Beitrag zur Gartenkonferenz 2000
Perspektiven der Garten- und Kleinstlandwirtschaft in Stadt und Land - zur sozialen und ökologischen Notwendigkeit einer "weiblichen Ökonomie"  vom 21. - 25. Juli 2000 in Berlin, AG Kleinstlandwirtschaft und Gärten in Stadt und Land, C/O Freie Universität Berlin, Institut für Soziologie, Elisabeth Meyer-Renschhausen, Bülowstr.74, D-10783 Berlin, Tel.:+49 (0)30 -2612287 gartenkonferenz@gmx.de 

 
 
 
 
 
 
 

Elisabeth Meyer-Renschhausen
Arbeitsgruppe Kleinstlandwirtschaft und Gärten in Stadt und Land
 

Kleinstlandwirtschaft und Gärten als "weibliche Ökonomie" – zur Bedeutung von Lebenswelt und Hausarbeit
in Zeiten der Erwerbslosigkeit

Gärten und Kleinstlandwirtschaften gehören zur der - im öffentlichen Diskurs angesichts steigender Erwerbslosigkeit - wieder entdeckten informellen Ökonomie. In der Alten Gesellschaft waren Hof und Garten unabdingbarer Bestandteil des Oikos, des von Otto Brunner so genannten "Ganzen Hauses". Auch heute gehören Gärten, Kleintierhaltung und Selbstversorgerlandwirtschaft zum Subsistenzbereich der häuslichen Wirtschaft. Haushalt und Lebensmittelanbau bilden den eigentlich primären, grundlegenden Sektor der Wirtschaft.

Seit Erfindung der Nationalökonomie wurde jedoch lediglich die verkaufsorientierte Landwirtschaft als primärer Sektor verstanden. Seit Mitte des 19. Jahrhundert wurde gezielt übersehen, daß Grundlage der gesamten Volkswirtschaft wie des "primären" Sektors die Versorgungsleistungen des Privathaushalts sind, ohne den kein Mensch leben geschweige denn arbeiten kann. Hausarbeit und Kleinstlandwirtschaft wurden als den Frauen zugeschriebene, insofern "weibliche " Ökonomie, volkswirtschaftlich nicht gerechnet, galten als Relikt finsterer Zeiten, als überholt und abschaffenswert.

Daher werden Gärten und Kleinstlandwirtschaft als nicht besteuerbar von Staat und Wirtschaft als nicht existent, als für die Planung einer Region als irrelevanter Faktor betrachtet. In den letzten zehn Jahren versuchten Politiker und Planer in Stadt und Land (Berlin und Brandenburg) Gärten von Frauen und Männern, sogar Kleingärten von Vorruheständlerinnen und Erwerbslosen) als Bauland um zu widmen.

Gerade Gärten sind aber als eine Sphäre, in der Eigenwirtschaft möglich ist, nicht nur für das materielle, sondern vor allem für das seelische Leben von Erwerbslosen (Vorruheständlerinnen) von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Für von Dauererwerbslosigkeit und Verarmung betroffenen Menschen, das sind in den neuen Bundesländern, in den peripheren Provinzen zumal, zu 90% Frauen, bedeuten Gärten oder Kleinlandwirtschaft, dennoch tätig bleiben zu können, und selbständig Produkte für verwandtschaftliche Tauschringe erarbeiten zu können.

Ein Stadtteil, ein Dorf, dessen Wirtschaft, dessen Landwirtschaft abgewickelt worden ist, ist zum Veröden verdammt, wenn erwerbslosen Frauen und Vorruheständler weder Gärten noch Kleinlandwirtschaft zur Verfügung stehen. Anders herum bedeuten Gärten und Kleinlandwirtschaft für Marginalisierte, die Chance über Gartenbewirtschaftung zum Landschaftserhalt und zu einer nachhaltige Ökonomie der Region beitragen zu können. In Zeiten der massierten Erwerbslosigkeit ist die Ausweitung der Eigenwirtschaft in "Haus und Hof" für den Psychischen Frieden der Menschen unabdingbar. Gärten sollten ein Grundrecht für alle sein, sie sind im Sommer der schönste und grundsätzlich der "nahrhafteste" Teil der Eigenwirtschaft. Die eigene Haushaltsgruppe mit gesundem Gemüse versorgen zu können, stärkt bei Frauen ohne Erwerbsarbeit und gelegentlich auch Männer, weltweit das Selbstbewußtsein und erfüllt nicht nur Afrikanerinnen und osteuropäische Großmütter mit dem berechtigten Stolz, Ernährerin der Familie zu sein. Damit erhalten sie den sozialen Frieden einer Region, machen eine Landschaft zu einem von Menschen bewohnbaren Raum.
 

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Stand: 20.9.2002