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Welternährung durch Ökolandbau?

Ein Kurzbericht

von Dr. Christophe Kotanyi

Von Freitag, den 22. Juni bis Sonntag, den 24. Juni 2001, trafen sich etwa hundert Biobauern und Wissenschaftler mit Studierenden und interessierter Öffentlichkeit auf einer Tagung der Arbeitsgruppe "Agrar-Kultur und Sozialökologie" gefördert von der Schweisfurth-Stiftung München zum Thema "Welternährung durch Ökolandbau?" an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Schwerpunkt der Tagung war die Frage nach den wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umstellung in der Agrarpolitik.

In ihren Referaten betonten unter anderen der Fernsehmoderator Franz Alt und Bernward Geier von der IFOAM die Notwendigkeit einer vollen, hundertprozentigen Umstellung in der Agrarpolitik, die sowohl aus ökologischen wie aus ethischen Gründen (Stichwort Nachhaltigkeit, Gerechtigkeitsgründe verlangen, die Selbstversorgermöglichkeiten der Landbewohner in der Dritten Welt nicht ständig weiter zu untergraben) unabdingbar ist. Die Bakteriologin Karin Köster-Lösche schilderte in einem gut verständlichen frei gesprochenen halbstündigen Vortrag die verblüffenden Verzögerungen und den jahrelangen gezielten Verdrängungsprozeß von Seiten der Regierungsvertreter in Großbritannien, der EU in Brüssel sowie in der Bundesrepublik und teilweise mit Druck oder Entlassungen zum Schweigen gebrachten Fachleute, die schließlich zur BSE Krise auch bei uns führten. BiobäuerInnen berichteten mehrfach über die trotz Agrarwende immer noch oft prekäre Lage der Biolandwirtschaft, besonders in Polen, aber auch in Frankreich und in Österreich, und forderten ein entschiedeneres Entgegensteuern seitens der Agrarpolitik in Brüssel. Ermutigend ist dagegen die Entwicklung in der Schweiz, mit einem bereits 8 %igen Anteil des Ökolandbaus an der Landwirtschaft, mit einem schon seit acht Jahren erfolgreich eingeführten Ökosiegel und einer aktiven Informationskampagne, die ein stetiges Wachstum im Biosegment des Lebensmittelmarktes gewährleistet.

Während der Tagung wuchs unter den weit über 100 Tagungsteilnehmern die Überzeugung, dass Welternährung durch Ökolandbau nicht nur möglich ist, sondern dass es anders auch gar nicht mehr geht, "denn dass die konventionelle Landwirtschaft uns nicht ernährt, das ist schon längst klar", formulierte Bernward Geier in seinem souveränen Überblick über Öko-Projekte in Afrika, Asien und Südamerika. Zu dieser Grundeinsicht gehört allerdings die Reflexion der Tatsache, dass der Begriff "Welternährung" zunächst ein wissenschaftliches Konzept zwecks Rechtfertigung der industriellen Landwirtschaft beinhaltet. Erst neuerdings greifen auch NGOs wie kirchliche Gruppen, Dritte-Welt-Läden u.ä. den Begriff auf, um auf das dahinter liegende ethische Problem hinzuweisen und Gerechtigkeit gegenüber den Armen, die meistens Landbewohner sind, einzufordern. Ziel des Ökolandbaus hingegen kann gar nicht sein, die Welt zu ernähren, hier geht es darum, sich zu ernähren, ohne Raubbau an der Erde zu betreiben.

Die jetzige Agrarwende muß daher auch eine Wende in den Zielsetzungen implizieren: Es müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass vor allem die Armen der Welt sich selber ernähren können, statt dass die Bürger durch eine immer kleinere Anzahl von industriellen Großbetrieben vorgeschrieben bekommen, was sie zu essen haben. Das bedeutet für die Ökolandwirtschaft wie für die einheimische Landwirtschaft in der Dritten Welt, dass der Zugang zu den Märkten gefördert werden muß. Daneben muß die öffentliche Information über ökologische Produkte absoluten Vorrang bekommen. Das Schulfach "Kochen" (oder Hauswirtschaft) wieder einzuführen, sei daher keineswegs so merkwürdig wie es auf den ersten Eindruck hin klingen mag, erklärte Ulrike Höfken, die agrarpolitische Sprecherin der Grünen.

Ursula Soltysiak von der Universität Warschau war beeindruckt, daß in Berlin an einem Wochenende so konzentriert und ohne alle Fluktuation im Plenum gearbeitet wird. Zahlreiche Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus Bayern, Berlin und Brandenburg, Bremen, Hamburg und dem südwestdeutschen Raum zeigten sich positiv überrascht über die lebendigen Diskussionen zwischen Studierenden, Wissenschaftlern, Bauern und Politikern. Vor allem die Bäuerinnen im Publikum erwiesen sich als kritische Kommentarinnen der wissenschaftlichen Vorträge. Janina Saacke vom einzigen Demeterhof in Polen wetterte über die Bevormundungstendenzen seitens westlicher Wissenschaftler gegenüber den in Augen Letzterer offenbar armen dummen Bauern im Osten.

Die studentische Gruppe "Flora Soft" sowie die ehrenamtlich arbeitende Gruppe "Öko-Fee", Büchertische u.a. von FIAN, eine Ausstellung vom Weltfriedensdienst über ein Bäuerinnenprojekt in Zimbabwe und andere ehrenamtliche Helfer sorgten für ein wohltuendes "Drumherum".

Anschließend an die Tagung fand sich im Museumscafé eine Gruppe von Referenten und Teilnehmern zusammen, um zu überlegen, wie die Ergebnisse der Tagung in eine Art neues "Agrarbündnis" überführt werden könnten. Denn die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass Opfer einer verbraucherschutzorientierten Agrarpolitik ausgerechnet diejenigen werden, die die Voraussetzungen für diese Wende geschaffen haben: die Biobauern auf den kleineren bis mittelgroßen Höfen.

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