Beitrag zur Gartenkonferenz 2000
Perspektiven der Garten- und Kleinstlandwirtschaft in Stadt und Land - zur sozialen und ökologischen Notwendigkeit einer "weiblichen Ökonomie"  vom 21. - 25. Juli 2000 in Berlin, AG Kleinstlandwirtschaft und Gärten in Stadt und Land, C/O Freie Universität Berlin, Institut für Soziologie, Elisabeth Meyer-Renschhausen, Bülowstr. 74, D-10783 Berlin, Tel.:+49 (0)30 - 261 22 87, gartenkonferenz@gmx.de , http://userpage.fu-berlin.de/~garten/

 
 
 
 

Brigitte N. Vogl-Lukasser* & Christian R. Vogl**
* Institut für gärtnerische Pflanzenphysiologie, Universität Wien
** Institut für Ökologischen Landbau, Universität für Bodenkultur, Wien

Hausgärten der Mayas (Choles und Tzeltales) im Tiefland von Chiapas (Mexiko) – Struktur, Pflanzenarten und deren Nutzung.

Dieser Buchbeitrag stellt eine überarbeitete Kurzfassung des Buches: Hausgärten des Mayas: Zwischen Tradition und Moderne, VOGL (1998) dar.
 

Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung
2. Untersuchungsregion
3. Methoden
4. Ergebnisse

4.1. Arbeitsabläufe zur Entstehung und Gestaltung der Hausgärten
4.2. Struktur und Zusammensetzung der Gärten
4.2.1. Horizontale Struktur der Gärten
4.2.2. Vertikale Strukturen in den Gärten
4.3. Architektur und Materialien der Gebäude in den Gärten
4.4. Botanische Zusammensetzung
4.4.1. Artenzahl in taxonomischer Beziehung
4.4.2. Artenzahl in geographischer Beziehung
4.4.3. Artenzahl in vegetationskundlicher (pflanzensoziologischer) Beziehung
4.5. Art der Nutzung der Pflanzen
4.6. Art der Handhabung der Pflanzen
4.7. Funktionen der Hausgärten
4.7.1. Ernährung und Gesundheit
4.7.2. Soziale und kulturelle Funktionen
4.7.3. Wirtschaftliche Funktionen
4.7.4. Ökologische Funktionen
5. Diskussion
6. Literaturverzeichnis
7. Literatur die zur Bestimmung der Pflanzenarten vor Ort diente
 
 
 

1. Einleitung

Das jahrtausendelange Bestehen der Kultur der Mayas im tropisch feuchten Tiefland wird u.a. durch das Anwenden eines intensiven Landnutz-ungssystems erklärt (WILHELMY 1989: 408: "Nirgends im alten Maya-Tiefland sind durch die neuzeitliche Entwicklung Bevölkerungszahlen erreicht worden, die sich auch nur entfernt mit denen der klassischen und spätklassischen Zeit vergleichen lassen"). Hausgärten (Baumgärten) waren ein Teil dieses Landnutzungssystems der Maya (WILHELMY 1989). In dieser Tradition bepflanzen die verschiedenen Ethnien der Maya auch noch heute die Flächen um ihre Häuser. Den traditionellen tropischen Hausgärten wird in der Literatur eine hohe Angepaßtheit an das jeweilige Ökosystem beschieden. Das Wissen über die Vielfalt der traditionell genutzten kultivierten, halbkultivierten und wilden Pflanzenarten unter traditionell lebenden Ethnien wird als sehr wertvoll betrachtet (TOLEDO et al. 1976, TOLEDO 1978, CABALLERO et al. 1985, CASAS et al. 1987, ALCORN 1993, ALTIERI 1993, BELLON 1993, GUTIERREZ 1993, LEFF 1993, PARRA-VAZQUEZ 1993, TOLEDO & ARGUETA 1993, VILLARREAL 1993).

Die Umgebung von Palenque (Chiapas / Mexiko) ist jedoch eintausend Jahre nach der Hochblüte der Mayas durch große, extensive Viehweiden von mestizischen Großgrundbesitzern, Reinkulturen von Pfefferoni und Mais, Abholzung des Regenwaldes durch konzessionierte Holzhändler und zunehmende Erosion der genutzten Flächen gekennzeichnet (MUENCH-NAVARRO 1978, CASCO 1981, CASCO-MONTOYA 1990, TOLEDO 1990, CIEDAC 1991, AUBRY 1992, VASQUEZ-SANCHEZ und RAMOS-OLMOS 1992, GOMEZ-POMPA 1993, PRICE and HALL 1993).

Im Gegensatz zu großflächigen Aktivitäten der nicht-indianischen Mexikaner vor Ort in den letzten 150 Jahren (Holzschlägerungen, Viehfarmen, Erdölexploration) steht die kleinräumig orientierte Subsistenzwirtschaft der indianischen Kleinbauern, die seit den sechziger Jahren aus den Bezirken Tila, Tumbala, Yajalon, Bachajon u.a. in diese Region ziehen. Das subsistenzorientierte Wissen der indianischen Kleinbauern, dem eine große Standortanpassung zugeschrieben wird, geht jedoch zunehmend verloren und wird durch agrarindustrielle Techniken, wie sie Radio, Fernsehen und staatliche Berater empfehlen, ersetzt. Verschiedene agrarökologische Studien stellen als Folge massive Umweltzerstörung, Abfall der Bodenfruchtbarkeit und Reduktion der Tragfähigkeit des Systems fest (MUENCH-NAVARRO 1978, CASCO 1981, CASCO-MONTOYA 1990, TOLEDO 1990, CIEDAC 1991, AUBRY 1992, VASQUEZ-SANCHEZ & RAMOS-OLMOS 1992, GOMEZ-POMPA 1993, PRICE & HALL 1993).

In diesem Zusammenhang besteht die Vermutung, daß auch die Hausgärten und ihre Bewirtschaftung einem Wandel unterworfen sind, der die beschriebene Funktionalität und Stabilität von Hausgärten gefährdet. Dieser Buchbeitrag liefert eine Momentaufnahme des aktuellen Zustandes von 30 Hausgärten der Choles und Tzeltales aus der Region südlich von Palenque sowie des Wissens ihrer BesitzerInnen über die vorkommenden Pflanzenarten sowie deren Nutzung.
 
 

2. Untersuchungsregion

Die Region, in der die Untersuchung durchgeführt wurde, liegt im Bezirk Palenque im Bundesstaat Chiapas im Südosten Mexikos mit einer jährlichen Durchschnittstemperatur von 24,3 °C und einem durchschnittlichen Jahresniederschlag von 2.330 mm. Das Klima ist durch zwei Trockenzeiten gekennzeichnet. DieTrockenzeit um den April ist von großer landwirtschaftlicher Bedeutung, da in diese Zeit die Brandrodung fällt. Unmittelbar vor den ersten Regenfällen Mitte Mai werden von den Siedlern in der Region auf den Rodungsflächen die Grundnahrungsmittel Mais und Bohnen gesät. Daneben stellen der Anbau von Pfefferoni als Marktfrucht und die extensive Rindermast wichtige landwirtschaftliche Aktivitäten dar (siehe dazu VOGL 1998). Kalkkuppen und Kalkkegel rahmen die Längstäler ein und prägen das Landschaftsbild. In Siedlungen (in der Regel nach dem rechtlichen Prinzip des ejido organisiert) entlang der in den Längstälern die Region von Nord nach Süd durchziehenden Straßen, aber auch in abgelegenen Lagen leben seit Einsetzen einer Migrationswelle aus dem Hochland Choles, Tzeltales, sowie in geringerer Anzahl Mestizen und Nachfahren anderer Ethnien der Maya.

Die Untersuchungsregion und angrenzende Regionen (z.B. der Petén in Guatemala, Yucatan, das Hochland von Chiapas) sind seit Jahrhunderten Siedlungsgebiet verschiedener Mayavölker. Der Zeitraum zwischen 400 v. Chr und 100 n. Chr. ist durch die Hochblüte verschiedener Siedlungs- und Kultzentren im angrenzenden Petén gekennzeichnet. Zu dieser Zeit ist Palenque bereits besiedelt. Von 600 - 800 n. Chr. leben im benachbarten Tikal 500.000 Einwohner. Vom 3. bis zum 10. Jahrhundert sind Yaxchilan, Bonampak und Palenque selbst religiöse Zentren. In der Region wird intensive Landwirtschaft betrieben. Mitte des 10. Jahrhunderts verliert Palenque an Bedeutung. Die kulturellen Zentren der Mayavölker werden auf die Halbinsel Yucatan verlegt. Es kommt zu einem massiven Bevölkerungsrückgang. Die Region bleibt nur von wenigen Maya-Kleinbauern besiedelt.

Erst seit den sechziger Jahren dieses Jahrhunderts leben wieder Choles und Tzeltales im feucht-heißen Tiefland von Chiapas im Süden der Bezirkshauptstadt Palenque. Es sind junge Familien, die wegen der Abschaffung der Schuldknechtschaft und der gescheiterten Agrarreform seit dem Jahr 1960 vor der Landknappheit und dem Hunger aus ihrem angestammten Siedlungsraum (Ocosingo, Salto de Agua, Tila, Tumbala, Yajalon, u.a.) fliehen und südlich von Palenque einen neuen Lebensraum finden.

Das Sammeln von Palmblättern (Chamaedora sp.), Barbasco (Dioscorea composita ) und Gummi (Manilkara sp.), die Jagd und die Lohnarbeit für bzw. der Holzverkauf an Holzfirmen in den 60er-Jahren ermöglichte noch für einige Kleinbauern einen Zuerwerb. Mit der Bevölkerungszunahme im Tiefland und der fortschreitenden Reduktion des Primärwaldes zugunsten von Feldern und Sekundärvegetation nehmen diese Produktionszweige über die Jahre drastisch ab und sind heute de facto verschwunden. Auch heute noch ernten Bauern (jedoch nur mehr in bescheidenem Ausmaß) am Weg zu ihren Feldern, in der Umgebung der Felder und an ihnen bekannten Gunststandorten Heilpflanzen, Gemüse- und Gewürzkräuter. Der noch nicht aufgeblühte Blütenstand der Palme Hexopetion mexicanum (Chapay genannt) stellt eine dieser Delikatessen dar, die von den Bauern jährlich gesammelt wird. Wo heute noch alte Obstbäume wie Zapote (Pouteria sapota) stehen, deren herabgefallene Früchte Wild anlocken, ist die Jagd unter Umständen noch erfolgreich.

Die aktuelle Situation der Siedler in der Region, insbesondere aber der indianischen Kleinbauern ist u.a. geprägt durch unzureichende Anbindung an die stattliche Infrastruktur für Transport, Bildung und Gesundheitswesen, geringe Möglichkeiten politischer Mitbestimmung, gegenüber dem Landesdurchschnitt hohe Preise für alle Produkte des täglichen Bedarfes, fehlende Möglichkeiten außerlandwirtschaftlichen Zuerwerbes sowie durch regelmäßige Verletzung von Menschenrechten.
 
 

3. Methoden

Einer der wichtigsten und zeitintensivsten Arbeitsschritte der Feldforschung zu Hausgärten ist der Aufbau einer persönliche Beziehung zu den BesitzerInnen der zu untersuchenden Hausgärten. Zur "Herstellung eines wirklichen Vertrauensverhältnisses ... ist es unerläßlich, daß der Feldforscher seine Gesprächspartner nicht nur als Informanten oder Studienobjekte betrachtet, sondern als Menschen ernst nimmt und ihnen diese Einstellung glaubwürdig vermittelt!" (CAIN 1985: 130). "Das vielleicht wichtigste Postulat, welches ich den einzelnen Ausführungen voranschicken will, ist, die Menschen, mit denen man es zu tun hat, zu achten und sie nicht als bloße Datenlieferanten zu sehen." (GIRTLER 1988: 11). Den genannten Grundsätzen verpflichtet, wurde während der gesamten Dauer der Feldforschung in einem indianischen ejido gewohnt, Bäuerinnen und Bauern bei der Arbeit begleitet und verschiedenen Aktivitäten wie Dorffesten und Veranstaltungen der in der Region tätigen indianischen Menschenrechtsorganisation und der Dörfer bzw. ihrer Bewohner mitgefeiert. Diese informellen, nicht direkt mit der Datenerhebung in Zusammenhang stehenden Besuche ermöglichten es, den Menschen die eigene Forschungstätigkeit in der Region zu erklären. Die Gespräche drehten sich dabei in erster Linie nicht um fachliche Fragen, sondern um persönlichen interkulturellen Erfahrungsaustausch. Der Satz "Selbstverständlich gab es auch Interviews, in denen wir die Interviewten waren" (WERLHOF 1985: 44) trifft genau diese Situation. Erst die Offenheit und Bereitschaft von sich zu erzählen, ließ viele GesprächspartnerInnen ausführlich von eigenen Erlebnissen, der eigenen Geschichte, den eigenen Erfahrungen und der Arbeit im Hausgarten sprechen.

Bei den Besuchen der Gärten wurde die quantitative und qualitative Datenerhebung in ihrer zeitlichen Abfolge nicht streng getrennt. Die Datenerhebung und Gespräche mit den Choles und Tzeltales fanden meist nicht nach einem genau festgelegten Zeitplan statt, sondern richteten sich nach der Bereitschaft der Menschen, sowie nach ihrem Arbeitsrhythmus und der Witterung. In welcher Reihenfolge die geplanten Fragen bei den Gartenbesuchen gestellt werden konnten, hing von der Gesprächsdynamik der Gastgeber ab. Ein anderes Verhalten (forschend, gerichtet nach einem Fragebogen) hätte Mißtrauen erweckt und wäre außerdem als unhöflich empfunden worden.

Aufgrund der angespannten politischen Situation in der Untersuchungsregion während der Zeit der Untersuchungen müssen auf Wunsch der Befragten Dorfnamen abgekürzt und Gartenbezeichnungen anonymisiert werden.

Die Feldforschung erfolgt in je 15 Hausgärten in zwei Dörfern (A, B) südlich von Palenque im Jahr 1993 während einer Dauer von 8 Monaten. Gesprächspartnerinnen waren in erster Linie Frauen. In Form von freien (narrativen) Interviews, die als Gespräch im Stil der Alltagskommunikation geführt wurden, und mit teilnehmenden Beobachtungen erweitert, wurde die Funktion der verschiedenen Teile der Hausgärten und die Nutzung der Pflanzenarten aufgezeichnet.

Um zu einer vollständigen Erfassung der Pflanzenarten und der Individuenzahl für jede Pflanzenart zu gelangen, wurden die Gärten mehrmals besucht. Herbarbelege wurden für jede Pflanzenart (über das ganze Jahr hindurch) angefertigt. Die Belege wurden regelmäßig nach México City gebracht und im Nationalherbar der Universität von México City bestimmt. Von den erhobenen Daten werden in diesem Buchbeitrag nur ausgewählte Teile dargestellt.
 
 

4. Ergebnisse

4.1. Arbeitsabläufe zur Entstehung und Gestaltung der Hausgärten

Die Parzelle (solar) im Dorf (ejido), auf der Garten und Wohnhaus angelegt werden, wird von der Generalversammlung des Dorfes zugewiesen. Die Größe der Parzellen für diesen Zweck sind innerhalb des Dorfes für alle Bewohner gleich, von Dorf zu Dorf aber unterschiedlich. So beträgt die Größe der Gartenparzellen im Dorf A 2025 m2 und im Dorf B 2500 m2. Am Beginn der Gartenanlage werden ca. 60% der Fläche die mit Sekundärwald bedeckt ist, mit dem Haumesser (machete), zum Zweck der Errichtung des Hauses sowie zum Anbau von Kulturpflanzen, gerodet. Einige Bäume, die einen Nutzen aufweisen z.B. Schattenbäume, Obstbäume, werden belassenn. Der verbleibende Teil der Fläche bleibt vorerst mit Sekundärvegetation bedeckt. Nach der Rodung werden zunächst Obstbäume gesetzt. Solange sie klein sind und noch keinen Ertrag geben, werden zwischen ihnen Mais, Kürbis oder andere Feldfrüchte gepflanzt. Diese Feldfrüchte werden solange angebaut, bis die angepflanzten Bäume zuviel Schatten für diese Kulturen bilden.

NEUGEBAUER (1986) weist darauf hin, daß Hausgärten durch immerwährendes Pflanzen, Verändern und Pflegen angelegt werden, ohne daß schließlich jemand wüßte, wie das Ergebnis, nämlich ein diversifizierter Baumgarten, zustande gekommen wäre. Bei den jüngeren Gärten ist zu beobachten, daß dieser traditionelle Weg des Anlegens eines Gartens immer mehr einem moderneren Weg weicht: Pflanzen werden in größeren Mengen der gleichen Art z.B. von Baumschulen gekauft. Dies hat zur Folge, daß eine Anpflanzung in Reihen nach Pflanzenarten in einem Arbeitsgang ermöglicht wird.

Für die Hütte werden in der Regel zu Beginn der Besiedelung des Gartens nur die Grundpfeiler und das Hüttendach errichtet. Die Wand aus Brettern wird erst aufgenagelt, wenn wieder genügend Geld und Zeit dafür zur Verfügung stehen. Die Errichtung des Gartens und der Gebäude im Garten ist somit ein kontinuierlicher, über Jahre sich erstreckender, permanent gestaltender Prozeß. Es wird nicht alles auf einmal angepflanzt und fertiggestellt.

Die Bäuerin ist neben dem Kochen, der Kinderbetreuung, dem Holzholen und der Kleintierhaltung auch für wesentliche Arbeiten im Garten zuständig. Sie ist diejenige, die bestimmt, wo Pflanzen gesetzt werden. Sie teilt den Garten in verschiedene Zonen ein. Frauen sind im Garten zuständig für die Heilpflanzen, Nahrungspflanzen, Pflanzen, die als Brennholz Verwendung finden und Zierpflanzen. Für Pflanzen von denen Baumaterialien und arbeitstechnisch in anderer Form verwendete Materialien gewonnen werden, sind die Männer zuständig.

In älteren Gärten findet eine weniger intensive Betreuung als in den Anfangsstadien der Errichtung des Gartens statt. Es werden weder Mineralstoffdünger noch chemische Schädlingsbekämpfungsmittel verwendet. In der Regel erfolgt kein Schnitt der Bäume; und wenn, dann nur vereinzelt bei veredelten Orangen.

Die krautigen und grasartigen Pflanzen, die den Boden bedecken und nicht gezielt angepflanzt wurden, werden mit dem Haumesser (machete) abgehackt (keine Entfernung mit der Wurzel) wenn diese zu hoch geworden sind und dadurch das Durchgehen nicht mehr möglich ist. Die gemähten Pflanzenteile bleiben dann an Ort und Stelle liegen. Es wird nicht gezielt mit organischem Material gedüngt, sondern es bleibt vieles an organischer Masse, die im tropischen Klima schnell verrottet, einfach liegen, wo sie abgehackt wurde. Auch der Mist der Kleintiere wird nicht von den Menschen gezielt verteilt, sondern er bleibt an Ort und Stelle liegen. Eine weitere wichtige Pflegearbeit ist das Verbrennen von jenem organischen Material, das nicht als Brennholz verwendet wird und nur langsam verrottet, gemeinsam mit Müll und Unrat. Sofern ein Zaun aus Pflanzen vorhanden ist, wird dieser regelmäßig gestutzt, damit sich keine Schlangen und Ratten verstecken, und/oder erneuert.

Intensiv betreut wird jener kleine Teil des Gartens mit Gemüse und Kräutern, der eingezäunt ist. Ebenfalls intensiver betreut wird der Bereich in unmittelbarer Nähe der Küche und des Wohnhauses. Dort befinden sich in einigen Gärten Pflanzen in Töpfen auf Holzgestellen, an der Hauswand oder am Boden. Die Pflanzen dieser Bereiche werden gegossen, umgepflanzt und die Kübel immer wieder neu bepflanzt. Der Platz in unmittelbarer Umgebung des Hauses wird öfter gereinigt als andere Teile des Gartens, damit die Fläche vor den Häusern, die ja nicht stark beschattet ist, frei von Vegetation bleibt und ein ungehinderter Zugang und Freiraum zum Arbeiten vorhanden ist.

Geerntet wird von den Frauen nach Bedarf, wenn die verschiedenen Früchte und Pflanzen reif sind. Die Kinder suchen sich häufig im Garten eßbare Früchte und andere Pflanzen, achten dabei vielfach aber nicht darauf, ob die Früchte schon reif sind. Diese werden dann oft auch in unreifem Zustand lange vor dem idealen Erntezeitpunkt verspeist oder als Spielzeug verwendet.

Die Reproduktion der Pflanzen in den Gärten geschieht auf verschiedene Art. Samen, Stecklinge oder Jungpflanzen werden von Besuchen bei Verwandten, von der Arbeit auf den Feldern oder aus der Stadt mitgebracht.

4.2. Struktur und Zusammensetzung der Gärten

Der strukturelle Aufbau der Gärten setzt sich zusammen aus der horizontalen Anordung der Pflanzenarten und der Gebäude auf der Gartenfläche, der vertikalen Anordnung der Pflanzenarten im Stockwerkbau, der vertikalen Ausdehnung der Gebäude sowie der Anzahl und Art der vorhandenen Pflanzenarten und Gebäude. Die Strukturen sind eng mit den sozialen, kulturellen, ökonomischen und ökologischen Funktionen verknüpft.

4.2.1. Horizontale Struktur der Gärten

Die Gärten haben einen rechteckigen Grundriß. 20 der 30 untersuchten Gärten sind eingezäunt Die Einzäunung ist unterschiedlich in Vollständigkeit und verwendetem Material. Die am häufigsten eingesetzten Pflanzen für lebende Zäune sind Bromelia sylvestris, Yucca elephantipes und Hamelia patens. Es werden auch Holzpfosten als tote Zäune verwendet. Bei den 10 nicht eingezäunten Gärten sind die Gartengrenzen den Nachbarn bekannt und werden respektiert.

In Anlehnung an CABALLERO (1992), RICO-GRAY et al. (1990) und HERRERA CASTRO et al. (1993) werden in den 30 untersuchten Gärten die Flächen folgendenen fünf Bereichen sogenannten "Zonen" zugeordnet: Zone des unmittelbaren Wohnbereichs, Zone der Zierpflanzen, Zone des Gemüse- Kräuteranbaus, Zone der Baumkulturen, Zone der Sekundärvegetation.

Die genannten fünf Zonen unterscheiden sich in Größe, Artenzusammensetzung und Funktion. Größe und Artenzusammensetzung der einzelnen Zonen variieren in den untersuchten Gärten und geben jeder Zone und jedem Garten einen typischen Aufbau, obwohl jede Zone eine klare funktionale Zuordnung aufweist.

Zone des unmittelbaren Wohnbereiches

Die Zone ist in allen 30 untersuchten Gärten vorhanden. Sie bildet in allen Gärten die unmittelbare Umgebung von Küche und Wohnhaus, die entweder frei von Vegetation gehalten (Erdboden), oder durch ständiges Jäten und Mähen der Pflanzen mit der machete als Rasen verwendet wird. In diesem Bereich des Gartens werden verschiedene Arbeiten, wie Rebeln der trockenen Maiskolben, Rupfen von Hühnern, Nähen, Haareschneiden, Schnitzen, Herstellen und Instandsetzen von Arbeitsgeräten, Herstellung von Gebrauchsgegenständen u.a.m. verrichtet. Hier werden auch Kleintiere, wie Hühner, Truthühner, Enten und Schweine mit Mais und Küchenabfällen gefüttert. Verschiedene Arten von Samen sowie Wäsche werden in dieser Zone – meist auf einem Holzgestell – zum Trocknen in der Sonne aufgelegt. Außerdem gibt es von den 30 untersuchten Gärten in acht Gärten Gewürz- und Heilkräuter neben der Küche, die in alten, für die Küchenarbeit ausgedienten Kochtöpfen und anderen Gefäßen angepflanzt werden. Diese stehen nicht direkt am Boden, sondern erhöht auf einem Gestell aus Holz oder Ziegeln. Eine gemeinschaftlich errichtete Wasserleitung versorgt alle Gärten mit fließendem Wasser. Der Wasserhahn befindet sich in der Nähe der Küche. Der Waschplatz dient in erster Linie zum Waschen von Geschirr und als Trinkwasserquelle. Er wird meist von Bäumen eingerahmt, die der Schattenbildung dienen. Wenn dieser Platz auch zum Duschen bzw. Baden verwendet wird, dann ist er durch ein Holzgestell, das mit Palmblättern bedeckt ist, vor neugierigen Blicken abgeschirmt. Bei manchen Häusern gibt es einen eigenen, abgetrennten, kleinen Platz direkt neben dem Wohnhaus zum Duschen. Geduscht wird mit – in einem Kübel bereitgestellten meist etwas gewärmten – Wasser, das mit Hilfe einer kleineren Schüssel über den Körper verteilt wird. Zum Wäschewaschen gehen die Frauen meist zum Fluß.

Zone der Zierpflanzen

Diese Zone ist in 14 Gärten vorhanden. Der Platz für Zierpflanzen befindet sich auf der zum Weg liegenden Seite der Häuser. Diese Pflanzen sind Schmuck des Hauses. Sie werden auch bei kirchlichen Festen zum Schmücken der Kirche, zum Schmücken der Hausaltäre und der Gräber verwendet. Folgende Zierpflanzen sind häufig zu finden: Mirabilis jalapa, Sprekelia formosissima, Caesalpinia pulcherrima, Canna edulis.

Zone des Gemüse- und Kräuteranbaus

Diese Zone ist in 20 Gärten vorhanden. Die Kräuter und Gemüsepflanzen, die in der Regel viel Licht benötigen, werden an einem nicht beschatteten, kleinen, eingezäunten Bereich des Gartens, angepflanzt. Durch einen Zaun vor den Tieren geschützt werden hier Gemüsepflanzen wie Colocasia esculenta, Ipomoea batatas, Gewürzpflanzen wie Capsicum annuum, Coriandrum sativum und Heilkräuter wie Cymbapogon citratus und Ocimum carnosum angebaut. In einem Garten des Dorfes A wird nur eine Gemüseart, Yucca (Manihot esculenta), die am Markt in Palenque verkauft werden kann, angebaut. Spontanwachsende bzw. durch weggeworfene Samen wachsende Bäume (z.B. Carica papaya), die hier keimen, werden solange stehengelassen, bis sie in einen anderen Bereich des Gartens oder aufs Feld verpflanzt werden können.

Zone der Baumkulturen

Diese Zone ist bei allen untersuchten Gärten vorhanden. Sie nimmt zwischen 50% und 75 % der Gesamtfläche des Gartens ein. Alle hier vorkommenden Pflanzen werden intensiv, in erster Linie als Nahrungsmittel genutzt. In dieser Zone befinden sich hauptsächlich Bäume, Sträucher und Riesenstauden, die vorwiegend gezielt angebaut werden. Einige spontanwachsende Bäume, die schon vor der Errichtung des Gartens vorhanden waren (z.B. Swietenia macrophylla), werden stehengelassen. Der Unterwuchs besteht aus Stauden, einjährigen Pflanzen, Halbsträuchern und Sträuchern. Folgende Bäume sind in dieser Zone häufig zu finden: Byrsonima crassifolia, Cocos nucifera, Mangifera indica, Persea americana, Psidium guajava, Spondias purpurea, Citrus spp.. Folgende Riesenstauden und Sträucher sind in den meisten Fällen zu finden: Musa spp., Jatropha curcas, Piper auritum, Theobroma cacao, Cnidoscolus chayamansa, Senna fruticosa, Hamelia patens, Sambucus mexicana, Capsicum annuum. Der Unterwuchs besteht aus Stauden und einjährigen Pflanzen. Die wichtigsten davon sind: Zingiber officinale, Chenopodium ambrosioides, Solanum nigrum, Portulaca oleracea. Einige Kletterpflanzen wie Sechium edule und Dioscorea bulifera befinden sich ebenfalls in dieser Zone. Sie werden neben niederwüchsigen Bäumen wie z.B. Citrus spp. eingepflanzt, wo sie sich hochranken und mit Hilfe eines langen Stockes gut geerntet werden können. Zum Schutz vor dem Ausgraben der Wurzel durch die Schweine werden um den Baum und die Kletterpflanze Holzstäbe in den Boden gesteckt.

Zone der Sekundärvegetation

Diese Zone mit extensiver Nutzung kommt in 19 Gärten vor. Sie nimmt zwischen 5% und 20% der gesamten Gartenfläche ein und besteht ausschließlich aus der spontanwachsenden, lokalen Sekundärvegetation. Die Zone ist durch einen sehr dichten Bewuchs gekennzeichnet. Die Pflanzen werden hauptsächlich als Heilpflanzen, Feuerholz und manchmal auch als Bauholz verwendet. Hier befindet sich die Latrine oder das "Naturclo". Außerdem dient dieser eher undurchdringliche Teil des Gartens als Schattenspender, Unterschlupf und Nahrung für die Kleintiere des Gartens. Die botanische Zusammensetzung dieser Zone wurde nicht untersucht.
 
 

4.2.2. Vertikale Strukturen in den Gärten

Nach BERGERET (1986), NIÑEZ (1985) und BARRERA (1980) können tropische Gärten als vereinfachte Version der allgemeinen Strukturen des tropischen Regenwaldes angesehen werden. Die vertikale Struktur der Vegetation in den Gärten kann in Stockwerke unterteilt werden. "Tropical gardens also have several vegetation storeys, imitating the tropical forest structure." V. NIÑEZ (1985). Die Vegetation der untersuchten Gärten wurde in vier Stockwerke unterteilt: Stockwerk I: Pflanzen von 0 bis 1,5 m Höhe; Stockwerk II: Pflanzen von 1,5 bis 4 m Höhe; Stockwerk III: Pflanzen von 4 bis 12 m Höhe; Stockwerk IV: Pflanzen von über 12 m Höhe. Die Verteilung der wichtigsten Pflanzenarten auf die vier Stockwerke ist in Tabelle 1 dargestellt.

Tabelle 1: Die am häufigsten in den 30 untersuchten Gärten vorkommenden Pflanzenarten in den Stockwerken I bis IV mit der Anzahl der Gärten, in denen sie vertreten sind.
Stockwerk Pflanzenart
Anzahl der Gärten
Stockwerk I Capsicum annuum
23
  Tagetes erecta 
20
  Tradescantia spathaceae
17
  Ocimum micrantha
14
  Cymbopogon citratus
12
  Chenopodium ambrosioides
11
  Kalanchoe pinnata
11
  Solanum nigrum
11
Stockwerk II Citrus sinensis
27
  Bixa orellana
16
  Saccharaum officinarum 
15
  Cnidoscolus chayamansa
15
  Citrus latifolia
15
  Cnidoscolus aconitifolius
14
  Hibiscus rosa sinensis
14
  Senna fruticosa
14
  Manihot esculenta
13
  Citrus limetta
13
  Coffea arabica
12
  Carica papaya
11
Stockwerk III
Annona muricata
24
  Byrsonima crassifolia
24
  Psidium guajava
24
  Citrus nobilis
24
  Annona reticulata
23
  Sabal yapa
21
  Citrus aurantifolia
21
  Spondias purpurea
17
  Musa AAA
17
  Musa AAB
17
  Erythrina berteroana
15
  Triumfetta semitriloba 
15
  Aegiphila monstrosa
15
Stockwerk IV
Mangifera indica
27
  Persea americana
25
  Cocos nucifera
24
  Guacuma ulmifolia
18
  Inga paterno
17
  Pouteria sapota
13

 

4.3. Architektur und Materialien der Gebäude in den Gärten

In allen 30 untersuchten Gärten ist die architektonische Bauart des Wohnhauses und der Küche gleich. Es sind einstöckige, ebenerdige, einräumige Hütten mit rechteckigem, langgestrecktem Grundriß. Es gibt keine Abtrennung von Raum und Dachkonstruktion. Die Dächer, die von einer hölzernen Pfostenkonstruktion getragen werden, sind steil und auf beiden Seiten abgeschrägt. Die Hütten besitzen meist keine Fenster sondern nur Türöffnungen auf den beiden Langseiten. Küche und Wohn-Schlafhaus sind in 23 Gärten in getrennten Gebäuden (in einem Garten ist die Küche unter einem Schutzdach, in den anderen existieren gesonderte Küchenhäuser) und in 7 Gärten in ein- und demselben Gebäude, wobei die Küche vom Wohn/-Schlafraum durch eine Wand getrennt ist. Über diese Wand, die in einigen Häusern nur Hüfthöhe erreicht, werden Kleidungsstücke und Tücher gehängt.

Die Küche ist in allen Gebäuden mit einer offenen, auf Holzfüßen stehenden, mit Brettern eingefaßten und mit Sand und Steinen ausgefüllten, offenen Feuerstelle ausgestattet. Das Kücheninventar besteht aus einem Mahlgerät für Mais, dem Comal (eine leicht gewölbtes, dünnes Blech zum Backen der Maisfladen, die vor jedem Kochvorgang mit Kalk eingerieben wird) einigen Kochtöpfen, Vorratskörben, ausgehöhlten Flaschenkürbissen als Aufbewahrungsgefäß (harte Frucht der Kürbisart Lagenaria siceraria) und Jicaras als Gefäß (harte Frucht des Calebassenbaumes Crescentia cujete).

Im Wohnhaus befindet sich in den meisten Häusern ein Mobiliar bestehend aus zwei bis drei Sesseln, meist nur einer Hängematte und einem niedrigen Bettgestell aus Holz. In der Regel schlafen der Großteil der Familienmitglieder (3 bis 12 Personen) auf Tüchern auf dem Boden.

In 5 Gärten werden ausschließlich pflanzliche, traditionelle Baumaterialien wie Palmblätter (z.B. Sabal yapa ) für Dächer, Holzstäbe (z.B. aus gespaltenen Palmstämmen von Sabal yapa ) als Wände sowie Rinden (z.B. von Ochroma pyramidale) zur Verbindung der verschiedenen Bauelemente bei den Gebäuden verwendet . Der Fußboden ist in diesen Gebäuden ein gestampfter Erdboden.

Ausschließlich "moderne" Baumaterialien wie Wellblech für das Dach, gesägte Bretter oder Ziegel für die Wand sowie Nägel und Nylonschnüre zum Zusammenhalten der Bauelemente wurden bei den Wohnhäusern in 6 Gärten verwendet. Der Boden besteht in diesen Hütten aus Zement. Diese Wohnhäuser sind auch in ihrer Architektur etwas abgeändert (flacheres Dach, Fenster in den Seitenwänden, Räume im Wohnhaus durch eine Wand getrennt). Die Küchen sind in traditioneller Architektur (die ein Kochen mit offenem Feuer bei hohen Außentemperaturen ermöglichen) mit gemischten Baumaterialien errichtet.

Eine Mischung aus traditionellen und modernen Baumaterialien wurde bei Gebäuden in 21 Gärten verwendet. Für Hühner, Truthühner, Enten und Schweine sind in 7 Gärten kleine Hütten oder Unterstände vorhanden. In ihrer Bauart und in den verwendeten Materialien sind sie alle unterschiedlich.

4.4. Botanische Zusammensetzung

4.4.1. Artenzahl in taxonomischer Beziehung

Die Flora der 30 untersuchten Gärten besteht in Summe aus 66 Familien mit 184 Gattungen und 241 Pflanzenarten. Die artenreichsten Pflanzenfamilien in den 30 untersuchten Gärten sind die Leguminosen mit 21 Arten, die Compositen mit 17 Arten und die Rutaceen mit 13 Arten (Tabelle 2).

Tabelle 2: Anzahl der Pflanzenarten der 30 untersuchten Gärten pro Pflanzenfamilie.
 
Familie
Anzahl der Pflanzenarten in den 30 untersuchten Gärten
Leguminosae
21
Compositae
17
Rutaceae
13
Euphorbiaceae
10
Lamiaceae, Solanaceae
jeweils 9
Rubiaceae
8
Cucurbitaceae, Malvaceae
jeweils 7
Annonaceae, Apocynaceae, Graminae, Palmae, Verbenaceae
jeweils 6
Araceae, Lauraceae, Musaceae, Tiliaceae, Zingiberaceae
jeweils 5
Bignoniaceae, Bombacaceae, Agavaceae
jeweils 4
Amaranthaceae, Anacardiaceae, Commelinaceae, Crassulaceae, Myrtaceae, Portulacaceae, Sapotaceae, Sterculiaceae,
jeweils 3
14 Familien
jeweils 2
20 Familien
jeweils 1

Die Verbreitung der 241 Pflanzenarten in den 30 untersuchten Hausgärten ist sehr unterschiedlich. Sie reicht von einem Vorkommen in nur einzelnen Gärten (59 Pflanzenarten) bis zu einem Vorkommen in >50 % der Gärten (27 Pflanzenarten, die in Tabelle 3 ersichtlich sind). Das Höchstvorkommen betrifft zwei Pflanzenarten, die in 27 der 30 untersuchten Gärten (89,9 %) vohanden sind.

Tabelle 3: Pflanzenarten die in > 50 % der 30 untersuchten Gärten vorkommen.
 
Pflanzenart
Anzahl der Gärten
Anzahl der Gärten in %
Mangifera indica
27
89,9
Citrus sinensis
27
89,9
Persea americana
25
83,3
Annona muricata
24
79,9
Byrsonima crassifolia
24
79,9
Psidium guajava
24
79,9
Cocos nucifera
24
79,9
Citrus nobilis
24
79,9
Annona reticulata
23
76,6
Capsicum annuum
23
76,6
Sabal yapa
21
69,9
Citrus aurantifolia
21
69,9
Tagetes erecta
20
66,6
Guacimo ulmifolia
18
59,9
Inga paterno
17
56,6
Spondias purpurea
17
56,6
Tradescantia spathaceae
17
56,6
Musa ABB
17
56,6
Musa AAA
17
56,6
Bixa orellana
16
53,3
Carica papaya 
16
53,3
Piper auritum
16
53,3
Cnidoscolus chayamansa
15
50
Saccharum officinarum
15
50
Erythrina berteroana
15
50
Triumfetta semitriloba
15
50
Aegiphila monstrosa
15
50

 

4.4.2. Artenzahl in geographischer Beziehung

Eine Aufgliederung der Pflanzenarten nach den Florenreichen neotropisch (Tropen und Subtropen der Neuen Welt) und paläotropisch (Tropen und Subtropen der Alten Welt) zeigt, daß in den 30 untersuchten Gärten 158 Pflanzenarten (65,8 % aller Arten) neotropischen und 61 Pflanzenarten (25,4%) paläotropischen Ursprungs sind (Tabelle 4). Drei Pflanzenarten sind pantropisch und zwei Pflanzenarten kosmopolitisch verbreitet. Acht Pflanzenarten gehören dem holarktischen Florenreich und eine Pflanzenart dem Kapverde Florenreich an. Bei 8 Pflanzenarten konnte anhand der verwendeten Literatur nicht herausgefunden werden, welchen Florenreichen sie angehören. Die 158 Pflanzenarten der Neotropen können weiter aufgegliedert werden in 106 Arten (67 %), die u.a. in Südmexiko (Chiapas, Yucatan) und Guatemala beheimatet sind, 3 Arten (1,9 %), die aus nördlicheren Teilen Mexikos stammen und 10 Arten (6,3 %) aus anderen Teilen der Neotropen.

Tabelle 4: Aufgliederung der 241 gefundenen Pflanzenarten in den 30 untersuchten Gärten (sowie in den 15 Gärten des Dorfes A und in den 15 Gärten des Dorfes B) nach den Florenreichen und eine weitere Aufgliederung des Florenreichs der Neotropen nach der Heimat der Pflanzenarten.
 
Florenreich
Heimat
Anzahl der Pflanzenarten in den 30 Gärten

(davon im Dorf A bzw. B)

Neotropen  
158 davon
  u.a. Südmexiko, Guatemala
107
  Nordmexiko
3
  andere Teile der

Neotropen

10
  allg. Neotropen (keine genaue Einteilung nach der Heimat)
38
Paläotropen /
61
Pantropisch /
3
Kosmopolit /
2
Kap Verde /
1
Holarktisch /
8
nicht ausgewertet /
8

 

4.4.3. Artenzahl in vegetationskundlicher (pflanzensoziologischer) Beziehung

Die indianische Subsistenzlandwirtschaft setzt sich, wie in der Einleitung ausgeführt wurde, aus verschiedenen Elementen zusammen. Diese Wirtschaftsweise ist durch die Nutzung sowohl der natürlichen als auch der von Menschen gestalteten Ökosysteme (und damit verschiedener Sukzessionsstadien) gekennzeichnet (TOLEDO et al. 1976, TOLEDO 1978). Von CABALLERO et al. (1978) wurde eine Einteilung aller genutzten Pflanzenarten in Arten der Primär- und Sekundärvegetation für 13 indianische Ethnien vorgenommen. In Anlehnung an die oben genannten Studien wurde eine Einteilung der 241 Pflanzenarten der 30 untersuchten Hausgärten in Pflanzenarten der Primär- sowie Sekundärvegetation vorgenommen. Von den insgesamt 241 vorgefundenen Pflanzenarten kommen 50 Pflanzenarten auch in der Primärvegetation (d.h. geschlossener tropischer Regenwald der potentiell natürlichen Vegetation) Südmexikos vor. Die restlichen 191 Pflanzenarten sind der Sekundärvegetation dieser Region, d.h. Kulturlandschaft, Lichtungen, offene Vegetation im Gebiet geschlossenen Waldes u.a.m., zuzuordnen.
 
 

4.5. Art der Nutzung der Pflanzen

Alle 241 Pflanzenarten, die in den 30 untersuchten Gärten gefunden wurden, werden von den indianischen Kleinbauern auf irgendeine Art und Weise genutzt. Im ethnobotanischen Inventar bei VOGL (1998) sind die Nutzungsarten und die Teile der Pflanzen, die verwendet werden, für alle Arten stichwortartig in Form einer Tabelle beschrieben.

Die drei häufigsten Nutzungsarten der 241 gefundenen Pflanzenarten sind die Verwendung als Nahrungsmittel (112 Arten), als Heilpflanzen (78 Pflanzenarten) und als Zierpflanzen (46 Pflanzenarten). Die mögliche Zwei- bis Mehrfachnutzung von Pflanzenarten wurde in den Zahlenangaben berücksichtigt.

128 Arten weisen eine Einfachnutzung auf. 113 Pflanzenarten werden zwei- bis mehrfach genutzt (siehe Tabelle 5. 428 Produkte werden aus den 241 Pflanzenarten gewonnen. Dabei kann a) der gleiche Teil einer Pflanzenart auf verschiedene Weise (z.B. die Blätter von Chenopodium ambrosioides, die als Gemüse, Gewürz oder als Heilpflanze zubereitet werden) und b) zwei oder mehrere Teile von einer Pflanzenart (z.B. Carica papaya, deren Frucht roh gegessen wird und deren Latex und die Samen als Heilmittel zubereitet werden) genutzt werden.

Psidium guajava zeigt z.B. neun verschiedene Nutzungsarten auf: in erster Linie wird die Frucht als Nahrungsmittel verwendet; weiters die Rinde und die Blätter als Heilmittel, der Stamm für Konstruktionen, die Äste als Brennholz, der ganze Baum als Schattenspender, Kinderspielplatz, Sitzplatz für Hennnen und als lebender Zaun.

Tabelle 5: Anzahl der Pflanzenarten, die eine Ein- bis Mehrfachnutzung aufweisen.
 
Anzahl der Produkte (Ein-bis Mehrfachnutzung)
Anzahl der Pflanzenarten
Anzahl der Pflanzenarten in %
1
128
53,1
2
69
28,6
3
26
10,8
4
12
05,0
5
4
01,7
7
1
00,4
9
1
00,4

Als Nahrungsmittel werden Pflanzenarten verwendet, von denen entweder die Blätter (z.B. Amaranthus hybridus), Blüten bzw. ganze Blütenstände (z.B. Yucca elephantipes), Früchte (z.B. Mangifera indica), Samen (z.B. Cucurbita moschata) oder Wurzeln (bzw. Knollen z.B. Dioscorea trifida) roh, gekocht, gebraten oder getrocknet gegessen werden.

Gewürzpflanzen werden in großen Mengen verwendet. Sie werden zu den gekochten Speisen frisch dazugegessen (z.B. Capsicum annuum) oder mitgekocht (z.B. Eryngium foetidum ). Capsicum annuum und Capsicum frutescens werden oft auch getrocknet oder geräuchert.

Die Früchte von Citrus aurantium werden ausschließlich ausgepreßt als Getränk verwendet, während die Früchte von Citrus aurantifolia nur als Gewürz Verwendung finden. Die Früchte der anderen Citrusarten werden gegessen oder auch teilweise als Getränk zubereitet. Für Genußmittel bzw. Getränke werden entweder die gerösteten, gemahlenen Samen (z.B. Coffea arabica) oder die Blätter (Cymbopogon citratus) mit heißem Wasser übergossen. Der Inhalt der Frucht von Cocos nucifera (Kokosmilch, flüssiges Endosperm) wird getrunken.

Als Futter für die Küken von Hühnern, Truthühnern und Enten werden frische Blätter (z.B. von Tithonia diversifolia ) kleingerissen und mit gekochtem, geriebenem Mais (Maismasse, wie sie für die Zubereitung von Tortillas verwendet wird) vermischt. Die Blüten von Parmentiera edulis werden von den Truthühnern gerne gefressen. Sie werden aber auch anderen Geflügelarten gefüttert. Als Grünfutter für die Schweine werden die Blätter von Bäumen (z.B. Gliricidia sepium ) und eigens dafür gesäte Grassorten (z.B. Pennisetum purpureum) verwendet. Viel Futter wird von den Kleintieren, dadurch daß sie freien Auslauf haben, selber gesucht. Z.B. werden viele Früchte (die potentiell von der BesitzerIn gesammelt oder zubereitet als Nahrungsmittel für Menschen verwendet werden), die auf den Boden fallen, von den Haustieren aufgefressen. Solche Pflanzenarten wurden von den BesitzerInnen nicht als Tierfutter angegeben.

Für die Behandlung von Durchfall, grippalen Infekten, Magenschmerzen, Ohrenschmerzen, Augenentzündungen, Hautunreinheiten, Wunden, Schlangenbissen, gegen Wurmbefall, gegen Flöhe u.a.m. werden ganze Pflanzen (z.B. Sansevieria trifasciata) meist aber Teile von Pflanzen wie Blätter (z.B. Talinum paniculatum), Blüten (z.B. Eupatorium odoratum), Rinden (z.B. Psidium guajava), Wurzeln (z.B. Renealmia occidentalis), Früchte ( Parmentiera aculeata), Latex (z.B. Tabernaemontana alba) und zermahlenes Holz (z.B. Cedrela odorata) verwendet. Es werden einzelne ganze Pflanzen, verschiedene Teile einer Pflanzenart oder verschiedene Pflanzenarten (bzw. Teile verschiedener Pflanzenarten) pur oder gemischt verabreicht.

Oft werden Krankheiten, die zwar mit schulmedizinischer Bezeichnung benannt werden können, mit kulturellem oder traditionell-religiösem Hintergrund erklärt bzw. behandelt. Dazu werden zusätzlich zu verschiedenen Heilkräutern die Blüten (z.B. Sprekelia formosissima), Blätter (z.B. Chamaedorea cataractarum) und Früchte (z.B. Cresentia sp.) von Pflanzenarten verwendet, die rituelle Bedeutung besitzen. Bei diesen Zeremonien wird zusätzlich zu den rituellen Pflanzen die z.B. unter das Bett des Kranken gelegt werden, auch mit Beschwörungsgebeten, Weihrauch, brennenden Kerzen, Alkohol und geopferten Kleintieren die Krankheit aus dem Menschen vertrieben.

Die Rinde von Cochlospermum vitiolium und die Blätter von Swietenia macrophylla werden Tieren bei Knochenbrüchen verabreicht. Gebrauchsartikel für den Haushalt sind häufig aus Pflanzenmaterial wie z.B. die ausgehöhlten harten Früchte von Cresentia cujete zur Aufbewahrung von Tortillas bzw. als (Trink-)Gefäße. Die Blätter von Musa sp. und anderen großblättrigen Stauden werden zum Einwickeln von Speisen, Gegenständen und zum Zudecken von Töpfen verwendet. Als Schwamm zum Abwaschen von Geschirr und als Badeschwamm dient die reife faserige Frucht von Luffa aegyptiaca.

Körbe werden aus dem Stamm der leicht biegsamen Kletterpalme Desmoncus quasillarus geflochten. Für die Besen werden Blätter (z.B. von Cryosophila argentea) oder ganze Pflanzen (z.B. Sida acuta) verwendet, die an einem Holzstiel (z.B. Mangifera indica) mit einer Rinde (z.B. Belotia mexicana) fixiert werden. Als Stiele von Arbeitsgeräten kommen nur Pflanzen in Frage, die ein langes, haltbares Holz haben und gut bearbeitet werden können (z.B. Psidium guajava).

Die Herstellung von Gewebe und Seilen wird nur mehr sehr selten praktiziert und zwar aus Agave sp., Ceiba pentandra und Gossypium hirsutum. Zum Färben von Lebensmitteln (Suppen, Reis u.a.) werden die Samen von Bixa orellana verwendet. Die Frucht von Genipa americana enthält einen dunklen Saft, der eine schwarze Farbe abgibt, die keine Verwendung findet.

Als Kinderspielzeuge dienen verschiedene Samen (z.B. Mangifera indica), harte Früchte (z.B. Lagenaria siceraria) harte Fruchtschalen (z.B. Delonix regia) und Blütenstände (z.B. Artocarpus altilis). Niedrige Bäume wie Psidium guajava dienen als Kletterbaum. Als Klebstoff wird der Latex von Tabernaemontana alba verwendet. Rinden zum Fixieren und Zusammenhalten von Dingen müssen sich gut vom Stamm (in einem Stück) herunterlösen lassen und strapazierfähig sein (wie z.B. die Rinde von Ochroma lagopus). Die Rinden werden auch zum Tragen von schweren Lasten über dem Kopf verwendet. Die Blüten von Cestrum nocturnum verströmen einen intensiven süßen Duft und werden deshalb im Garten geschätzt. Als Sitzplatz für Hennen sind Bäume geeignet die nicht zu hoch werden und viele waagrechte Äste aufweisen (z.B. Psidium guajava).

Als Brennholz sind nur bestimmte Pflanzenarten geeignet, die bei offenem Feuer in der Küche wenig rauchen, nicht zu schnell abbrennen und einen guten Heizwert erzielen. Die verwendeten Pflanzenarten werden von den Frauen unterteilt in sehr gut (z.B. Manilkara sapota), gut (z.B. Solanum erianthum) oder nicht so gut (z.B. Belotia mexicana) als Brennholz geeignet. Nur ein geringer Teil des Brennholzes stammt aus dem Garten. Laut Aussagen der BesitzerInnen wird Brennholz aus dem Garten nur verwendet, wenn keine Zeit war, Holz vom Feld oder aus dem Wald zu holen.

Als Gründüngung werden Pflanzen (z.B. Canavalia ensiformis) mit der machete abgehackt und auf dem Boden liegen gelassen. Leguminosen (z.B. Leucaena leucocephala) werden zudem wegen ihrer Stickstoffeinbringung als Gründüngung angepflanzt.

Als Grundpfeiler und Pfosten für die Dachkonstruktion der Gebäude werden Stämme (z.B. von Cedrella mexicana, Manilkara zapota, Bouteria sapota) mit gegabeltem Ende verwendet. Bäume, die einen geraden Stamm aufweisen wie Cedrella mexiana, Swietenia macrophylla werden in Form von gesägten Brettern als Wände für die Wohnhäuser und Küchen sowie für die Hütten der Tiere verwendet. Der Länge nach halbiert oder dünne Stämme (z.B. Lippia myriocephala, Sabal yapa) werden ebenfalls als Wand oder für die Konstruktion von Türen verwendet. Zum Dachdecken werden die Blätter von Sabal yapa oder Cocos nucifera verwendet. Zum Fixieren der einzelnen Teile der Gebäude dienen Rinden von Pflanzenarten, die sehr strapazierfähig sind.

Für die Konstruktion von Möbeln wie Tische und Sessel werden meist weiche Hölzer (z.B. Tabebuia rosea) verwendet. Pflanzenarten, die als lebender Zaun verwendet werden, müssen leicht durch Stecklinge vermehrbar sein (z.B. Yucca elephantipes), weil eine hohe Anzahl von Pflanzen benötigt wird. Bäume, die schnell und immer wieder austreiben (z.B. Erythrine berteroana), finden als Zaun ebenfalls Verwendung. Bäume mit geradem Stamm werden bevorzugt. Die Pflanzen werden dicht nebeneinander eingesetzt, damit der Zaun möglichst undurchdringlich wird. Von Vorteil sind hier Pflanzen wie Bromelia pinguin, die Stacheln besitzt. Andere Vorteile weisen Pflanzenarten auf, die mehrfach genützt werden können, wie z.B. Gliricidia sepium. Diese Baumart wird häufig als Zaun verwendet, gleichzeitig aber auch als Gemüse (Blüte), Tierfutter (Blätter), Brennholz, Gründüngung (N-Fixierer, Blätter), Konstruktionsmaterial (Stamm) und Heilpflanze (Blätter). Hibiscus rosa-sinensis wird hauptsächlich wegen der schönen Blüten als Zaun verwendet.

Als Schattenbäume finden nicht–laubwerfende (z.B. Cocos nucifera, Pithecellobium arboreum), aber auch laubwerfende (z.B. Enterolobium cyclocarpum) Bäume mit hohem Wuchs, meist geradem Baumstamm und einer dichtbewachsenen Krone Verwendung. Oft ist das schnelle Wachstum (und damit eine schnellere Verfügbarkeit von Schatten) von einigen Baumarten (z.B. Triumfetta semitriloba), und nicht die gute Eignung einer Art (mit langsamem Wachstum und dafür aber besserer Schattenbildung) ausschlaggebend für die Verwendung als Schattenspender.

Die Zierpflanzen (Ornamentalpflanzen) dienen zum Schmuck der Häuser und Gärten (z.B. Acalypha wilkesiana). Die rituell verwendeten Pflanzen (z.B. Pedilanthus tithymaloides) werden von diesen unterschieden.
 
 

4.6. Art der Handhabung der Pflanzen

Bei der Handhabung der Pflanzenarten kann nach BYE (1993) und CABALLERO (1994) eine abgestufte Form der menschlichen Manipulation festgestellt werden. Es wird unterschieden zwischen Pflanzenarten,

a) die kultiviert werden, d.h. Pflanzen werden über Samen oder auf andere Art und Weise gezielt angebaut;
b) die wild wachsen, aber einer beginnenden Handhabung unterliegen, d.h. spontanwachsende Pflanzen werden geschützt und vermehrt;
c) die wild wachsen, genutzt werden, aber keiner Handhabung unterliegen.

In Anlehnung an die oben genannten Studien wird die Form der Handhabung der Pflanzen sowie die Herkunft und Art der Reproduktion der Pflanzen in den 30 untersuchten Gärten, wie in Tabelle 6 ersichtlich, eingeteilt.
 

Tabelle 6: Formen der Handhabung und Herkunft bzw. Arten der Reproduktion der Pflanzen in den 30 untersuchten Gärten der Chol und Tzeltal Indianer mit dazugehörigen Beispielen von Pflanzenarten.
 
Form der Handhabung
Anzahl der Arten
Herkunft der Pflanzen und Art der Reproduktion Beispiele von Pflanzenarten
    Gekaufte Samen Brassica sp., Cucumis melo, Cucumis sativus .
kultivierte Pflanzenarten
138
Gekaufte Pflanzen veredelte Sorten von Citrus sinensis, Mangifera indica und Manilkara sapota..
    In Palenque gesammelte Samen oder Pflanzen bzw. Teile von Pflanzen. In erster Linie Zierpflanzen: Allamanda cathartica,Catharantus roseus, u.a.
    Im Garten gezielt gesammelte Samen oder Pflanzen bzw. Teile von Pflanzen Sechium edule, Carica papaya u.a.m.
    In der Primär- bzw. Sekundärvegetation gezielt gesammelte wildwachsende Pflanzen bzw. Teile von Pflanzen bzw. Samen Diaffenbachia sp., Plumeria rubra u.a.m.
wildwachsende Arten mit beginnender Handhabung 
63
Wildwachsende Pflanzen mit spontaner Reproduktion im Garten. Werden geschützt und vermehrt. Spathiphyllum friedrichsthalii, Ochroma lagopus, Cochlospermum vitifolium u.a.m.
wildwachsende Pflanzenarten
40
Wildwachsende Pflanzen mit spontaner Reproduktion im Garten. Sida acuta, Scoparia dulcis, Solanum nudum u.a.m.

138 Pflanzenarten werden in erster Linie kultiviert. Diese Pflanzen werden über Samen oder Stecklinge oder auf andere Art und Weise gezielt angebaut z.B. Citrus spp. und Musa spp.. Bei dieser Gruppe der Pflanzen sind einige Arten, die zwar in erster Linie kultiviert, in einigen Gärten aber auch spontanwachsend und geschützt gehandhabt werden, wie z.B. Psidium guajava und Byrsonima crassifolia. Diese Pflanzenarten sind heimische Obstbaumarten, die auch natürlich vorkommen.

63 Pflanzenarten unterliegen einer beginnenden Handhabung. Diese Pflanzenarten wachsen spontan in den Gärten. Sie werden geschützt und betreut (eingezäunt, bewässert) wie z.B. Chenopodium ambrosioides und Cecropia obtusifolia. Weiters zählen zu dieser Art der Handhabung Pflanzenarten, die bei der Errichtung des Gartens stehengelassen wurden, wie z.B. Pithecellobium arboreum und Inga punctata.

40 Pflanzenarten wachsen spontan in den Gärten und werden von den BesitzerInnen nicht speziell geschützt oder betreut. Auch diese Pflanzen haben meist einen Nutzen wie z.B. Sida acuta. Die Pflanzenarten in der Zone der Sekundärvegetation unterliegen keiner Handhabung. Diese Zone wurde aber nicht botanisch erhoben.
 
 

4.7. Funktionen der Hausgärten

4.7.1. Ernährung und Gesundheit

Der Garten ist eine lebende Vorratskammer, die 12 Monate im Jahr die verschiedensten frischen Früchte, Gemüse und andere Nahrungsmittel zur Verfügung stellt. Homegardens in Yucatan typically supply up to about one-fourth of calories and a much higher percentage of the protein, minerals and most vitamins" (ANDERSON 1993a: 4).Am Beispiel der Gewürze kann man erkennen, welche wichtigen Vitaminquellen in den Gärten vorhanden sind: "An ounce and a half of fresh chile peppers will more than satisfy an adult`s recommended daily allowance for vitamin C, and an ounce of dried ones will do the same for vitamin A" (ANDERSON 1993a: 4). Die chiles (kleine, scharfe Pfefferoni) werden z.B. zu verschiedenen Speisen direkt von der Staude oder in getrocknetem Zustand gegessen. Sie spielen wegen der großen verzehrten Menge eine bedeutende ernährungsphysiologische Rolle.

Mais und Bohnen werden von den Familien, deren Gärten untersucht wurden, als Hauptnahrungsmittel am Feld (milpa) angebaut. Früchte, Gewürze, Genußmittel und Gemüse werden zum Teil im Bereich der milpa, aber auch in den Hausgärten geerntet und vervollständigen die Nahrungsversorgung. 112 Pflanzenarten werden in den 30 untersuchten Hausgärten als Nahrungsmittel verwendet.

Als Ergänzung zu den Grundnahrungsmitteln dienen Kleintiere, die tierisches Eiweiß liefern. In 27 von den 30 untersuchten Gärten wurden zur Zeit der Untersuchung Kleintiere wie Truthühner, Enten, Hühner und Schweine gehalten. Konsumiert werden die Tiere großteils bei festlichen Anlässen, wie Geburtstagen oder kirchlichen Feiertagen. Diese Kleintiere werden ausschließlich mit selbst produziertem Futter herangezogen. Sie werden regelmäßig mit Mais und anderen Pflanzen, die gesammelt oder eigens für die Tiere auf dem Feld und im Garten angebaut werden, gefüttert. Weiters ernähren sie sich von den Haushaltsabfällen, suchen sich aber auch selbst Nahrung, indem sie im ganzen Garten, oft auch im ganzen Dorf, umherwandern.

Eine bedeutende Rolle für die Gesundheit bzw. die Versorgung von Kranken spielen die in den Hausgärten angebauten Heilpflanzen. 76 Pflanzenarten werden als Heilpflanzen verwendet. Diese sind schnell zur Hand, wenn sie benötigt werden und können, wenn es sein muß, auch von der Nachbarin geholt werden. Eine Fahrt mit dem ins nächste Spital ist für viele wegen der Fahrtkosten und der hohen Arztkosten nicht möglich. Für die Krankheiten, die mit kulturellem oder traditionell-religiösem Hintergrund erklärt bzw. behandelt werden, spielen einige Pflanzenarten, die im Hausgarten angebaut werden, eine wichtige Rolle.

"Yucatan presents a somewhat intermediate case: modern medicine is everywhere available, but nowhere so much so that herbalism is displaced. Virtually every garden has its medicinal herbs -sometimes only one or two, but often dozens. Such problems as intestinal worms, skin sores, and minor digestive upsets can be effectively treated. More serious conditions, including psychological or "cultural" ones, are treated" (ANDERSON 1993b: 88).

4.7.2. Soziale und kulturelle Funktionen

Die Arbeiten, die in Haus, Küche und Garten zu verrichten sind, werden zum Großteil von den Frauen und Mädchen durchgeführt. Der Mann und die Söhne sind in erster Linie für die Arbeiten auf den Feldern zuständig. Mädchen werden in der Regel für Arbeiten im Haushalt und zur Kinderbetreuung bzw. Buben für Arbeiten im Feld ab einem Alter von 5 bis 6 Jahren herangezogen. "Women often have a very major share in the gardening process, but, more importantly, women are usually the ones who actually use the produce. If they do not know how to cook, preserve, use or sell the offtake, or if they refuse to prepare it, the chances are that no garden will be made" (ANDERSON 1993b: 92). Frauen wissen, was die Familienangehörigen gerne essen, und diese Pflanzen werden dann bevorzugt angebaut. Dazu wörtlich die Bäuerin L: "Los hombres no les gusta sembrar y no saben que los niños gustan comer".

Der Garten ist ein Spielplatz für die Kinder. Es gibt kein gekauftes Spielzeug, aber im Garten findet sich immer etwas, das als Spielzeug verwendet werden kann. Hier sind die Kinder in der Nähe der Frauen und können gut beaufsichtigt werden. Meistens beaufsichtigen die nur um ein paar Jahre älteren Schwestern die kleinen Geschwister. Wenn Arbeiten im Haus oder Garten zu tun sind, werden ebenso die Mädchen herangezogen. Sie wachsen mit der Arbeit im Garten, mit den Pflanzen, den Haushaltsarbeiten und der Kinderpflege schon von Kindheit an auf.

Im Garten finden auch die meisten sozialen und kulturellen Kontakte bzw. Ereignisse innerhalb der Familie statt. Hier treffen alle Familienangehörigen zusammen. Nach anstrengenden Arbeiten am Feld, können im Garten, erleichtert durch schattenspendende Bäume, leichte Arbeiten wie Rebeln von Maiskolben, Ausbessern und Herstellen von Arbeitsgeräten, das Aussortieren von Samen nach der vorhergehenden Trocknung in der Sonne u.a.m. verrichtet werden. Aber genauso wie die innerfamiliären Kontakte werden die Beziehungen zu den Nachbarn in Haus und Garten gepflegt. So werden bei besonderen Anlässen, wie z.B. bei kirchlichen Festen, Besucher im Garten oder im Wohnhaus empfangen und bewirtet. Die Häuser sind durch die spezielle Architektur der steilen, luftigen Dachstühle, die mit Palmblättern gedeckt sind, kühl (wenn sie noch in alter Bauart gebaut sind). Hier kann sich die Familie an einem angenehmen Ort ausruhen und Kräfte sammeln.

4.7.3. Wirtschaftliche Funktionen

Aus den Erzeugnissen der Hausgärten werden (z.T. gemeinsam mit Produkten aus der Sekundärvegetation) eine Vielfalt von Gegentänden des täglichen Bedarfes (Besen, Küchengeräte, Spielzeug, Arbeitseräte etc.) hergestellt. Diese selbst hergestellten Gebrauchsgegentände kosten kein Geld, sind lange haltbar, leicht bzw. mit eigenen Mitteln reparierbar und belasten das Haushaltsbudget nicht. In diesem Sinn ist auch die Produktion von Nahrungsmitteln, Heilkräutern und Gewürzen "vor der Haustüre" für den täglichen Gebrauch (ohne die Notwendigkeit Geschäfte aufzusuchen) von wirtschaftlicher Bedeutung für die Besitzernnen. Gartenprodukte können darüber hinaus getauscht und bei Geldbedarf verkauft werden.

Besonders geeignet für den Verkauf von Früchten sind Feste, die im Dorf abgehalten werden, wo die Besucher auch von anderen Dörfern kommen. Was gerade verkauft werden kann oder verkauft werden soll, wird dann von den Kindern oder Frauen am Platz, wo das Fest stattfindet, angeboten. Mangos, Orangen, Avocados, Annona und Guanabana sind besonders dafür geeignet.

Eine wichtige Funktion hat der Garten auch in Notzeiten: "The gardens are also utilized when a sudden need for quick cash arises. Animals can be sold off, coconuts taken to market...." "Animals occupy a swing position -eaten in good times, sold during bad. It would not be possible to seperate the subsistence from the cash economy." (ANDERSON 1993a: 5). Vor allem die Kleintiere können als Sparkasse der Bauern bezeichnet werden. Wenn ein Notfall auftritt, kann ein verkauftes Schwein oder Huhn Leben retten, indem lebensnotwendige Medizin aus dem Verkaufserlös bezahlt wird.
 
 

4.7.4. Ökologische Funktionen

Die hohe Artenvielfalt bildet einen wichtigen Grundstock für die Erhaltung traditioneller Kulturpflanzen, wild vorkommender, nutzbarer Pflanzen und Pflanzen aus der lokalen Flora.

Die Pflanzen weisen nach Meinung der BäuerInnen eine sehr hohe Resistenz gegenüber Krankheiten auf. Es gibt laut Aussagen der BesitzerInnen nur sehr wenige Krankheiten und Schädlinge, die die Pflanzen schwächen. Nur mit den Arten Citrus sp. und Annona muricata haben die GartenbesitzerInnen Probleme. In keinem dieser 30 untersuchten Gärten werden chemische oder synthetische Pflanzenschutzmittel für die Bekämpfung von Krankheiten oder Schädlingen eingesetzt. Sie sind zum einen nicht notwendig und zum anderen hätten die Besitzer auch nicht genug Geld für diese Mittel. Es werden auch in keinem der 30 Gärten leicht lösliche synthetische Düngemittel verwendet.

Durch den stockwerkartigen Aufbau des Gartens werden Funktionen, die für die Stabilität dieses tropischen Agrarökosystems sehr wichtig sind, erreicht. "Die vier Funktionen eines Waldes können durch das stockwerkartige Pflanzmuster in zwei bis drei Etagen sichergestellt werden: Aufnahme von Nährstoffen, Speicherung dieser Nährstoffe, Schutz des Bodens vor Erosion und Ausgleich von Temperaturextremwerten" (BERGERET 1986: 119). Diese agrargökologischen Voraussetzungen sind in den feuchten Tropen streng zu beachten, um eine langfristige, nachhaltige Nutzung garantieren zu können.
 
 

5. Diskussion

Neben der Produktion von Grundnahrungsmitteln (Mais und Bohnen) auf der milpa, der Nutzung von Holz und Früchten aus unterschiedlichen Stadien der Sekundärvegetation (acahual), Fischfang und Jagd, stellen Hausgärten (solares) ein wesentliches Element zur ökonomischen, sozialen, gesundheitlichen und ökologischen Absicherung der indianischen Kleinbauern und damit einen integralen Bestandteil kleinbäuerlicher Subsistenz dar. Die Produktion von Pfefferoni (chilár), die Haltung von Rindern (potrero) und z. T. außerlandwirtschaftliche Beschäftigung in geringem Umfang als Hilfskraft bei verschiedenen Tätigkeiten, stellen darüber hinaus in manchen Familien Einkommensquellen dar.

Insbesondere die hohe Diversität (241 gefundene Arten in 30 Hausgärten) sowie der hohe Anteil an Mehrfachnutzung der Arten zeigen ein hohes Wissen der Choles und Tzeltales über Pflanzenarten und deren Verwendung sowie eine Strategie der Risikominimierung durch Produktdiversifizierung bzw. Verteilung von Erntezeiten nutzbarer Produkte über das gesamte Jahr. In diesem Zusammenhang stellen Kleintiere im Hausgarten einen weiteren wesentlichen Baustein dieses dargestellten Mosaikes dar. Arbeitsinput zur Pflege des Gartens erfolgt in der Regel nur zu Pflanzung, Unkrautbekämpfung, Schutz der Kulturen und Ernte. Es erfolgen weder Düngung noch Pflanzenschutz (weder pflanzlich noch synthetisch).

Einige Hausgärten zeigen eine deutliche Entwicklung in Richtung einer Reduktion der Artenvielfalt und des Sortenspektrums zugunsten Arten/Sorten mit größeren Marktchancen. Aktivitäten zur weiteren Verbreiterung bzw. Erhaltung des Artenspektrums bei gleichzeitiger Berücksichtigung marktgängiger Arten zur Absicherung eines nachhaltigen Ertrages im Garten, auch über Maßnahmen organischer Düngung, Gründüngung, Baumschnitt, sowie zur Anlage von individuellen Baumschulen und Impfung von Kleintieren werden (neben anderen Tätigkeiten) durch regionale, indianische Menschenrechtsorganisationen gefördert und durchgeführt.

Es wurden in den 30 Hausgärten zwar 241 Arten festgestellt, jedoch gleichzeitig eine große Heterogenität des Artenbestandes sowie der Kenntnisse über die Arten zwischen Dörfern der Region. Die bereits durch lokale Gruppen forcierte Intensivierung der intraethnischen und interethnischen Kommunikation kann einen wesentlichen Beitrag zum Austausch von Wissen über Pflanzen und deren Nutzung bringen. In weiterer Konsequenz ist dies ein Schritt unter anderen zur Förderung der Risikoabsicherung und in Zusammenhang mit politischer und rechtlicher Aktivitäten indianischer NGOs in der Region zur Verbesserung der Lebenssituation der indianischen Kleinbauern von Chiapas.
 
 

6. Literaturverzeichnis
 

7. Literatur die zur Bestimmung der Pflanzenarten vor Ort diente
 

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Stand: 20.9.2002