Wissenschaftler im Klinikum

Immer 100 Prozent


"Gehe ruhig und gelassen durch Lärm und Hast...", beginnt eine Liste mit Lebensregeln, die goldumrahmt und hinter Glas zusammen mit vielen bunten Zeichnungen seiner Kinder im Arbeitszimmer von Professor Dr. Bertram Wiedenmann hängt. Gemäß dieser Maxime hat der C3-Professor in der Abteilung für Gastroenterologie und Infektiologie des Universitätsklinikums Benjamin Franklin die Stationen seiner akademischen Laufbahn zielstrebig durchlaufen. Nach dem Abitur ging der gebürtige Bamberger zum Medizinstudium nach Kiel und wechselte nach der Vorklinik an das Klinikum Rechts der Isar, wo er, mit einem Jahr Unterbrechung im Royal Free Hospital London, bis zur Approbation als Arzt und bis zur gleichzeitigen Promotion (1980) blieb.

"Eigentlich wollte ich Landarzt werden, nach dem Vorbild eines Bekannten meiner Eltern, der in seinem Dorf auch Vizebürgermeister war." Eher zufällig kam Wiedenmann, dem als Student die klinische Chemie "verhaßt" war, zur Gastroenterologie. Nach der Approbation wollte Wiedenmann in die USA, um "mal etwas anderes zu sehen" und um zu testen, ob er mit wissenschaftlichen Fragestellungen überhaupt zurechtkäme.

Er landete ohne besondere Spezialisierungsvorstellungen am Albert Einstein College of Medicine in New York City und beschäftigte sich dort mit Membrandefekten von Erythrozyten. Anschließend arbeitete der heute 44jährige zwei Jahre in Cambridge an der Harvard Universität, wo er Membranaufnahmeverfahren untersuchte.

"Damals ging es im Prinzip um gastroenterologische Vorgänge auf zellulärer Ebene, denn jede Zelle tauscht einmal in der Stunde ihre Oberfläche aus, wobei die Membran nach innen wandert und durch einen Exozytoseschritt erneuert wird. Dabei werden Hormone und verschiedene Substanzen aufgenommen, andere freigesetzt," erklärt Wiedenmann.

Die Zellforschung hat Wiedenmann, der, wenn er etwas macht "immer hundertprozentig einsteigt", dann nicht mehr losgelassen. Seit 1983 am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg tätig, entdeckte er dort ein Protein, das bei den neuroendokrinen Zellen ganz wesentlich an der Freisetzung von Substanzen beteiligt ist. Es wird heute in der Pathologie routinemäßig als Marker verwendet, um verschiedene Tumore zu identifizieren.

Nach der Habilitation zu diesem Thema begann Wiedenmann 1990 als Oberarzt im Klinikum Benjamin Franklin zu arbeiten, wo er seit 1994 eine C3-Stelle hat. Die Kombination von klinischem Alltag und Forschung empfindet er als ideal, denn der Umgang mit Patienten macht ihm viel Spaß. Gleichzeitig bleibt die Möglichkeit, neue Fragestellungen, die in der Klinik auftauchen, wissenschaftlich zu untersuchen. Die Fähigkeit zu organisieren, teambildend zu arbeiten und seine Leute zu motivieren, zählt der Sprecher eines Graduiertenkollegs am Universitätsklinikum Benjamin Franklin zu seinen besonderen Eigenschaften. Sie kommen ihm auch bei der Koordination des von ihm geleiteten Forschungsschwerpunkts Entzündliche Erkrankungen zugute. In diesen Funktionen versucht Wiedenmann eine Klammer zu schaffen, zwischen der Klinik und den Grundlagenfächern und den Forschungsinstituten (Max-Planck- und Max-Delbrück-Centrum).

Bei diesem Arbeitspensum bleibt dem dreifachen Vater, der mit einer Amerikanerin verheiratet ist, wenig Zeit für andere Aktivitäten. Drei bis viermal in der Woche schwimmt der Frühaufsteher Wiedenmann, um sich selbst fit zu halten. Der Rest der Freizeit ist für die Familie reserviert. So begleitet er seine beiden Jungs am Wochenende regelmäßig als Betreuer bei Fußballspielen und ist dann abends "genauso fertig wie nach einem langen Arbeitstag."

Betina Meißner


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