1900-1984) in seiner "Geschichtsmetaphysik"[2] ausführlich und systematisch dargelegt hat:

 

"Es ist ein Kennzeichen einer höheren Geschichtsepoche des Menschen ..., daß in ihr die metaphysischen Probleme der voraufgehenden historischen Daseinsdimension jetzt auf einmal zu technischen Existenzproblemen werden. ... Das ... geschieht ... (u.a.) mit den bisherigen metaphysischen Perspektiven des Bewußtseins." (in: Überwindung von Raum und Zeit, S. 235)

 

Die Botschaft und der erkenntnistheoretische Wert des Beitrages von T. Grotz ist es ja gerade, daß im Bereich der "Freien Energie" die östliche (indische) Metaphysik zu einem "technischen Existenzproblem" wird. (Hier wird ein prinzipiell anderer Akzent gesetzt als im Beitrag von Grotz, der auf eine "Harmonie" von östlicher Philosophie und moderner (westlicher) Wissenschaft zielt. Diese allgemeine Haltung einer irgendwie gearteten "Versöhnung" zwischen östlicher Mystik und westlicher Naturwissenschaft scheint mir eine fehlorientierende, zumindest eine reduktive Perspektive zu sein). - Grotz selbst zitiert den indischen Philosophen Swanni Vivekanada, der erkannte, daß " in diesem Falle (der mathematischen und technischen Realisierung der Veden, G.B.) die vedische Kosmologie auf das denkbar sicherste Fundament gestellt" würde (S.54, kursiv G.B.).

 

Es ist nicht uninteressant, darauf hinzuweisen, daß Gotthard Günther in seiner Grundlagenforschung das Ziel verfolgte, die westliche (europäische) Metaphysik - zumindest in Fragmenten - materiell in das physische Sein zu vergegenständlichen und so eine Art "transklassischen Dreistellendialog" zu konstruieren, in dem "...dem Ich wie dem Du ein Teil ihrer Reflexion abgenommen und der objektiven Instanz des ES zugewiesen (wird)"(Metaphysik, S.22; Stichworte sind u.a.: "mechanical brain", Transputer, intellegente Roboter). Und Günther sah nicht nur - wie viele seiner Zeitgenossen - darin

 

"etwas negatives, etwa eine Bedrohung der "Seele" oder ein Verwerfen der klassischen Tradition des Geistes ...Denn (in dieselbe Richtung argumentierend wie Swanni Vivekanada, G.B.) was hier geschieht, ist, man ist versucht zu sagen, fast eine Heiligsprechung der Spiritualität der vorausgegangenen Epoche. Damit nämlich, daß deren Prinzipien in formalisierter Gestalt ganz der Subjektivität entzogen und ins Objektive gesetzt werden kann, nehmen sie von jetzt an der ganzen Wahrheit, Würde und Unfehlbarkeit des Seins teil. Von nun an ist an ihnen das Stigma vergangener Zeit, "bloße" Subjektivität, Willkür und Möglichkeit des Irrtums zu repräsentieren, ausgelöscht. Der Mensch hat hier erstmalig in der Geschichte einen Schritt zur objektiven Sicherung seiner Existenz getan." (Mp. S.22)

 

Man könnte die gegenwärtige weltgeschichtliche Situation einer (perspektivischen) materiellen Realisierung der "Freien Energie" und des "mechanical brain" (Transputer, Roboter) dahingehend interpretieren, daß die bisherige, in Ost und West kulturgeschichtlich entwickelte Metaphysik sich "hier als historische Antizipation eines Bewußtseinszustandes (enthüllt), der auf einem nächst höheren Geschichtsniveau empirisch-praktisch realisiert wird." (Überwindung von Raum und Zeit, S.236)

 

Nur: was in der ganzen Diskussion über die Frage der materiellen, resp. der "zeitlichen" Realisation, und damit auch über diejenige nach dem geschichtlichen Prozeß, überhaupt nicht mehr wahrgenommen und thematisiert wird, ist die fundamentale weltgeschichtliche Folge, daß

 

" mit dem Augenblick, wo der philosophische Idealismus ( und die indische Philosophie) aus seinen transzendentalen Regionen hinuntersteigt und zu einer nach außen gewandten praktischen Haltung unserer Alltagsmentalität wird, ein fürchterliches metaphysisches Vakuum (entsteht). Die Notwendigkeit einer neuen Metaphysik (und Glaubenskraft), die jenseits der idealistischen Linie von Plato bis Hegel (und der indischen Veden) liegt, wird auf einmal sichtbar." (Überwindung, S.236, Klammer und Fett G.B.)

 

Empirisch-materielle Vergegenständlichung der bisherigen Metaphysik/Subjektivität, die das Individuum in der Vergangenheit belebt und motiviert hat, zieht notwendigerweise "den Abschluß einer weltgeschichtlichen Epoche größten Stils" (Mp. S.23) nach sich. Denn der Mensch, der die Arbeit der materiellen Vergegenständlichung bisheriger Metaphysik "unter neuen geschichtlichen Willensbildungen leistet", ist in seinen historisch-existenziellen Menschsein-Bestimmungen nicht mehr der gleiche, der er vor dieser Arbeit war. Er hat "seine historische Identität gewechselt" (Mp. 23) und ist gezwungen, daß "metaphysische Vakuum" mit einer neuen tranklassischen Metaphysik zu füllen. (Und in jener neuen Metaphysik wäre auch diejenige Glaubenskraft enthalten, die in einem Freie-Energie-Kontext verankert werden müßte)

 

3. Vom Klassisch-Kosmischen zum Transkosmischen

(theoretische Physik, transklassische Logik, Weltgeschichte)

 

 

4. Die Idee der "kosmischen Zivilisation" (N. Kardaschew)

 

 

5. Weltanschauliche und seelische Implikationen einer "planetarischen Kultur" (G.Günther)



[1]Zitiert nach Gerd Gerken, Geist - Das Geheimnis der neuen Führung ( Econ-Verlag 1991), 116f)

[2] Gemeint ins v.a. folgende noch unveröffentlichte Nachlaßschriften (Staatsbibliothek Berlin, Handschriftenabteilung, Nachlaß 196): "Apokalypse Amerika", Metaphysik der Institution", "Der Tod des Idealismus und das letzte Mythologem", "Dieser Substanzverlust" sowie seine Kommentare zu "Science-fiction-Romanen" (Rauchs Weltraum-Bücher Bd.1-4).