Beitrag zur Gartenkonferenz 2000
Perspektiven der Garten- und Kleinstlandwirtschaft in Stadt und Land - zur sozialen und ökologischen Notwendigkeit einer "weiblichen Ökonomie"  vom 21. - 25. Juli 2000 in Berlin, AG Kleinstlandwirtschaft und Gärten in Stadt und Landt gartenkonferenz@gmx.de , http://userpage.fu-berlin.de/~garten/

 
 
 
 
 
 
 

Elisabeth Meyer-Renschhausen
Arbeitskreis Kleinstlandwirtschaft und Gärten in Stadt und Land

Garten- und Kleinstlandwirtschaft in der Uckermark – ökologisch orientierte Eigenarbeit in Zeiten der Erwerbslosigkeit.

Zahlreiche Dörfer und Kleinstädte im nordöstlichen Brandenburg gelten seit dem Abwickeln der örtlichen Landwirtschaft als zum Erlöschen bestimmte Orte. Die nationale Dorfstudie meint, daß allein ein vermehrtes Verfügungbar-Machen von Wohnmöglichkeiten im Einzelhaus diese Ortschaften vor dem Erlöschen bewahren könnte. Aber unsere Hypothese ist, daß gerade in den peripheren Regionen der Neuen Bundesländer Gärten oder Land für Kleinlandwirtschaften eine ebenso bedeutsame Rolle spielen. Der kommunale Erhalt von traditionellen Nutzgärten und Landarbeiter-Kleinlandwirtschaften kann die alteingesessene Einwohnerschaft von weiterer Abwanderung abhalten und damit diese Landstriche vor massiver Entvölkerung bewahren.

In der Uckermark (im nördlichen Land Brandenburg) war bis zur Wende die Landwirtschaft der einzige Arbeitgeber. Seit dem Schließen der LPG verloren vor allem die Frauen der Ortschaften und Dörfer ihre Erwerbsarbeit. Unsere Vorstudien haben gezeigt, daß die Frauen, erwerbslose oder Vorruheständlerinnen durch die Übernahme von Ehrenämtern, selbstlosem Helfen in der Nachbarschaft, aber vor allem und nicht zuletzt durch rastloses und öffentlich sichtbares Wirtschaften in Hof und Garten zum sozialen wie landschaftlichen Erhalt der Region beitragen. Die Gärten ermöglichen und provozieren Ringtausch-Systeme unter Verwandten und Freunden, die trotz Erwerbslosigkeit den Ort und Umgebung als sozialem, lebenswertem Raum erhalten.

Gärten sind als eine Sphäre, in der Eigenwirtschaft möglich ist, nicht nur für das materielle, sondern vor allem für das seelische Leben von Erwerbslosen (Vorruheständlerinnen und Frührentner) von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Für von Dauererwerbslosigkeit und Verarmung betroffenen Menschen, zu 90% Frauen, bedeuten Gärten oder Kleinlandwirtschaft tätig bleiben zu können und selbständig wirkliche Produkte für die verwandtschaftliche Tauschringe erarbeiten zu können.

So bedeuten Gärten und Kleinlandwirtschaft für Menschen in marginalen Randlagen, die Chance "trotzdem" zum – touristischen relevanten - Erhalt der Landschafts und zu einer nachhaltige Ökonomie der Region beitragen zu können, stärkt bei Frauen ohne Erwerbsarbeit das Selbstbewußtsein und erfüllt sie mit dem berechtigten Stolz, Ernährerin der Familie zu sein. Damit erhalten Gärtnerinnen und Kleinsthofbetreiber den sozialen Frieden einer Region.

Seit der Forschung über die Arbeitslosen von Marienthal 1932 wissen wir, daß ein Mehr an Hausarbeiten ein normales Phänomen der Krise ist und Arbeitslose Chancen und Anleitungen zu gärtnerischer Selbstversorgung gerne aufgreifen. Seither wissen wir aber auch, daß die Frauen und Männer, die Erwerbslosigkeit durch vermehrte Eigenarbeiten und Haus und Garten ausgleichen können, von der lähmenden Passivisierung durch die typische Arbeitslosendepression bewahrt bleiben.

Deshalb sollte der Sozialstaat als solcher erneut über die Möglichkeit von selbstversorgendem Wirtschaften im Eigenbau nachsinnen: Ist es nicht sinnvoll, Erwerbslosen zu ermöglichen, über den Bereich Garten zum Landschaftserhalt und zu einem nachhaltigen oder besser noch: vorsorgenden Wirtschaften beitragen zu können? Gibt nicht, dergestalt zum Erhalt von Land und Landschaft, zum Erhalt der Erde und der Natur beitragen zu können, erwerbslosen Frauen und Männern einen Teil "Lebenssinn" zurück und damit einen Platz in der Gesellschaft? Brauchen wir nicht gerade solche Sinngebung zum Erhalt des sozialen Friedens (Jugendgewalt!) ebenso wie zum Erhalt der betroffenen Region als Lebensraum und Kulturlandschaft. Kann die Uckermark nicht eigentlich nur so zu einer für Touristen attraktiven Gegend – als Voraussetzung auch für die anziehende Wirkung von Naturschutzgebieten - gemacht werden?
 
 
 

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Stand: 20.9.2002